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OGH vom 07.07.1988, 8Ob516/88

OGH vom 07.07.1988, 8Ob516/88

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Amir F***, Student, Wien 5., Embelgasse 66/12, vertreten durch Dr. Karl Dieter Zessin, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T*** Gesellschaft mbH, Wien 13., Jaunerstraße 48, vertreten durch den Geschäftsführer Mohammed T***, Kaufmann, derzeit unbekannten Aufenthaltes, dieser vertreten durch den Abwesenheitskurator, Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Nichtigerklärung eines Generalversammlungsbeschlusses gemäß § 41 GmbHG infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 5 R 178/87-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 30 Cg 580/86-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 6.134,-- bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin die Umsatzsteuer von S 557,70) und die mit S 17.360,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von S 10.000,-- und die Umsatzsteuer von S 669,15) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und Mohammed T*** sind geschäftsführende Gesellschafter der Beklagten. An dieser sind der Kläger mit einer Stammeinlage von S 50.000,--, Mohammed T*** mit einer Stammeinlage von S 200.000,-- und seine Ehefrau Tuba T*** mit einer Stammeinlage von S 250.000,-- beteiligt.

Der Kläger begehrte, die in der außerordentlichen Generalversammlung der T*** Gesellschaft mbH am von Dr. Wolfgang W*** mit den Stimmen des Mohammed T*** und der Tuba T*** gefaßten Beschlüsse, nämlich die Geschäftsführer Mohammed T*** und Amir F***

abzuberufen, die Gesellschaft aufzulösen und zu liquidieren, die Liquidationsfirma T*** Gesellschaft mbH iL anzunehmen und Dr. Wolfgang W*** zum selbständig vertretungs- und zeichnungsbefugten Liquidator zu bestellen, als nichtig aufzuheben und für rechtsunwirksam zu erklären. Mohammed T*** habe ihn mit der am in Teheran ausgestellten Vollmacht mit der Vertretungsmacht ausgestattet, in Fragen der Bestellung des Vorstandes und der Auflösung der Beklagten für ihn einzuschreiten und zu handeln. Da Mohammed T*** die Ausübung seiner Gesellschafterrechte an ihn übertragen und somit für seine inländische Vertretung in diesen Belangen selbst gesorgt habe, sei där Tätigkeit des Abwesenheitskurators in den Gegenständen der außerordentlichen Generalversammlung vom jede Grundlage entzogen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe mit einer nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Vollmacht versucht, das Zustandekommen einer Mehrheit zu verhindern. Die vom Kläger vorgelegte Vollmacht laute weder auf die Teilnahme an der Generalversammlung noch auf Abstimmung in dieser. Die Ausübung der Vollmacht sei aber auch deshalb unwirksam, weil ein seinerzeitiger gewillkürter Vertreter eines Abwesenden nicht Maßnahmen des später bestellten Abwesenheitskurators verhindern könne. Die Ausübung der Vollmacht wäre zudem grob mißbräuchlich, weil der Beklagte keinerlei Geschäftstätigkeit ausübe und keine Gewerbeberechtigung besitze und der Kläger keine Gründe für die von ihm versuchte Ausübung der Vollmacht nennen könne. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende Feststellungen:

Die zu HRB 31.688 des Handelsgerichtes Wien protokollierte Beklagte wurde am amtswegig gelöscht. Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom wurde die Eintragung der Löschung wiederum gelöscht und der frühere Registerstand wiederhergestellt.

Auf Antrag der Tuba T*** bestellte das Bezirksgericht Hietzing mit Beschluß vom Rechtsanwalt Dr. Wolfgang W*** zum Abwesenheitskurator des Mohammed T***. Sein Wirkungskreis wurde auf die Verfügung des Abwesenden über sein in Österreich befindliches Vermögen, insbesondere hinsichtlich der Beklagten, und die hiefür erforderliche Vertretung beschränkt. Mit Beschluß vom ermächtigte das Bezirksgericht Hietzing den Abwesenheitskurator zur Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung und zur Stimmabgabe im Sinne der nunmehr angefochtenen Beschlüsse.

In der außerordentlichen Generalversammlung vom faßte Rechtsanwalt Dr. W*** in der Eigenschaft als Abwesenheitskurator des Mohammed T*** und als Bevollmächtiger der Tuba

T*** die mit dem vorliegenden Klagebegehren angefochtenen Beschlüsse. Der Kläger stimmte im eigenen Namen und als Bevollmächtigter des Mohammed T*** gegen diese Beschlüsse. Zum Nachweis der Bevollmächtigung legte er eine beglaubigte Kopie einer Übersetzung aus dem Persischen vor. Gegenstand dieser Übersetzung ist eine Urkunde aus dem Dokumentenregister, die eine Vollmachtserteilung des Mohammed T*** an den Kläger vom zum Inhalt hat. Der Gegenstand der Vollmacht ist (in wörtlicher Wiedergabe) wie folgt umschrieben:

"Ueberpruefung der lage der Gsellschaft Taher Jouyan und Beschluß Ueber Verbleib der Gesellschaft oder deren Aufloesung (der Mandant gibt an, er sei Geschaeftsfuehrer und Vorstandsvorsitz der genannten Gesellschaft). Vollzug der gesetzl formalitaeten, Unterzeichnen aller papiere Erstellung von protokollen, Eingehen auf Verpfliehtungen Bestellung der neuen Vorstand Einzahlung U. abhebung

Zur Deckung der Aufwendungen Wie Steuer Usw Kto. Nr. 683021307 der Zentral Sparkasse - Wien."

Auf der Rückseite der vorgelegten Kopie befindet sich unter anderem ein Beglaubigungsvermerk der Österreichischen Botschaft in Teheran vom betreffend die Unterschrift eines Herrn E*** und ein iranisches Amtssiegel.

Der Kläger und Rechtsanwalt Dr. W*** erklärten bei der Generalversammlung jeweils, Widerspruch gegen die Beschlüsse der Gegenseite zu Protokoll zu erklären.

Der Kläger trug die Beschlüsse der Generalversammlung vom am in das Protokollbuch der Beklagten ein. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß für die Entscheidung maßgebend sei, wer in der Generalversammlung vom für den Gesellschafter Mohammed T***

stimmberechtigt war. Gemäß § 39 Abs 3 GmbHG sei die Ausübung des Stimmrechtes durch einen Bevollmächtigten zulässig, doch bedürfe es hiezu einer schriftlichen, auf die Ausübung dieses Rechtes lautenden Vollmacht. Grundsätzlich habe sich der Vertreter durch eine schriftliche Gattungsvollmacht auszuweisen, die auf die Ausübung des Stimmrechtes bei Gesellschafterbeschlußfassungen laute. Es sei nicht erforderlich, daß die Stimmrechtsvollmacht die Generalversammlung mit Datum bezeichne, in welcher der Bevollmächtigte das Stimmrecht ausüben dürfe, oder daß die Beschlußgegenstände angeführt werden. Aus der Beschreibung des Gegenstandes der vom Kläger vorgelegten Vollmacht ergebe sich hinreichend deutlich, daß der Vollmachtsgeber beabsichtigte, sich durch den Bevollmächtigten in der Ausübung des Stimmrechtes bei der Abstimmung über die Auflösung der Gesellschaft und die damit zusammenhängenden Fragen vertreten zu lassen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, daß die vom Kläger vorgelegte Vollmacht diesen nicht zur Stimmabgabe gegen den Willen des Abwesenheitskurators berechtigte. Auszugehen sei davon, daß das Bezirksgericht Hietzing für Mohammed T*** Rechtsanwalt Dr. W*** zum Abwesenheitskurator bestellt und diesen bisher nicht enthoben hat. Nach der Neufassung des § 283 Abs 1 ABGB durch das SachwG gelte für das Erlöschen der Kuratel § 249 ABGB, wonach die Kuratel kraft Gesetzes nur mit dem Tod des Abwesenden oder des Kurators erlischt. Da nach dem Parteienvorbringen ein solcher Fall nicht vorliegt, könne der Abwesenheitskurator nur mit konstitutiver Wirkung gemäß Abs 2 leg. cit. enthoben werden. Dies sei bisher nicht geschehen. Daher vertrete er im Umfang des Bestellungsbeschlusses weiterhin den abwesenden Mohammed T***. Da im Widerstreit von Erklärungen des Vertretenen und des Bevollmächtigten schon im Hinblick auf die jederzeitige Widerruflichkeit der Vollmacht die Erklärungen des Geschäftsherrn maßgeblich sind, sei die Stimmabgabe durch den Kläger als Bevollmächtigter gegen den erklärten Willen des Kurators unwirksam. Der Kurator müsse, um seine Aufgabe erfüllen zu können, die Möglichkeit haben, im Rahmen seines Wirkungskreises die Vollmacht von Personen die früher vom Abwesenden bevollmächtigt wurden, zu widerrufen oder ihnen zumindest die Ausübung der Vertretungsmacht im Einzelfall zu untersagen. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß frühere Bevollmächtigte des Kuranden für den Anwesenden nachteilige oder auch einander widersprechende Erklärungen abgeben. Die Auffassung des Erstgerichtes, daß die Abwesenheitskuratel mit dem Handeln des Klägers als Vertreter des Abwesenden bei der Abstimmung über Fragen der Auflösung insoweit erloschen sei, könne daher nicht geteilt werden. Im Hinblick auf die mangelnde Vertretungsbefugnis des Klägers seien die von ihm angefochtenen Beschlüsse bei der Generalversammlung vom mit der erforderlichen Mehrheit zustandegekommen. Seine Klage sei somit nicht berechtigt, ohne daß näher untersucht werden müßte, ob die vorgelegte Vollmacht überhaupt zur Ausübung des Stimmrechtes in der Generalversammlung berechtigt hätte.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Kläger vertritt den Standpunkt, daß die ihm am erteilte Vollmacht des Mohammed T*** die dem Kurator Dr. Wolfgang W*** später mit den Beschlüssen des Bezirksgerichtes Hietzing vom und eingeräumte Vertretungsbefugnis "gebrochen" hätte. Der selbst gewählte Vertreter "gehe allemal dem fremdbestimmten voraus". Dazu war zu erwägen:

Auszugehen ist zunächst davon, daß die beklagte Gesellschaft ihren Sitz in Wien hat. Sie ist also eine inländische Gesellschaft. Darauf, ob deren Gesellschafter Ausländer sind oder ihren Wohnsitz im Ausland haben (Mohammed T*** ist derzeit unbekannten Aufenthaltes), kommt es somit nicht an (NZ 1955, 112 ua). Dem Sitzrecht unterliegen alle Fragen, die das Leben der Gesellschaft begleiten, nämlich die Bereiche der Innen- und Außenorganisation aber auch solche der Vertretungsmacht (Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechtes, 83, 84). Nach dem Sitz richten sich ferner die Stimmrechte ihrer Mitglieder sowie die Vertretung bei Ausübung von Mitgliedschaftsrechten und das Verhältnis zu den übrigen Mitgliedern (Schwimann, aaO, 84). Die Vorinstanzen haben daher zutreffend auf die hier zur Beurteilung stehenden Fragen österreichisches Recht angewendet.

Mit Recht wurde auch darauf Bedacht genommen, daß die vorliegend auf § 41 GesmbHG gestützte Klage gegen die beklagte Gesellschaft zu richten war, deren Vertretung - da nach dem Vorbringen des Klägers in der Klage (AS 2) und der beglaubigten Abschrift aus dem Handelsregister (Beilage A) jeder der beiden Geschäftsführer einzelvertretungsbefugt war - durch den nicht klagenden Geschäftsführer zu erfolgen hatte.

Im übrigen kann dem Berufungsgericht jedoch nicht gefolgt werden:

Es ist nicht notwendig, auf die einander widersprechenden Ansichten des Obersten Gerichtshofes (vgl. SZ 54/15 = GesRZ 1981, 115; EvBl 1981/128 ua) und der herrschenden Lehre (vgl. Kastner, Gesellschaftsrecht4, 310, derselbe aber auch schon in der in der GesRZ 1981, 115, zitierten 3. Auflage 274; weiters Reich-Rohrwig, GmbHRecht, 342, sowie Gellis, Kommentar zum GmbHG 136, Anm. 15) einzugehen, ob im Sinne des § 39 Abs 3 GmbHG eine Gattungsvollmacht genügt oder eine Spezialvollmacht erforderlich ist. Die hier vorliegende Vollmacht entspricht nämlich auch den Erfordernissen einer Spezialvollmacht, weil sich der Vollmachtsgegenstand mit dem dann von den tatsächlich gefaßten und nun angefochtenen Beschlüssen erfaßten Gegenstand deckt, nämlich dem Fortbestehen ("Verbleib der Gesellschaft") oder der Auflösung der Gesellschaft und den dadurch ausgelösten gesetzlich gebotenen Folgemaßnahmen.

Hat aber der Abwesende einen solcherart Bevollmächtigten zurückgelassen, findet der Aktionsbereich des Abwesenheitskurators im Sinne des § 276 ABGB (arg. "... wenn sie keinen ordentlichen Sachwalter zurückgelassen haben ...") dort seine Grenzen, wo der Entscheidungsbereich durch Bestellung eines Bevollmächtigten des Abwesenden ohnedies hinreichend abgedeckt ist. In einem solchen Fall darf der selbst für die Vertretung im Gesellschaftsbereich bestellte Abwesenheitskurator in dem durch die Vollmacht abgedeckten Entscheidungsraum für den Abwesenden nicht in der Generalversammlung abstimmen, es sei denn, er hat zum Schutze der gefährdeten Rechte und Interessen des Abwesenden dessen Vollmacht widerrufen. Dies ist hier nicht der Fall und zu einem solchen Widerruf wäre der Kurator nach dem Wortlaut und Inhalt des Bestellungsbeschlusses des Bezirksgerichtes Hietzing auch gar nicht legitimiert gewesen. Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichtes wird daher die in der Generalversammlung vom gefaßten oben näher umschriebenen Beschlüsse nicht rite zustandegekommen, weil Dr. W*** in diesem Bereich zur Vertretung des Mohammed T*** nicht berechtigt war. Dies hat die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses zur Folge, so daß antragsgemäß die Entscheidung erster Instanz wiederherzustellen ist. Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.