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OGH 25.03.2022, 7Ob563/95

OGH 25.03.2022, 7Ob563/95

Rechtssätze


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Normen
KO §31
KO aF §68
RS0064682
Zahlungsunfähigkeit kann schon dann angenommen werden, wenn der Schuldner mit mehreren Exekutionen zur Befriedigung verfolgt wird, selbst wenn diese bisweilen Erfolg haben; ebenso wenn gegen einen Schuldner wiederholt - in nicht allzulangen Zwischenräumen und nicht allzulange von einem Gläubigerantrag auf Konkurseröffnung - Versäumungsurteile erwirkt oder Wechselzahlungsaufträge erlassen werden, gegen die er keine Einwendungen erhebt.
Normen
KO §31 Abs1 Z2
ZPO §502 HIII2
RS0042837
Die Frage, welche Nachforschungen im einzelnen notwendig und zweckmäßig gewesen wären, um beim Anfechtungsgegner die Vermutung einer Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin entstehen zu lassen, stellt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar. Die Beurteilung, ob fahrlässiges Verhalten vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Normen
KO §30 Abs1 Z3
KO §31 Abs1
RS0064794
Ob dem Anfechtungsgegner Fahrlässigkeit zur Last fällt, bestimmt sich nach den ihm im Zeitpunkt der Vornahme der anzufechtenden Rechtshandlung zu Gebote stehenden Auskunftsmitteln, dem Maß ihrer ihm vernunftgemäß zuzumutenden Heranziehung und der Ordnungsmäßigkeit ihrer Bewertung.
Normen
KO §30
KO §31
RS0064379
Auch leicht fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit schadet (so auch schon 1 Ob 268/66).
Normen
KO §30 Abs1 Z3
KO §31 Abs1 Z2
RS0064672
Der im § 31 Abs 1 Z 2 KO normierte Tatbestand des Kennenmüssens ist dann erfüllt, wenn die Unkenntnis des Anfechtungsgegners auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht; es genügt leichte Fahrlässigkeit des Anfechtungsgegners.
Norm
KO §31
RS0086362
Die Frage, ob dem befriedigten Gläubiger die Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners bekannt sein musste, ist zu bejahen, wenn dem Gläubiger genügend verdächtige Umstände bekannt waren oder bei gehöriger Sorgfalt bekannt sein mussten, die den Schluss auf eine Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners rechtfertigen.
Normen
KO §30
ZPO §503 Z4 E4c24
RS0043674
Die Frage, ob die Begünstigungsabsicht hätte bekannt sein müssen, ist eine Rechtsfrage.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.Michael Waldbauer, Rechtsanwalt, 6330 Kufstein, Josef Eggerstraße 3, als Masserverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma ***** GesmbH, *****wider die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19, vertreten durch Dr.Amhof und Dr.Damian, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen S 468.870,98 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom , GZ 1 R 78/95-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 14 Cg 103/94f-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

20.610 (darin enthalten S 3.435 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Beurteilung der Frage, ob dem Anfechtungsgegner verschuldete Unkenntnis von der Zahlungsunfähigkeit bzw von der Begünstigungs- oder Benachteiligungsabsicht der späteren Gemeinschuldnerin zum Vorwurf gemacht werden kann, ist grundsätzlich eine im Rahmen des § 502 Abs 1 ZPO revisible Rechtsfrage. Die Frage, ob dem befriedigten Gläubiger die Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners bekannt sein mußte, ist zu bejahen, wenn dem Gläubiger genügend verdächtige Umstände bekannt waren oder bei gehöriger Sorgfalt bekannt sein mußten, die den Schluß auf eine Begünstigungsabsicht des Gemeinschuldners rechtfertigen (SZ 58/205; SZ 40/96). Eine Benachteiligungsabsicht bzw Zahlungsunfähigkeit des späteren Gemeinschuldners müßte dann bekannt gewesen sein, wenn die Unkenntnis des Anfechtungsgegners auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruhte. Es genügt dabei leichte Fahrlässigkeit des Anfechtungsgegners (ÖBA 1987, 341; JBl 1983, 654; SZ 55/65 ua; König,

Die Anfechtung nach der Konkursordnung2 Rz 280). Ob eine solche dem Anfechtungsgegner vorzuwerfende Fahrlässigkeit vorliegt, bestimmt sich nach den dem Anfechtungsgegner im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung zur Verfügung stehenden Informationen, die er zumutbarerweise heranziehen konnte, und ihrer ordnungsgemäßen Auswertung (SZ 55/65; JBl 1983, 654; BankArch 1987, 341; 1 Ob 632/88). In der jüngeren Rechtsprechung hat sich die Ansicht durchgesetzt, daß die Verfolgung des Schuldners mit mehreren Befriedigungsexekutionen nur eines von mehreren Indizien für die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ist (1 Ob 632/88; SZ 55/65) und daß es einem Sozialversicherungsträger nicht in jedem Fall zuzumuten ist, die Liquidität eines Beitragsschuldners durch Prüfung seiner Geschäftsunterlagen zu erheben (6 Ob 622/95). Insbesondere wurde auch ausgesprochen, daß die Tatsache häufiger Exekutionen zunächst nur den Schluß auf eine schlechte Zahlungsmoral des Schuldners erlaube, aber nicht unbedingt ein Anzeichen für das Fehlen liquider Mittel zur Schuldtilgung darstelle (6 Ob 524/84; 1 Ob 632/88).

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, daß trotz der eingeleiteten Exekutionsverfahren in keinem einzigen Fall die Durchführung eines Verkaufes von gepfändeten Fahrnissen notwendig war, um Zahlung zu erhalten, und daß aus der Tatsache, daß immer wieder dieselben Gegenstände laut Versteigerungsedikt zum Verkauf angeboten worden seien, mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf zu schließen gewesen sei, daß eine Befriedigung, zumindest Stundungsvereinbarung hinsichtlich der anderen andrängenden und betreibenden Gläubiger, erfolgt sei. Auch die in der Berufung geforderten Erhebungen seien durchgeführt worden, wobei diese keinen Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten der Gemeinschuldnerin erbracht hätten.

Da jedenfalls die Beurteilung der Frage, welche Nachforschungen im einzelnen notwendig und zweckmäßig gewesen wären, um beim Anfechtungsgegner die Vermutung einer Zahlungsunfähigkeit der späteren Gemeinschuldnerin entstehen zu lassen, ausschließlich von den Umständen des Einzelfalles abhängt, liegt keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor (7 Ob 1676/94).

Die Revision war daher ungeachtet des nicht bindenden Ausspruches des Berufungsgerichtes als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:1995:0070OB00563.95.1220.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAD-79713