OGH vom 31.03.1998, 10ObS108/98z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Hon.Prof.Dr.Danzl als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Carl Hennrich und Brigitte Augustin (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hermine Sch*****, im Revisionsverfahren nicht vertreten, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr.Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Rs 345/97i-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 5 Cgs 46/97z-8, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es insgesamt zu lauten hat:
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin als Bezugsberechigter nach dem verstorbenen Edmund Sch***** binnen 14 Tagen für die Zeit vom bis S 1.788,06 an anteiligem Pflegegeld der Stufe 5 nach dem BPGG zu bezahlen.
Das Mehrbegehren auf Zuerkennung der Pflegegeldstufe 7 wird abgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am geborene Edmund Sch***** ist der Gatte der Klägerin. Aufgrund seines Antrages vom wurde sein Pflegegeld von der beklagten Partei auf die Stufe 3 erhöht. Sein Pflegeaufwand betrug bis zum 152,5 Stunden monatlich, hernach mehr als 180 Stunden monatlich. Am verstarb er. Bis zu seinem Tod hatte sich sein Zustand bis zu einer praktischen Bewegungsunfähigkeit verschlechtert.
Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage stellte die Klägerin (als unstrittig Eintrittsberechtigte gemäß § 19 BPGG) das Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, das Pflegegeld der Stufe 7 ab Antragstellung zu gewähren.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den - eingangs zusammengefaßt wiedergegebenen - Sachverhalt rechtlich dahin, daß der Verstorbene bis zum lediglich die Voraussetzungen der Pflegegeldstufe 3 erfüllt habe, welches ihm ohnedies von der beklagten Partei bescheidmäßig zuerkannt worden sei. Trotz seiner sukzessiven Verschlechterung im Gesundheitszustand bis letztlich zur Pflegegeldstufe 7 ab habe jedoch ein die Stufe 3 übersteigendes Pflegegeld nicht zugesprochen werden können, weil eine Bekanntgabe der Verschlechterung des Leidenszustandes erst am erfolgt, das Pflegegeld aber im voraus zu entrichten und der Ehegatte der Klägerin am verstorben sei.
Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin erhobenen Berufung teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es die beklagte Partei schuldig erkannte, der Klägerin als Bezugsberechtigter für die Zeit vom 1.1. bis Pflegegeld der Stufe 5 BPGG für den am verstorbenen Gatten der Klägerin zu gewähren; das Mehrbegehren auf Pflegegeld der Stufe 7 wurde abgewiesen. Des weiteren wurde die beklagte Partei verpflichtet, bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von S 2.500,-- zu erbringen.
In Abweichung von der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes führte das Berufungsgericht aus, daß für den Dezember 1996 eine Erhöhung deswegen nicht in Frage komme, da gemäß § 9 Abs 3 BPGG die Neubemessung des Pflegegeldes bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse grundsätzlich nur mit dem auf die wesentliche Veränderung folgenden Monat wirksam werde. Da jedoch bereits ab Ende Dezember 1996 die Voraussetzungen des Pflegegeldes der Stufe 5 erfüllt gewesen seien, sei dessen Anhebung für Jänner 1997 berechtigt, zumal der Ehegatte der Klägerin bereits im Oktober 1996 einen Erhöhungsantrag gestellt und zum Zeitpunkt der Verschlechterung des Gesundheitszustandes das Verfahren über Erhöhung des Pflegegeldanspruches bereits anhängig gewesen sei; einer besonderen Bekanntgabe der Verschlechterung habe es nicht bedurft. Die Frage des Ruhens des Anspruches nach § 12 BPGG im Hinblick auf die stationären Aufenthalte des Genannten sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Da jedoch nicht ersichtlich sei, in welchem Umfang bereits eine Vorschußleistung (im Sinne des § 47 Abs 4 BPGG) auf den Pflegegeldanspruch erbracht worden sei, sei von einer Bestimmung der Leistungsverpflichtung Abstand zu nehmen und gemäß § 89 Abs 2 ASGG nur eine vorläufige Zahlung aufzutragen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im klageabweisenden Sinne abzuändern; in eventu den Spruch dahingehend abzuändern, daß der klagenden Partei keine vorläufige Zahlung zuerkannt werde.
Die klagende Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Die Revision ist gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig und auch teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Strittig ist nur mehr der Zeitraum 1.1. bis , nicht mehr jedoch die Höhe des Pflegegeldes für diesen Zeitraum, weil die Abweisung eines solchen über der Stufe 5 von der Klägerin unbekämpft blieb. Auch die Ausführungen der beklagten Partei in ihrem Rechtsmittel richten sich nicht gegen die Bejahung der Anspruchskriterien für diese Stufe an sich, sondern gegen die Leistungsverpflichtung dem Grunde nach. Während nach der Stammfassung des BPGG das Pflegegeld nach dessen § 17 Abs 1 jeweils am Monatsersten im voraus fällig war, wurde diese Bestimmung durch Art 21 Z 8 des Strukturanpassungsgesetzes 1996 BGBl 201 dahingehend novelliert, daß nunmehr bezüglich der Auszahlung des Pflegegeldes, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, die beim jeweiligen Entscheidungsträger in Vollziehung der im § 3 genannten Normen anzuwendenden Bestimmungen gelten. Die damit verbundene Neuregelung des Auszahlungsmodus trat nach § 48 BPGG (idF Art 21 Z 11 leg cit) am in Kraft. Damit einher ging die Neuregelung des § 68 Abs 2 BSVG (idF Art 36 Z 13 des Strukturanpassungsgesetzes), wonach ein Pensionsempfänger (hier also der später verstorbene Ehegatte der Klägerin) nach dem BSVG eine Auszahlung der Pension ab Jänner 1997 nur mehr monatlich im nachhinein beziehen konnte. Um allerdings zu verhindern, daß es hiebei zu einer Unterbrechung der Auszahlung (Dezember 1996 noch Auszahlung im voraus, Jänner 1997 Auszahlung hingegen erst im nachhinein) kommt, sahen sämtliche einschlägige sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eine Vorschußzahlung in Höhe der im Dezember 1996 gebührenden Pension (Rente) vor; demgemäß erschien es dem Gesetzgeber angebracht, gleiches auch im BPGG (durch Anfügung eines neuen § 47 Abs 4) anzuordnen (siehe hiezu auch RV 72 BlgNR 20. GP, 233).
Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen ist davon auszugehen, daß sich beim anspruchsberechtigten Edmund Sch***** aufgrund dessen äußerst rapiden und letztlich auch zum Tode führenden Krankheitsverlaufes der Zustand von einem solchen der Pflegegeldstufe 3 bis zum ab dem (bis zum Ableben am ) sukzessive bis zu einem Zustand der praktischen Bewegungsunfähigkeit (im Sinne der Stufe 7) verschlechterte. Damit ist auch davon auszugehen, daß diese Verschlechterung (als wesentliche Veränderung im Sinne des § 9 Abs 2 BPGG) auf den dieser wesentlichen Veränderung folgenden Monat, nämlich den Jänner 1997, gemäß § 9 Abs 3 BPGG Wirksamkeit zeitigte und daher zur Erhöhung des Pflegegeldes auf die (nicht mehr strittige) Stufe 5 für diesen Monat führt. Da der Genannte jedoch in diesem Monat verstarb und sein Anspruch auf Pflegegeld mit dem Todestag erlosch, gebührt ihm hiefür nach § 9 Abs 1 letzter Satz BPGG (idF Art 21 Z 3 des StrukturanpassungsG) freilich nur mehr der verhältnismäßige Teil des Pflegegeldes. Dieses betrug im maßgeblichen Monat S 11.591,-- (Stufe 5), somit anteilig für 20 Tage S 7.478,06 (die in einem Novellenentwurf des BMAS zu § 12 Abs 4 BPGG neue vorgesehene einheitliche Annahme eines Kalendermonats mit 30 Tagen bei Aliquotierung des Pflegegeldes aus Gründen der Einheitlichkeit und administrativen Vereinfachung hat hier noch unbeachtlich zu bleiben). Hievon ist allerdings das von der beklagten Partei für den Sterbemonat Jänner 1997 gemäß § 47 Abs 4 BPGG vorschußweise gezahlte Pflegegeld der Stufe 3 (= S 5.690,--) in Abzug zu bringen, sodaß sich letztlich noch ein offener Betrag von restlich S 1.788,06 für diesen Zeitraum ergibt. Dieser Betrag ist daher spruchmäßig der Klägerin, deren Nachfolgeberechtigung ebenfalls unstrittig ist, zuzusprechen. Die von der Revisionswerberin durch Analogien zum Pensionsrecht gewünschte gänzliche Negierung jeglicher Erhöhungsleistung für den Sterbemonat Jänner 1997 ist damit nicht in Einklang zu bringen. Auf die in der Revision behaupteten Ruhenszeiten vom 1. bis 3.1. und 18. bis (zufolge der auch vom Erstgericht festgestellten stationären Aufenthalte im Krankenhaus M*****) kann hiebei schon deshalb vom Obersten Gerichtshof nicht Bedacht genommen werden, da es hiezu an einem hiefür erforderlichen (Ruhens-)Bescheid mangelt (vgl 10 ObS 407/97v).
Insoweit kommt also der Revision teilweise Berechtigung zu. Verfehlt ist damit aber auch die Auffassung des Berufungsgerichtes, der beklagten Partei eine vorläufige Zahlung nach § 89 Abs 2 ASGG aufzuerlegen. Diese Bestimmung ist nämlich - wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat - im Pflegegeldverfahren nicht anwendbar, zumal der zahlenmäßige Anspruch für eine bestimmte Pflegegeldstufe durch das Gesetz als Fixbetrag bestimmt ist, sodaß die Voraussetzungen für eine bloße Entscheidung dem Grunde nach im Sinne dieser Gesetzesstelle schon von vorneherein ausscheiden (10 ObS 127/97t, 10 ObS 410/97k).
Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil sich die Klägerin mangels Erstattung einer Revisionsbeantwortung am Revisionsverfahren nicht beteiligte und ihr daher auch keine allenfalls erstattungfähigen Kosten erwachsen sind.