OGH vom 13.09.1995, 7Ob562/94

OGH vom 13.09.1995, 7Ob562/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****gesellschaft mbH KG, Klagenfurt, Völkermarkterring 1, vertreten durch Dr.Michael Mülner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Ö*****Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Nikolaus Siebenaller, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 16,188.257,43 s. A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 185/93-49, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 14 Cg 109/92-44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung 1.den

Beschluß

gefaßt:

Der Beschluß vom , 7 Ob 562/94, wird aufgehoben.

2. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 48.629,16 (darin S 8.104,86 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte verkaufte der Klägerin mit Kaufvertrag vom die Liegenschaft EZ ***** der KG ***** um 3 Mill.S. Diesem Ankauf ging ein Vorvertrag vom voraus, welcher inhaltsgleich mit dem später abgeschlossenen endgültigen Vertrag war. Die Klägerin wußte schon bei den Verhandlungen, die zum Vorvertrag führten, daß sich auf dem Grundstück früher eine Tankstelle befunden hatte und (zumindestens ab ) daß sich noch mehrere Tankbehälter im Erdreich befanden, weil die Beklagte am der Klägerin über deren Verlangen drei "Vormerkbücher" (Beilage I) übersandt hatte, aus denen hervorging, daß nach 1949 neun (Benzin- bzw Öl-) Tanks in die Liegenschaft eingebaut und nicht beseitigt worden waren. Im § 5 des Kaufvertrages (Beilage A) wurde als Nebenabrede unter anderem festgehalten, daß "eine Gewährleistung für ein bestimmtes Ausmaß sowie für bestimmte Eigenschaften und Beschaffenheiten des ver- bzw. gekauften Grundstückes samt den vorhandenen Lagerbehältern weder begehrt noch zugestanden ist".

Die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin hatte dieses Grundstück in den "Sechzigerjahren" erworben und darauf, wie schon die Voreigentümer seit 1949, eine Tankstelle betrieben, welche im Jahre 1982 (richtig 1972) stillgelegt worden war. Mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom waren der Beklagten im einzelnen aufgezählte Auflagen zur ordnungsgemäßen Auflassung dieses Tankstellenbetriebes nach § 83 der GewO erteilt worden. Mit dem Abbruch und dem Entfernen der Tankstelle laut diesem Bescheid waren von der beklagten Partei zwei dazu befugte Professionisten beauftragt worden. Unstrittig ist, daß die Beklagte über Ersuchen der Klägerin dieser noch vor Kaufvertragsabschluß die erforderlichen Vollmachten zur Einsicht in die Akten der Gewerbebehörde erteilt hat.

Die Klägerin beabsichtigte, ein Bürohaus auf dem Grundstück zu errichten, was der Beklagten im Zuge der Verkaufsverhandlungen bekannt wurde. Dementsprechend hat die Klägerin mit den von ihr betrauten Bauausführungsfirmen fixe Fertigstellungstermine und bei deren Überschreitung Pönale vereinbart. Im Zug der Aushubarbeiten stellte sich eine hochgradige Kontaminierung des Erdreiches durch ausgeflossene Erdölprodukte heraus. Insgesamt wurden 10 Tanks ausgegraben. Es konnte nicht festgestellt werden, wie (und wann) diese Kontaminierung verursacht worden ist. Der Großteil stammte aus dem Betrieb der Tankstelle, durch die Fa. H***** vor dem Jahre 1968. Die Klägerin hat, ohne die Beklagte von den von ihr entdeckten Umständen zu verständigen, einen Sachverständigen beigezogen und selbst die Entsorgung der kontaminierten Erdbereiche vorgenommen und hiefür unter Einschluß der Honorare für Sachverständigen und Baumeister S 16,188.257,43 ausgelegt (vgl. die detaillierte Aufstellung auf S. 7 des Ersturteiles). Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß die Beklagte nichts von der überdurchschnittlich hohen Kontaminierung wußte (AS 9 des Ersturteiles). Dieser Ausführung kommt Feststellungscharakter zu.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung von S 16,188.257,43 s.A. aus dem Titel der Gewährleistung, des Irrtums und des Schadenersatzes. Weder die im Gelände vergrabenen Tanks noch die Leitungen seien ordnungsgemäß entleert bzw. verfüllt worden. Die Beklagte habe nicht die ihr bescheidmäßig aufgetragene Entsorgung des Geländes vorgenommen. Ihr sei bekannt gewesen, daß von den vorhandenen Tanks nur sieben ordnungsgemäß verfüllt worden seien. Die Beklagte habe die Klägerin "vorsätzlich, fahrlässig in Irrtum geführt". Im übrigen habe sie ihre Aufklärungspflicht verletzt.

Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung. Sie habe vor Kaufvertragsabschluß der Klägerin mitgeteilt, daß sich auf dem Grundstück früher eine Tankstelle befunden habe und daß sich im Erdreich noch mehrere Tanks befänden. Die Klägerin begehre sittenwidrig eine den Kaufpreis um das 5,3fache übersteigende Aufwendung (Verbesserungsanspruch). Die Beklagte habe alle ihr anläßlich der Stillegung der Tankstelle von der Gewerbebehörde erteilten Auflagen erfüllt. Die Vorgangsweise der Klägerin, der Beklagten nichts von den entdeckten Kontaminierungen mitzuteilen, stelle ein grobes Mitverschulden am eingetretenen Schaden dar. Die Beklagte hätte die wesentlich überhöhten Entsorgungskosten geringer halten können, weil sie über eine eigene Deponie verfüge.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Es folgerte rechtlich, daß die Beklagte die Klägerin mit der Zusendung der "Vormerkbücher" ausreichend aufgeklärt habe. Danach habe die Klägerin mit einer Verschmutzung des Geländes rechnen müssen. Die Klägerin habe nicht bewiesen, daß die Beklagte den ihr im Betriebsauflassungsbescheid aufgetragenen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Die Klägerin habe ihre Schadensminderungspflicht gröblichst verletzt.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil. Es erklärte die Revision für unzulässig und folgerte rechtlich, daß die Klägerin aufgrund der Übersendung der Vormerkbücher noch vor Kaufvertragsabschluß über den gleichen Wissensstand wie die Beklagte verfügt habe. Die Klägerin könne den begehrten Aufwandersatz nicht auf den Titel der Gewährleistung stützen. Sie habe die Beklagte nicht zu einer Verbesserung aufgefordert und weder Preisminderung noch Wandelung begehrt. Die Irrtumsanfechtung versage, da die Klägerin weder eine Rückabwicklung des Geschäftes noch eine Vertragsanpassung begehre. Auch ein Schadenersatzanspruch sei nicht gegeben, weil die Beklagte die ihrem eigenen Wissensstand entsprechende Aufklärung der Klägerin gegeben habe. Der Beklagten könne schließlich auch eine Verletzung der Bestimmungen des § 83 GewO nicht zur Last gelegt werden, weil die Bodenverunreinigung nicht im Zusammenhang mit den von der Gewerbebehörde erteilten (und auch durchgeführten) Auflagen gestanden sei. Die Bodenverunreinigung sei auf andere (nicht von der beklagten Partei zu vertretende) Ursachen zurückzuführen. Auch für eine Solidarhaftung bestehe keine Grundlage.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wurde vom Obersten Gerichtshof mit Entscheidung vom zu 7 Ob 562/94 zurückgewiesen, weil sie nach dem auf dem Schriftsatz angebrachten Vermerk im Sinne des § 108 Abs 3 Geo am 4.Feber 1994 und damit am 29. Tag nach der am erfolgten Zustellung des Berufungserkenntnisses (unter Berücksichtigung der Gerichtsferien iSd § 222 ZPO), beim Erstgericht überreicht und daher verspätet erhoben worden sei.

In einem am eingelangten "Antrag auf Berichtigung" stellt die klagende Partei den Antrag, den Beschluß vom aufzuheben, weil die Revision nach dem von ihm vorgelegten Postaufgabeschein bereits am 3.Feber 1994 zur Post gegeben worden sei.

Aufgrund der Einvernahme des Klagevertreters ***** sowie der ***** und des ***** als Auskunftspersonen steht fest, daß die Revisionsschrift vom Klagevertreter am gegen 22,00 Uhr in Klagenfurt zur Post gegeben worden und der vom Einlaufbeamten des Erstgerichtes auf diesen Schriftsatz gesetzte Vermerk "überreicht" irrtümlich erfolgt ist. Die Angaben des Klagevertreters werden durch den in Fotokopie vorgelegten Postaufgabeschein sowie durch die Angaben seiner Sekretärin belegt. Über Vorhalt dieser Angaben konnte der Einlaufbeamte einen Irrtum seinerseits nicht ausschließen.

In analoger Anwendung der Bestimmung des § 419 ZPO (vgl auch § 522 ZPO) war daher dem Antrag der klagenden Partei Folge zu geben, die Entscheidung vom aufzuheben und über die Revision sachlich zu entscheiden (vgl zuletzt SZ 60/192 mwN).

Die gegen das Berufungsurteil erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Da anschließend an den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes zu Beginn des zweiten Rechtsganges der gesamte Akteninhalt vom Erstgericht gemäß § 138 ZPO verlesen worden ist (vgl AS 167), wurden damit auch die im ersten Rechtsgang nicht vorgetragenen Schriftsätze ON 7 und 8 Gegenstand des fortgesetzten Verfahrens. Sowohl im Schriftsatz ON 7 (AS 29) als auch im Schriftsatz ON 8 (AS 37) stützt die Klägerin ihr Begehren auf jeden erdenklichen Rechtsgrund, im besonderen auch auf Schadenersatz. Der Vorwurf im Berufungsurteil (AS 356 = S 4 der Urteilsausfertigung) erfolgte daher zu Unrecht.

Zum Grund des Anspruches:

Die Revision stützt sich vor allem auf einen Verstoß der beklagten Partei gegen § 83 GewO als Schutzgesetzverletzung. Die beklagte Partei wäre verpflichtet gewesen, auch die vom Bescheid der Gewerbebehörde nicht erfaßte Ölkontaminierung des Erdreiches, die letztlich den Aufwand der Klägerin verursacht habe, zu beseitigen, um der zitierten Gesetzesvorschrift zu entsprechen. Nicht nur der die Altlast nicht erfassende Beschei, sondern der ganz allgemein gehaltene Gesetzesbefehl, derartige Altlasten zu entfernen, stelle das Schutzgesetz dar, gegen das die Beklagte verstoßen habe.

In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wurde - soweit dies überblickbar ist - noch nicht über Haftungsfragen, die mit der Sanierung einer Altlastsituation, wobei die Altlast vor Ergehen des Altlastengesetzes entstanden ist, verbunden sind, Stellung genommen. Die Revision ist daher zulässig.

Erstmals sah das Sonderabfallgesetz (SAG) BGBl 186/1983 idF BGBl 376/1988 eine Definition des Abfallbegriffes mit "Sachen, deren Erfassung und Behandlung im öffentlichen Interesse geboten ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind" vor. Bis zur Kundmachung des Altlastensanierungsgesetzes (ALSAG BGBl 299/1989 idF BGBl 325/1990), dem Wasserbautenförderungsgesetz BGBl 148/1985 idF BGBl 216/1985 und BGBl 487/1985, dem Umweltfondsgesetz BGBl 567/1983 idF BGBl 325/1990 und dem Bundesgesetz über die Umweltkontrolle BGBl 127/1985 war der Begriff Altlast dem österreichischen Recht noch fremd. Dieses Gesetz (das ALSAG) versteht unter Altlasten befugt oder unbefugt durchgeführte (Alt)Ablagerungen jeglicher Abfälle, Altstandorte von Anlagen, in denen mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen wurde, sowie dadurch verunreinigte Böden und Grundwasserkörper, sofern davon eine Gefahr für die Gesundheit des Menschen oder die Umwelt ausgeht. Unklar ist der zeitliche Geltungsbereich dieses Gesetzes; die Regelung von Altlasten sowie deren Definition unter Verwendung der Verben in der Mitvergangenheit deuten auf eine Rückwirkung des Gesetzes insofern hin, als auch Ablagerungen und Standorte erfaßt werden sollen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes entstanden sind (vgl Kozak-Stern in NZ 1991, 185 ff). Da das ALSAG keinerlei Ge- oder Verbote im Zusammenhang mit der Behandlung von Altlasten enthält - es regelt vor allem die Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen durch den Altlastenbeitrag sowie Duldungs- und Beseitigungspflichten - kann sich die Rechtswidrigkeit der Ablagerung nur aus anderen Gesetzen ergeben, so zB dem WRG, der GewO, früher dem SAG- jetzt dem Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), aber auch nach den Landesabfallgesetzen usw. Damit haftet der Liegenschaftseigentümer, wenn er seinerseits schuldhaft die Ablagerung, die der Altlast zugrunde liegt, zumindest nicht verhindert hat. Den Erwerber der mit der Ablagerung bereits belasteten Liegenschaft trifft hingegen keine Haftung, da er weder zugestimmt noch sie geduldet haben kann, auch nicht, wenn er beim Erwerb das Bestehen der Altlast kannte (Kozak-Stern aaO 186 f). Das am in Kraft getretene AWG enthält umfassende Regelungen betreffend die Abfallbeseitigung und ersetzt seit dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens das Sonderabfallgesetz (SAG). Der Anwendungsbereich des AWG beschränkt sich zwar einerseits auf "gefährliche Abfälle", bezieht aber auch Altöle ausdrücklich mit ein. Nach § 18 Abs 2 AWG hat der Liegenschaftseigentümer nach Maßgabe des § 32 die auf seinen Grundstück widerrechtlich zurückgelassenen Abfälle und Altöle, wenn er der Ablagerung zugestimmt oder sie freiwillig geduldet hat und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterblieben sind, auf seine Kosten gemäß § 17 zu entsorgen. Dies gilt auch für Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers, wenn sie von der Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mußten. § 18 Abs 3 AWG ordnet eine Rückwirkung an, ohne diese ausdrücklich zu limitieren. Eine zeitliche Beschränkung seines Anwendungsbereiches ergibt sich aber aus dem Verweis auf das SAG: Dieses galt nämlich mangels Anordnung seiner Rückwirkung nur für Abfälle, die seit - dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens - entstanden waren. Mangels einer anderslautenden Regelung betrifft § 18 Abs 3 AWG somit nur jene Sonderabfälle, die nach dem entstanden sind und vor dem auf dem betreffenden Grundstück abgelagert worden sind (vgl Kozak-Stern aaO 187 f). Zur Entsorgung "alter" Abfälle, die keine Sonderabfälle sind, kann gemäß § 18 Abs 4 AWG der Liegenschaftseigentümer nur herangezogen werden, wenn er der Lagerung zugestimmt und dafür ein Entgelt erhalten hat. Unter diese Haftungsbestimmung fallen auch Altöle. Im Gegensatz zu § 18 Abs 3 AWG findet sich hinsichtlich der im Abs 4 enthaltenen Rückwirkungsanordnung kein Anhaltspunkt für eine interpretative Einschränkung; allerdings ist die Haftung in diesem Fall auf jenen Liegenschaftseigentümer reduziert, der selbst der Nutzung zugestimmt hat - der Rechtsnachfolger kann also nicht in Anspruch genommen werden; weiters ist die finanzielle Belastung auf den aus dem Geschäft gezogenen Vorteil beschränkt (Kozak-Stern aaO, 189). Aufgrund der vorliegenden Feststellungen kann nicht angenommen werden, daß es bei Aufdeckung der Kontaminierung gegenüber der Klägerin zu einem Verfahren nach § 18 AWG zu kommen gehabt hätte. Sohin ist die Anwendbarkeit der zuvor zitierten Gesetze zur Lösung des vorliegenden Rechtsfalles nicht gegeben.

Geht man von den als Feststellung zu wertenden Ausführungen des Erstgerichtes in seiner rechtlichen Beurteilung aus, daß die Beklagte nichts von der vorliegenden überdurchschnittlich starken Kontaminierung des Erdreiches mit Altölen wußte, scheidet Irreführung der Klägerin durch die Beklagte aus. Denkbar gewesen wäre die Geltendmachung eines gemeinsamen Irrtums, die sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen werden von der Klägerin jedoch nicht gezogen, vielmehr wird ein Aufwandersatz begehrt, der in erster Linie dem des Ersatzes eines Mangelfolgeschadens entspricht und in zweiter Linie - und hier liegen die Hauptausführungen der Revision - auch auf einen Verstoß der Beklagten gegen § 83 GewO als Verstoß gegen ein Schutzgesetz gründet. Die Kontaminierung des Erdreiches mit Öl und Benzin stellt zweifellos einen Mangel dar, weil sie dem dem Vertrag zugrunde liegenden Zweck der Bebauung ein wesentliches Hindernis entgegenstellt, nämlich eine verkehrsübliche Ablagerung des Aushubes. Die Mangelhaftigkeit eines Leistungsgegenstandes ist allerdings nicht abstrakt, sondern immer aufgrund des konkreten Veräußerungsvertrages zu beurteilen. Die Vertragsparteien können eine Sache, die objektiv gesehen mangelhaft ist, durchaus als vertragsgemäß ansehen. Nur wenn eine Vereinbarung über die geschuldeten Eigenschaften des Leistungsgegenstandes fehlt, sind gemäß §§ 922 ff ABGB die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften der veräußerten Sache maßgebend. Die Festlegung der geschuldeten Eigenschaften kann auch stillschweigend erfolgen. In manchen Fällen wird der auffallend niedrige Kaufpreis ein Indiz dafür sein, daß bestimmte negative Eigenschaften des Kaufgegenstandes nach der Vorstellung der Parteien keinen Mangel darstellen sollten und somit auch keine Gewährleistungsansprüche auslösen. Wer zB billig ein aufgelassenes Fabriksgelände erwirbt, darf sich nicht wundern, wenn der Boden mit Altöl oder anderen Sonderabfällen, die beim Betrieb der Fabrik angefallen sind, verseucht ist (Berger-Onz, Altlastenhaftung, 54; vgl auch Reischauer in Rummel ABGB2 § 922 Rz 5, und Hüttler, Die zivilrechtliche Haftung für Altlasten, Rz 234). Die Vertragsbestimmung "die ÖMV...hat die oberirdischen Aufbauten entfernt und die vorhandenen Behälter zugefüllt...." läßt nicht den Schluß zu, daß damit ein kontaminierungsfreies Erdreich im Bereich der noch vergrabenen Tanks vorlag, vielmehr ist bei jedem aufgelassenen Tankstellengelände mit einer gewissen Erdreichkontaminierung zu rechnen. Daß dieser Wissensstand nicht als Zusage eines ordnungsgemäßen Zustandes beurteilt wurde, ergibt sich aus dem Begehren der Klägerin auf Einsicht in den gewerbebehördlichen Akt und in Vormerkbücher der klagenden Partei. Die Klägerin begehrt jedoch nicht die auf Grund des Gewährleistungsrechtes dem Erwerber zustehenden Rechtsbehelfe und die mit der Wandelung bzw Preisminderung bzw Verbesserung verbundenen rechtlichen Konsequenzen. Im übrigen liegt ein Gewährleistungsverzicht der Klägerin gegenüber der Beklagten vor. Nach ständiger Rechtsprechung aber ist ein ausdrücklicher, eventuell auch schlüssiger Verzicht des Erwerbers auf seine Gewährleistungsrechte zulässig (vgl SZ 61/162 mwN, 1 Ob 670/88). Ein derartiger Verzicht kann nur bei Arglist oder grober Fahrlässigkeit des Verkäufers angefochten werden. Dies bzw eine Sittenwidrigkeit bzw Unbrauchbarkeit des gegenständlichen Grundstückes wird von der Klägerin nicht eingewendet (vgl JBl 1985,425).

Ein Gewährleistungsverzicht ist restriktiv auszulegen (vgl NZ 1987, 204 = JBl 1987,383). Der Verzicht auf Gewährleistung umfaßt daher im Zweifel nur den Verzicht auf die Geltendmachung des Mangels, nicht aber einen Verzicht auf den durch den Mangel ausgelösten Schaden.

Nach ständiger Rechtsprechung richtet sich ein Anspruch aufgrund eines Mangelfolgeschadens nach den allgemeinen Schadenersatzvoraussetzungen und erfordert unter anderem ein Verschulden des Vertragspartners. Es obliegt dem Schadenersatz geltend machenden Kläger die Beweislast, daß den verkaufenden Beklagten ein Verschulden trifft. Nur wenn der Mangelfolgeschaden auf ein objektiv fehlerhaftes (vertragswidriges) Verhalten des beklagten Verkäufers zurückzuführen ist, tritt eine Umkehr der Beweislast ein. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn der Mangel auch einem Fachmann nicht leicht erkennbar war (vgl MGA33 ABGB § 932/84 ff). Es ist zwar richtig, daß die Erfüllung behördlicher Anordnungen (im Besonderen Auflagen) die allgemein gebotene Sorgfalt nicht erschöpft (vgl Reischauer in Rummel ABGB2 § 1297 Rz 4 mwN), doch setzt die Annahme einer Schadenersatzverpflichtung zumindest ein Kennenmüssen, also Fahrlässigkeit, voraus, um das daraus erforderliche Verschulden ableiten zu können. Der Beklagten kann nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie nach Abschluß der Tätigkeit der von ihr beauftragten Professionisten und nach deren Billigung durch die Gewerbebehörde als Bescheiderfüllung vor dem Verkauf an die Klägerin nicht nochmals die stillgelegte Anlage auf ihre Dekontaminierung hin, überprüft hat. Mangels Nachweises von objektiven Anhaltspunkten, die Zweifel an der ordnungsgemäßen Entsorgung hervorrufen mußten, bestand für die Beklagte dazu keine Verpflichtung.

Ein Verschulden der Beklagten liegt daher nach den vorliegenden Feststellungen nicht vor.

Zu prüfen bleibt, ob der beklagten Partei die Verletzung einer Schutznorm zu Lasten der Klägerin vorzuwerfen ist. Nach § 83 GewO hat der Inhaber der Anlage bei deren Auflassung die notwendigen Vorkehrungen zur Vermeidung einer von der aufgelassenen Anlage oder den aufgelassenen Teilen der Anlage ausgehenden Gefährdung, Belästigung, Beeinträchtigung oder nachteiligen Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 GewO notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Er hat die Auflassung und seine Vorkehrungen anläßlich der Auflassung der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Reichen die angezeigten Vorkehrungen nicht aus, um den Schutz der in § 74 Abs 2 GewO umschriebenen Interessen zu gewährleisten, oder hat der Inhaber der Anlage anläßlich der Auflassung die zur Erreichung dieses Schutzes notwendigen Vorkehrungen nicht oder nur unvollständig getroffen, so hat ihm die zur Genehmigung der Anlage zuständige Behörde die notwendigen Vorkehrungen mit Bescheid aufzutragen. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der gänzlich oder teilweise aufgelassenen Anlage wird die Wirksamkeit dieses bescheidmäßigen Auftrages nicht berührt. Wurde die Auflassung ordnungsgemäß angezeigt und hat die Behörde weitere Vorkehrungen nicht für notwendig befunden oder wurde der Auftrag der Behörde erfüllt, bietet § 83 GewO keine Grundlage für weitere Aufträge, wenn sich später herausstellt, daß die Vorkehrungen unzureichend waren (vgl Kozak-Stern aaO, 185 f [194]). Soweit sich die Klägerin dennoch auf eine Schutzgesetzverletzung durch die Beklagte beruft, ist ihr auch entgegenzuhalten, daß die Vorschriften der Gewerbeordnung in den §§ 74 ff im besonderen in § 83 auf die Hintanhaltung von Umweltverschmutzungen sowie auf nachbarrechtlichen Schutz, nicht aber auf einen Schutz des Käufers des Grundstückes abzielen. Die beklagte Partei hat nachgewiesen, daß sie die Auflassung der Tankstelle 1982 angezeigt hat und den daraufhin ergangenen behördlichen Auflagen durch die Betrauung befugter Professionisten nachgekommen ist. Sie hat damit der objektiv gebotenen Sorgfalt Genüge getan. Es wäre Sache der Klägerin gewesen, zu beweisen, daß die Beklagte über diesen Wissensstand hinaus noch von weiteren Kontaminierungen wußte oder wissen mußte. Diesen Nachweis hat die Klägerin aber nicht erbracht. Die Klägerin wollte allerdings, wie das Berufungsgericht erkannte, untauglich einen solchen Beweis antreten - daß derartige Feststellungen für eine umfassende rechtliche Beurteilung aber erforderlich gewesen wären, wird in der Revision gar nicht gerügt.

Da sich die Klägerin auf jeden erdenklichen Rechtsgrund für ihr Klagebegehren berufen hat, war auch zu prüfen, ob sich der geltend gemachte Anspruch aus § 928 Satz 2 ABGB ableiten läßt. Unter Schulden und Rückstände im Sinne dieser Bestimmung fallen auch öffentlich-rechtliche Lasten. Als solche gelten auch Aufträge an den Veräußerer zur Sicherung oder Sanierung einer Altlast nach § 17 Abs 1 ALSG bzw § 138 Abs 1 lit a WRG. Die Rechtsfolgen aus dieser Bestimmung greifen jedoch nicht, wenn der behördliche Auftrag erst dem Erwerber erteilt worden ist (vgl Hüttler aaO Rz 242). Tatsächlich steht aber nicht einmal fest, daß der Klägerin als Erwerberin des gegenständlichen Grundstückes ein derartiger Auftrag von der Behörde erteilt worden wäre, sohin kann auch nicht von einer vom Gewährleistungsverzicht nicht umfaßten öffentlich-rechtlichen Last gesprochen werden, die der Veräußerer - wie auch im Kaufvertrag selbst festgehalten worden ist - auf jeden Fall zu tragen gehabt hätte.

Da sich das Klagebegehren aus allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten nicht ableiten läßt, war der Revision daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.