OGH vom 01.04.2008, 10Ob18/08g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Aurelia N*****, geboren am , *****, infolge Revisionsrekurses des Einschreiters Mag. Thomas A*****, Rechtsanwalt, *****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 536/07b-118, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 6 P 48/07i-106, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Sachwalterschaftssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Die am geborene Betroffene leidet seit ihrem 23. Lebensjahr an einer rezidivierend, phasenweise verlaufenden psychischen Erkrankung im Sinne einer schizoaffektiven Psychose. In der Gesamtheit besteht das Bild eines leichten organischen Psychosyndroms, dem ein jahrelanger chronischer Alkoholabusus zugrunde liegt. Der körperliche Zustand der Betroffenen hat sich in letzter Zeit ein wenig verbessert, reicht aber für eine an sich notwendige Hüftoperation nicht aus. Der psychische Zustand der Betroffenen ist schwankend, abhängig vom Ausmaß des Alkoholkonsums.
Mit Beschluss vom (ON 70) hat das Bezirksgericht Josefstadt Johann L***** zum Sachwalter für die Betroffene bestellt und den Kreis der vom Sachwalter zu besorgenden Angelegenheiten mit „Vertretung für medizinische Angelegenheiten und Aufenthaltsangelegenheiten" umschrieben.
Mit Schreiben vom (ON 92) hat der Sachwalter seine Enthebung beantragt und dabei auf Streitigkeiten und Zerwürfnisse mit der mit ihm im gemeinsamen Haushalt wohnenden Betroffenen hingewiesen. Daraufhin hat die Erstrichterin am den Sachwalter vernommen (ON 97), der angab, aktuell keine Angelegenheiten für die Betroffene zu erledigen.
Mit Beschluss vom (ON 106) enthob das Erstgericht den Sachwalter Johann L***** und bestellte RA Mag. Thomas A***** zum neuen Sachwalter. Als zu besorgende Angelegenheiten wurden wiederum „Vertretung für medizinische Angelegenheiten und Aufenthaltsangelegenheiten" genannt. Der Beschluss wurde folgendermaßen begründet: „Nachdem für die Betroffene dringende Angelegenheiten (Operation) zur Besorgung bevorstehen und sich ihr Zustand nicht wesentlich verbessert hat, erscheint in der Gesamtschau die Aufrechterhaltung der Sachwalterschaft dringend notwendig. Da der bisherige Sachwalter aufgrund der Ablehnung durch die Betroffene nicht mehr zur Verfügung steht, war ein neuer Sachwalter zu bestellen. Bereite Angehörige sind nicht bekannt, das Vertretungsnetz ist gerichtsbekannt ausgelastet, sodass nur die Bestellung eines Rechtsanwalts bleibt. Seit dem Inkrafttreten des Sachwalterschafts-Änderungsgesetzes 2006 kann ein Rechtsanwalt als Sachwalter nicht mehr als 25 Betroffene betreuen. Um der Intention des Gesetzes zu folgen, war die Bestellung nach Liste vorzunehmen."
RA Mag. A***** teilte dem Gericht am mit, dass er die Betroffene aufgesucht habe; dabei habe sich herausgestellt, dass sie neben der im Bestellungsbeschluss erwähnten Alkoholkrankheit auch drogenabhängig sei. Im Sinne des § 274 Abs 1 ABGB gebe er bekannt, dass er über keinerlei Erfahrung mit Obsorgebedürftigen im Allgemeinen und Drogenabhängigen im Besonderen verfüge. Er halte sich aus diesem Grunde für ungeeignet, die Sachwalterschaft im konkreten Fall zu übernehmen und bitte dies bei der Behandlung des Enthebungsantrags zu berücksichtigen (ON 107).
Gleichzeitig brachte RA Mag. A***** einen vor allem darauf gestützten Enthebungsantrag ein, dass den Bedürfnissen der Betroffenen durch seine Bestellung zum Sachwalter nicht gedient sei (ON 108), und erhob Rekurs gegen den Bestellungsbeschluss (ON 109).
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Einschreiters nicht Folge (ON 118). Die im Rekurs vorgetragenen Einwände seien zwar ernst zu nehmen, würden aber dazu führen, dass mit den selben Gründen praktisch jeder Rechtsanwalt die Bestellung zum Sachwalter ablehnen könne. Im konkreten Fall sei eine geeignete, nahe stehende Person zur Übernahme der Sachwalterschaft nicht bereit. Gerichtsbekannt sei, dass die personellen Ressourcen des Vertretungsnetzes zur Übernahme von Sachwalterschaften ausgeschöpft seien. Für die Vertretung in medizinischen Angelegenheiten habe der Einschreiter die Möglichkeit, sich bei geeigneten Stellen Informationen einzuholen. Hervorzuheben sei die besondere Aufgabe der Rechtsanwaltschaft und ihre besondere Stellung als Organ der Rechtspflege. Gerade im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber nun die Anzahl der Sachwalterschaften beschränkt habe, könnten die im Rechtsmittel vorgetragenen Argumente nicht dazu führen, die Person des Einschreiters für die Übernahme einer Sachwalterschaft untauglich erscheinen zu lassen. „Insgesamt vermag der Rekurs die bekämpfte Entscheidung stichhältig nicht umzustoßen."
Der Revisionsrekurs wurde unter Bedachtnahme auf die erst mit in Kraft getretenen Gesetzesbestimmungen für zulässig erklärt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Einschreiters aus dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Bestellung einer anderen Person zum Sachwalter für die Betroffene. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Angeregt wird weiters eine Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit der §§ 274 Abs 2 und 279 Abs 3 ABGB.
Die Betroffene und ihr bisheriger Sachwalter haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt (ON 122).
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen berechtigt.
Vorweg ist festzuhalten, dass der Beschluss über die Bestellung eines neuen (endgültigen) Sachwalters erst mit Rechtskraft des Umbestellungsbeschlusses wirksam wird (§ 125 AußStrG;1 Ob 182/05d = SZ 2005/167 = RIS-Justiz RS0006229 [T18]; RIS-Justiz RS0120299).
Im Revisionsrekurs werden folgende zwei Punkte in den Vordergrund gerückt:
a) Nach § 279 Abs 3 ABGB sei die Bestellung eines Rechtsanwalts oder Notars (oder einer anderen geeigneten Person mit deren Zustimmung) gegenüber der Bestellung eines geeigneten Vereins subsidiär. Da die im konkreten Fall zu besorgenden Angelegenheiten nur in höchstens untergeordnetem Maße Rechtskenntnisse erforderten, sei gemäß § 279 Abs 4 ABGB kein Rechtsanwalt oder Notar, sondern ein geeigneter Verein zum Sachwalter zu bestellen. Die bei der konkreten Betroffenen notwendige persönliche Betreuung würde konterkariert, wenn eine Person zum Sachwalter bestellt werde, die mangels einschlägiger Erfahrungen und Kenntnisse im psychosozialen und medizinischen Bereich ein bestmögliches Eingehen auf die Bedürfnisse der Betroffenen nicht gewährleisten könne; das Einholen von Informationen bei Dritten, wie das Rekursgericht meine, sei keinesfalls ausreichend. Ganz offenkundig sei der bestellte Sachwalter für die Funktion ungeeignet.
b) Überdies seien die Bestimmungen des § 279 Abs 3 und des § 274 Abs 2 ABGB idF des SWRÄG 2006 verfassungsrechtlich höchst bedenklich, da es wegen der grundsätzlichen Verpflichtung zur Übernahme einer Sachwalterschaft, die bei anderen Gruppen wegen des Zustimmungserfordernisses nicht bestehe, zu einem unverhältnismäßig starken Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung komme. Ein Vergleich mit der Verfahrenshilfe sei im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit der Substitution bei Sachwalterschaften unangebracht.
Dazu hat der Senat erwogen:
1. Auf den vorliegenden Fall ist § 279 ABGB („Auswahl des Sachwalters") bereits in der am in Kraft getretenen Fassung nach dem SWRÄG 2006, BGBl I 2006/92, anzuwenden.
2. Unter Bedachtnahme auf die in § 279 Abs 1 Satz 1 ABGB explizit angesprochenen „Bedürfnisse der behinderten Person" und deren „Wohl" (Satz 2) kommt dem Gericht bei der Auswahl des Sachwalters - nicht nur bei der erstmaligen Bestellung, sondern auch bei der Umbestellung - grundsätzlich ein Ermessensspielraum zu (RIS-Justiz RS0048291 [T3]; Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts [2007] 54 f mwN). Nach den Gesetzesmaterialien (RV 1420 BlgNR 22. GP 16 ff) verfolgt der neue § 279 ABGB unter anderem das Ziel, jene Personenkreise abschließend zu regeln, die für die Bestellung als Sachwalter potenziell in Frage kommen. Dabei ist ein Stufenbau vorgesehen (siehe auch Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts 55 f):
2.1. Primär ist als Sachwalter eine von der betroffenen Person selbst gewählte oder von einer nahe stehenden Person empfohlene Person (§ 279 Abs 1 Satz 2 ABGB) heranzuziehen.
2.2. Sekundär (mangels Wahl bzw Anregung oder bei fehlender Eignung der vorgeschlagenen Person) ist ein der betroffenen Person nahe stehender Mensch zum Sachwalter zu bestellen (§ 279 Abs 2 ABGB).
2.3. Ist eine solche geeignete Person nicht verfügbar, ist (mit dessen Zustimmung) der örtlich zuständige Sachwalterverein nach § 1 VSPAG zu bestellen (§ 279 Abs 3 Satz 1 ABGB).
2.4. Ist ein Vereinssachwalter nicht verfügbar (etwa mangels freier Kapazitäten), so ist ein Rechtsanwalt (Rechtsanwaltsanwärter) oder Notar (Notariatskandidat) oder - mit ihrer Zustimmung - eine andere geeignete Person zu bestellen (§ 279 Abs 3 Satz 2 ABGB). Rechtsanwälte und Notare (nicht aber Berufskandidaten) trifft nach Maßgabe des § 274 Abs 2 ABGB die Verpflichtung, Sachwalterschaften zu übernehmen.
Bei anderen „geeigneten Personen" dachte der Gesetzgeber beispielsweise an diplomierte Sozialarbeiter, da diese über eine Ausbildung verfügen, die sie zur Betreuung psychisch Kranker oder geistig Behinderter prädestiniert erscheinen lasse. Sozialarbeiter würden deshalb vielfach als Vereinssachwalter angestellt und auch für Rechtsanwälte oder Notare Personen unter Sachwalterschaft betreuen (RV 1420 BlgNR 22. GP 5, 17). Auch Angehörige anderer Berufsgruppen (Sozialpädagogen, Sonder- und Heilpädagogen, Psychologen, Fach- oder Diplom-Sozialbetreuer) würden dann als geeignet iSd § 279 Abs 3 ABGB gelten können, wenn sie über ein ähnliches Qualifikationsprofil und/oder berufliche Erfahrungen wie Sozialarbeiter verfügen (RV 1420 BlgNR 22. GP 17 f).
2.5. Nur wenn die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person besondere Fachkenntnisse erfordert, ist von Vornherein - je nach der notwendigen Expertise - ein Rechtsanwalt oder Notar bzw der Sachwalterverein zum Sachwalter zu bestellen (§ 279 Abs 4 ABGB). In den Gesetzesmaterialien (RV 1420 BlgNR 22. GP 18) wird beispielhaft auf rechtliche Angelegenheiten, etwa die Geltendmachung eines Anspruchs, aber auch auf den Umgang mit sehr schwierigen Klienten hingewiesen: Für den erstgenannten Bereich seien in erster Linie Rechtsanwälte und Notare (bzw Berufsanwärter) zu bestellen (§ 279 Abs 4 erster Fall ABGB), die zweitgenannte Aufgabe könne am ehesten von Vereinssachwaltern bewältigt werden (§ 279 Abs 4 zweiter Fall ABGB). Aber auch hier kann die Bestellung des Vereins nur mit dessen Zustimmung erfolgen (§ 279 Abs 3 Satz 1 ABGB).
3. Die im neuen § 282 ABGB normierte Verpflichtung des Sachwalters, persönlichen Kontakt mit der behinderten Person zu halten und sich um ärztliche und soziale Betreuung der behinderten Person zu bemühen, entspricht im Wesentlichen der bis zum Inkrafttreten des SWRÄG 2006 geltenden Fassung des § 282 Abs 2 ABGB. Festgeschrieben wird allerdings, dass der Kontakt grundsätzlich mindestens einmal im Monat stattzufinden hat. Nach den Gesetzesmaterialien (RV 1420 BlgNR 22. GP 19) kann in akuten Krisensituationen, wie etwa bei drohender Verwahrlosung des Behinderten oder bei gravierenden Veränderungen der Lebenssituation (zB bei erstmaliger Heimunterbringung), ein häufigerer Besuchskontakt erforderlich sein („in dem nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen Ausmaß"). Anderes gilt nur bei Sachwalterschaften zur Besorgung einzelner Angelegenheiten (§ 268 Abs 3 Z 1 ABGB). Unter persönlichem Kontakt ist in aller Regel ein Besuchskontakt des Sachwalters in der Wohnung des Betroffenen zu verstehen, da er sich nur so von dessen Lebensumständen und dessen sozialem Umfeld auch wirklich überzeugen kann (RV 1420 BlgNR 22. GP 19).
4. Unter Berücksichtigung der unter 2. genannten Prioritätenreihung muss aber im Mittelpunkt der Entscheidung über die Auswahl eines Sachwalters immer das Wohl der betroffenen Person stehen (RIS-Justiz RS0048291, RS0087131; Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts 54 mwN unter FN 130; Zierl, Sachwalterrecht [2007] 65), das im Gesetz (in § 279 Abs 1 ABGB) durch die Bezugnahme auf die „Bedürfnisse der behinderten Person" und das „Wohl der behinderten Person" explizit angesprochen wird. Auch § 86 Geo fordert keine Verabsolutierung einer (Schein-)Sachlichkeit bei der Sachwalterbestellung durch Vorgehen nach einer Liste („Doch ist das Gericht an die Liste und an die Reihenfolge in der Liste nicht gebunden, wenn im einzelnen Falle sachliche oder persönliche Gründe ein Abgehen erheischen.").
5. Insofern relativieren sich auch die Zweifel des Einschreiters an der Verfassungskonformität der Regelungen des § 274 Abs 2 und des § 279 Abs 3 ABGB, die für Rechtsanwälte und Notare die Möglichkeit einer Ablehnung der Übernahme einer Sachwalterschaft beschränken. Abgesehen davon, dass die im Revisionsrekurs zitierte Stelle von Schauer (Schwerpunkte des Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes [SWRÄG 2006] I, ÖJZ 2007, 173 [179]), wonach der vom Gesetzgeber eingeschlagene Weg zu einem unverhältnismäßig starken Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung führe, den umgekehrten Fall betrifft, nämlich die Obergrenze von 25 Sachwalterschaften, erscheint dem genannten Autor an anderer Stelle (ÖJZ 2007, 180) bloß die strengere Behandlung von Rechtsanwälten und Notaren gegenüber anderen Berufsgruppen „zweifelhaft"; die bloße Berufung auf das „officium nobile", aus dem sich die Verpflichtung zur Übernahme ergebe (RV 1420 BlgNR 22. GP 13), überzeuge nicht, weil es sich auch bei Sonder- und Heilpädagogen, Psychologen, diplomierten Sozialarbeitern usw häufig um professionelle Dienstleister handle, die allerdings in ihrer Zustimmung generell frei seien. Gegen eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterbehandlung von Rechtsanwälten und Notaren spricht aber, dass deren Bestellung dann, wenn keine besonderen Rechtskenntnisse erforderlich sind, in zweifacher Weise eingeschränkt ist, nämlich einerseits durch die unter 2. beschriebene Subsidiaritätshierarchie, andererseits durch die in § 274 Abs 2 ABGB vorgesehene Ablehnungsmöglichkeit. Dass dann, wenn besondere Rechtskenntnisse erforderlich sind, schon primär ein Rechtsanwalt oder Notar (oder Berufsanwärter) heranzuziehen ist, ist nicht weiter problematisch, entspricht dieses Tätigwerden doch auch dem Selbstverständnis der genannten Berufe, die in der Rechtsberatung - nach den in Österreich herrschenden Vorstellungen zu Recht - eine gewisse Monopolstellung genießen. In seiner Stellungnahme vom zum seinerzeitigen Ministerialentwurf (385/ME 22. GP) hat auch der Österreichische Rechtsanwaltskammertag keine grundsätzlichen Bedenken dagegen geäußert, sondern zum Ausdruck gebracht, dass sich die österreichische Rechtsanwaltschaft der Verantwortung selbstverständlich stelle und eine effizientere Vorgangsweise - auch zum Wohl der Betroffenen - vorschlage, indem Rechtsanwälte ex ante ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Übernahme von Sachwalterschaften bekunden müssten.
Der Oberste Gerichtshof sieht daher keine Bedenken gegen die Verfassungskonformität von § 274 Abs 2 und § 279 Abs 3 ABGB und folgt der Anregung des Einschreiters, einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, nicht.
6. Die Entscheidungen der Vorinstanzen lassen - abgesehen davon, dass sie die Bestellung (irgend-)eines neuen Sachwalters für erforderlich halten - in keiner Weise ein Eingehen auf das Wohl der betroffenen Person und die damit im Zusammenhang stehende Eignung der als Sachwalter ins Auge gefassten Person erkennen.
6.1. Dem Einschreiter ist zuzugestehen, dass für die Betroffene nur in geringem Umfang Rechtskenntnisse substituiert werden müssen, sondern, dass in erster Linie sozialarbeiterische und psychologische Fähigkeiten gefragt sind. In diesem Fall ist nach den Vorstellungen des Gesetzes primär der zuständige Sachwalterverein zum Sachwalter zu bestellen. Nach der Aktenlage ist nicht erkennbar, dass in irgendeiner Weise versucht worden wäre, mit einem solchen Verein Kontakt aufzunehmen. Der Hinweis auf die gerichtsbekannte Überlastung des Vereins Vertretungsnetz greift bloß einer vom Gericht erwarteten Ablehnung vor. Selbst wenn keine Übernahmepflicht besteht, muss die Ablehnung einer Übernahme vom Verein ausgesprochen werden und darf nicht vom Gericht ex offo vorweggenommen werden.
6.2. Auch dann, wenn der zuständige Verein eine Übernahme aus fehlenden (Personal-)Kapazitäten ablehnt und dann die subsidiäre Heranziehung von Rechtsanwälten oder Notaren (zur Bestellung von Rechtsanwälten und Notaren zu Verfahrenssachwaltern ohne deren Zustimmung siehe bereits RIS-Justiz RS0116381) oder anderer geeigneter (und bereiter) Personen zum Tragen kommt, gebietet es die Bedachtnahme auf das Wohl der betroffenen Person, bei der Auswahl einer für das Amt des Sachwalters in Betracht kommenden Person nicht einfach nach einer allgemein gehaltenen „Liste" wie der Liste aller Rechtsanwälte in einem Kammersprengel vorzugehen, sondern eine für das Amt geeignete Person auszuwählen. Gerade § 279 Abs 4 ABGB zeigt, dass bei der Auswahl des Sachwalters besonders auf die zu besorgenden Angelegenheiten zu achten ist (vgl RIS-Justiz RS0108315). Lediglich Sachwaltervereine sind grundsätzlich immer „geeignet", Rechtsanwälte und Notare von vornherein (nur) dann, wenn die Besorgung rechtlicher Angelegenheiten erforderlich ist (Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts 71; vgl auch RIS-Justiz RS0110988 und RS0116381). Auf der Grundlage der ihm zugänglichen Informationen hat das Gericht ex ante zu beurteilen, ob von einer bestimmten Person unter Bedachtnahme auf die zu besorgenden Angelegenheiten die ordnungsgemäße Ausübung der Sachwalterschaft zu erwarten ist oder nicht; auch dann, wenn nicht in erster Linie rechtliche Angelegenheiten zu besorgen sind, sozusagen ins Blaue hinein „irgendeinen" Rechtsanwalt oder Notar zu bestellen, gewährleistet nicht im erforderlichen Ausmaß das Wohl der betroffenen Person (siehe auch Barth/Ganner, Handbuch des Sachwalterrechts 72).
6.3. Beim Krankheitsbild der hier betroffenen Person erscheint es zweckmäßig, entweder einen insoweit erfahrenen Rechtsanwalt oder Notar heranzuziehen oder danach zu trachten, eine andere geeignete Person (zB Sozialarbeiter/in, Sozialpädagoge/in) zu finden. Aufgrund des im außerstreitigen Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 16 Abs 1, § 31 AußStrG) besteht eine Verpflichtung des Gerichts nachzuforschen, ob eine solcherart geeignete Person vorhanden ist (RIS-Justiz RS0049104 [T3]). Aus dem Akt ist aber nicht erkennbar, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Einschreiters oder einer anderen Person in diese Richtung geprüft worden wären.
7. Dem Erstgericht ist daher aufzutragen, das Verfahren in den unter 6. genannten Punkten durch geeignete Beweisaufnahmen im Sinn der vorstehenden Ausführungen zu ergänzen und danach neuerlich über die Sachwalter-Umbestellung zu entscheiden.