OGH vom 12.09.2006, 10ObS108/06i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Johannes Denk (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, ***** vertreten durch Held, Berdnik, Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Zuschuss nach Entgeltfortzahlung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 65/06t-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 32 Cgs 319/05h-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Im Unternehmen der Klägerin sind insgesamt 12 Dienstnehmer beschäftigt. Hannes K*****, der bei der Klägerin seit als Platzmeister beschäftigt ist, war in der Zeit vom 12. 1. bis durch Krankheit an der Arbeit verhindert. Die Klägerin leistete für diesen Dienstnehmer volle Entgeltfortzahlung für sechs Wochen und für weitere vier Wochen im halben Ausmaß. Die Berechnung der Entgeltfortzahlungsansprüche des Hannes K***** erfolgt nach dem Arbeitsjahr.
Mit Bescheid vom gab die Beklagte dem Antrag der Klägerin auf Zuschuss nach Entgeltfortzahlung gemäß § 53b ASVG für die Arbeitsverhinderung des Hannes K***** für einen Zeitraum von 51 Kalendertagen im Betrag von EUR 1.309,51 statt und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren ab. Gemäß § 53b Abs 2 Z 2 ASVG könne innerhalb der Höchstfrist für die ersten 10 Tage der Entgeltfortzahlung kein Zuschuss gewährt werden. Die dem Dienstgeber zustehenden 42 Kalendertage könnten daher nicht in Folge konsumiert werden. Ein Anspruch auf die verbliebenen restlichen Tage sei nur im Falle einer neuerlichen Arbeitsverhinderung dieses Dienstnehmers bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen möglich.
Das Erstgericht gab dem von der Klägerin dagegen erhobenen und auf die Zahlung von (weiteren) EUR 256,76 gerichteten Klagebegehren statt und wies das gleichzeitig erhobene Zinsenbegehren - unbekämpft - ab. Nach seiner Rechtsansicht habe die Beklagte für die Zeit des Krankenstandes des Dienstnehmers Hannes K***** vom 12. 1. bis (29 Kalendertage) zwar zutreffend Zuschüsse (nur) für 19 Kalendertage gewährt. Ihre Vorgangsweise, für die weitere Dauer des (durchgehenden) Krankenstandes vom 10. 2. bis (71 Kalendertage) im neuen Arbeitsjahr Zuschüsse für lediglich 32 Kalendertage zu gewähren, widerspreche jedoch der Bestimmung des § 4 Abs 2 der Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung, nach welcher Zuschüsse für jeweils maximal 42 Tage der tatsächlichen Entgeltfortzahlung pro Dienstnehmer und Arbeitsjahr zu gewähren seien. Damit stehe der Klägerin der begehrte Zuschuss für weitere 10 Kalendertage in der unstrittigen Höhe von EUR 256,76 zu. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 53b Abs 2 Z 2 ASVG idF BGBl I 2004/171 und des § 4 der Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung (BGBl II 2005/64) sei der Anspruch auf den begehrten Zuschuss je Arbeitsjahr unabhängig von der zeitlichen Lagerung des Krankenstandes mit insgesamt 42 Kalendertagen begrenzt. Reiche also - wie im vorliegenden Fall - der Krankenstand vom alten Arbeitsjahr in das neue, stehe dem Dienstgeber mit Beginn des neuen Arbeitsjahres wieder für den Maximalzeitraum von 42 Tagen der begehrte Zuschuss zu. Weder der Gesetzeswortlaut noch der Verordnungstext ließen eine Auslegung im Sinne des Prozessstandpunktes der Beklagten dahin zu, dass bei einem mehr als sechswöchigen durchgehenden Krankenstand (für ein neues Arbeitsjahr) zunächst nur ein Anspruch auf den Zuschuss für 32 Tage (42 Tage abzüglich 10 Tage) bestünde und der Rest erst bei einer neuerlichen Arbeitsverhinderung konsumiert werden könne. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt, eine Revisionsbeantwortung zu erstatten, weil zu diesem Zeitpunkt noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der über den vorliegenden Einzelfall hinaus bedeutsamen Auslegung der Bestimmung des § 53b ASVG und insbesondere zur Rechtsfrage, ob durch eine krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung eines Dienstnehmers der höchstmögliche Zuschuss für 42 Tage pro Arbeitsjahr ausgeschöpft werden könne, vorlag. Die Klägerin hat von dieser ihr eingeräumten Möglichkeit der Erstattung einer Revisionsbeantwortung keinen Gebrauch gemacht.
Die beklagte Partei vertritt in ihren Revisionsausführungen - zusammengefasst - weiterhin den Standpunkt, da ein Zuschuss für höchstens sechs Wochen der Entgeltfortzahlung pro Arbeitsjahr gewährt werde und der Dienstgeber für die ersten 10 Tage der krankheitsbedingten Entgeltfortzahlung keinen Zuschuss erhalte, müsse zwingend darauf geschlossen werden, dass bei ein und derselben Krankheit nur für 32 Kalendertage in Folge ein Zuschuss gebühre. Hingegen gebühre der Zuschuss bei Arbeitsverhinderungen nach Unfällen bereits ab dem ersten Tag der Entgeltfortzahlung, sodass lediglich in diesen Fällen das Höchstausmaß von 42 Tagen in Folge konsumiert werden könne. Diese gesetzlich vorgesehene unterschiedliche Behandlung von krankheits- und unfallbedingten Arbeitsverhinderungen lasse sich durch den gesetzlich definierten Aufgabenbereich der Unfallversicherungsträger erklären.
Mit diesen Revisionsausführungen der beklagten Partei hat sich der erkennende Senat in den in der Zwischenzeit ergangenen Entscheidungen 10 ObS 123/06w und 10 ObS 120/06d jeweils vom inhaltlich bereits ausführlich auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Rechtsansicht der beklagten Partei weder mit dem Wortlaut des § 53 Abs 2 Z 2 ASVG idF BGBl I 2004/171 bzw des § 4 Abs 1 und 2 der Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung, BGBl II 2005/64, noch mit der ausdrücklich erklärten Absicht des Gesetzgebers, den Zuschuss zur Entgeltfortzahlung auf lang andauernde und betriebsgefährdende Krankheitsfälle auszudehnen, in Einklang zu bringen ist. Es ist vielmehr im Sinne dieser Ausführungen des erkennenden Senates im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass mit Beginn des neuen Arbeitsjahres des Dienstnehmers Hannes K***** ab für dieses neue Arbeitsjahr für die Zuschussgewährung nach Entgeltfortzahlung aufgrund von Krankheit für diesen Dienstnehmer ein neues Kontingent von (maximal) 42 Kalendertagen zur Verfügung gestanden ist. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Klägerin stehe für die weitere (durchgehende) Entgeltfortzahlung aufgrund von Krankheit dieses Dienstnehmers vom 10. 2. bis (71 Kalendertage) der Zuschuss für die maximale Dauer von 42 Kalendertagen zu, steht daher im Einklang mit der vom Obersten Gerichtshof in den Entscheidungen 10 ObS 123/06w und 10 ObS 120/06d vertretenen Rechtsauffassung.
Den Revisionsausführungen im vorliegenden Verfahren ist noch entgegenzuhalten, dass die Ansicht der Beklagten, in Krankheitsfällen sei dieser Zuschuss unabhängig davon, ob es sich um einen andauernden oder mit Beginn des Arbeitsjahres einsetzenden Krankenstand handle, wiederum erst ab dem 11. Tag der Arbeitsverhinderung zu gewähren, den Zweck dieser Regelung, kurzfristig krankheitsbedingte Ausfälle von Dienstnehmern bis zu 10 Tagen nicht durch einen Zuschuss auszugleichen, außer Betracht lässt. Dieser Regelungszweck kommt nämlich dann nicht mehr zum Tragen, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Dienstnehmer krankheitsbedingt durch einen durchgehenden Zeitraum von mehr als drei Monaten an der Arbeit verhindert war, die krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung den maßgebenden Mindestzeitraum von 10 Tagen im alten Arbeitsjahr bereits überschritten hat und dem Dienstgeber mit Beginn des neuen Arbeitsjahres der Zuschuss wieder für den Maximalzeitraum von 42 Tagen zusteht. In diesem Fall steht dem Dienstgeber bereits mit dem ersten Tag des neuen Arbeitsjahres das neue Zuschusskontingent in voller Höhe (42 Tage) zur Verfügung. Die von der Beklagten vertretene Auslegung würde dem gegenüber zu dem den Willen des Gesetzgebers nicht entsprechenden Ergebnis führen, dass der vom Gesetzgeber pro Dienstnehmer und Arbeitsjahr bzw Kalenderjahr vorgesehene höchstmögliche Zuschuss für 42 Tage selbst durch eine monatelange krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung eines Dienstnehmers in einem Arbeitsjahr bzw Kalenderjahr ohne neuerliche mindestens 20-tägige ununterbrochene krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung nicht ausgeschöpft werden könnte.
Soweit die Beklagte schließlich aus der Bestimmung des § 2 Abs 1 EFZG, wonach der Dienstgeber verpflichtet sei, für die Dauer von grundsätzlich sechs Wochen den an seiner Arbeit verhinderten Dienstnehmer das Entgelt weiter zu bezahlen, abzuleiten versucht, dass der Beginn der 6-wöchigen Frist im Sinne des § 53b ASVG bereits mit dem ersten Tag der Entgeltfortzahlung anzusetzen sei, ist darauf hinzuweisen, dass sich der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 2 Abs 1 EFZG auf acht Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis fünf Jahre, auf zehn Wochen, wenn es 15 Jahre und auf 12 Wochen erhöht, wenn es 25 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Diesen vollen Entgeltanspruch folgt jeweils ein Anspruch auf vier Wochen halbes Entgelt, sodass die Gesamtdauer des Anspruches auf Entgeltfortzahlung nach dieser Gesetzesstelle, je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses, tatsächlich zwischen zehn und 16 Wochen liegt. Auch der Hinweis auf § 2 Abs 1 EFZG vermag daher die Rechtsansicht der Beklagten nicht zu stützen. Da somit die Entscheidungen der Vorinstanzen im Einklang mit der mittlerweile zur Auslegung des § 53b ASVG ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes stehen, war die Revision nunmehr mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.