VfGH vom 30.11.2004, B1142/04
Sammlungsnummer
17382
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Arzt wegen unzulässiger Werbung; vertretbare Annahme des Vorliegens einer wahrheitswidrigen Information in einem Zeitungsinserat hinsichtlich der Selbstanpreisung des Beschwerdeführers als "Erfinder" einer Methode im Bereich medizinisch-kosmetischer Korrekturen
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Disziplinarsenates der Österreichischen Ärztekammer beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen wurde der Beschwerdeführer eines Disziplinarvergehens gemäß § 136 Abs 1 Z 1 ÄrzteG 1998 für schuldig erkannt und zur Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises sowie zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.
Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer im Februar 2000 ein - auch Fotos von Patienten vor und nach der Behandlung enthaltendes - Zeitungsinserat mit dem Wortlaut
"Der ästhetische Tip
Liposculptur mit dem Laser
Die sanfte und wirkungsvolle Korrektur der Problemzonen.
Info beim Erfinder der Methode
Dr. Matthias Sandhofer
Telefon 0732/797656
Internet: http://www.sandhofer.at"
veranlasst hat.
Die belangte Behörde erblickte darin einen Verstoß gegen Art 3 litb (Einbeziehung von Patienten), lite (Selbstanpreisung) und litf (Erwecken des Eindrucks einer medizinischen Exklusivität bei Laien) der auf § 53 Abs 4 ÄrzteG 1998 beruhenden Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit".
Im Bescheid wird ausgeführt, dass sich selbst aus einem vom Beschwerdeführer vorgelegten Literaturbeispiel "unmissverständlich" ergebe, dass "die medizinisch-kosmetische Korrekturmethode der Liposkulptur bereits seit Jahrzehnten unabhängig vom Wirken [des Beschwerdeführers] praktiziert wird und selbst die fachliterarisch angesprochenen Verbesserungsfacetten keineswegs dem [Beschwerdeführer] allein 'als Erfinder' zu verdanken wären". Die im Inserat verwendete Wortfolge "Info beim Erfinder der Methode" laufe sohin auf eine "realitätsfremde Bewusstseinsmanipulation potenziell interessierter Patientenkreise" hinaus, weil ein spezifischer Erfahrungs- und Fertigkeitsvorsprung innerhalb der ärztlichen Kollegenschaft - und somit eine medizinische Exklusivität iSd. Art 3 litf der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" - suggeriert werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art 144 B-VG, in der die Verfassungswidrigkeit der angewendeten Verordnungsbestimmungen sowie die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.
II. Zur Rechtslage:
1. § 53 und § 136 ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169/1998 idF BGBl. I Nr. 110/2001, lauten auszugsweise:
"Werbebeschränkung und Provisionsverbot
§53. (1) Der Arzt hat sich jeder unsachlichen, unwahren oder das Standesansehen beeinträchtigenden Information im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes zu enthalten.
[…]
(4) Die Österreichische Ärztekammer kann nähere Vorschriften über die Art und Form der im Abs 1 genannten Informationen erlassen."
"2. Abschnitt
Disziplinarvergehen
§136. (1) Ärzte machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie im Inland oder im Ausland
1. das Ansehen der in Österreich tätigen Ärzteschaft durch ihr Verhalten der Gemeinschaft, den Patienten oder den Kollegen gegenüber beeinträchtigen oder
2. die Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie sich anläßlich der Promotion zum Doctor medicinae universae oder zum Doctor medicinae dentalis verpflichtet haben oder zu deren Einhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.
[…]"
2. Art 3 der auf § 53 Abs 4 ÄrzteG 1998 beruhenden Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" der Österreichischen Ärztekammer idF der Kundmachung in der Österreichischen Ärztezeitung vom lautet auszugsweise:
"Artikel 3
Das Standesansehen beeinträchtigend ist eine Information, wenn sie Ehre und Ansehen der Ärzteschaft gegenüber der Gemeinschaft, den Patienten oder den Kollegen herabsetzt. Eine standeswidrige Information liegt insbesondere vor bei:
[…]
b) Einbeziehung von Patienten
[…]
e) Selbstanpreisung der eigenen Person oder Darstellung der eigenen ärztlichen Tätigkeit durch reklamehaftes Herausstellen, sowie aufdringlichen oder marktschreierischen Ankündigungen
f) Erwecken des Eindruckes einer medizinischen Exklusivität bei Laien
[…]"
Mit Beschluss der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer vom , kundgemacht in der Österreichischen Ärztezeitung vom , wurde Art 3 lite geändert und lautet nunmehr wie folgt:
"e) Selbstanpreisung der eigenen Person oder Darstellung der eigenen ärztlichen Tätigkeit durch reklamehaftes Herausstellen, durch aufdringliche oder marktschreierische Ankündigung, oder durch vergleichende Gegenüberstellung des Gesundheitszustandes (Aussehens) eines Menschen vor und nach einer angebotenen Behandlung;"
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, dass "die Richtlinie 'Arzt und Öffentlichkeit'" gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Meinungsäußerung und Freiheit der Erwerbsausübung verstoße, weil "eine derartige Einschränkung" dieser Rechte nicht erforderlich sei. Die Unverhältnismäßigkeit ergebe sich daraus, dass der Beschwerdeführer im konkreten Fall nicht für kurative Medizin geworben habe, es habe sich nur um optisch kosmetische Wünsche von Patienten gehandelt. Außerdem könne die Bezeichnung eines Arztes als Erfinder oder Miterfinder einer Methode keine unsachliche Entscheidung der Patienten bezüglich der Wahl ihres Arztes herbeiführen.
1.2. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Vorschriften des Art 3 litb, e und f der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" sind beim Verfassungsgerichtshof jedoch nicht entstanden (s. auch VfSlg. 15.480/1999, 15.611/1999, 16.359/2001; ); dass diese Regelungen eine standeswidrige Information unabhängig davon definieren, ob es sich um "kurative Medizin" handelt oder ob jemand "Erfinder" einer Methode ist, ist nicht zu beanstanden.
2.1. Weiters rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz infolge Willkür: Die Behörde habe in ihrem Bescheid von einer "wahrheitswidrigen Anpreisung eigenen ärztlichen Wirkens" gesprochen, obwohl sie andererseits zugestanden habe, dass der Beschwerdeführer zumindest Miterfinder der in Rede stehenden Methode sei. Überdies habe sie das Berufungsvorbringen, dass im Schuldspruch des erstinstanzlichen Bescheides die Tatzeit nicht ausreichend definiert gewesen sei - die Angabe einer Jahreszahl reiche nicht aus -, nicht behandelt. Unberücksichtigt geblieben sei schließlich auch, dass die im Dezember 1999 beschlossene Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" zum Zeitpunkt der Schaltung des Inserates - im Februar 2000 - noch nicht in Geltung gewesen sei.
2.2. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
2.3. Dies ist der belangten Behörde im vorliegenden Fall nicht vorzuwerfen. Die Feststellung, dass die Methode der Liposkulptur bereits seit Jahrzehnten unabhängig vom Wirken des Beschwerdeführers praktiziert werde und "selbst die fachliterarisch angesprochenen Verbesserungsfacetten keineswegs dem [Beschwerdeführer] allein 'als Erfinder' zu verdanken seien", ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Ausgehend davon begegnet es aber - ungeachtet dessen, dass die Frage des Vorliegens einer unwahren Information (Art2 der Richtlinie) hier nicht entscheidungsrelevant war - auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die Behauptung des Beschwerdeführers, "Erfinder" dieser Methode zu sein, als wahrheitswidrige Information zu werten. Die mangelnde Konkretisierung der Tatzeit ist der belangten Behörde nicht als Willkür vorzuwerfen, zumal im gesamten Verfahren niemals strittig war, um welches Inserat es sich handelt.
Bezüglich der Anwendbarkeit der Richtlinie "Arzt und Öffentlichkeit" ist schließlich darauf hinzuweisen, dass zum Zeitpunkt des disziplinarrechtlich relevanten Verhaltens die Richtlinie in der Fassung der Kundmachung in der Österreichischen Ärztezeitung vom in Geltung stand. Wenn im bekämpften Bescheid die Richtlinie in der erst am kundgemachten Fassung zitiert wird, so bewirkt dies noch keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, weil die hier maßgeblichen Bestimmungen durch die Novelle keine (litb und litf) bzw. keine grundlegende (lite) Änderung erfahren haben, sodass der Bescheid in der Richtlinie idF der Kundmachung vom seine Rechtsgrundlage findet.
3. Es liegt daher auch der behauptete Verstoß gegen Art 7 EMRK nicht vor.
4. Die behaupteten Verfassungsverletzungen sind somit nicht gegeben. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Ob der angefochtene Bescheid aber in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen; und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 9454/1982, 12.697/1991, 15.473/1999).
5. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
III. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.