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OGH vom 12.12.1985, 7Ob554/85

OGH vom 12.12.1985, 7Ob554/85

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria A, Pensionistin in Seeboden, Schulweg 5, vertreten durch Dr. Heinrich Egger-Peitler, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wider die beklagte Partei Waltraud A, Pensionistin in Seeboden, Schulweg 7, vertreten durch Dr. Hannes Hammerschmidt, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen Herausgabe (Streitwert S 30.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom , GZ 3 R 255/84-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal a.d. Drau vom , GZ 4 C 900/82-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Beide Parteien haben ihre Kosten des Berufungsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist die Schwester, die Beklagte die Witwe des am verstorbenen Herbert A. Die Klägerin begehrt die Herausgabe eines Silberbesteckes für 12 Personen "je 7-teilig, insgesamt daher 84-teilig, zwei-lagig eingeordnet in eine dunkelbraune Kassette, ohne Prägung oder Gravuren", mit der Behauptung, daß sie Eigentümerin dieses Silberbestecks sei und es ihrem verstorbenen Bruder nur geliehen habe.

Der Erstrichter folgte bei seinen Feststellungen im wesentlichen diesem Klagevorbringen und gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Es nahm zu der Beweisrüge der Beklagten nicht Stellung, sondern griff von Amts wegen die Frage der Bestimmtheit des Klagebegehrens auf und verneinte sie. Bei einer eigentlichen Eigentumsklage (rei vindicatio) im Sinne des § 366 ABGB müsse derjenige, der eine bewegliche Sache zurückfordert, diese gemäß § 370 ABGB durch Merkmale beschreiben, wodurch sie von allen ähnlichen Sachen gleicher Gattung ausgezeichnet werde. Das Erfordernis der Individualisierung des Klagsgegenstandes ergebe sich auch aus § 226 ZPO und § 7 Abs 1 EO. Was der Schuldner zu leisten habe, müsse demnach bereits im Urteil feststehen und könne nicht dem Vollzug, nämlich der Entscheidung des Vollstreckungsorgans überlassen werden. Im vorliegenden Fall sei die Beschreibung des herauszugebenden Silberbesteckes ungenügend, weil Hinweise dafür fehlen, wie es sich von anderen Bestecken ohne Prägung und Gravuren mit gleicher Stückzahl unterscheide. Auch die Beschreibung der Kassette, in der sich das Besteck befinden soll, reiche nicht aus. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 5 Ob 601/79 könne es auch nicht darauf ankommen, ob die Beklagte nur ein einziges Silberbesteck besitze. Allerdings habe das Gericht zunächst zur Präzisierung eines nicht hinlänglich bestimmten Klagebegehrens aufzufordern. Ein entsprechender Verfahrensmangel erster Instanz sei aber nicht gerügt worden. Das Berufungsgericht sei bloß berechtigt, im Rahmen des § 405 ZPO ein undeutliches Klagebegehren dann zu verdeutlichen, wenn sich aus dem bewiesenen Klagevorbringen eindeutig ergebe, was der Kläger begehre. Dies sei hier nicht der Fall, weil das Vorbringen der Klägerin über die Art des Bestecks widersprüchlich sei. Sie habe zwar zunächst behauptet, daß das Besteck keine Gravuren und Prägungen an den Griffen habe, nach Vorweis eines Messers aus dem bei der Beklagten vorhandenen Silberbesteck aber schließlich angegeben, daß es sich bei diesem - nach der Feststellung des Erstrichters an der Klinge mit der Gravur einer Krone und dem Schriftzug "Gerlach" und dem slavischen Wort "nierdzewne" versehene - Messer um eines aus ihrem Silberbesteck handle.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt, und erklärte die Revision für zulässig, weil trotz des Vorliegens einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Bestimmtheit eines Klagebegehrens bei einer Eigentumsklage im besonderen auf die Umstände des Einzelfalles und auf die Art des herauszugebenden Gegenstandes abgestellt werden müsse, sodaß einer solchen Entscheidung über den Einzelfall hinaus zur Wahrung der Rechtssicherheit eine erhebliche Bedeutung zukommen könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist trotz dieses Ausspruches der zweiten Instanz (§ 508 a Abs 1 ZPO) unzulässig.

In dem hier vorliegenden Streitwertbereich zwischen S 15.000,-- und S 300.000,-- ist die sogenannte Grundsatz- oder Zulassungsrevision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Gemäß § 503 Abs 2 ZPO kann in diesem Fall die Revision überdies nur begehrt werden, weil das Urteil des Berufungsgerichtes auf der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts beruht, der erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukommt. Die gesetzmäßige Ausführung einer solchen Revision setzt deshalb die Geltendmachung einer konkreten erheblichen Rechtsfrage im genannten Sinn voraus; dabei ist der Revisionswerber allerdings nicht auf die Rechtsfragen beschränkt, deretwegen das Berufungsgericht die Revision für zulässig erklärt hat (Petrasch, ÖJZ 1983, 178; und ÖJZ 1985, 299; 3 Ob 565/84 ua).

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes betreffend das Erfordernis einer bestimmten Bezeichnung des mit der Eigentumsklage geforderten Gegenstandes in der Weise, daß dadurch die Feststellung der Identität zweifelsfrei ermöglicht wird, entspricht der schon von der zweiten Instanz bezogenen oberstgerichtlichen Rechtsprechung (SZ 23/157 ua). Auf diese Frage kommt die Revision auch nicht mehr zurück. Die Revisionswerberin meint bloß, daß das Berufungsgericht ohne Verletzung des § 405 ZPO eine Verdeutlichung des Klagebegehrens in der Richtung der im Verfahren näher hervorgekommenen Besonderheiten des einzigen bei der Beklagten vorhandenen, der Klägerin gehörenden Silberbestecks mit "87 oder 88 Einzelteile, Silbergriff mit Barockmuster ohne Gravuren, auf den Messerklingen mit den eingravierten Worten Gerlach und nierdzewne " hätte selbst vornehmen können. Durch die Unterlassung dieser Vorgangsweise sei "der Wahrung der Rechtssicherheit gegenständlicher Einzelfallgerechtigkeit nicht Rechnung getragen" worden. Auch die Frage der Grenzen einer amtswegigen Verdeutlichung des Klagebegehrens hat das Berufungsgericht aber im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entschieden. Danach kann das Gericht dem Urteilsspruch eine klarere und deutlichere, vom Begehren abweichende Fassung geben, falls sich letztere im Wesen mit dem Begehren deckt (SZ 37/28 uva.). Nicht der Wortlaut des Begehrens, sondern auch der Inhalt der Klage sind maßgebend (SZ 27/12 uva.). Die Entscheidung des Berufungsgerichtes hält sich im Rahmen dieser Grundsätze, zumal die Revisionswerberin ihr ausdrücklich auf die Herausgabe eines Silberbestecks ohne Prägung oder Gravuren gerichtetes Klagebegehren trotz Hervorkommens weiterer Einzelheiten betreffend die Beschaffenheit des bei der Beklagten vorhandenen Silberbestecks (mit Barockmuster und Gravuren) nicht geändert hat. Einen allfälligen Mangel des Berufungsverfahren infolge Unterlassung einer Anleitung der Klägerin zu einer Änderung ihres mindestens in diesem Sinn undeutlich gebliebenen Begehrens kann der Oberste Gerichtshof mangels Geltendmachung nicht wahrnehmen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO; die beklagte Partei hat die Unzulässigkeit der Revision nicht erkannt.