OGH 27.02.2007, 10Ob15/07i
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Verlassenschaftssache des mit für tot erklärten Hugo M*****, geboren am *****, zuletzt wohnhaft in *****, Deutschland, infolge Revisionsrekurses der erblasserischen Schwester Ariana K*****, Israel, vertreten durch Hopmeier & Wagner Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 42 R 509/06y-18, womit aus Anlass des Rekurses der erblasserischen Schwester der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 6 A 362/05a-11, als nichtig aufgehoben und die Erbsantrittserklärung zurückgewiesen wurden, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Rekursgericht zurückgestellt.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Hugo M***** wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom für tot erklärt. Der Tag seines vermuteten Todes wurde mit festgestellt. Er war nicht österreichischer Staatsbürger und hatte zuletzt in Deutschland gelebt. Das einzige bekannte Vermögen des Erblassers besteht aus einem Bankguthaben.
Das Erstgericht wies die von der Revisionsrekurswerberin als Schwester des Erblassers auf Grund des Gesetzes abgegebene bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten in Österreich befindlichen Nachlass ab.
Aus Anlass des dagegen erhobenen Rekurses der erblasserischen Schwester hob das Rekursgericht den angefochtenen Beschluss als nichtig auf und wies die Erbantrittserklärung wegen fehlender inländischer Gerichtsbarkeit zurück. In seiner Begründung hielt es fest, dass mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Einen Bewertungsausspruch unterließ es.
Gegen diese Entscheidung erhob die erblasserische Schwester einen im Rubrum als Revisionsrekurs bezeichneten Rekurs, den das Erstgericht im Weg des Rekursgerichts dem Obersten Gerichtshof vorlegte.
§ 62 Abs 1 AußStrG erfasst mit dem Begriff „Revisionsrekurs" nicht nur das Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung des Gerichts zweiter Instanz über einen Rekurs gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung. Die Bestimmung regelt vielmehr schlechthin die Anfechtbarkeit für jeden „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts" (5 Ob 60/06v; Fucik/Kloiber, AußStrG § 62 Rz 2) und gilt daher auch für dessen Beschlüsse, mit denen ein Antrag oder ein Rekurs ohne Sachentscheidung aus rein formalen Gründen zurückgewiesen wird (jüngst 6 Ob 286/06h; Fucik/Kloiber aaO § 62 Rz 2). Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin ist ihr Rekurs ein Revisionsrekurs, der nicht jedenfalls zulässig ist, denn der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts erging im Rahmen des Rekursverfahrens. Der Revisionsrekurs ist vielmehr nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG abhängt (RIS-Justiz RS0007169). Der Revisionsrekurs ist - außer im Fall der Abänderung des Zulassungsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 20.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 62 Abs 3 AußStrG). § 62 Abs 3 AußStrG gilt jedoch nicht, soweit der Entscheidungsgegenstand nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (§ 62 Abs 4 AußStrG).
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein rein vermögensrechtlicher oder ein nicht rein vermögensrechtlicher Entscheidungsgegenstand vorliegt, ist der Entscheidungsgegenstand der Hauptsache maßgeblich, auch wenn es um verfahrensrechtliche Fragen geht (7 Ob 177/01g; RIS-Justiz RS0109919). Ob ein Anspruch vermögensrechtlicher Natur ist, ergibt sich aus seinem materiellrechtlichen Inhalt. Als vermögensrechtliche Ansprüche können jene Ansprüche angesehen werden, die vererblich oder veräußerbar sind (10 Ob 45/04x; 5 Ob 506/94). Bei der hier in Frage stehenden Ab- oder Zurückweisung einer Erbantrittserklärung geht es um einen Anspruch rein vermögensrechtlicher Natur (vgl 5 Ob 515/91; 7 Ob 177/01g; RIS-Justiz RS0007110). Besteht der Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur - wie hier - nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, dann hat das Rekursgericht gemäß § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20.000 EUR übersteigt oder nicht. An diesem für die Zulässigkeit des Revisionsrekurses maßgeblichen Ausspruch fehlt es. Das Rekursgericht hat daher den vom Gesetz geforderten Ausspruch gemäß § 59 Abs 2 AußStrG nachzuholen. Die weitere Vorgangsweise ist nach dem über den Wert des Entscheidungsgegenstands zu treffenden Ausspruch auszurichten. Aus diesen Erwägungen ist der Akt dem Rekursgericht zurückzustellen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Verlassenschaftssache des mit für tot erklärten Hugo M*****, geboren am *****, zuletzt wohnhaft in *****, Deutschland, infolge Revisionsrekurses der erblasserischen Schwester Ariana K*****, vertreten durch Hopmeier & Wagner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 509/06y-18, womit aus Anlass des Rekurses der erblasserischen Schwester der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 6 A 362/05a-11, als nichtig aufgehoben und die Erbsantrittserklärung zurückgewiesen wurden, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Verlassenschaftssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Hugo M***** wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom für tot erklärt. Der Tag seines vermuteten Todes wurde mit festgestellt. Er war nicht österreichischer Staatsbürger und hatte - bevor er verschollen war - in Deutschland gelebt. Sein einziges bekanntes Vermögen besteht aus einem Bankguthaben in Österreich.
Das Erstgericht wies die von der Revisionsrekurswerberin als Schwester des Erblassers aufgrund des Gesetzes abgegebene bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten in Österreich befindlichen Nachlass ab, weil mangels Kenntnis des letzten Personalstatuts des Erblassers nicht beurteilt werden könne, ob nach dessen Heimatrecht überhaupt ein Erbrecht eines Geschwisterteiles gegeben sei.
Aus Anlass des dagegen von der erblasserischen Schwester erhobenen Rekurses hob das Rekursgericht den angefochtenen Beschluss als nichtig auf und wies die Erbantrittserklärung wegen fehlender inländischer Gerichtsbarkeit zurück. Die inländische Gerichtsbarkeit für die Abhandlung einer Verlassenschaft sei gemäß § 106 Abs 1 Z 2 lit a und b JN für das in Inland gelegene bewegliche Vermögen dann gegeben, wenn der Verstorbene zuletzt österreichischer Staatsbürger gewesen sei oder seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt habe. Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben. Auch für das Vorliegen der Voraussetzung des § 106 Abs 1 Z 2 JN lit c, dass die Durchsetzung aus dem Erbrecht im Ausland unmöglich wäre, bestünden keine Anhaltspunkte.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Rekursgericht nachträglich (§ 63 AußStrG) zugelassene Revisionsrekurs der erblasserischen Schwester ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Auch in Verlassenschaftssachen richtet sich die inländische Gerichtsbarkeit im Sinn der internationalen Zuständigkeit primär nach entsprechenden Staatsverträgen. Nur wenn solche nicht bestehen, kommen die innerstaatlichen Regeln über die internationale Zuständigkeit (inländische Gerichtsbarkeit) zur Anwendung (10 Ob 17/06g; eingehend Potyka in Burgstaller/Neumayr, IZVR, Verlassenschaftsverfahren Rz 2 ff).
Österreich hat mit Deutschland, wo der Erblasser nach den Feststellungen vor seiner nachrichtenlosen Abwesenheit seinen Aufenthalt hatte, keine staatsvertragliche Regelung betreffend die internationale Zuständigkeit zur Verlassenschaftsabhandlung (siehe Potyka aaO Rz 21, 39 ff).
Die Revisionsrekurswerberin behauptete in ihrem Schriftsatz vom (ON 17), der Erblasser sei seit seiner Geburt rumänischer Staatsbürger gewesen. Der Konsularvertrag Österreichs mit Rumänien, BGBl 1972/317, sieht zwar in Art 21 bestimmte Vorgangsweisen hinsichtlich des in einem Vertragsstaat befindlichen Nachlasses eines Angehörigen des anderen Vertragsstaates vor, enthält aber keine Regelung betreffend die internationale Zuständigkeit zur Verlassenschaftsabhandlung (vgl Potyka aaO Rz 21).
Die innerstaatlichen Regelungen über die internationale Zuständigkeit in Verlassenschaftssachen wurden durch das Außerstreit-Begleitgesetz, BGBl I 2003/112, grundliegend reformiert, wobei das Gesetz in den §§ 106, 107 JN entsprechend der auch sonst im Gesetz verwendeten Terminologie für die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte den Ausdruck inländische Gerichtsbarkeit verwendet. Ausgehend von der erstmaligen Anhängigmachung des Verlassenschaftsverfahrens bei Gericht nach dem ist im vorliegenden Fall die neue Rechtslage anzuwenden (Art XXXII § 3 Abs 2 AußStrG-Begleitgesetz).
Ob Österreich die internationale Zuständigkeit zur Verlassenschaftsabhandlung in Anspruch nimmt, richtet sich gemäß § 106 Abs 1 JN primär danach, ob das Vermögen der verstorbenen Person im Inland oder im Ausland gelegen ist und ob es sich um bewegliches oder unbewegliches Vermögen handelt. Beim beweglichen Vermögen können die Staatsangehörigkeit und der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers sowie die Durchsetzbarkeit des Erbrechts im Ausland relevant sein. Besteht demnach keine inländische Abhandlungsgerichtsbarkeit, ist ein Ausfolgungsverfahren nach § 150 AußStrG durchzuführen.
Über im Inland gelegenes bewegliches Vermögen ist gemäß § 106 Abs 1 Z 2 JN im Inland abzuhandeln, wenn der Verstorbene zuletzt entweder österreichischer Staatsbürger war (lit a) oder seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte (lit b) oder wenn die Durchsetzung aus dem Erbrecht, Pflichtteilsrecht oder einer letztwilligen Erklärung abgeleiteter Rechte im - für die Durchsetzung sonst in Frage kommenden - Ausland unmöglich ist (lit c). Der Erblasser war weder österreichischer Staatsbürger noch hatte er seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Ob die internationale Zuständigkeit gemäß § 106 Abs 1 Z 2 lit c JN für das im Inland gelegene bewegliche Vermögen des Erblassers gegeben ist, kann noch nicht entschieden werden. Die Gesetzesmaterialien (RV 225 BlgNR 22. GP 9) geben keine Auskunft, was unter dem Tatbestand der lit c zu subsumieren ist. Allerdings wird in Bezug auf das im Ausland gelegene bewegliche Vermögen (§ 106 Abs 1 Z 3 lit b JN) ausgeführt, dass die Abhandlungsgerichtsbarkeit Österreichs möglichst eingeschränkt sein sollte, weil eine Abhandlung über ausländische Fahrnisse und Forderungen große praktische Probleme bereite und in aller Regel nicht so gut geeignet sei, die Interessen der Erben und sonstigen Beteiligten wahrzunehmen wie eine Abhandlung im Lagestaat (RV 225 BlgNR 22. GP 9). Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass es nur in besonderen Ausnahmefällen zu einer Abhandlung in Österreich kommen soll, was dafür spricht, bei der Beurteilung, ob die Durchsetzung des Erbrechts im Ausland unmöglich ist, einen strengen Maßstab anzulegen. Wegen des identischen Wortlauts von § 106 Abs 1 Z 2 lit c JN muss für die dort geregelte Konstellation eines inländischen beweglichen Vermögens eines Ausländers ohne letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland dasselbe gelten (10 Ob 17/06g; Potyka, Die inländische Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit in Verlassenschaftssachen nach dem AußStrG-Begleitgesetz unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses zu Deutschland, RZ 2005, 6 [7]).
Grundsätzlich kann eine solche Unmöglichkeit der Rechtsdurchsetzung entweder auf rechtliche (vor allem auf eine mangelnde internationale Zuständigkeit) oder auf faktische Umstände (zB auf die Untätigkeit der zuständigen Behörde) zurückzuführen sein (10 Ob 17/06g). Die Frage, ob im vorliegenden Fall Unmöglichkeit der Rechtsdurchsetzung im Ausland gegeben ist, kann noch nicht beantwortet werden, weil nicht einmal geklärt ist, welcher ausländische Staat für die Rechtsdurchsetzung überhaupt in Frage kommt. Dies muss zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen führen. Das Erstgericht wird das Verfahren durch Ermittlungen zu ergänzen haben, die die Beantwortung der Frage erlauben, ob die inländische Gerichtsbarkeit für die Einleitung eines Verlassenschaftsverfahrens über das in Österreich befindliche bewegliche Vermögen des Erblassers gegeben ist. Entsprechend der zu gebenden Antwort wird sich die weitere Vorgangsweise des Erstgerichts richten.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in EFSlg 118.822 = EFSlg 118.823 = EFSlg 118.824 XPUBLEND |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2007:0100OB00015.07I.0227.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAD-79080