OGH vom 21.03.2017, 10Ob13/17k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch KosesnikWehrle Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich RechtsanwaltsPartnerschaft in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert: 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert: 5.500 EUR), über die Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 187/15g11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 57 Cg 10/15v7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben wie folgt:
„1. Das Klagebegehren,
a) die beklagte Partei sei schuldig, es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, im Zusammenhang mit Fremdwährungskreditverhältnissen mit Verbrauchern für den Fall, dass bei Vertragsverhältnissen, denen eine Zinsanpassungsklausel oder Zinsgleitklausel vereinbart wurde und das Ergebnis aus vereinbartem Indikator zuzüglich vereinbartem Zuschlag auf den Indikator unter Null liegen sollte, einen Mindestzinssatz von 0,0 % oder mehr zu verrechnen und damit Negativzinsen nicht oder nicht vollständig an die Vertragspartner weiterzugeben;
b) der klagenden Partei werde die Ermächtigung erteilt, den Urteilsspruch im klagestattgebenden Teil zu veröffentlichen,
wird abgewiesen.
2. Die beklagte Partei wird ermächtigt, binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des Urteils den klageabweisenden Spruch samt Ermächtigung zu seiner Veröffentlichung im redaktionellen Teil einer Samstagsausgabe der Kronen Zeitung, bundesweite Ausgabe, einmal in fetter Umrandung und in Normallettern, aber mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien auf Kosten der klagenden Partei zu veröffentlichen.
3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.581,26 EUR (darin 762,81 EUR USt und 4,40 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit 4.767,06 EUR (darin 454,01 EUR USt und 2.043 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.197,80 EUR (darin 366,20 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens über die Revision der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.988,52 EUR (darin 104,42 EUR USt und 1.362 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Verfahrens über die Revision der beklagten Partei binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist ein gemäß § 29 Abs 1 KSchG klageberechtigter Verein.
Die Beklagte betreibt bundesweit das Bankgeschäft und schließt mit Verbrauchern zahlreiche Kreditverträge, bei denen es sich um Verbraucherkreditverhältnisse handelt. Insbesondere hat die Beklagte auch zahlreiche Fremdwährungskreditverträge mit Verbrauchern geschlossen, bei denen die Kreditvaluta in anderer Währung als Euro (EUR) aushaftet. Ein Großteil dieser Kreditverhältnisse wird in Schweizer Franken (CHF) geführt.
Zahlreichen dieser Kreditverträge sind Zinsgleit- oder Zinsanpassungsklauseln zugrunde gelegt. Nach diesen Klauseln setzt sich der Zinssatz, der dem Verbraucher als Vertragspartner der Beklagten verrechnet wird, aus dem (veränderlichen) Indikator (für zahlreiche Fremdwährungskreditverträge der Beklagten mit Verbrauchern ist dies die London Interbank Offered Rate – LIBOR) und dem (unveränderlich vereinbarten) Aufschlag auf diesen Indikator zusammen. Diese Klauseln sehen keine Ober- oder Untergrenze des Zinssatzes vor.
Die Beklagte richtete im Februar 2015, insbesondere auch am , folgendes Schreiben an ihre Fremdwährungskreditnehmer:
„Sehr geehrte ...,
aufgrund von Veränderungen auf dem Geld- und Kapitalmarkt haben sich die Indikatoren der in Ihrem Kreditvertrag vereinbarten Zinsenanpassungsklausel geändert.
Aus dieser Zinsenanpassungsklausel*) ergibt sich mit Wirkung von eine Änderung des Zinssatzes um … % von … % auf … %.
Falls für die Kreditrückzahlungen ein Dauerauftrag besteht, ersuchen wir Sie, die Änderung dieses Auftrages zu veranlassen.
*) Da der im bestehenden Vertrag vereinbarte Indikator derzeit negativ ist oder negativ werden könnte, weisen wir zur Klarstellung auf Folgendes hin: So lange der Negativindikator den Aufschlag nicht übersteigt, ändert sich an der Zinsverrechnung nichts, sodass der vom Kunden zu zahlende Sollzinssatz auch niedriger als der Aufschlag sein kann (zB Indikator - 0,5 % und Aufschlag 1,2 % = Sollzinssatz 0,7 %).
Wird aber der Sollzinssatz rechnerisch negativ, bringen wir nicht diesen, sondern – aufgrund unserer Rechtsauffassung, dass bei Kreditverträgen prinzipiell nicht der Kreditgeber, sondern der Kreditnehmer Zinsen zu zahlen hat – einen Sollzinssatz von 0 (0,00001 %) zur Anwendung. Der Kreditnehmer erhält also für den Kredit auch dann, wenn der Negativindikator rein rechnerisch den Aufschlag übersteigt, jedenfalls keine Zinszahlung von der Bank (zB Indikator - 1,3 % und Aufschlag 1,2 % = Sollzinssatz 0,00001 %, nicht - 0,1 %). … "
Bis Herbst 2008 wurden von zahlreichen Kunden der Beklagten Fremdwährungskredite in Schweizer Franken aufgenommen. Diese stellen für die Beklagte Risikopositionen dar, die Währungsschwankungen unterliegen, wenn sie nicht abgesichert werden.
Zur Absicherung vor Risken durch Währungsschwankungen schloss die Beklagte abgesonderte Währungs- und Zinstauschgeschäfte ab, sogenannte Cross Currency Swaps (CCS). Dabei erhielt die Beklagte von dritten Geschäftspartnern Schweizer Franken zur Auszahlung an ihre Kreditkunden. Im Gegenzug zahlte die Beklagte an diese Geschäftspartner Euro und bekam dafür (Euro-)Zinsen. Die CCS wurden nicht auf Einzelgeschäftsebene, sondern auf Portfolioebene pauschal abgeschlossen, wobei die Beklagte anstrebte, dass die Sicherungsgeschäfte insgesamt entsprechend der gesamten Volumina und Laufzeiten, die für die Schweizer Franken-Kredite erforderlich sind, abgeschlossen wurden. Durch die CCS erfolgte keine Refinanzierung der Kredite. Sie dienten im alleinigen Interesse der Beklagten lediglich der Absicherung ihrer Währungsrisiken und waren Teil des gesamten Vorgangs der Vergabe von Fremdwährungskrediten.
Die Refinanzierungssituation wirkt sich auf den individuellen Fremdwährungskreditvertrag im Allgemeinen nur bei Abschluss dieses Vertrags aus. Grund dafür ist, dass die Marge auf Basis der Refinanzierungssituation der Bank gebildet wird. Da die Marge fix ist und sich nur mehr der Referenzzinssatz (LIBOR, EURIBOR) ändert, wirkt sich die Refinanzierungssituation im weiteren (zeitlichen) Verlauf nicht mehr auf den individuellen Fremdwährungskreditvertrag aus.
Die Refinanzierungsstruktur der Banken beruht auf von jeder einzelnen Bank getroffenen Entscheidungen. Sie besteht aus einer Mischung aus Einlagengeschäft, Eigenemissionen, Interbankenmarktgeschäft und anderen Refinanzierungsquellen. Die Bank wählt dabei auch einen Portfolioansatz.
Beim LIBOR handelt es sich um einen Durchschnittswert für Angebotssätze, der täglich gebildet und veröffentlicht wird. Die Basis für die Veröffentlichung des LIBOR bilden die Angaben der am LIBOR-Panel teilnehmenden (ca zehn) Großbanken, zu denen die Beklagte nicht gehört. Dem LIBOR liegen keine konkreten Einlagengeschäfte zugrunde. Die Bindung an den LIBOR bewirkt daher nur eine Bindung an das allgemeine Zinsniveau für kurzfristige Ausleihen am Geldmarkt und spiegelt nicht die konkreten Refinanzierungskosten der Beklagten oder des konkreten Kredits wider. Ein höherer LIBOR bedeutet daher nicht, dass auch die Refinanzierungskosten der Beklagten höher sind.
Ein negativer LIBOR kann dazu führen, dass die Beklagte daraus „negative Zinsen“ lukriert, was jedoch nur selten der Fall ist, weil die Aufschläge höher sind. Erst wenn der negative Wert des LIBOR den Aufschlag übersteigt, kann der Fall eintreten, dass die Beklagte aus den CCS einen Gewinn lukrieren kann. Wenn der LIBOR negativ ist, bedeutet dies jedoch lediglich, dass eine Bank des LIBOR-Panels ein Offert stellt, Schweizer Franken aufzunehmen, wenn ihr dafür jemand negative Zinsen in dieser Höhe bezahlt. Es besteht allerdings kein Anspruch einer Bank, und daher auch nicht der Beklagten, darauf, bei einem negativen LIBOR große Summen in Schweizer Franken aufzunehmen und dafür Zinsen in der Höhe des negativen LIBOR bezahlt zu bekommen. Ob und allenfalls in welchem Volumen solche Transaktionen auch tatsächlich zustande kommen, ist nicht bekannt.
Der LIBOR wurde erstmals im Jahr 1989 veröffentlicht und war im Dezember 2014 erstmals negativ. Am betrug der 1-Monats-LIBOR für Schweizer Franken - 0,9250 %.
„Negative Zinsen“ waren in der Schweiz ein Thema, als der Schweizer Franken wegen der Ölkrise in den 1970iger Jahren stark aufwertete. Die Schweizer Nationalbank und Geschäftsbanken verständigten sich damals darauf, den Franken zu schützen. Die Maßnahmen reichten von einem Verbot der Anlage ausländischer Gelder in inländische Wertpapiere und Grundstücke bis hin zu „Negativzinsen“ auf kurzfristige ausländische Franken-Guthaben. Diese Maßnahmen hatten jedoch den Charakter von „Strafzahlungen“, die auf die Schweiz beschränkt waren und die Zuflüsse von Fremdwährungen in die Schweiz verhindern und beschränken sollten. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Fremdwährungskreditverträge in Schweizer Franken war für die Beklagte nicht vorhersehbar (und sie rechnete auch nicht damit), dass der LIBOR einen negativen Wert haben könnte.
In Online-Medien der K********** und des W********** wurde von der beabsichtigten Klageführung durch den Kläger und seine Rechtsauffassung im Zusammenhang mit „Negativzinsen“ bei Fremdwährungskrediten berichtet. Der Kläger berichtete auf seiner Website über die Vorgangsweise von Banken im Zusammenhang mit dem negativen LIBOR-Wert, legte seine Rechtsansicht dar und riet Verbrauchern, der Vorgangsweise der Banken in diesem Zusammenhang zu widersprechen.
Der Kläger begehrt, gestützt auf § 28a KSchG, wie aus dem Spruch ersichtlich. Er stellte nicht in Frage, dass die in den Verbraucherkreditverträgen der Beklagten vereinbarte Zinsgleitklausel als solche nicht gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstoße. Durch die der Beklagten zugutekommenden „Negativzinsen“ werde aber das von der Rechtsprechung geforderte Gebot der Anpassungssymmetrie für Zinsgleitklauseln iSd § 6 Abs 1 Z 5 KSchG nicht umgesetzt, weil die Veränderungen nicht vollständig an die Vertragspartner weitergegeben werden.
Von dem von der Beklagten geltend gemachten Grundsatz, dass beim Darlehen immer der Darlehensnehmer die Zinsen zu zahlen habe, könne, weil es sich dabei um dispositives Recht handle, vertraglich auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) abgewichen werden, weil es sich um keine Abweichung zum Nachteil des Kunden handle. Es treffe zwar grundsätzlich zu, dass der Kreditnehmer für die Überlassung der Kreditvaluta ein Entgelt in typischerweise von ihm periodisch in jeder Phase des Vertrags zu zahlenden Zinsen schulde. Dies sei aber nicht notwendiger Bestandteil jedes Kreditvertrags: Vielmehr müsse es für das Vorliegen eines Kreditvertrags ausreichen, dass der Kredit bei einer Gesamtbetrachtung sämtlicher zu erwartender Zahlungsflüsse während der Laufzeit letztlich nicht ohne Entgelt gewährt werde.
Die Möglichkeit eines negativen Zinssatzes ergebe sich hier schon bei einfacher Vertragsauslegung aus der vereinbarten Berechnungsmethode, die keine Grenzen nach unten oder oben vorsehe. Diese Möglichkeit sei für die Beklagte auch nicht unvorhersehbar gewesen, weil der LIBOR schon wiederholt negativ gewesen sei. Dasselbe Ergebnis würde auch eine ergänzende Vertragsauslegung ergeben, die jedoch weder erforderlich noch zulässig sei. Die Zinsgleitklausel sei von der Beklagten formuliert, sodass allfällige Zweifel zu deren Lasten gingen.
Die Berücksichtigung negativer Zinsen sei auch in der Sache gerechtfertigt: Denn bei negativem LIBOR erhielten die Banken bei den am Geldmarkt angebotenen Refinanzierungskrediten im Durchschnitt Gutschriften. Übersteigen diese Gutschriften den im einzelnen Kreditvertrag vereinbarten Aufschlag, gebe es keinen Grund, warum die Bank diese Gutschrift für sich behalten solle. Da die Zinsgleitklausel auch nach oben hin nicht gedeckelt sei, könne die Bank auch steigende Refinanzierungskosten unbeschränkt auf den Verbraucher überwälzen. Auf die individuellen Refinanzierungskosten der Bank komme es nicht an, weil diese vereinbarungsgemäß durch den LIBOR abgebildet werden sollen. Aufgrund der Vereinbarung komme es daher nur auf die Entwicklung des LIBOR an.
Kredite seien anders zu behandeln als Spareinlagen. Während nämlich bei Spareinlagen der Kunde eigenes Geld veranlage und dafür Zinsen erwarte, verborge die Bank bei der Kreditvergabe kein eigenes Geld, sondern besorge sich dieses auf dem Weg der Refinanzierung auf dem Markt. Die Bank verdiene an der Differenz zwischen dem von ihr zu bezahlenden Zinssatz und dem aufgrund der vereinbarten Marge höheren an die Bankkunden verrechneten Zinssatz. Dies sei auch dann der Fall, wenn der Marktzinssatz negativ sei, weil auch in diesem Fall die vereinbarte Marge (Aufschlag) zum Tragen komme.
Die Beklagte habe mit den Schreiben vom Februar 2015 eine rechtswidrige Vorgangsweise konkret angekündigt, sodass eine vorbeugende Unterlassungsklage zulässig sei. Sie kündige damit einen Verstoß gegen das gesetzliche Gebot, die Verrechnung der Zinsen in Verbraucherkreditverhältnissen in einer mit § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und den vereinbarten Zinsgleitklauseln konformen Weise vorzunehmen, und gegen die beispielsweise aus § 871 ABGB abzuleitende Pflicht zur Vertragstreue an. Es bestehe ein berechtigtes Interesse der angesprochenen und betroffenen Verbraucherkreise an der Aufklärung über das gesetzwidrige Verhalten der Beklagten, sodass auch das Veröffentlichungsbegehren berechtigt sei.
Die Beklagte wandte dagegen ein, dass es unrichtig sei, dass Banken Negativzinsen aus der Refinanzierung selbst erhalten würden. Die Refinanzierung beruhe vielmehr auf Entscheidungen jeder einzelnen Bank. Sie finde nicht auf einzelgeschäftlicher Ebene, sondern auf Portfolioebene – insbesondere durch Sicherungsgeschäfte mit Dritten zur Absicherung von Risiken aus Währungsschwankungen bei CHFKrediten – statt, sodass die daraus entstehenden Kosten nicht einzelvertraglich zugeordnet werden könnten. Die Kosten der Refinanzierung hätten sich darüber hinaus auch durch regulatorische Anforderungen (zB Basel III) erhöht. Daher könne bei Vorliegen eines negativen CHFLIBOR nicht davon ausgegangen werden, dass die Bank entsprechende Vorteile auf der Refinanzierungsseite erziele. Die Refinanzierungssituation der Bank habe keine Auswirkungen auf den individuellen Kreditvertrag des Kunden. Es sei unzutreffend, dass die Beklagte im Zug der Refinanzierung selbst Geld erhalte und ein „Einfrieren“ des Zinssatzes bei Null im Ergebnis eine Erhöhung des vereinbarten Aufschlags darstelle.
Die negative Entwicklung des CHFLIBOR sei für die Beklagte bei Vergabe von Fremdwährungskrediten nicht vorhersehbar gewesen. Dieser werde für den hier relevanten Zusammenhang mit der Refinanzierung erst seit Ende der 1980er Jahre quotiert. Die Basis für die Festsetzung des LIBOR seien Angaben der am LIBORPanel teilnehmenden Banken, zu denen die Beklagte nicht gehöre. Bei früheren „negativen“ Entwicklungen habe es sich nur um Taggelder gehandelt, die nicht für die Refinanzierung von Krediten geeignet seien.
Die vertragliche Bindung an den LIBOR bewirke nur eine Bindung an das allgemeine Zinsniveau für kurzfristige Ausleihen am Geldmarkt und damit an „durchschnittliche“ Refinanzierungskosten, spiegle aber aus den genannten Gründen keineswegs die tatsächlichen Refinanzierungskosten eines Kreditinstituts oder gar eines einzelnen Kredits wider.
Ausgehend von der maßgeblichen Parteienabsicht und dem üblichen Sprachgebrauch könne ein Kreditvertrag schon bei einfacher Vertragsauslegung nicht so verstanden werden, dass die Bank einem Kunden Kapital zur Verfügung stelle und dafür auch noch Zinsen bezahle. Dies ergebe sich weder aus § 6 Abs 1 Z 5 KSchG noch aus § 988 Satz 1 ABGB. Diese Bestimmung sei zwar erst mit dem DaKRÄG 2010, BGBl I 2010/28, in Kraft getreten und auf die im konkreten Fall nur bis 2008 vergebenen Fremdwährungskredite nicht anwendbar. Sie habe jedoch keine Änderung der Rechtslage gebracht, sondern nur das bereits zuvor in Lehre und Rechtsprechung bestehende Verständnis, wonach es sich beim Kreditvertrag um einen entgeltlichen Darlehensvertrag handle, festgeschrieben. Eine Unklarheit der vertraglichen Vereinbarung iSd § 915 ABGB liege nicht vor.
Das Entgelt bestehe beim Kreditvertrag gemäß § 988 Satz 3 ABGB in den vom Kreditnehmer für einzelne Perioden der Kreditlaufzeit zu zahlenden Zinsen. Zinsen seien aber auch schon nach der bis zum Inkrafttreten dieser Bestimmung geltenden Rechtslage (nur) die Gegenleistung des Kreditnehmers und nicht eine Zusatzleistung des Kreditgebers gewesen. Vereinbart sei nur die variable Berechnungsmethode für vom Kreditnehmer zu zahlende Zinsen, nicht jedoch sei „Variabilität“ für die Frage vereinbart, ob der Kreditnehmer oder der Kreditgeber Zinsen zu zahlen habe. Die vom Kläger gewünschte Auslegung könnte entgegen § 983 Satz 2 ABGB dazu führen, dass der Kreditnehmer rein rechnerisch gerade nicht zur Rückgabe von „ebenso vielen Sachen derselben Gattung und Güte“ verpflichtet wäre, die er erhalten hat. Zum umgekehrten Fall eines Sparbuchprodukts habe der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit einer Zinsgleitklausel auch die Ansicht vertreten, dass eine „Nullverzinsung“ den Zwecken einer Spareinlage diametral widerspreche, wobei einer anderen (tatsächlichen) Refinanzierungssituation – etwa der Frage, ob die Sparbucheinlage refinanziert sei – keine Bedeutung zukomme. Diese Grundsätze müssten auch für einen Kreditvertrag gelten. Die Vorgangsweise der Beklagten, den Kundenzinssatz bei 0,00001 % „einzufrieren“, entspreche daher dem Vertrag und sei rechtskonform.
Die Beklagte beantragte ihrerseits die Veröffentlichung des klageabweisenden Urteils.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es sei zwar richtig, dass das Entgelt für einen Kredit in der Regel in den vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen bestehe und der Umstand, dass sich der LIBOR „negativ“ entwickle, für die Parteien nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Rechtsansicht der Beklagten, dass im Fall eines negativen Referenzzinssatzes dieser bei 0,00001 % „einzufrieren“ sei, finde jedoch bei einer einfachen Vertragsauslegung in den vereinbarten Zinsgleitklauseln keine Grundlage. Denn diese sähen weder Ober noch Untergrenzen vor. Für die Annahme der Entgeltlichkeit des Kreditvertrags bei Vereinbarung variabler Zinsen reiche es aus, dass der Kredit für den Kreditnehmer aus einer exanteBetrachtung unter Berücksichtigung sämtlicher zu erwartender Zahlungsflüsse während der Laufzeit des Kredits in Summe nicht ohne Notwendigkeit einer Entgeltleistung gewährt werde. Dass das für den Kredit zu zahlende Entgelt ex post betrachtet höher oder niedriger ausfallen könne, liege bei variablen Zinsen in der Natur der Sache. Selbst der Umstand, dass der Zinssatz vorübergehend oder unerwartet dauerhaft ins Minus „kippe“, stehe der Annahme der Entgeltlichkeit des Kreditvertrags nicht entgegen. Auch wenn der Referenzzinssatz nicht die tatsächlichen Refinanzierungskosten der Bank widerspiegle, komme es auf diese nicht an, weil sie dem Kreditnehmer auch nicht bekannt seien. Die von der Beklagten in Aussicht genommene Vorgangsweise verstoße gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und das aus dieser Bestimmung abgeleitete Gebot der Anpassungssymmetrie. Die Beklagte suggeriere in ihrem Schreiben, dass der Vertrag für den Fall eines negativen Indikators keine Regelungen vorsehe, womit sie den Vertragsinhalt gegenüber den Verbrauchern nicht korrekt darstelle, sodass das Unterlassungsbegehren und auch das Veröffentlichungsbegehren des Klägers berechtigt seien.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge der Berufung der Beklagten im klageabweisenden Sinn ab und wies auch den Gegenantrag der Beklagten auf Urteilsveröffentlichung ab.
Der Kläger stütze sich gar nicht darauf, dass der rechnerische Kreditzins bereits ins „Negative“ geraten wäre und zeige auch kein einziges bereits konkret betroffenes Kreditverhältnis auf. Der Kläger sehe seine Interessen allein durch die oben wiedergegebene Mitteilung der Beklagten vom gefährdet; es sei aber ungewiss, ob überhaupt jemals eine einschlägige Beeinträchtigung stattfinden werde. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, abstrakte Sachverhalte zu beurteilen. Werde der Kreditnehmer darüber hinaus – wie hier – lediglich durch eine auf beachtliche Argumente gestützte Rechtsansicht des Kreditgebers „vorgewarnt“, so liege darin keine gemäß § 28a KSchG verpönte Geschäftspraxis. Darunter sei nach der bisherigen Rechtsprechung eine Vorgangsweise zu verstehen, mit der Verbraucher durch Vorschiebung eindeutig nicht tauglicher Rechtsgründe zur Zahlung jener Beträge veranlasst werden sollen, die in einer bereits rechtskräftig als unzulässig erkannten Klausel festgelegt seien. Davon könne hier nicht ausgegangen werden; im Gegenteil sei eine zeitgerechte Vorwarnung von Vertragspartnern über allfällige künftige rechtliche Streitfragen eher eine Förderung als Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen.
Dem Gegenantrag der Beklagten auf Urteilsveröffentlichung fehle es am berechtigten Interesse, weil die Veröffentlichung der Klageabweisung zur irrigen Annahme führen könnte, dass die Beklagte mit ihrem Rechtsstandpunkt durchgedrungen sei.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die Revision zulässig sei. Es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob Mitteilungen an Konsumenten über einen Aspekt der AGBAuslegung, der ein allfälliges künftiges Streitpotential in sich berge, eine von § 28a KSchG umfasste verbotene Geschäftspraxis darstelle.
Mit Beschluss vom ergänzte das Berufungsgericht seinen Bewertungsausspruch dahin, dass es aussprach, dass der Wert des Gegenantrags der Beklagten auf Urteilsveröffentlichung 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die Revision zulässig sei.
Gegen dieses Urteil im Umfang der Abweisung des Klagebegehrens richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers, mit der dieser die Wiederherstellung des der Klage stattgebenden Ersturteils anstrebt.
Gegen dieses Urteil im Umfang der Abweisung des Gegenantrags der Beklagten auf Urteilsveröffentlichung richtet sich die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten, mit der sie die Stattgebung ihres Antrags auf Veröffentlichung des von ihr angestrebten klageabweisenden Urteils begehrt.
Rechtliche Beurteilung
I. Zur Revision des Klägers:
Die Revision des Klägers ist im Hinblick auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.
I.1 Gemäß § 28a Abs 1 KSchG kann unter anderem auf Unterlassung geklagt werden, wer im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern im Zusammenhang mit Verbraucherkreditverhältnissen gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot verstößt und dadurch die allgemeinen Interessen der Verbraucher beeinträchtigt. § 28a Abs 1 KSchG dient der Umsetzung der Richtlinie 2009/22/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen (4 Ob 143/14d).
I.1.1 § 28a KSchG erweitert den Anwendungsbereich der Verbandsklagen auf gesetzwidrige Geschäftspraktiken von Unternehmern im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern, beschränkt auf die in § 28a Abs 1 KSchG angegebenen Vertragsverhältnisse und außervertraglichen Rechtsverhältnisse (Kathrein/Schoditsch in KBB5§ 28a KSchG Rz 1). Der Unterlassungsanspruch gemäß § 28a KSchG setzt weiters voraus, dass das beanstandete Verhalten die „allgemeinen Interessen der Verbraucher“ beeinträchtigt. Die beanstandete Verhaltensweise muss daher für eine Vielzahl von Verträgen oder außervertraglichen Rechtsverhältnissen von Bedeutung sein (4 Ob 143/14d mwH; RISJustiz RS0121961). Nach den Materialien ist dies vor allem bei gesetzwidrigen Verhaltensweisen im Massengeschäft der Fall (ErläutRV 1998 BlgNR 20. GP 33 f). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, weil der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zahlreiche Kunden der Beklagten, einer großen österreichischen Bank, betrifft; diese Kunden haben bis zum Jahr 2008 Fremdwährungskredite aufgenommen, welche noch nicht abgewickelt sind.
I.2 Der Unterlassungsanspruch wird durch zwei Elemente konkretisiert, nämlich eine Unterlassungspflicht und die Gefahr, dass dieser Unterlassungspflicht zuwidergehandelt wird (Wiederholungsgefahr). Fehlt eines dieser Elemente, dann besteht kein Unterlassungsanspruch (RISJustiz RS0037660). Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage der Unterlassungspflicht nicht auseinandergesetzt, weil es zu Unrecht das Vorliegen des zweiten Elements des Unterlassungsanspruchs – die erforderliche Gefahr des Zuwiderhandelns gegen eine Unterlassungspflicht – verneint hat.
I.2.1 Wenn ein Eingriff in eine fremde Rechtssphäre unmittelbar und konkret droht, ist nach ständiger Rechtsprechung auch eine vorbeugende Unterlassungsklage zulässig (RISJustiz RS0010479; RS0012061; RS0037660 [T1]).
I.2.2 Die Möglichkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage wurde für den Verbandsprozess gemäß § 28 KSchG bereits bejaht (9 Ob 54/08v mwH; 7 Ob 207/04y). Sie besteht auch in einem Verbandsprozess gemäß § 28a KSchG. Dies entspricht dem Wesen eines Verbandsprozesses, in dem eine vorbeugende Inhaltskontrolle vorzunehmen ist (6 Ob 324/00s) und steht auch im Einklang mit dem von der RL 2009/22/EG verfolgten Ziel, Verstöße, durch die die Kollektivinteressen der Verbraucher beeinträchtigt werden, rechtzeitig abzustellen (Erwägungsgrund 3 der Richtlinie; vgl auch die in Art 7 der RL eröffnete Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, auf nationaler Ebene weitergehende Rechte zur Klageerhebung einzuräumen).
I.2.3 Zu Recht führt der Kläger in seiner Revision aus, dass es nicht darauf ankommt, ob sich der Beklagte bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz bereits rechtswidrig verhalten hatte. Es genügt das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr, die vom Kläger zu behaupten und zu beweisen ist (9 Ob 54/08v mwH). Sie ist zu bejahen, wenn die Beklagte die von ihr in den Schreiben an ihre Kreditkunden vom Februar 2015 angekündigte Vorgangsweise unmittelbar und konkret umzusetzen droht. Dies ist hier der Fall: Der LIBOR befand sich im Februar 2015 bereits im negativen Bereich. Die Beklagte hat ihren in den genannten Schreiben vertretenen Standpunkt auch während des gesamten Prozesses aufrecht erhalten. Die für die Berechtigung eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs erforderliche drohende Gefahr, dass die Beklagte der behaupteten Unterlassungspflicht zuwider handle, ist daher zu bejahen.
I.3 Damit bedarf es einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der vom Kläger behaupteten Verletzung einer Unterlassungspflicht der Beklagten gemäß § 28a Abs 1 KSchG.
Dazu ist vorweg darauf hinzuweisen, dass es im vorliegenden Fall nicht um die Auslegung einer einzelvertraglichen Vereinbarung nach den §§ 914 f ABGB geht (dazu etwa Vonkilch, Negativzinsen beim Kreditvertrag, in FS Eccher [2017] 1239 ff). Der Geschäftswille von konkreten Vertragsparteien kann durchaus dahin gehen, dass in ihrem vertraglichen Verhältnis „Negativzinsen“ nicht ausgeschlossen sein sollen. Hier zu beurteilen ist im Sinne des § 28a KSchG die Geschäftspraktik einer Unternehmerin in Form eines Schreibens an die Kunden (Verbraucher); der Kläger behauptet – gestützt auf zwei Gründe – die Gesetzwidrigkeit dieser Geschäftspraktik.
I.4 Eine Unterlassungspflicht der Beklagten gemäß § 28a KSchG begründet der Kläger erstens damit, dass die von der Beklagten beabsichtigte Vorgangsweise, den Sollzinssatz bei einem zu starken Absinken des LIBOR in den negativen Bereich bei einer Untergrenze von 0,00001 % festzusetzen, gegen das gesetzliche verstoße.
Dem kommt keine Berechtigung zu.
I.4.1 Zweck der Verbandsklage nach § 28a KSchG ist, Verhaltensweisen zu unterbinden, die im Widerspruch zum geltenden innerstaatlichen Recht stehen (10 Ob 28/14m mit Hinweis auf den Erwägungsgrund 4 der RL 2009/22/EG). § 28a KSchG zählt die für eine Unterlassungsklage maßgebenden Schutzbereiche – hier: Verbraucherkredit-verhältnisse – taxativ auf. Diese Bestimmung enthält aber weder eine taxative noch eine bloß demonstrative Aufzählung jener gesetzlichen Verbote und Gebote innerhalb der einzelnen Schutzbereiche, deren Verletzung einen Unterlassungsanspruch auslösen kann. Sie bezweckt damit einen über die Richtlinien hinausgehenden Schutz, indem alle weitergehenden gesetzlichen Maßnahmen erfasst werden, die dem Schutz der Verbraucher in den einzelnen Schutzbereichen dienen. Es kommen daher auch gesetzliche Gebote oder Verbote nach dem ABGB in Frage (Eccher in Klang³, KSchG § 28a Rz 2 mwH; Langer in Kosesnik-Wehrle, KSchG4§§ 28–30 Rz 32b). Die Gesetzesmaterialien erwähnen etwa die für die Rückabwicklung maßgeblichen Bestimmungen des Bereicherungsrechts, die Gefahrtragungsvorschriften im Besitzrecht und bei den einzelnen Rechtsinstituten sowie das Schadenersatzrecht (ErläutRV 1998 BlgNR 21. GP 33).
I.4.2 Dieser Zweck ändert jedoch nichts daran, dass es sich – schon aus Gründen der Rechtssicherheit – um gesetzliche Verbote oder Gebote handeln muss. Der vom Kläger herangezogene Grundsatz der Vertragstreue wird aber nicht in einem solchen bestimmten Ge oder Verbot normiert. Dabei handelt es sich vielmehr um eines von mehreren maßgebenden Prinzipien des Rechtsgeschäftsrechts (Koziol-Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht14 Rz 322), das in verschiedenen Bestimmungen des Privatrechts seinen Ausdruck findet. Die Pflicht zur Vertragstreue ist eine Konsequenz freier Bindungsentscheidung: Haben die Vertragspartner ihre Entscheidung ausreichend frei getroffen, so resultiert daraus eine Bindung an den Vertrag („pacta sunt servanda“) sowie die Pflicht zur Erfüllung des Vertrags (P. Bydlinski, Bürgerliches Recht AT I7 5/25 ff; Steinwenter, Die Vertragstreue im bürgerlichen Recht, JBl 1950, 173). Die Rechtsordnung berücksichtigt daher, dass die Vertragsfreiheit Voraussetzung der Vertragstreue ist, indem sie die Vertragstreuepflicht in Fällen abschwächt (zB Lösungsrechte normiert), in denen die Vertragsfreiheit – etwa durch Zwang oder wirtschaftliche Unterlegenheit – eingeschränkt ist (zB §§ 870, 879 ABGB;§ 6 KSchG).
I.4.3 Vor diesem Hintergrund stellt die vom Kläger aus beispielsweise genannten Bestimmungen des ABGB abgeleitete „Pflicht zur Vertragstreue“ kein ausreichend bestimmtes gesetzliches Gebot iSd § 28a Abs 1 KSchG dar.
I.5 Der Kläger begründet die von ihm behauptete Verletzung der Unterlassungspflicht gemäß § 28a Abs 1 KSchG zweitens damit, dass die beabsichtigte Vorgangsweise der Beklagten gegen verstoße. Er sieht zwar keinen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG an sich; allerdings werde durch die der beklagten Partei zugutekommenden „Negativzinsen“ das von der Rechtsprechung geforderte Gebot der Anpassungssymmetrie für Zinsgleitklauseln iSd § 6 Abs 1 Z 5 KSchG nicht umgesetzt, weil die Veränderungen nicht vollständig an die Vertragspartner weitergegeben werden.
I.5.1 Gemäß § 6 Abs 1 Z 5 KSchG sind für den Verbraucher besonders solche Vertragsbestimmungen iSd § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine Leistung ein höheres als das bei der Vertragsschließung bestimmte Entgelt zusteht, es sei denn, dass der Vertrag bei Vorliegen der vereinbarten Voraussetzungen für eine Entgeltänderung auch eine Entgeltsenkung vorsieht, dass die für die Entgeltänderung maßgebenden Umstände im Vertrag umschrieben und sachlich gerechtfertigt sind sowie dass ihr Eintritt nicht vom Willen des Unternehmers abhängt.
I.5.2 Nach dem Zweck des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG hat bei Zinsgleitklauseln eine Entgeltsenkung im gleichen Ausmaß und in der gleichen zeitlichen Umsetzung wie eine Entgeltsteigerung zu erfolgen, um den Verbraucherschutz zu gewährleisten (5 Ob 266/02g; RISJustiz RS0117365). Es geht bei der Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung solcher Klauseln darum, dass der Unternehmer über spätere Preisänderungen keine Vergrößerung seines Gewinnanteils erhalten soll, die auf von ihm beherrschbaren Faktoren beruhen (Eccher in Klang3§ 6 Abs 1 Z 5 KSchG Rz 5). Die Vereinbarung gleitender Zinsen ist danach eine zulässige und wirksame Vertragsbestimmung, wenn der Zinssatz in nachvollziehbarer Weise an einen Parameter gebunden wird, auf den der Unternehmer keinen (messbaren) Einfluss hat (Langer in Kosesnik-Wehrle, Konsumentenschutzgesetz4§ 6 Rz 26 mwH; Apathy in Schwimann/Kodek4§ 6 KSchG Rz 28 mwH).
I.5.3 Der Kläger stellt wie ausgeführt nicht in Frage, dass die hier in Rede stehende Zinsgleitklausel für sich genommen nicht gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstößt. Die von der Beklagten beabsichtigte Vorgangsweise verstoße jedoch gegen die von dieser Bestimmung geforderte Anpassungssymmetrie (vgl dazu Leupold, Negativzinsen beim Kreditvertrag, VbR 2015/53, 82; Kriegner, Negativzinsen – pacta sunt servanda? ÖBA 2016, 507). Dem kommt jedoch keine Berechtigung zu:
I.5.4 Mit dem Begriff Kreditvertrag wurde und wird ein Konsensualvertrag bezeichnet, bei dem die Willenserklärungen der Parteien darauf gerichtet sind, dass Geld gegen Rückzahlung zu vereinbarten Konditionen übergeben wird (7 Ob 263/03g; RISJustiz RS0017053; zu den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten s Griss/Bollenberger in KBB5§ 988 Rz 1 mwH). Das bisherige Verständnis des Kreditvertrags hat sich durch das DaKRÄG 2010, BGBl I 2010/28, nicht geändert, sondern wurde lediglich kodifiziert (§ 988 Satz 1 ABGB;Perner in Schwimann/Kodek4§ 988 ABGB Rz 1). Mit dem Abschluss des Kreditvertrags erwirbt der Kreditnehmer ein unmittelbar vertraglich gewährtes Gestaltungsrecht auf Abruf des Kredits (Perner in Schwimann/Kodek4§ 988 Rz 5). In der Regel besteht das Entgelt aus den Zinsen, die der Kreditnehmer zu zahlen hat (§ 988 Satz 3 ABGB;Griss/Bollenberger in KBB5§ 988 Rz 5).
I.5.5 Die Parteien des Kreditvertrags haben bei der Gestaltung des Entgelts darüber hinaus freie Hand (so kann zB eine laufzeitunabhängige „Bearbeitungsgebühr“ vereinbart werden, 6 Ob 13/16d). Sowohl nach dem Vorbringen der Parteien als auch nach den hier getroffenen Feststellungen ist von Vereinbarungen eines als Entgelt für die gewährten Verbraucherkredite zu zahlenden Sollzinssatzes auszugehen, der aus einem fixen Aufschlag und einem variablen Indikator besteht, sodass sich der Zinssatz parallel zum Indikatorwert errechnet (sogenannte „absolute Anpassungsmethode“, vgl dazu näher B. Koch, Anm zu 5 Ob 138/09v, ÖBA 2010/1634, 452 [457]). Unstrittig ist daher von Vereinbarungen von Zinsgleitklauseln auszugehen, die rein nach ihrem Wortlaut für jede denkbare Entwicklung des Indikators rechnerisch einen – allenfalls auch negativen – Zinssatz ergeben können (Kronthaler, Negativzinsen – eine erste Einschätzung, Zak 2016, 128 [129]; Kriegner, ÖBA 2016, 507 [509]; aA Zöchling-Jud, Zum Einfluss von negativen Referenzwerten auf Kreditzinsen, ÖBA 2015, 318 [322]).
I.5.6 Ob eine solche Vereinbarung im Einzelfall zulässigerweise getroffen werden könnte, ist hier nicht zu beurteilen (siehe oben I.3). Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist eben nicht die Beurteilung einer bestimmten einzelvertraglichen Klausel, sondern die Frage, ob eine von der Beklagten beabsichtigte Vorgangsweise im Schutzbereich von Verbraucherkreditverhältnissen gegen ein gesetzliches Ge oder Verbot verstößt und dadurch Interessen der hier in Rede stehenden Kreditnehmer der Beklagten beeinträchtigt. Der Wortlaut einer bestimmten, allenfalls für alle betroffenen Kreditnehmer übereinstimmenden Zinsgleitklausel steht im konkreten Fall auch nicht fest.
I.5.7 Aber auch ausgehend vom festgestellten Sachverhalt darf die bloße, sich aus dem Wortlaut allenfalls ergebende rechnerische Möglichkeit jedweden Zinssatzes vor dem Hintergrund, dass schon ganz allgemein gemäß § 914 ABGB für die Auslegung von Verträgen vor allem die Absicht der Parteien zu erforschen ist, nicht überbewertet werden. Der Oberste Gerichtshof hat etwa die Unzulässigkeit der Nullverzinsung von Spareinlagen damit begründet, dass verzinsliche Spareinlagen typischerweise Vermögensbildungs und Gewinnerzielungsfunktion haben. Eine Nullverzinsung widerspricht diesen elementaren und gesetzlich angelegten Zwecken einer Spareinlage diametral (5 Ob 138/09v; RISJustiz RS0125504).
I.5.8 Im in diesem Verfahren maßgeblichen „typischen Fall“ sind sich die Parteien eines Verbraucherkreditvertrags regelmäßig darüber einig, dass der Kreditnehmer als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der Kreditvaluta (laufend) Zinszahlungen zu leisten hat. In keinem Fall rechnet ein Kreditnehmer – gemessen am Maßstab eines redlichen Erklärungsempfängers – bei Vertragsabschluss damit, zu irgendeinem Zeitpunkt während der Kreditlaufzeit Zahlungen vom Kreditgeber zu erhalten (dies gerade auch nicht bei der von Leupold, VbR 2015/53, 82, geforderten objektiven exanteBetrachtung). Ebenso wenig ist der Kreditgeber zu irgendeiner Zeit gewillt, irgendwelche Zahlungen an den Kreditnehmer zu leisten (Kronthaler, Negativzinsen – Überlegungen zum Verbraucher, Unternehmens und Privatkredit, ÖJZ 2017/17, 101 [103 f]). Es besteht insofern beim Kreditvertrag allgemein ein übereinstimmender Parteiwille über Vertragsgegenstand und Vertragsinhalt, der eine – irreführend als „Negativzinsen“ bezeichnete (Ernst, Negativzinsen aus zivilrechtlicher Sicht – ein Problemaufriss, ZfPW 2015, 250 [251]) – Zahlungsverpflichtung der kreditgebenden Bank an den Kreditnehmer ausschließt. Dieser übereinstimmende Parteiwille geht als natürlicher Konsens einer jeden Auslegung vor (5 Ob 237/13h mwH; RISJustiz RS0017741; RS0017839 [T1]).
I.5.9 Dem hält Vonkilch (Negativzinsen beim Kreditvertrag? in FS Eccher [2017] 1237 ff), entgegen, die Parteien des Verbraucherkreditvertrags hätten bei Vertragsabschluss nicht im Mindesten daran gedacht, dass sich der Referenzwert ins Negative entwickeln könne. Zu Ungeahntem und Unvorhergesehenem pflege man aber gemeinhin keinen konkreten, übereinstimmenden Geschäftswillen zu bilden. Das ist durchaus richtig. Wie bereits dargestellt, kann die Auslegung eines einzelnen Vertrags zu dem Ergebnis führen, dass die Bank „Negativzinsen“ zu leisten hat. Im Allgemeinen gehen Vertragsparteien, die eine Zinsgleitklausel vereinbaren, bei Vertragsabschluss davon aus, dass der Kreditnehmer als Entgelt für die Zurverfügungstellung eines Geldbetrags für die jeweilige Zinsperiode Zinsen zu zahlen hat und dass eine rechnerische Entwicklung des Zinsniveaus ins Negative (lediglich) das für die Zurverfügungstellung des Kredits vom Kreditnehmer zu zahlende Entgelt – allenfalls bis auf Null – reduzieren wird (vgl Kronthaler, Zak 2016, 129). Ein redlicher Kreditnehmer kann regelmäßig nicht von vornherein damit rechnen, dass der Kreditgeber – entgegen der Vorstellung, ein Entgelt für seine Leistung zu erhalten – einer Zahlungspflicht in Form von „Negativzinsen“ zustimmen wird und damit möglicherweise weniger zurückerhält als er zur Verfügung gestellt hat (vgl § 989 Abs 2 ABGB).
Auch erfasst § 6 Abs 1 Z 5 KSchG schon von seinem Wortlaut her nur Entgelt, das der Verbraucher dem Unternehmer zu zahlen hat, nicht jedoch erfasst diese Bestimmung Zahlungen des Unternehmers an den Verbraucher. Die Beklagte gesteht zu, dass das von den Kreditnehmern zu leistende Entgelt unbeschränkt nach unten gleiten kann, nämlich bis zu einem Sollzinssatz von Null.
I.5.10 Der dargestellte Schutzzweck des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG ist daher nicht verletzt, wenn die Beklagte durch die von ihr beabsichtigte Vorgangsweise die hier festgestellte vertragliche Pflicht ihrer Kunden, Zinsen als Entgelt für die Gewährung eines Kredits zu zahlen, auf gleichsam Null reduziert (Kronthaler, ÖJZ 2017/17, 108) und auf diese Weise das Interesse der Kunden der Beklagten wahrt, dass ihnen (allgemein) rückläufige Refinanzierungskosten zugute kommen (Koitz-Arko, Zinsgleitklauseln bei Verbraucherkrediten, ÖBA 1998, 10 mwH). Dem Kunden wird durch diese Vorgangsweise nach den hier getroffenen Feststellungen kein sich aus Refinanzierungserwägungen der Beklagten ergebendes „Risiko“ überwälzt (so aber Kolba, Fremdwährungskredit – Judikaturüberblick und aktuelle Fragen, VbR 2015/28, 48; Haghofer, Wer trägt das Risiko über dem Referenzzinssatz liegender Refinanzierungskosten, VbR 2016/41, 62), sondern er wird lediglich von seiner Verpflichtung, Sollzinsen als Entgelt für die Gewährung eines Kredits zu zahlen, (nahezu) vollständig befreit. Die sich in diesem Zusammenhang stellende Frage, ob der Kunde verpflichtet ist, wenigstens den vereinbarten Fixaufschlag zu zahlen (vgl dazu zB Zöchling-Jud, ÖBA 2015, 318; Graf, Rechtliche Konsequenzen der verpflichtenden Verzinsung von Spareinlagen für den Streit über die Negativzinsen, ÖBA 2016, 722; B. Koch, Negativzinsen beim Kreditvertrag. Eine Replik, VbR 2015/104, 140), stellt sich im vorliegenden Fall nicht, weil die Beklagte ohnedies zu einer Senkung der vereinbarten Zinsen bis gleichsam Null bereit ist.
Der Revision des Klägers kommt daher im Ergebnis keine Berechtigung zu.
II. Zur Revision der Beklagten:
Die Beklagte wendet sich in ihrer Revision gegen die Abweisung ihres Gegenantrags auf Veröffentlichung des klageabweisenden Urteils.
II.1 Gemäß § 30 Abs 1 KSchG iVm § 25 Abs 3 UWG steht es jeder im Verbandsverfahren obsiegenden Partei zu, das Urteil innerhalb bestimmter Frist auf Kosten des Gegners zu veröffentlichen, wenn ein berechtigtes Interesse daran besteht. Auch im Fall der Abweisung des Unterlassungsbegehrens ist dem Beklagten bei berechtigtem Interesse ein Anspruch auf Veröffentlichung des klageabweisenden Teils der Entscheidung zuzugestehen, insbesondere, um einen beim Publikum durch die Veröffentlichung des klagestattgebenden Teils der Entscheidung entstehenden „falschen Eindruck“ richtigzustellen (RISJustiz RS0079624), oder weil gerade die betroffenen Klauseln zu den gesetzlich zwingenden Angaben in Verbraucherverträgen gehören (6 Ob 24/11i). Der Schutz des wirtschaftlichen Rufs der obsiegenden Beklagten kann eine Veröffentlichung rechtfertigen, wenn das Infragestellen ihrer Klauseln einem breiten Publikum bekannt geworden ist oder die Entscheidung in einem öffentlich ausgetragenen Meinungsstreit von allgemeinem Interesse ist (9 Ob 31/15x).
II.2 Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen gegeben. Die von der Beklagten beabsichtigte Vorgangsweise wurde vom Kläger in Medien und auf seiner Website in Frage gestellt. Er riet Verbrauchern in diesem Zusammenhang, der Vorgangsweise der Beklagten zu widersprechen. Der Meinungsstreit ist einem breiten Publikum bekannt geworden und wird auch öffentlich, insbesondere auch in zahlreichen fachlichen Publikationen, ausgetragen. An der Veröffentlichung des klageabweisenden Urteils durch die Beklagte besteht daher ein berechtigtes Interesse, um in der Öffentlichkeit den falschen Eindruck zu zerstreuen, der Kläger habe im Rechtsstreit obsiegt.
Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben und dem Gegenantrag auf Urteilsveröffentlichung stattzugeben.
Infolge der Abänderung der Entscheidung in der Hauptsache war es erforderlich, die Kosten für das gesamte Verfahren neu zu bestimmen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 41 ZPO. Der Beklagten waren auch die bereits mit dem Schriftsatz ON 5 und daher fristgerecht (Obermaier, Kostenhandbuch² Rz 47 mwH) verzeichneten Kosten zuzuerkennen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Im Revisionsverfahren sind infolge der von beiden Seiten erhobenen Rechtsmittel zwei Kostenentscheidungen zu treffen (Obermaier, Kostenhandbuch² Rz 406). Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass die Beklagte eine Bewertung ihres Gegenantrags auf Urteilsveröffentlichung unterlassen hat. Entgegen der Ansicht des Klägers ist in einem solchen Fall für die Berechnung der Anwaltskosten jedoch als Bemessungsgrundlage der Zweifelsstreitwert von (hier) 7.270 EUR gemäß § 14 lit b RATG heranzuziehen. Ein Fall des § 10 lit 6b RATG (Streitigkeiten nach § 502 Abs 5 Z 3 ZPO) liegt nicht vor.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0100OB00013.17K.0321.000 |
Schlagworte: | 1 Generalabonnement |
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