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OGH vom 01.03.2011, 10Ob12/11d

OGH vom 01.03.2011, 10Ob12/11d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch und Dr. Schramm sowie die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Hans Peter Ullmann, Dr. Stefan Geiler, Mag. Priska Seeber und MMag. Dr. Stefan Dorner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei T*****, vertreten durch Mag. Stefan Wirth, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen 47.425,31 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 224/10y 16, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Grundsätze der Rechtsprechung zu Aufklärungs- und Beratungspflichten bei Abschluss eines Kreditvertrags, der wie hier noch vor Inkrafttreten des Verbraucherkreditschutzgesetzes zustandekam (siehe § 29 Abs 1 und 2 VKrG) lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Ob und in welchem Umfang Aufklärungs- und Beratungspflichten bestehen, hängt grundsätzlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (RIS Justiz RS0111165). Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn der Gefährdung der Rechtssicherheit könnte nur bei einer krassen Fehlentscheidung vorliegen (RIS-Justiz RS0106373). Eine derartige korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist hier aber nicht gegeben. Zwar besteht keine allgemeine Rechtspflicht, den Geschäftspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entscheidung Einfluss haben können. Der Kunde darf aber darauf vertrauen, dass die Bank über spezifisches Fachwissen verfügt und ihn umfassend berät. Entscheidend ist, ob nach der Lage des Falls eine Aufklärungsnotwendigkeit besteht. Die Anforderungen an die Aufklärungs- bzw Warnpflicht dürfen allerdings nicht überspannt werden; primär muss einem Bankkunden nämlich zugemutet werden, dass er seine wirtschaftlichen Interessen ausreichend zu wahren weiß (7 Ob 84/10v). Eine Aufklärungspflicht besteht aber dann, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs eine Aufklärung erwarten durfte (stRsp; RIS-Justiz RS0016390). Dass dies hier der Fall war, ist keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung:

Auf Vorschlag des Mitarbeiters der klagenden Bank trat nicht wie ursprünglich geplant der Ehemann der Beklagten, sondern die Beklagte (die damals bereits österreichische Staatsbürgerin war) als Kreditnehmerin und deren Ehemann als Mitschuldner auf. Dem Mitarbeiter der klagenden Partei war bewusst, dass nur beide Ehepartner gemeinsam in der Lage sein würden, die Kreditraten abzustatten. Dennoch wies er nicht ausdrücklich darauf hin, dass im Fall der Beantragung des Kredits durch die Ehefrau die von der Bank als Sicherheit geforderte Risikoablebensversicherung für sie als Kreditnehmerin (und nicht für den Ehemann) abgeschlossen wird. Er sprach die Eheleute nicht darauf an, ob sie diese Versicherung nicht auch für den Ehemann abschließen wollten (was im Hinblick auf dessen jugendliches Alter die Versicherungsprämie lediglich um 6 EUR erhöht hätte). Die Ansicht des Berufungsgerichts, unter Berücksichtigung der im vorliegenden Fall gegebenen Umstände hätte sich eine derartige Aufklärung einem sorgfältigen Berater aber geradezu aufgedrängt, weicht von den wiedergegebenen Grundsätzen der Rechtsprechung nicht ab. Nur wenn die Eheleute über die spezifischen Auswirkungen der vom Mitarbeiter der klagenden Partei vorgeschlagenen Abänderung ausdrücklich informiert worden wären, wären sie in der Lage gewesen, zu beurteilen, ob auch der abgeänderte Vertrag ihren Bedürfnissen entsprach.

2. Steht fest, dass bei entsprechender Aufklärung der (zusätzliche) Versicherungsvertrag abgeschlossen worden wäre und die Versicherungssumme nach dem später eingetretenen Tod des Ehegatten zur Abdeckung der Kreditrestschuld ausgereicht hätte, ist mangels weiteren erstinstanzlichen Vorbringens die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, die klagende Partei sei für den Ersatz des im Entgang des Versicherungsschutzes liegenden Schadens ersatzpflichtig (vgl SZ 61/90 = 1 Ob 539/88).

Der Klägerin ist darin beizupflichten, dass Aufklärungs oder Beratungsfehler regelmäßig nicht zum Ersatz des Erfüllungsinteresses verpflichten. Vielmehr ist jener Vermögensschaden zu ersetzen, der bei pflichtgemäßer Beratung vermieden worden wäre. Im vorliegenden Fall wäre aber nicht der Abschluss des Kreditvertrags unterblieben, sondern zusätzlich eine Ablebensversicherung abgeschlossen worden, die gegen einen nur geringfügigen Prämien Aufpreis (dessen Abzug vom Schadensbetrag die Klägerin nicht eingewendet hat) zur vollen Risikoabdeckung geführt und die Klägerin schuldenfrei gestellt hätte.