OGH vom 05.10.2000, 8Ob304/99k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer als Vorsitzende und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Hoch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** HandelsgmbH, ***** vertreten durch Mayrhofer & Rainer, Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagten Parteien 1. S***** HandelsgmbH Nfg. KG, 2. Ing. Walter M*****, beide ***** beide vertreten durch Mag. Axel Bauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 998.129,08 und Räumung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 39 R 360/99a-33, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 41 C 356/97a-27, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.
Text
Begründung:
Der gegenständliche Bestandvertrag wurde am geschlossen.
Die klagende Partei qualifiziert diesen Vertrag als Pachtvertrag, mit dem sie ihr in Wien 1, ***** befindliches Textileinzelhandelsunternehmen gegen einen Monatspachtschilling von S 170.547,60 an die erstbeklagte Partei, deren persönlich haftender Gesellschafter der Zweitbeklagte sei, verpachtet habe, und begehrt mit der am erhobenen Klage rückständige Pachtzinse für die Monate Mai und Juni 1997 im Betrage von S 341.095,20 sA und unter Berufung auf § 1118 ABGB die Räumung des Bestandgegenstandes. In der Tagsatzung vom dehnte die klagende Partei ihr Begehren um die Pachtzinse für die Monate Juli bis Oktober 1997 auf insgesamt S 1,023.285,60 sA aus; das Räumungsbegehren wurde aufrechterhalten. In der Tagsatzung vom wurde das Zahlungsbegehren auf S 998.192,08 sA eingeschränkt.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wandten ein, es handle sich in Wahrheit nicht um einen Pacht-, sondern um einen Untermietvertrag. Gemäß § 26 Abs 1 und 2 MRG betrage der höchste Untermietzins, der zwischen den Streitteilen zulässigerweise vereinbart werden könne, S 103.500. Unter Berücksichtigung einer Mietzinsvorauszahlung für die zehnjährige Bestanddauer von 5,000.000 S ergebe sich für den Zeitraum September 1994 bis April 1997 eine monatliche Überzahlung von S 78.166,67. Der daraus abgeleitete Rückforderungsanspruch von S 2,501.333,44 werde kompensando gegen die Klagsforderung eingewendet.
Der Antrag der erstbeklagten Partei vom auf Feststellung des zulässigen Untermietzinses und Rückzahlung des Überschreitungsbetrages wurde mit rechtskräftigem Sachbeschluss vom zu 41 Msch 98/97m des Erstgerichtes abgewiesen, weil die Bestimmung des § 26 MRG idF des 3. WÄG auf vor dem geschlossene Altmietverträge nicht anwendbar sei; dies gelte auch für die Mietzinsvorschreibungen ab . Nach der vor Inkrafttreten des 3. WÄG geltenden Rechtslage sei dem Untermieter nur das Recht auf künftige Ermäßigung des Untermietzinses zugestanden. Die Rückforderung überhöhten Untermietzinses für vor Antragstellung liegende Perioden sei daher ausgeschlossen.
In einem neuerlichen Antrag an die Schlichtungsstelle vom brachte die erstbeklagte Partei vor, sie habe im Februar 1995 mündlich, dann neuerlich mit Schreiben vom und letztlich mit Schreiben vom ein Begehren auf Minderung des Mietzinses gestellt; die Mietzinsminderung trete daher frühestens ab dem Zeitraum März 1995 ein. Neben einem neuerlich auf § 26 MRG idF des 3. WÄG gestützten Ermäßigungs- und Rückzahlungsbegehren wurde - für den Fall, dass § 26 MRG idF vor dem 3. WÄG anzuwenden sei - alternativ begehrt, festzustellen, ab welcher Mietzinsperiode dem Ermäßigungsbegehren Berechtigung zukomme, und die Antragsgegnerin zur Rückzahlung der die angemessene Gegenleistung übersteigenden Untermietzinsteile zu verpflichten. Das Verfahren über dieses Begehren ist zu 41 Msch 65/98k des Erstgerichtes anhängig.
Am brachte die erstbeklagte Partei einen Antrag auf Verpflichtung der klagenden Partei zur Rückzahlung eines anlässlich des Abschlusses des Bestandvertrages für die Einräumung eines Afterverpachtungsrechtes geleisteten Betrages von S 3,120.000, der als unzulässige Ablöse zu qualifizieren sei, bei der Schlichtungsstelle ein. Dieses Verfahren ist zu 41 Msch 8/99d des Erstgerichtes anhängig.
Mit Schriftsatz vom beantragten die beklagten Parteien die Unterbrechung des gegenständlichen Mietzins- und Räumungsstreites bis zur rechtskräftigen Entscheidung des zu 41 Msch 65/98k anhängigen Verfahrens. Weiters wandten die beklagten Parteien in der Tagsatzung vom den zu 41 Msch 8/99d des Erstgerichtes als unzulässige Ablöse rückgeforderten Betrag von S 3,120.000 kompensando ein und beantragten die Unterbrechung des streitigen Verfahrens auch bis zur rechtskräftigen Entscheidung des zu 41 Msch 8/99d anhängig gemachten Verfahrens.
Mit Beschluss vom sprach das Erstgericht aus, dass das Verfahren nur hinsichtlich des Klagebegehrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens 41 Msch 65/98h (richtig: 41 Msch 65/98k), hinsichtlich der eingewendeten Gegenforderung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens 41 Msch 8/99d unterbrochen werde. Das im genannten Msch-Verfahren gestellte Begehren auf Zinsminderung betreffe Zinsperioden, die auch Gegenstand dieses Verfahrens seien. Im Vorverfahren 41 Msch 98/97m sei der Antrag auf Rückzahlung von überhöhten Untermietzinsen abgewiesen worden, weil auf das Bestandverhältnis § 26 MRG idF vor dem 3. WÄG anzuwenden sei und danach das Recht auf Ermäßigung für künftige, nicht aber für frühere Zinsperioden zustehe; es sei kein Ermäßigungsbegehren nach § 26 MRG idF vor dem 3. WÄG gestellt worden. Mit dem kurz nach Zustellung des Sachbeschlusses der zweiten Instanz gestellten Antrag im Verfahren 41 Msch 65/98k seien aber derartige Ermäßigungsbegehren behauptet worden. Die Berechtigung dieser Ansprüche werde in diesem Verfahren zu klären sein; hiebei werde wohl die Frage des Bestehens eines Pacht- oder Untermietverhältnisses eine Rolle spielen. Hingegen sei das Verfahren 41 Msch 8/99d nur bezüglich der (in der Tagsatzung vom ) eingewendeten Gegenforderung präjudiziell.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei Folge, änderte den Beschluss des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung der Anträge der beklagten Parteien auf Unterbrechung des Verfahrens ab und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die klagende Partei habe die verfahrensentscheidende Vorfrage, ob ein Pacht- oder Untermietverhältnis bestehe, zulässigerweise zum Gegenstand eines Zwischenantrages auf Feststellung gemacht. In Ansehung dieses Zwischenantrages sei das außerstreitige Verfahren nicht präjudiziell, weil dort über diese Frage nicht mit Rechtskraftwirkung entschieden werde.
In dem zu 41 Msch 98/97m anhängig gewesenen Verfahren sei der Antrag ohne Bezugnahme auf bestimmte Zinsperioden darauf gerichtet gewesen, festzustellen, in welchem Umfang der vereinbarte Untermietzins den nach § 26 Abs 1 und 2 MRG zulässigen Höchstbetrag überschreite. Mit dem darüber ergangenen Sachbeschluss sei daher auch über die während des Verfahrens fällig gewordenen Untermietzinse rechtskräftig abgesprochen worden, dass eine Ermäßigung nicht in Betracht komme. Den beklagten Parteien sei es daher verwehrt, durch ihren neuerlichen Antrag vom zu 41 Msch 65/98k jene Zinsperioden aufzurollen, über die bereits zu 41 Msch 98/97m rechtskräftig erkannt worden sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Parteien mit dem Antrag, ihn im Sinne der Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes abzuändern.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs gegen den die Unterbrechung ablehnenden Beschluss des Rekursgerichtes ist nicht jedenfalls unzulässig, weil § 41 MRG bei Vorliegen der dort angeführten Voraussetzungen die Unterbrechung zwingend vorschreibt und daher der nur auf ins Ermessen des Gerichtes gestellte prozessleitende Verfügungen anwendbare Rechtsmittelausschluss nach § 192 Abs 2 ZPO nicht gilt (5 Ob 155/92; 1 Ob 628/94; 6 Ob 666/94; zuletzt 1 Ob 128/98z). Der außerordentliche Revisionsrekurs ist auch zulässig, weil das Rekursgericht mit seiner Rechtsauffassung, der Geltendmachung des zu 41 Msch 65/98k des Erstgerichtes erhobenen Ermäßigungsanspruches stünde auch, soweit er auf § 26 MRG idF vor dem
3. WÄG und auf vor der Antragstellung liegende Ermäßigungsbegehren vom Februar 1995 und vom gestützt wurde, die Rechtskraft der dieselben Zinsperioden betreffenden Entscheidung zu 41 Msch 98/97m des Erstgerichtes entgegen, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist.
Berechtigt ist der außerordentliche Revisionsrekurs aber nur, soweit er sich gegen die Begründung des angefochtenen Beschlusses wendet.
Aus § 18 AußStrG folgt, dass auch Entscheidungen im außerstreitigen Verfahren der materiellen und formellen Rechtskraft fähig sind (4 Ob 565/91 mwN). Voraussetzung der materiellen Rechtskraft ist die Identität der Ansprüche, wobei jedenfalls in Verfahren, in denen der Dispositionsgrundsatz gilt, ebenso wie im Zivilprozess Identität des rechtserzeugenden Sachverhaltes im Sinne der zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie zu fordern ist (siehe 4 Ob 565/91 mit Hinweis auf Fasching ZPR2 Rz 1515; siehe auch 1 Ob 122/97s; zum Verfahren nach § 37 MRG vgl 7 Ob 2130/96b).
Im Verfahren 41 Msch 98/97m des Erstgerichtes wurde lediglich über ein Begehren auf Feststellung des Umfanges der Überschreitung des nach § 26 MRG idF des 3. WÄG zulässigen Höchstbetrages durch den vereinbarten Untermietzins und ein entsprechendes Rückforderungsbegehren abgesprochen. Mit dem Gegenstand des Verfahrens 41 Msch 65/98k des Erstgerichtes bildenden Eventualantrag machte die erstbeklagte Partei hingegen unter Hinweis auf Ermäßigungsbegehren unter anderem bereits vom Februar 1995 und einen auf § 26 MRG idF vor dem 3. WÄG gestützten Feststellungs- und Rückforderungsanspruch geltend. Da dieser Antrag zwar gleichfalls die im vorliegenden Verfahren strittigen, auch für das Räumungsbegehren präjudiziellen Bestandzinsforderungen betrifft, aber auf einen anderen anspruchsbegründenden Sachverhalt gestützt ist, steht einer Entscheidung entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes nicht die bindende Wirkung der Entscheidung im Verfahren 41 Msch 98/97m des Erstgerichtes entgegen.
Was den zu 41 Msch 8/99d des Erstgerichtes als unzulässige Ablöse rückgeforderten und im vorliegenden Verfahren in der Tagsatzung vom als Gegenforderung eingewendeten Betrag von S 3,120.000 betrifft, mangelt es an der Präjudizialität für das Räumungsbegehren, weil durch die prozessuale Aufrechnungserklärung die Wirksamkeit der auf den Zinsrückstand gestützten rechtsgestaltenden Aufhebungserklärung nach § 1118 ABGB nicht rückwirkend beseitigt wird (6 Ob 407/87; 1 Ob 578/82; 1 Ob 537/80; SZ 50/35). Dieses außerstreitige Mietrechtsverfahren ist daher nicht für das Räumungsbegehren, wohl aber für die Entscheidung über die Gegenforderung und damit das Zahlungsbegehren präjudiziell.
Dennoch ist der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Parteien, soweit er sich gegen die Abweisung des Unterbrechungsantrages richtet, im Ergebnis nicht berechtigt.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Unterbrechung des Rechtsstreites nur gerechtfertigt ist, soweit die Entscheidung von einer im Msch-Verfahren als Hauptfrage zu entscheidenden Vorfrage abhängt; in diesem Sinn ist auch eine Teilunterbrechung zulässig (6 Ob 528/95; vgl auch EvBl 1993/123 sowie SZ 60/151).
Wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, ist für das von der klagenden Partei mit Zwischenantrag vom gestellte Begehren auf Feststellung, dass mit Bestandvertrag vom ein Pachtverhältnis begründet worden sei, keines der Msch-Verfahren präjudiziell, da dort diese Frage lediglich als Vorfrage im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit des Mietzinses bzw der Zulässigkeit der anlässlich des Vertragsabschlusses geleisteten Zahlung zu beurteilen ist. Umgekehrt ist aber die Entscheidung über das Feststellungsbegehren für die Msch-Verfahren präjudiziell, da über die dort zu beurteilende Vorfrage mit bindender Wirkung entschieden wird.
Würde nun das vorliegende Verfahren nur bezüglich des Räumungsbegehrens, des Zahlungsbegehrens sowie der eingewendeten Gegenforderung unterbrochen, bezüglich des für die in den Msch-Verfahren erhobenen Ansprüche präjudiziellen Feststellungsbegehrens aber fortgesetzt, könnte es entweder - folgt man den überzeugenden Ausführungen Würths in Korinek/Krejci HdB zum MRG, 533 ff (siehe auch den Hinweis in Würth/Zingher Miet- und Wohnrecht20 § 37 MRG Rz 38) - zu einer Unterbrechung der Msch-Verfahren analog § 190 ZPO oder - bei divergierender Lösung der Gegenstand des Feststellungsbegehrens bildenden Frage - zu einer Wiederaufnahme der Msch-Verfahren kommen (siehe zur Zulässigkeit der Wiederaufnahme eines Außerstreitverfahrens JBl 1998, 731 sowie zur abweichenden Entscheidung einer Vorfrage durch die zu ihrer Beurteilung als Hauptfrage zuständige Behörde als Wiederaufnahmsgrund SZ 60/144; SZ 63/206; zuletzt 8 Ob 18/98z). In diesem Zusammenhang sei bemerkt, dass mangels Zulässigkeit des Verfahrens nach § 37 MRG für die von der klagenden Partei mit Zwischenantrag begehrte Feststellung ein gleichartiger Zwischenfeststellungsantrag in den Msch-Verfahren nicht in Frage kommt (siehe Würth/Zingher aaO § 37 Rz 37).
Die geschilderten Komplikationen (doppelte Unterbrechung sowohl dieses Verfahrens als auch der Msch-Verfahren bzw allfällige Wiederaufnahme der Msch-Verfahren) können dann vermieden werden, wenn zunächst über das von der klagenden Partei erhobene Feststellungsbegehren entschieden wird. Da der Zeitpunkt der Unterbrechung - etwa, ob diese noch vor Spruchreife der Entscheidung über andere Begehren oder schon davor zu geschehen hat - im Ermessen des Gerichts liegt (siehe 4 Ob 549/95 = MietSlg 47.479; Würth/Zingher aaO § 41 MRG Rz 2), ist die den Unterbrechungsantrag abweisende Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz im Ergebnis zu bestätigen, aber darauf hinzuweisen, dass eine Unterbrechung nur zum derzeitigen Zeitpunkt unzweckmäßig ist, zumal die Erfolgsaussichten der in den Msch-Verfahren gestellten Anträge weitgehend von der Beurteilung des Feststellungsbegehrens der klagenden Partei im vorliegenden Verfahren abhängen (vgl Würth/Zingher aaO § 41 MRG Rz 2b; 7 Ob 2130/96b).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 52 Abs 1 und 43 Abs 1 ZPO, wobei im Hinblick auf die erfolgreiche Bekämpfung der Begründung des angefochtenen Beschlusses bezüglich einer für den weiteren Gang des Verfahrens maßgeblichen Frage von einem teilweisen Erfolg der Rechtsmittelwerber auszugehen war.