OGH vom 05.04.2012, 13Os124/11a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Linzner als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Heinz F***** und andere Angeklagte wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und anderer Finanzvergehen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom , GZ 40 Hv 34/09t 22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Heinz F*****, Manfred S*****, Ludwig K*****, Julius Ki*****, Helmut G*****, Igal Z***** und Josef M***** freigesprochen, und zwar
„A. Ludwig K***** von der gegen ihn erhobenen Anklage der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt vom , er habe im Zeitraum zwischen 2002 und 2004 in Baden vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige , Offenlegungs oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt, und zwar
I. an Umsatzsteuer
1) für das Jahr 2002 in Höhe von 22.721,66 Euro;
2) für das Jahr 2003 in Höhe von 17.375 Euro;
3) für das Jahr 2004 in Höhe von 158.001,33 Euro;
II. an Körperschaftssteuer für das Jahr 2004 168.174,07 Euro;
III. an Kapitalertragssteuer
1) für das Jahr 2002 in Höhe von 400 Euro;
2) für das Jahr 2003 in Höhe von 533,33 Euro;
3) für das Jahr 2004 in Höhe von 251.438,67 Euro,
indem Abgaben die bescheidmäßig festzusetzen sind, zu niedrig festgesetzt wurden bzw. infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruchs mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) nicht festgesetzt werden konnten, gemäß § 214 FinStrG
B. Heinz F*****, Manfred S*****, Ludwig K*****, Julius Ki***** und Helmut G***** von der gegen sie erhobenen Anklage der Staatsanwaltschaft Wien vom , es hätten im Bereich des Zollamtes Wien und anderen Orten gewerbsmäßig
1)
Ludwig K*****, Helmut G*****, Heinz F***** und Manfred S***** in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Charles M***** sowie weiteren unbekannt gebliebenen Tätern am eingangsabgabepflichtige Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen und zwar:
a) Ludwig K***** und Helmut G***** 6.240.000 Stück (= 31.200 Stangen) Zigaretten der Marke B*****, 6.900.000 Stück (= 34.500 Stangen) Zigaretten unbestimmter Marken und 1.500.000 Stück (= 7.500 Stangen) Zigaretten der Marke Su*****, somit insgesamt 14.640.000 Stück (= 73.200 Stangen) diverser Marken, wobei der strafbestimmende Wertbetrag 1.509.027,96 Euro betrage,
b) Heinz F***** und Manfred S 2.140.000 Stück (= 10.700 Stangen) Zigaretten unbestimmter Marken, wobei der strafbestimmende Wertbetrag 220.581,96 Euro betrage
6)
Heinz F***** im März 2005 vorsätzlich eingangsabgabenpflichtige Waren, nämlich insgesamt 1.000 Uhren mit der Markenbezeichnung R***** der zollamtlichen Überwachung entzogen wobei der strafbestimmende Wertbetrag 1.560 Euro betrage,
7)
a) Julius Ki***** im Juni 2003 eingangsabgabenpflichtige Waren, nämlich insgesamt 11.848,14 Gramm Scandium der zollamtlichen Überwachung entzogen, wobei der strafbestimmende Wertbetrag 593.828,78 Euro betrage,
b) Ludwig K***** im Juni 2003 Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen worden war, nämlich vier Proben Scandium a 0,9 Gramm, somit insgesamt 3,6 Gramm Scandium mit der Absicht an sich gebracht, die Täter nach der Tat dabei zu unterstützen die Sache zu verhandeln, wobei der strafbestimmende Wertbetrag 180,43 Euro betrage und zwar
Heinz F***** hinsichtlich des Faktums 1) gemäß § 259 Z 3 StPO, hinsichtlich des Faktums 6)a) gemäß § 214 FinStrG, Manfred S***** gemäß § 259 Z 3 StPO, Ludwig K***** gemäß § 214 FinStrG, Julius Ki***** gemäß § 259 Z 3 StPO und Helmut G***** gemäß § 259 Z 3 StPO,
C. Helmut G*****, Igal Z***** und Josef M***** von der gegen sie von der Staatsanwaltschaft Wien vom erhobenen Anklage, sie und der abgesondert verfolgten Bajram A***** hätten im Bereich des Zollamtes Wien und anderen Orten gewerbsmäßig am in wechselnder Tatbeteiligung eingangsabgabenpflichtige Waren und zwar
5.100.000 Stück (= 25.500 Stangen) Zigaretten der Marke B***** und
1.520.000 Stück (= 7.600 Stangen) Zigaretten der Marke S*****, insgesamt also 6.620.000 Stück (= 33.100 Stangen) der zollamtlichen Überwachung entzogen, wobei der strafbestimmende Wertbetrag 692.980,54 Euro und die Bemessungsgrundlage gemäß § 44 Abs 2 FinStrG 79.440 Euro betrage, gemäß § 259 Z 3 StPO.“
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5, 6 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO zum Nachteil sämtlicher Freigesprochenen ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde geht fehl.
Soweit die Mängelrüge (Z 5) zum Urteilspunkt B/7/b die Feststellungen des Erstgerichts zur Tat des von diesem Anklagepunkt freigesprochenen Ludwig K***** auszugsweise wiedergibt, spricht sie keinen Begründungsmangel an.
Dies gilt auch für den im Übrigen schon in Anbetracht des Tatzeitraums des bezogenen Schuldspruchs („von zirka 2000 bis 2004“) nicht zutreffenden Hinweis, dass die Tat laut Urteilspunkt B/6/a (Tatzeit: März 2005), von der das Erstgericht Heinz F***** freigesprochen hat, vom rechtskräftigen Schuldspruch des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , GZ 32 Hv 94/07m 302, wegen „Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 301 Abs 1 StGB“ umfasst sei, und den einen Schuldspruch des Julius Ki***** zum Urteilspunkt B/7 wegen Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit b FinStrG anstrebenden Vorwurf, das Erstgericht hätte „hinsichtlich des vorliegenden dolosen Vorgehens“ des Julius Ki***** „insbesondere dessen rechtskräftige Verurteilung wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12, 302 Abs. 1 StGB“ mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien AZ 32 Hv 94/07m vom berücksichtigen müssen. Im Übrigen kennt das FinStrG entgegen der Beschwerde keine andere Art des Freispruchs durch die Gerichte als jenen nach § 214 FinStrG, sodass nach Maßgabe des Gesetzeswortlauts (§ 214 Abs 2 FinStrG) jeder Freispruch vom Vorwurf eines Finanzvergehens als ein solcher nach § 214 FinStrG anzusehen ist (14 Os 116/05y, SSt 2005/76; RIS Justiz RS0120367; jüngst 13 Os 62/11h). Die Wahrnehmung eines allenfalls bestehenden Verfolgungshindernisses nach Art 4 des 7. ZPMRK ist Sache der nachfolgend tätig werdenden Finanzstrafbehörde ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 628).
Der zu den Urteilspunkten B/1/a und b reklamierte Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen der Annahme, dass Taten des Ludwig K*****, des Heinz F***** und des Manfred S***** nicht festgestellt werden konnten, und der Konstatierung, wonach Ludwig K***** beim Umladevorgang „jedenfalls zeitweilig“ anwesend war, liegt nicht vor. Ebenso wenig stehen die Negativfeststellungen zu einer Täterschaft der Freigesprochenen im Widerspruch zur Konstatierung zum Urteilspunkt B/7, wonach Ludwig K***** zwei Proben Scandium á 0,9 Gramm an Charles M***** und Roy B***** weitergegeben hat (US 13).
Soweit die Rüge kritisiert, das Erstgericht übersehe mit der Verneinung einer Täterschaft der Angeklagten „völlig“, dass „aufgrund der von den Angeklagten bzw. der wegen res iudicata nicht mehr verfolgbaren Mittäter bei der gewinnbringenden Verwertung der aus dem Verwahrlager des Zollamtes Wien entfernten Waren an den Tag gelegten kriminellen Energie, auch hier aufgrund der auch vom Erstgericht festgestellten völlig identen Tatumstände und der zum Großteil gleichen Personengruppe die Tathandlungen in Absprache somit im bewussten und gewollten Zusammenwirken der Mittäter, wenn auch in arbeitsteiliger Vorgangsweise begangen wurden“, bekämpft sie bloß unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Dies gilt auch für die Behauptung, dass der „von den Tätern zu lukrierende Gewinn“ „erst durch die aufgrund der gefälschten Transport und Empfangspapiere tatsächlich erfolgte Veräußerung der zoll und steuerfrei erworbenen Zigaretten auf dem Schwarzmarkt im Zollgebiet der EU interessant“ werde. Ebenso wenig wird mit dem Einwand gegenteiliger Feststellungen zu Absprachen der Angeklagten im Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , GZ 32 Hv 94/07m-302, in Betreff hier gar nicht gegenständlicher Taten ein aus der Z 5 dritter Fall relevanter Widerspruch aufgezeigt (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 437).
Entsprechendes gilt, soweit die Beschwerde die Negativfeststellung zur Frage ob einer der Angeklagten den Bezug habenden Zollversandschein mit dem Vermerk „konform“ erledigt hat, unter Hinweis auf die Urteilspassage, aus der zu schließen ist, dass Heinz F***** und Manfred S***** für die Überwachung der ordnungsgemäßen Durchführung der Umladung der Zigaretten sowie die anschließende Verplombung der LKW und die wahrheitsgemäßen Angaben in den dazu erstellten Papieren zuständig waren, als in sich widersprüchlich „und einseitig“ kritisiert.
Indem die Rüge aus dem festgestellten Umstand, dass am Laptop des Helmut G***** unter anderem das Formular eines „niederländischen Zollversandscheins sowie der Bürgschaftsbescheinigung TC 31 mit der NR A 95571 vorgefunden“ wurde (US 17), den urteilskonträren Schluss auf eine Täterschaft des Genannten und des Ludwig K***** zieht, unternimmt sie erneut einen unzulässigen Angriff auf die Beweiswürdigung der Tatrichter.
Der zum Urteilspunkt C reklamierte Widerspruch der Annahme, dass Helmut G***** „mit Abfertigung und Versand“ „nichts zu tun“ hatte, zur Feststellung, dass die zollamtliche Abfertigung vom Genannten an der Bestimmungszollstelle Zahony/Ungarn beantragt wurde, ist nicht erkennbar.
Mit der ebenfalls zum Urteilspunkt C nach Wiedergabe von Feststellungen und Begründungspassagen des Ersturteils aufgestellten Behauptung, das Erstgericht übergehe sich aus dem Urteil ergebende Tatsachen, wird kein aus Z 5 relevanter Mangel aufgezeigt.
Nichtig nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO ist ein Urteil, wenn durch den Ausspruch über die Frage, ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung begründe, ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde. Indem sich die Finanzstrafbehörde gegen die rechtsrichtige Verneinung dieser Frage bei Ludwig K***** zum Urteilspunkt B/1/a mit dem Vorbringen (nominell Z 6 und 9 lit a) wendet, der Freispruch gemäß § 214 FinStrG sei in unrichtiger Anwendung des Gesetzes wegen Unzuständigkeit erfolgt, macht sie den angeführten Nichtigkeitsgrund inhaltlich gar nicht geltend (§ 285a Z 2 StPO), weil wie bereits dargelegt jedem Freispruch vom Vorwurf eines Finanzvergehens die Wirkung eines solchen nach § 214 FinStrG zukommt.
Zudem hat das Erstgericht ohnedies klargestellt, dass es zum Urteilspunkt B/1/a mangels tatbestandlichen Handelns freigesprochen hat (US 25; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 627 ff).
Inwiefern der nominell angeführte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 6 StPO verwirklicht sein soll, ist der Rüge nicht zu entnehmen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).