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VfGH vom 10.12.1992, B1044/91

VfGH vom 10.12.1992, B1044/91

Sammlungsnummer

13296

Leitsatz

Keine Verletzung des Gleichheitssatzes durch Versagung des Verlustabzuges bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mangels Erlaubnis zum Betriebsvermögensvergleich nach dem EStG 1988 im Hinblick auf das dieser Einkunftsart angepaßte System der Berücksichtigung von Werbungskosten

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Beschwerdeführer, der sich als Vermieter und Verpächter bezeichnet, erzielte im Jahre 1989 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 248.850 S und begehrt den Abzug des aus dieser Tätigkeit in den Jahren 1986 bis 1988 entstandenen Verlustes von 168.742 S als Sonderausgabe (§18 Abs 6 EStG 1988). Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wird die Einkommensteuer 1989 ohne Abzug dieser Verluste von der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Der Verlustabzug nach § 18 Abs 6 EStG 1988 sei nur bei den ersten drei Einkunftsarten zulässig. Nur Anlaufverluste (Verluste in den ersten drei Veranlagungszeiträumen ab Eröffnung eines Betriebes) seien auch bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 4 Abs 3 EStG ermitteln, zu berücksichtigen (§18 Abs 7).

Die dagegen erhobene Beschwerde rügt die Verletzung des Gleichheitssatzes. Es fehle an einem sachlichen Grund, in dieser Frage zwischen den Einkunftsarten zu unterscheiden. Verluste "zB aus Investitionsentscheidungen, außerordentlichen Ereignissen oder Forderungsausfällen" könnten Vermieter und Verpächter ebenso treffen wie Gewerbetreibende. Die Annäherung der Überschußrechnung an den Betriebsvermögensvergleich durch die Steuerreform 1988 mache die Differenzierung noch unverständlicher. Den Vermietern und Verpächtern sei eine Gewinnermittlung aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung versagt, weshalb das Festhalten an diesem Erfordernis gleichheitswidrig sei (Hinweis auf VfSlg. 11260/1987).

Die Behörde hat zunächst auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet, über Nachfrage des Verfassungsgerichtshofs jedoch die aus § 18 Abs 6 iVm § 2 Abs 4 und 18 Abs 7 abgeleitete

Beschränkung des Verlustabzuges auf die ersten drei Einkunftsarten zu rechtfertigen versucht.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Der Verfassungsgerichtshof kann der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie annimmt, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit des Verlustabzuges auch im EStG 1988 auf die drei betrieblichen Einkunftsarten beschränkt hat.

Allerdings sieht § 18 Abs 6 ganz allgemein den Abzug von Verlusten aus den sieben vorangegangenen Jahren als Sonderausgaben vor, wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind (und nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden). Vor dem Hintergrund des Erkenntnisses VfSlg. 11260/1987, wonach die Voraussetzung der ordnungsmäßigen Buchführung (§18 Abs 1 Z 4 EStG 1972) deshalb keine verfassungswidrige Differenzierung bewirkt, weil auch der Überschußrechner zum Betriebsvermögensvergleich übergehen kann, wäre daher anzunehmen, daß der Vermieter/Verpächter durch Übergang zum Betriebsvermögensvergleich die Voraussetzungen für einen Verlustabzug schaffen kann. Es ist daher weder das Erfordernis ordnungsmäßiger Buchführung (§18 Abs 6 Satz 2 EStG 1988), noch das Gebot, die Höhe des Verlustes nach den §§4 bis 14 zu ermitteln (§18 Abs 6 Schlußsatz EStG 1988), noch die Gestattung eines begrenzten Verlustvortrags auch an Überschußrechner (§18 Abs 7 EStG 1988) ein zwingendes Hindernis für einen Verlustabzug im Sinne des § 18 Abs 6 EStG 1988 bei Vermietung und Verpachtung.

Indessen umschreibt § 2 Abs 4 EStG 1988 den Begriff der Einkünfte im Sinne des Abs 3 dahingehend, daß darunter bei Land- und Forstwirtschaft, selbständiger Arbeit und Gewerbebetrieb der Gewinn (§§4 bis 14), bei den anderen Einkunftsarten aber der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (§§15 und 16) zu verstehen ist. Während aber der Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben als Gewinn angesetzt werden darf, wenn keine gesetzliche Verpflichtung zur Buchführung besteht und Bücher auch nicht freiwillig geführt werden (§4 Abs 3), enthält das Gesetz keine Bestimmung, die für nicht betriebliche Einkünfte anstelle der Überschußrechnung den Betriebsvermögensvergleich erlauben würde. Daraus läßt sich ableiten, daß dem Vermieter oder Verpächter der Übergang zum Betriebsvermögensvergleich nicht möglich ist und der Verlustabzug daher versagt bleibt (so im Ergebnis Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts4, 168; Werner-Schuch, Kommentar zur Lohnsteuer 1990 RdZ 310 zu § 18).

Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist, wie im folgenden dargetan wird, eine andere Auslegung nicht geboten.

2. Das EStG 1972 hatte den Verlustabzug ausdrücklich auf Verluste aus Land- und Forstwirtschaft, aus selbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb beschränkt (§18 Abs 1 Z 4). Diese Beschränkung war nicht Gegenstand des Gesetzesprüfungsverfahrens, das mit der Nichtaufhebung der in Prüfung gezogenen Teile des § 18 Abs 1 Z 4 EStG 1972 im Erkenntnis VfSlg. 11260/1987 endete. Der Verfassungsgerichtshof hat es in diesem Erkenntnis aber als zulässig erachtet, wenn Steuerpflichtigen, die den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln hätten und von der Möglichkeit der Überschußrechnung Gebrauch machen, mangels Gewährleistung einer periodengerechten Gewinnermittlung der Verlustabzug versagt bleibt: der Steuerpflichtige habe die Wahl zwischen zwei Gewinnermittlungsarten und müsse den Nachteil in Kauf nehmen, der mit der für ihn zwar offenbar günstigeren, für eine verläßliche Verlustzurechnung aber vom Gesetz als untauglich gewerteten Überschußrechnung verbunden ist.

Im Lichte dieses Erkenntnisses könnte zweifelhaft sein, ob der Gesetzgeber berechtigt war, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zwingend mit dem Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten festzulegen. Doch hat der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken dagegen, daß dem Vermieter und Verpächter der Betriebsvermögensvergleich versagt bleibt. Zu Recht weist die belangte Behörde nämlich darauf hin, daß im Rahmen der Überschußeinkünfte die Einkunftsquelle selbst außer Betracht bleibt (vgl. auch Pokorny, Das Unrecht aus dem Steuerrecht, SWK 1984, 265 ff, 267); ferner Aufwendungen für nicht regelmäßig anfallende Instandhaltungsarbeiten nach § 28 Abs 2 EStG 1988 über Antrag gleichmäßig auf zehn Jahre zu verteilen sind und Instandsetzungsaufwendungen, die nicht durch steuerfreie Subventionen abgedeckt sind und nicht mit steuerfreien Beträgen zu verrechnen waren, gleichmäßig auf zehn Jahre verteilt abzusetzen sind, nach § 28 Abs 3 auch Herstellungsaufwand in näher bestimmten Fällen auf fünfzehn Jahre verteilt abzusetzen ist und nach § 28 Abs 5 für näher bestimmte Zwecke steuerfreie Beträge gebildet werden können. Im übrigen kommt die Absetzung für Abnutzung in Betracht (§§7 iVm 16 Abs 1 Z 8, insbes. lite). Insgesamt hat der Gesetzgeber damit ein der Einkunftsart angepaßtes System der Berücksichtigung von Werbungskosten geschaffen. Aus dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles hegt der Verfassungsgerichtshof jedenfalls keine Bedenken, daß die für Vermietung und Verpachtung vorgesehene Berücksichtigung von Werbungskosten - abgesehen vielleicht von Härtefällen - unzureichend wäre. Den für die bilanzierenden Steuerpflichtigen vorgesehenen Verlustabzug auch hier vorzusehen ist der Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz daher nicht gehalten.

Die Beschwerde ist folglich abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Verfassungsgerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs 4 VerfGG).