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OGH vom 18.09.1996, 7Ob2191/96y

OGH vom 18.09.1996, 7Ob2191/96y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** AG, ***** vertreten durch Dr.Hans Rant und Dr.Kurt Freyler, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei I*****gesmbH, ***** vertreten durch Dr.Franz Gölles und Mag.Robert Pöschl, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 74.611,04 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 4/96i-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 13 Cg 89/94k-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit insgesamt S 12.988,80 (darin enthalten S 2.164,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungs- und Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit ihrer am eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei S 77.335,04 sA mit der Behauptung, die Firma A***** habe der beklagten Partei Waren geliefert und ihre daraus resultierenden Forderungen an die klagende Partei abgetreten.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und beantragte Klagsabweisung.

Die für anberaumte Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung blieb unbesucht, so daß Ruhen des Verfahrens eintrat.

Am langte ein Fortsetzungsantrag der klagenden Partei ein, in dem sie behauptete, die Firma A***** habe aufgrund eines internen Mißverständnisses die unrichtige Auskunft an die klagende Partei erteilt, daß mit der beklagten Partei eine Gegenverrechnung durchgeführt werde. Zugleich schränkte sie das Begehren auf S 74.411,04 samt stufenweisen Zinsen ein.

Die beklagte Partei erhob daraufhin in ihrem am eingelangten Schriftsatz ON 6 den Einwand der verglichenen Rechtssache und führte hiezu aus, daß die Tagsatzung vom aufgrund des Ersuchens des Vertreters der klagenden Partei, dieses Verfahren durch "ewiges Ruhen" zu beenden, beiderseits unbesucht geblieben sei. Der Vertreter der beklagten Partei habe der klagenden Partei mit Schreiben vom mitgeteilt, daß die beklagte Partei einem "ewigen Ruhen" nur dann zustimme, wenn ein Kostenersatz in Höhe von S 4.528,80 geleistet werde. Dieser Betrag sei am seitens der klagenden Partei auf das Konto des Vertreters der beklagten Partei überwiesen worden.

Die klagende Partei bestritt das Vorliegen einer vergleichsweisen Bereinigung der Streitsache. Es sei unrichtig, daß "ewiges Ruhen" vereinbart worden sei. Die Streitteile hätten lediglich vereinbart, daß die Tagsatzung vom unbesucht bleiben solle, damit weitere Gespräche geführt werden könnten. Die beklagte Partei habe als Bedingung für eine derartige Vorgangsweise die Überweisung der Kosten der Klagebeantwortung genannt. Die klagende Partei sei diesem Begehren nachgekommen, um weitere Vergleichsgespräche zu ermöglichen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren (und zwar in seiner ursprünglichen Fassung, ohne die Klagseinschränkung zu berücksichtigen; dieser Umstand blieb allerdings ungerügt) ab. Es traf folgende Feststellungen:

Die Parteienvertreter Dr.Hans G***** und Dr.Hans R***** führten am ein Telefonat, in dem der Vertreter der klagenden Partei Dr.R***** ersuchte, die für den nächsten Tag anberaumte Streitverhandlung unbesucht zu lassen, weil er mit seiner Mandantschaft gewisse Fragen abklären müsse. Er bot dem Vertreter der beklagten Partei Dr.Hans G***** grundsätzlich "ewiges Ruhen" an. Dr.G***** stimmte zu, "einfaches Ruhen" eintreten zu lassen und machte die Zustimmung für "ewiges Ruhen" davon abhängig, daß die beklagte Partei damit einverstanden sei und daß Kostenersatz für die der beklagten Partei bisher aufgelaufenen Kosten geleistet werde. Bei diesem Telefonat wurde "grundsätzlich nur einfaches Ruhen" vereinbart, wobei allerdings "ewiges Ruhen" eintreten sollte, wenn die bisherigen Kosten der beklagten Partei ersetzt würden und Dr.G***** mit der beklagten Partei entsprechend Rücksprache gehalten habe.

Mit Schreiben vom teilte Dr.G***** dem Vertreter der klagenden Partei mit, daß er auf das am geführte Telefonat Bezug nehme und nochmals festhalte, daß die beklagte Partei mit einem "ewigen Ruhen" des Verfahrens nur dann einverstanden sei, wenn die klagende Partei Kostenersatz für die Klagebeantwortung in Höhe von S 4.528,80 (darin enthalten S 754,80 Umsatzsteuer) leiste. Diesem Schreiben wurde zwecks Weiterleitung an die klagende Partei ein Durchschlag und ein Zahlschein beigelegt. Eine telefonische oder schriftliche Annahmeerklärung dieses Schreibens erfolgte seitens des Vertreters der klagenden Partei nicht.

Am langte auf dem Kanzleikonto des Vertreters der beklagten Partei der geforderte Betrag von S 4.528,80 ein, der von der klagenden Partei direkt (nicht von ihrem Vertreter) bezahlt worden war. Damit war für den Vertreter der beklagten Partei die Angelegenheit erledigt, weil er der Annahme war, daß die klagende Partei mit "ewigem Ruhen" des Verfahrens einverstanden sei.

Das Erstgericht folgerte hieraus, daß die Streitteile wirksam "ewiges Ruhen" vereinbart und hiemit eine außergerichtliche Regelung getroffen hätten, die zur Klagsabweisung führe.

Das Gericht zweiter Instanz hob dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz billigte zwar die Ansicht des Erstgerichtes, daß zwischen den Parteien schlüssig "ewiges Ruhen" des Verfahrens vereinbart worden sei. Da aber die beklagte Partei im Verfahren erster Instanz nicht behauptet habe, daß die klagende Partei auf den geltend gemachten Anspruch verzichtet habe, stelle das diesbezügliche Vorbringen in der Berufungsbeantwortung eine unbeachtliche Neuerung dar. In der Vereinbarung "ewigen Ruhens" sei kein wirksamer Verzicht auf Rechtsschutzgewährung, der den Prozeß beende, zu erblicken. Ein derartiger Verzicht widerspreche Art 6 Abs 1 MRK und wohl auch § 19 ABGB und sei daher unzulässig. Die anzunehmende Vereinbarung des "ewigen Ruhens" rechtfertige somit nicht die Klagsabweisung wegen eines in dieser Vereinbarung liegenden Verzichtes auf den gerichtlichen Rechtsschutz. Eine materiellrechtlich wirksame Vereinbarung über den Anspruch liege der Vereinbarung des "ewigen Ruhens" nach den Prozeßbehauptungen nicht zugrunde. Im fortgesetzten Verfahren werde daher der von der klagenden Partei erhobene Anspruch zu prüfen sein. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil keine gefestigte Rechtsprechung vorliege, wonach die Vereinbarung "ewigen Ruhens" nicht als wirksamer vertraglicher Verzicht auf den gerichtlichen Rechtsschutz zu qualifizieren sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Partei gegen diesen Beschluß ist zulässig und berechtigt.

Die Rechtsansicht des Gerichtes zweiter Instanz, daß die Vereinbarung "ewigen Ruhens" keine Prozeßbeendigung infolge vertraglichen Verzichtes auf den gerichtlichen Rechtsschutz bewirke, in diesem Sinne gar nicht zulässig sei und, soweit damit das Verfahren auch nach Ablauf der gesetzlichen Mindestdauer ruhen solle, prozessual unbeachtlich sei, entspricht der überwiegenden Ansicht und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl 9 ObA 181/88, unter anderem veröffentlicht in SZ 61/197 in Ablehnung der teilweise gegenteiligen Lehre und mit weiteren Nachweisen; JBl 1987, 670; Gitschthaler in Rechberger, ZPO, Rz 8 zu §§ 168 bis 170 ZPO mwN).

Demnach ist in einem fortgesetzten Verfahren die materiellrechtliche

Seite der Ruhensvereinbarung zu berücksichtigen, wobei in der

Vereinbarung "ewigen Ruhens" ein schlüssiger Verzicht in bezug auf

die Klagsforderung liegen kann (9 ObA 181/88 = SZ 61/197; 5 Ob 585/85

= RdW 1986 271).

Die beklagte Partei hat im vorliegenden Verfahren nicht etwa die Zurückweisung des Fortsetzungsantrages wegen Prozeßbeendigung infolge Verzichtes der klagenden Partei auf den gerichtlichen Rechtsschutz beantragt, sondern begehrte die Abweisung des Klagebegehrens wegen außergerichtlich verglichener Rechtssache. Wenn auch der Vergleich durch beiderseitiges Nachgeben gekennzeichnet ist (§ 1380 ABGB) und sich dadurch vom Verzicht auf eine Forderung unterscheidet (§ 1444 ABGB), ist dem Schriftsatz vom , ON 6, seinem Vorbringen und seinem auf Klagsabweisung gerichteten Antrag nach zu entnehmen, daß die beklagte Partei den materiellrechtlichen Einwand des Forderungsverzichtes seitens der klagenden Partei erhob und die Behauptung der "verglichenen" Rechtssache lediglich eine juristische Unkorrektheit darstellt. Die Ausführungen in der Berufungsbeantwortung der beklagten Partei, daß die Vereinbarung ewigen Ruhens unter den Umständen dieses Falles einen Verzicht auf die von der klagenden Partei behauptete Forderung bedeute, kann daher nicht als unbeachtliche Neuerung qualifiziert werden.

Es bleibt daher zu prüfen, ob dem vom Erstgericht festgestellten und vom Gericht zweiter Instanz übernommenen Sachverhalt ein wirksamer Verzicht der klagenden Partei auf den Klagsanspruch zu entnehmen ist.

Dies ist nach den Umständen dieses Falles zu bejahen. Selbst unter Bedachtnahme auf die Auslegungsregel des § 915 erster Satz ABGB kann in der Vereinbarung "ewigen Ruhens" kein anderer Sinn erblickt werden, weil ja die klagende Partei nach ihrem eigenen Vorbringen deshalb Ruhen des Verfahrens eintreten lassen wollte, weil sie von der Firma A***** die - sich nach den Behauptungen der klagenden Partei inzwischen als unrichtig herausstellende - Auskunft erhalten habe, daß mit der beklagten Partei eine Gegenrechnung durchgeführt werde. Zwischen der im beiderseitigen Einvernehmen unbesucht gebliebenen Tagsatzung und der Überweisung des von der beklagten Partei geforderten Ersatzes für die Kosten der Klagebeantwortung verstrichen einige Wochen, so daß insbesondere auch die beklagte Partei annehmen konnte, die klagende Partei habe nunmehr entsprechende Erhebungen gepflogen und sei eben zu dem Ergebnis gekommen, daß die Forderung zu Unrecht bestehe oder durch Gegenforderungen erloschen sei. Das dargestellte Gespräch zwischen den Vertretern der Parteien und die Reaktion der klagenden Partei auf das Schreiben des Vertreters der beklagten Partei vom sind daher ungeachtet des Umstandes, daß von einem Forderungsverzicht seitens der klagenden Partei nie ausdrücklich die Rede war, im Sinne eines solchen Forderungsverzichtes auszulegen (vgl RdW 1986, 271).

Da die Streitsache zur Entscheidung im Sinne des erstgerichtlichen klagsabweisenden Urteiles reif ist, konnte der Oberste Gerichtshof über den vorliegenden Rekurs durch Urteil in der Sache selbst erkennen (§ 519 Abs 2 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.