OGH vom 18.02.2019, 10Nc4/19y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann als weitere Richter in der beim Landesgericht Ried im Innkreis anhängigen Sozialrechtssache der Klägerin Mag. B***** wegen Kinderbetreuungsgeld in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Landesgericht Ried im Innkreis zurückgestellt.
Text
Begründung:
Nach § 30 JN hat ein Gericht, wenn es aus einem der im § 19 JN vorgesehenen Gründe an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert ist, diese Behinderung dem im Instanzenzug übergeordneten Gericht anzuzeigen. Das übergeordnete Gericht hat sodann ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu bestimmen.
Im gegenständlichen Verfahren tritt eine Richterin des Landesgerichts Ried im Innkreis (als Arbeits- und Sozialgericht) als Klägerin in einer Sozialrechtssache auf. Alle Richter dieses Gerichtshofs zeigten infolge privater persönlicher Beziehungen zu der Klägerin ihre Befangenheit an. Der ebenfalls als Richter beim Landesgericht Ried im Innkreis tätige Lebensgefährte der Klägerin zeigte seine Ausgeschlossenheit an. Die Beschlüsse, mit denen den Befangenheitsanzeigen und der Ausschließungsanzeige jeweils Folge gegeben wurde, sind rechtskräftig.
Das Landesgericht Ried im Innkreis legte den Akt zur Entscheidung gemäß § 30 JN dem Obersten Gerichtshof mit dem Hinweis vor, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte als Richteramtsanwärter/In und/oder Richter/In unter anderem beim Bezirksgericht Linz und bei den Landesgerichten Linz und Salzburg eingesetzt gewesen seien. Persönliche Kontakte bestünden auch zu etwa gleichaltrigen Kollegen bzw Kolleginnen, die im Sprengel des Landesgerichts Wels und des Landesgerichts Steyr tätig seien.
Rechtliche Beurteilung
Die Voraussetzungen des § 30 JN für eine Delegation durch den Obersten Gerichtshof liegen nicht vor.
Für die Delegation ist das im Instanzenzug übergeordnete Gericht zuständig. Ist das Landesgericht Ried im Innkreis (als Arbeits- und Sozialgericht) infolge Befangenheit bzw Ausgeschlossenheit sämtlicher Richter an der Ausübung der Gerichtsbarkeit gehindert, hat somit das im Instanzenzug (als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen) übergeordnete Oberlandesgericht Linz ein anderes Gericht zur Verhandlung und Entscheidung in der Sozialrechtssache zu bestimmen. Erst wenn auch alle im Sprengel des Oberlandesgerichts Linz liegenden Gerichtshöfe an der Ausübung der Gerichtsbarkeit in der vorliegenden Sozialrechtssache gehindert sein sollten, könnte das übergeordnete Oberlandesgericht kein Gericht mehr bestimmen, sodass der Oberste Gerichtshof über eine Delegierung an ein außerhalb des Oberlandesgerichtssprengels Linz gelegenes Landesgericht (als Arbeits- und Sozialgericht) oder an das Arbeits- und Sozialgericht Wien zu entscheiden hätte.
Allein aus dem Hinweis des vorlegenden Gerichts, möglicherweise könnten auch Richter befangen sein, die an den Landesgerichten Linz, Salzburg, Wels oder Steyr tätig seien, lassen sich die Voraussetzungen für die amtswegige Delegation durch den Obersten Gerichtshof nach § 30 JN nicht ableiten.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0100NC00004.19Y.0218.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.