OGH vom 09.04.1996, 10ObS2010/96b

OGH vom 09.04.1996, 10ObS2010/96b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf und Dr. Roman Merth (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Magdalena H*****, Landwirtin, *****, vertreten durch Dr. Berndt Schön, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 5 Rs 44/95-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 47 Cgs 20/95k-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den Beschluß gefaßt:

Das durch den Tod des Versicherten Josef H***** am unterbrochene Verfahren wird auf Antrag der Klägerin als Ehegattin des Versicherten wieder aufgenommen;

2. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Versicherte Josef H***** (Ehegatte der nunmehrigen Klägerin) beantragte am die Alterspension samt Ausgleichszulage. Die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Bauern gewährte ihm mit Bescheid vom zwar die Alterspension, nicht jedoch die Ausgleichszulage. Infolge der Auswirkungen der 14. BSVG Novelle (Höchstgrenzen für das fiktive Ausgedinge) hätte der Ehegatte der Klägerin erstmals ab die Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszulage erfüllt. Er beantragte die Ausgleichszulage aber erst am ; mit Bescheid vom wurde sie ihm daraufhin ab zuerkannt.

Am beantragte der Ehegatte der Klägerin, ihm die Ausgleichszulage auch für die Zeit vom bis zu gewähren. Die Beklagte sprach mit Bescheid vom aus, daß ihm für diese Zeit keine Ausgleichszulage gebühre, weil er den Antrag erst nach dem Zeitpunkt der Erfüllung der Voraussetzungen gestellt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Klage mit dem Begehren auf Zahlung der Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß für die Zeit vom bis . In der Klage wird die Rechtsansicht vertreten, die Beklagte hätte die Ausgleichszulage nach § 144 Abs 3 BSVG ab von amtswegen neu feststellen müssen. Der Fehler der Beklagten, auf Grund dessen die Gewährung der Ausgleichszulage für diesen Zeitraum unterblieben sei, wäre von amtswegen zu korrigieren gewesen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Nach § 144 Abs 2 BSVG gebühre die Ausgleichszulage bei erstmaliger Feststellung frühestens ab dem Beginn des vor der Antragstellung liegenden Kalendermonats.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Bei einer Änderung der für die Zuerkennung der Ausgleichszulage maßgebenden Sach- und Rechtslage, was hier durch die Einführung der Höchstgrenzen für die Anrechnung des fiktiven Ausgedinges zutreffe, habe der Sozialversicherungsträger die Ausgleichszulage von amtswegen neu zu überprüfen, ohne daß der Pensionsempfänger einen entsprechenden Antrag stellen müsse.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. § 144 Abs 3 BSVG beziehe sich nur auf eine Änderung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Höhe einer bereits zuerkannten Ausgleichszulage: in diesem Fall habe der Träger der Pensionsversicherung die Ausgleichszulage auch von amtswegen neu festzustellen. Wenn aber die Ausgleichszulage erstmals zuerkannt werden solle, sei § 144 Abs 2 BSVG anzuwenden. Für die erstmalig zuzuerkennende Ausgleichszulage sei daher ein Antrag erforderlich.

Gegen dieses Urteil erhob der Ehegatte der Klägerin rechtzeitig Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Er beantragte das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Nach Einlangen der mit der Revision vorgelegten Akten beim Obersten Gerichtshof verstarb der Ehegatte der Klägerin am . Dadurch wurde das Revisionsverfahren gemäß § 76 Abs 1 ASGG unterbrochen (Beschluß des Senates vom , 10 ObS 179/95).

Unter Vorlage der Todesbestätigung des Standesamtes stellte die Klägerin als Ehegattin des Verstorbenen, die zum Zeitpunkt seines Todes mit ihm unter derselben Wohnanschrift in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, den Antrag auf Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens gemäß § 76 Abs 2 ASGG.

In diesem Sinne war die Wiederaufnahme des unterbrochenen Verfahrens mit Beschluß auszusprechen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach § 144 Abs 2 (Satz 1) BSVG ist die Ausgleichszulage erstmalig aufgrund des Pensionsantrages festzustellen (ebenso § 296 Abs 2 ASVG und § 153 Abs 2 GSVG). Sie gebührt ab dem Tag, an dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind (Satz 2). Wird die Ausgleichszulage erst nach dem Zeitpunkt der Erfüllung der Voraussetzungen beantragt, so gebührt sie frühestens ab dem Beginn des vor dem Tag der Antragstellung liegenden vollen Kalendermonates (Satz 3). Hingegen sieht § 144 Abs 3 BSVG vor, daß bei einer Änderung der für die Zuerkennung der Ausgleichszulage maßgebenden Sach- und Rechtslage der Träger der Pensionsversicherung die Ausgleichszulage auf Antrag des Berechtigten oder von amtswegen neu festzustellen hat (ebenso § 296 Abs 3 ASVG und § 153 Abs 3 GSVG). Die Sätze 2 und 3 im Abs 2 der zitierten Gesetzesstellen regeln, ab wann die Ausgleichszulage "gebührt"; sie bestimmen also den Leistungsanfall, der vom Zeitpunkt des Entstehens des Anspruches abeweichen kann (vgl Schrammel in Tomandl SV-System, 5. ErgLfg 147; SSV-NF 8/36). Pensionen - mit hier nicht vorliegenden Ausnahmen - fallen nur dann mit Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen oder mit dem der Erfüllung der Voraussetzungen folgenden Monatsersten an, sofern sie binnen einem Monat nach Erfüllung der Voraussetzungen beantragt werden; wird der Antrag auf die Pension aber erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, fällt sie erst mit dem Stichtag an (§ 51 Abs 2 Z 2 BSVG,§ 86 Abs 3 Z 2 ASVG,§ 55 Abs 2 Z 2 GSVG). Ähnlich fällt auch die Ausgleichszulage, die erst nach dem Zeitpunkt der Erfüllung der Voraussetzungen beantragt wird, nicht schon ab dem Tag der Anspruchserfüllung an, sondern frühestens ab dem Beginn des vor dem Tag der Antragstellung liegenden vollen Kalendermonates. Daher ist der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien SV-Slg. 18.889, daß Ansprüche auf Ausgleichszulage insoweit erlöschen, als sie erst nach Ablauf der im § 296 Abs 2 ASVG normierten Frist beantragt werden, im Ergebnis zuzustimmen.

Da die erstmalige Feststellung der Ausgleichszulage von amtswegen erfolgt, ist neben dem Pensionsantrag kein gesonderter Antrag auf Ausgleichszulage erforderlich (Radner ua, Bauernsozialversicherung3 § 144 FN 3). Werden hingegen die Voraussetzungen für die Ausgleichszulage - wie hier - erst nach der Entscheidung aufgrund des Pensionsantrages oder nach einem Wegfall der Ausgleichszulage erfüllt, dann ist ein Antrag auf Ausgleichszulage erforderlich (Radner ua aaO FN 5).

Während es sich bei § 144 Abs 2 Satz 2 und 3 BSVG um materiellrechtliche Bestimmungen handelt, die den Anfall der Ausgleichszulage regeln, ist § 144 Abs 3 BSVG eine formalrechtliche Norm, der die Neufeststellung anordnet, wenn sich die für die Zuerkennung der Ausgleichszulage maßgebende Sach- und Rechtslage ändert. Aus den Wortfolgen "Änderung der für die Zuerkennung der Ausgleichszulage maßgebenden Sach- und Rechtslage" und "neu festzustellen" ist abzuleiten, daß sich die im Absatz 3 angeordnete amtswegige Neufeststellung nur auf bereits zuerkannte (laufende) Ausgleichszulagen bezieht (die Meinung Radners ua aaO FN 11, wonach die Erhöhung oder der Wiederanfall der Ausgleichszulage vom Zeitpunkt der Antragstellung abhängig sei, trifft daher jedenfalls für den Wiederanfall zu). Die Entscheidungen des Senates SSV-NF 4/6 und 7/29 betrafen Fälle, in denen laufende Ausgleichszulagen nach Absatz 3 von amtswegen neu festgestellt wurden; sie stellen daher, wie der Revisionswerber richtig erkennt, keine Präjudizien für seinen Fall dar, in dem es auf § 144 Abs 2 (Satz 3) BSVG ankommt. Eine Zuerkennung der Ausgleichszulage ab einem früheren Zeitpunkt ist nach dieser Bestimmung ausgeschlossen.

Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht verpflichtet § 144 Abs 3 BSVG den Träger der Pensionsversicherung nur zur amtswegigen Neufeststellung von zuerkannten (laufenden) Ausgleichszulagen. Damit er dieser Verpflichtung nachkommen kann, muß der Pensionsberechtigte, der eine Ausgleichszulage bezieht, dem Träger jede Änderung des Nettoeinkommens oder der Umstände, die eine Änderung des Richtsatzes bedingen, binnen zwei Wochen anzeigen (§ 146 Abs 1 BSVG). Der Versicherungsträger hat auch jedem Bezieher einer Ausgleichszulage innerhalb von jeweils drei Jahren mindestens einmal zu einer Meldung seines Nettoeinkommens, seiner Unterhaltsansprüche sowie aller Umstände, die für die Höhe des Richtsatzes maßgebend sind, zu verhalten (Abs 2). Ferner haben die Träger der Sozialhilfe den Versicherungsträger bezüglich dem Beziehen einer Ausgleichszulage ihnen bekannt gewordene Änderungen der genannten Art mitzuteilen. Das BSVG hingegen enthält - abgesehen von der bereits zitierten Anordnung, daß die Ausgleichszulage erstmalig aufgrund des Pensionsantrages festzustellen ist - keine Bestimmung, nach der ein Versicherungsträger verpflichtet wäre, (später) von amtswegen zu prüfen, ob ein Pensionsberechtigter, der keine Ausgleichszulage bezieht, möglicherweise die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch erfüllt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Da keine Revisionskosten verzeichnet wurden, entfällt eine Kostenentscheidung.