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OGH vom 01.03.2017, 5Ob98/16x

OGH vom 01.03.2017, 5Ob98/16x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****gesmbH, *****, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. N*****-GmbH, *****, vertreten durch die Längle Fussenegger Singer Rechtsanwälte Partnerschaft in Dornbirn, und 2. Dr. S***** K***** als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der H***** KG *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kasseroler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 951.448,90 EUR (889.758,23 EUR und 61.690,67 EUR) sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 397/15h321, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 11 C 340/08f310, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.791,34 EUR (darin 631,89 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Die zweitbeklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1.1. Die Nichtbeachtung der Rechtskraft bewirkt Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0041896). Eine schon in erster Instanz unterlaufene Nichtigkeit, die auf das Urteil des Berufungsgerichts durchschlägt und von diesem nicht verneint wurde, kann – entgegen der vom Zweitbeklagten in seiner Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht – grundsätzlich auch erstmals in der Revision geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042925 [T5 und T 11]).

1.2. Das Erstgericht hat mit dem gegenüber dem Zweitbeklagten in Rechtskraft erwachsenen (Teil-)Zwischenurteil vom die Klagsforderung dem Grunde nach auf Basis titelloser Benützung ab 2004 als zu Recht bestehend erkannt. Dagegen ist das Erstgericht in seinem nunmehrigen Urteil davon ausgegangen, dass das Bestandverhältnis gegenüber dem Zweitbeklagten (erst) mit dem Räumungsvergleich am aufgelöst worden sei. Damit hat das Erstgericht zwar in die Rechtskraft des (Teil-)Zwischenurteils gegenüber dem Zweitbeklagten eingegriffen; allerdings resultiert aus dem (Teil-)Zwischenurteil keinerlei Bindungswirkung der Höhe nach (vgl RIS-Justiz RS0102003 [T4]). Da nunmehr – allein – die bindenden Feststellungen des Erstgerichts über die Höhe des Benützungsentgelts – wie hier – zur Abweisung des Klagebegehrens für den gesamten erfassten Zeitraum führen müssen, kommt dem Zwischenurteil für die nunmehr vorzunehmende Prüfung des Urteils des Berufungsgerichts keine entscheidungswesentliche Bedeutung mehr zu.

2. Die Klägerin behauptet eine Bindungswirkung des Verfahrensergebnisses zu AZ 16 C 1206/04i des Erstgerichts gegenüber der Erstbeklagten. Dem ist zunächst zu erwidern, dass das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, die Klägerin habe den Umstand, das Bestandverhältnis sei erst mit dem Räumungsvergleich am aufgelöst worden, in ihrer Rechtsrüge nicht mehr releviert. Die Auslegung von Parteivorbringen und -erklärungen ist aber regelmäßig eine nicht revisible Einzelfallbeurteilung (RIS-Justiz RS0042828 [insb T 3 und T 16]) und die Klägerin tritt besagter Beurteilung des Berufungsgerichts in ihrer Revision auch nicht substanziell entgegen, womit diese Frage aus der Überprüfung im Revisionsverfahren ausgeschieden ist. Überdies hielte selbst eine gegebene Bindungswirkung der von den Vorinstanzen angenommenen späteren vergleichsweisen Einigung, also einer nachfolgenden Änderung der Tatsachengrundlage, nicht stand.

3.1. Die Höhe des Benützungsentgelts hängt von der Redlichkeit des Benutzers ab (vgl 2 Ob 199/09t; RIS-Justiz RS0020150; RS0019883; RS0010191). Der redliche Besitzer hat den Vorteil zu vergüten, der ihm nach seinen subjektiven Verhältnissen entstanden ist. Dieser Vorteil orientiert sich in der Regel am gewöhnlichen Benützungsentgelt, das aber zugleich die Obergrenze des Ersatzes bildet (vgl RIS-Justiz RS0020150; RS0019883). Nur der Unredliche schuldet das höchst erzielbare Benützungsentgelt (3 Ob 190/04v = MietSlg 56.116 = RIS-Justiz RS0020150 [T6]).

3.2. Gemäß § 328 Satz 2 ABGB wird die Redlichkeit vermutet; es ist daher Sache desjenigen, der aus der angeblichen Unredlichkeit des Gegners Ansprüche ableiten will, Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich die Unredlichkeit ergibt (3 Ob 54/98g). Die Frage, ab wann im vorliegenden Fall Unredlichkeit der Beklagten anzunehmen war, ist eine typische Einzelfallbeurteilung, die von den Vorinstanzen – im Hinblick auf die von den Parteien in diesem Zusammenhang zu lösenden komplexen Rechtsfragen (Miete/Pacht; Weitergaberecht; fraglicher Verzicht auf Benützungsentgelt; Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts des Zweitbeklagten) – auf nicht korrekturbedürftige Weise gelöst wurde.

3.3. Die Zulassungsfrage des Berufungsgerichts nach der Höhe des Benützungsentgelts bei Teilvermietbarkeit ist nicht entscheidungswesentlich, weil ein über dem ohnehin bezahlten Entgelt gelegenes gewöhnliches und höchst erzielbares Benützungsentgelt – infolge unzulänglicher Mitwirkung der Klägerin im Beweisverfahren – in tatsächlicher Hinsicht nicht feststellbar war. Soweit die Klägerin die dazu getroffene Negativfeststellung in ihrem Aussagegehalt einzuschränken versucht und einen sekundären Feststellungsmangel geltend macht, bekämpft sie – im Revisionsverfahren unzulässig – die Tatfrage (RIS-Justiz RS0069246 [T1, T 2]).

4.1. Die Revision ist somit mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und zurückzuweisen. Eine weitergehende Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

4.2. Die Kostenentscheidung gründet hinsichtlich der Erstbeklagten, die auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, auf §§ 50, 41 ZPO. Der Zweitbeklagte hat die Kosten seiner Revisionsbeantwortung gemäß §§ 50, 40 ZPO selbst zu tragen, weil er auf diese Unzulässigkeit nicht hingewiesen und auch nur beantragt hat, der Revision keine Folge zu geben (vgl RIS-Justiz RS0035979; 1 Ob 128/16d).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00098.16X.0301.000
Schlagworte:
Zivilverfahrensrecht

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