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OGH vom 29.09.2016, 5Ob94/16h

OGH vom 29.09.2016, 5Ob94/16h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Pflegschaftssache der L***** F*****, geboren am ***** 1998, der mj A***** F*****, geboren am ***** 2001, der mj V***** F*****, geboren am ***** 2004, und des mj P***** F*****, geboren am ***** 2011, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters S***** M*****, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 44 R 143/16d 68, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom , GZ 2 Ps 15/12i 62, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird hinsichtlich L***** F***** zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung über den Kontaktrechtsantrag des Vaters zu den Kindern A***** F*****, V***** F***** und P***** F***** zurückverwiesen.

Text

Begründung:

L***** F***** wurde nach Erhebung des außerordentlichen Revisionsrekurses durch ihren Vater volljährig.

A***** F*****, V***** F***** und P***** F***** leben bei ihrer Mutter. Ihr wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom die Obsorge vorläufig alleine zuerkannt, weil sich der Vater gegenüber den Kindern, insbesondere gegenüber L***** immer wieder gewalttätig verhalten habe. Zwischen den Eltern ist zu AZ 2 C 31/12m des Erstgerichts ein Scheidungsverfahren anhängig.

Am verließ die Mutter mit den Kindern die gemeinsame Ehewohnung und übersiedelte in ein Frauenhaus. Seitdem gab es keine Kontakte mehr zwischen den Kindern und ihrem Vater. P***** war damals sieben Monate alt.

In der Folge wurden die Mutter und die Kinder in ein „qualifiziertes Opferschutzprogramm“ des Bundeskriminalamts aufgenommen. Nach einer Auskunft des „Referats für qualifizierten Opferschutz im Bundeskriminalamt/Bundesministerium für Inneres“ vom „werden sowohl die Mutter als auch die vier Kinder nach wie vor in diesem besonderen Schutzprogramm betreut“. Aus sicherheitstaktischen Gründen könne der Aufenthaltsort der Mutter und Kinder nicht bekannt gegeben werden.

Gegen den Vater wurde zu AZ 33 Hv 111/12a des Landesgerichts für Strafsachen Wien unter anderem wegen (familiärer) fortgesetzter Gewaltausübung, Nötigung und gefährlicher Drohung ein Strafverfahren geführt. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom wurde der Vater wegen eines Vergehens nach dem Waffengesetz, der Fälschung besonders geschützter Urkunden und der Urkundenunterdrückung zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Von den übrigen Anklagepunkten (fortgesetzte Gewaltausübung, schwere Nötigung, gefährliche Drohung und Freiheitsentziehung) wurde er freigesprochen.

Der Vater beantragte unter anderem am , persönliche Kontakte zwischen den Kindern und ihm in der Form festzulegen, dass er berechtigt sein sollte, die Kinder an jedem zweiten Samstag für die Dauer von vier Stunden bei sich zu haben. Mit einer Kontaktanbahnung in einem Besuchscafe erklärte er sich einverstanden.

Sowohl die Mutter als auch die drei älteren Kinder, damals 15, 12 und 9 Jahre alt, sprachen sich am gegenüber der Erstrichterin gegen einen Kontakt mit dem Vater aus. Die befragten Kinder hätten ihre ablehnende Haltung altersadäquat argumentieren können und nachdrücklich festgehalten, Kontakte mit dem Vater „sicher nicht“ zu wollen.

In rechtlicher Hinsicht stützt das Erstgericht die Abweisung des Antrags auf Kontakt zu der zwischenzeitig volljährigen L***** und der minderjährigen A***** auf § 108 AußStrG. Zu V***** führte es aus, dass die Willensbildung der (Anm: im Zeitpunkt der Entscheidung) fast 12 Jahre alten Tochter in Verbindung mit einer auf deren Lebenssituation und Erleben ausgerichteten Einschätzung des Kindeswohls angemessen zu berücksichtigen sei.

Die Abweisung des Antrags des Vaters auf Kontakt zu seinem jüngsten Kind begründete das Erstgericht im Wesentlichen mit der Aufnahme der Familie in das Opferschutzprogramm des Bundeskriminalamts und mit der Verwendung eines verfälschten Ausweises durch den Vater, um sich trotz Hausverbots Zugang zu einem Gericht zu verschaffen, was zu seiner Verurteilung wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden und Urkundenunterdrückung geführt habe, und zeige, wie wenig der Vater bereit sei, ihm vorgegebene Regeln zu befolgen.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Vaters nicht Folge. In Verneinung der Mängelrüge, weil das vom Vater beantragte psychologische Gutachten nicht eingeholt und Feststellungen in Bezug auf P***** nicht getroffen worden seien, räumte es ein, dass eine Verfahrensverzögerung vorliege, weil das Erstgericht die Töchter bereits am angehört, aber erst am über den Kontaktrechtsantrag entschieden habe. Hinsichtlich der beiden Töchter L***** und A***** teilte es rechtlich die Ansicht des Erstgerichts, dass deren ablehnende Haltung gemäß § 108 AußStrG zu einer Antragsabweisung führe. Die dort angeführte Mündigkeit bilde keine starre Altersgrenze, weswegen auch jüngeren Kindern ein Kontaktverweigerungsrecht zustünde, wenn sie über die entsprechende Einsichts und Urteilsfähigkeit verfügten. Das treffe auch auf die nunmehr fast 12 Jahre alte V***** zu. Diese sei im Zeitpunkt ihrer Anhörung durch das Erstgericht am zwar erst 9 Jahre alt gewesen, habe aber in einem von der Mutter vorgelegten Brief aus Juni 2015 ihre aufrecht ablehnende Haltung bestätigt.

P***** verfüge wohl über keine persönliche Erinnerung an seinen Vater. Vor dem Hintergrund der konsequent ablehnenden Haltung der Mutter und der älteren Schwestern erscheine es aber als evident, dass sein Vaterbild extrem negativ sein müsse, sodass jedenfalls eine übermäßige, für das Kindeswohl schädliche Irritation zu befürchten sei, würde P***** – wenn auch begleitet – als einziges der Kinder zu einer persönlichen Begegnung mit dem Vater gezwungen. Auch widerspreche der autoritäre, gewaltbereite Erziehungsstil des Vaters, wie er sich aus dem Strafurteil ergebe, dem Kindeswohl.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters, in dem er sowohl inhaltlich als auch in seinem Rechtsmittelantrag ausschließlich zum Kontaktrecht Stellung nimmt.

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist damit nur mehr die Entscheidung des Rekursgerichts über seinen Kontaktrechtsantrag (vgl RIS Justiz RS0043624 [T1]).

Das Rechtsmittel des Vaters, dem hinsichtlich L***** die Beschwer fehlt, ist im Übrigen zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und im Sinn des auf Aufhebung gerichteten Eventualantrags auch berechtigt.

Zu I.:

1. L***** ist seit volljährig. § 186 ABGB, der den Bestimmungen über das Kontaktrecht programmatisch voransteht (dazu Nademleinsky in Schwimann / Kodek , ABGB 4 Ia § 186 Rz 1), macht schon seinem Wortlaut nach deutlich, dass diese Regelungen nur für minderjährige Kinder gelten, sodass nach Erreichen der Volljährigkeit kein Kontaktrecht mehr nach dieser Bestimmung angeordnet werden kann (zu § 148 ABGB aF: 10 Ob 38/12d; Thunhart in Fenyves / Kerschner / Vonkilch , Klang ³ § 148 Rz 7).

2. Kann ein Rechtsmittel seinen eigentlichen Zweck, die Rechtswirkungen der bekämpften Entscheidung durch eine Abänderung oder Aufhebung zu verhindern oder zu beseitigen, nicht mehr erreichen, dann fehlt es am notwendigen Rechtsschutzinteresse (RIS Justiz RS0002495 [T43, T 78]). Die Beschwer muss zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels gegeben sein und zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen; andernfalls ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RIS Justiz RS0041770; RS0006880). Diese Grundsätze gelten auch im Verfahren außer Streitsachen (RIS Justiz RS0006598; zum zeitlich überholten Besuchsrecht: 7 Ob 115/13g mwN).

3. Soweit der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters auch auf die Regelung des persönlichen Kontakts zu seiner nunmehr volljährigen Tochter abzielt, fehlt es an der Beschwer, sodass er insoweit zurückzuweisen ist.

Zu II.:

In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs wendet sich der Vater gegen die Anwendung des § 108 AußStrG durch die Vorinstanzen, weil eine Belehrung der minderjährigen Töchter unterblieben sei, und macht in Bezug auf P***** geltend, dass eine Beweisaufnahme überhaupt nicht stattgefunden habe, insbesondere kein psychologisches Gutachten eingeholt worden sei.

Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Lehnt ein Minderjähriger, der das 14. Lebensjahr bereits vollendet hat, ausdrücklich die Ausübung der persönlichen Kontakte ab und bleiben eine Belehrung über die Rechtslage und darüber, dass die Anbahnung oder Aufrechterhaltung des Kontakts mit beiden Elternteilen grundsätzlich seinem Wohl entspricht, sowie der Versuch einer gütlichen Einigung erfolglos, so ist gemäß § 108 AußStrG der Antrag auf Regelung der persönlichen Kontakte ohne weitere inhaltliche Prüfung abzuweisen (§ 108 AußStrG; vgl auch ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 76).

2.1 Der erkennende Senat hat zu § 108 AußStrG zuletzt in der Entscheidung 5 Ob 242/15x, auf die sich auch der Vater in seinem Rechtsmittel bezieht, Stellung genommen und festgehalten, dass die nach dieser Bestimmung vorgesehene Belehrung der Minderjährigen und der Versuch einer gütlichen Einigung inhaltlich zwar Verfahrensvorschriften darstellen, die aber gezielt der Wahrung des Kindeswohls dienen, und deren Einhaltung zugleich ausdrückliche gesetzliche Voraussetzung dafür ist, den Antrag auf Kontaktrechtsregelung „ohne weitere inhaltliche Prüfung abzuweisen und von der Fortsetzung der Durchsetzung abzusehen“. Die unterlassene Belehrung der Minderjährigen nach § 108 AußStrG und der unterbliebene Versuch einer gütlichen Einigung können daher aus Gründen des Kindeswohls noch im Revisionsrekursverfahren geltend gemacht werden. Dass das Erstgericht in dem der Entscheidung 5 Ob 242/15x zugrunde liegenden Verfahren vor seiner Entscheidung mit der Minderjährigen zwar ein Gespräch geführt, diese aber nach dem darüber aufgenommenen Aktenvermerk nicht im Sinn des § 108 AußStrG belehrt und auch keinen nachvollziehbaren Versuch einer gütlichen Einigung unternommen hatte, wurde als Mangel aufgegriffen und dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens aufgetragen.

2.2 Auch im vorliegenden Fall fand nach der Aktenlage weder die in § 108 AußStrG geforderte Belehrung statt, noch erfolgte ein Versuch einer gütlichen Einigung, wie sie für eine Vorgangsweise nach dieser Bestimmung erforderlich ist. Bereits aus diesem Grund hält eine auf § 108 AußStrG gestützte Abweisung des Kontaktrechtsantrags des Vaters einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

2.3 Die Befragung der minderjährigen Töchter erfolgte am . Damals waren die Mädchen 12 und 9 Jahre alt. § 108 AußStrG findet schon seinem Wortlaut nach auf noch nicht vierzehnjährige Kinder keine Anwendung (vgl 5 Ob 167/09h).

2.4 Es trifft zwar zu, dass nach der Rechtsprechung der Verweigerung des Kontakts mit dem Vater durch unmündige Minderjährige ein gewisses Gewicht bei der Beurteilung zukommt, inwieweit gegen ihren feststehenden Willen die Ausübung des Besuchsrechts ermöglicht werden soll, weil dadurch die ablehnende Haltung des Kindes vertieft und verstärkt werden kann (5 Ob 59/08z; 5 Ob 167/09h). Nur insofern stellt die Mündigkeit keine starre Grenze für die Beachtlichkeit der Verweigerung des persönlichen Verkehrs durch Minderjährige dar; die Konsequenzen des § 108 AußStrG können an die Weigerung unmündiger Minderjähriger aber nicht geknüpft werden. Auch insoweit zeigt sich die Entscheidung des Rekursgerichts, das die Abweisung des Antrags auch hinsichtlich der minderjährigen V***** mit der Bestimmung des § 108 AußStrG begründete, als fehlerhaft.

3. Daraus folgt für den Antrag betreffend die beiden minderjährigen Töchter zunächst:

3.1 A***** war bei Befragung durch die Erstrichterin 12 Jahre alt. Zwar hat sie als Mündige in einem im August 2015 dem Erstgericht vorgelegten Brief ihre Ablehnung jeglichen Kontakts zu ihrem Vater wiederholt, doch fehlt es für die von beiden Vorinstanzen auf § 108 AußStrG gestützte Vorgangsweise – wie dargestellt – an der erforderlichen Belehrung und dem Versuch einer gütlichen Einigung.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht daher eine entsprechende Belehrung der Minderjährigen sowie den Versuch einer gütlichen Einigung vorzunehmen und sodann neuerlich über den Antrag des Vaters auf Kontaktrechtsregelung zu entscheiden haben.

3.2 Auch die minderjährige V***** hat ihre ablehnende Haltung zum Antrag des Vaters in einem im August 2015 vorgelegten Brief bekräftigt. Da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal 11 ½ Jahre alt war, kommt entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Ansicht eine allein auf § 108 AußStrG gestützte Antragsabweisung nicht in Betracht.

3.3 Zwar gewinnt die Einstellung zum Kontaktrecht mit zunehmenden Alter der Minderjährigen größeres Gewicht (RIS Justiz RS0047981 [T4 und T 9]). Auf den Willen und die Stellungnahme einer noch nicht 10 jährigen unmündigen Minderjährigen kommt es nach der Rechtsprechung bei der Kontaktsrechtsregelung jedoch nicht an (RIS Justiz RS0047981 [T6]). Jüngere Kinder können auch gegen ihren Willen zu einem Kontakt verhalten werden (RIS Justiz RS0047981 [T7]). Dass die damals 9 jährige V***** bei der Befragung durch die Erstrichterin ihre Einstellung altersadäquat zu vermitteln vermochte, rechtfertigt für sich allein noch nicht den Entzug des Kontaktrechts (RIS Justiz RS0047981 [T8]). Inwieweit ihr in dem Schreiben aus August 2015 zum Ausdruck gebrachter Wille bei der Beurteilung des väterlichen Antrags zu berücksichtigen ist, weil ein allenfalls erzwungener Kontakt die ablehnende Haltung vertieft und der Wunsch des Vaters nach einem persönlichen Kontakt zur Vermeidung einer Gefährdung des Kindeswohls zurückzutreten hätte, hängt maßgeblich davon ab, ob sie ungeachtet ihres Alters über eine ausreichende Einsichts und Urteilsfähigkeit verfügte und die Ablehnung aus eigener Überzeugung erfolgte. Gerade dieser Umstand lässt sich allein anhand eines Briefes, der zudem nach Darstellung des Vaters nicht von der Hand der Minderjährigen stammen soll, nicht beurteilen. Ohne dass sich das Erstgericht ausreichend von der Ernsthaftigkeit des von der Minderjährigen geäußerten Willens überzeugt, kann die Abweisung des Antrags ihr gegenüber auch nicht allein mit der im Brief dokumentierten Haltung begründet werden.

4. Oberstes Gebot bei der Gestaltung des Kontaktrechts ist das Wohl der Kinder (vgl Hopf in KBB 4 §§ 187188 ABGB Rz 5). Eine abschließende Beurteilung, ob das Wohl der Kinder den gänzlichen Entfall von persönlichen Kontakten des Vaters zu den Minderjährigen erforderlich macht, kann auf der Basis von gesichterten Feststellungen noch nicht vorgenommen werden:

4.1

Nach § 187 Abs 1 Satz 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013 haben das Kind und jeder Elternteil das Recht auf regelmäßige und den Bedürfnissen des Kindes entsprechende persönliche Kontakte. Das Kontaktrecht ist ein allgemein anzuerkennendes, unter dem Schutz des Art 8 EMRK stehendes Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung (RIS Justiz RS0047754 [insb T 3, T 19, T 21]; 5 Ob 21/13v).

4.2 Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Unterbindung des Kontakts zu dem getrennt lebenden Elternteil nur in Ausnahmefällen und nur aus besonders schwerwiegenden Gründen zulässig ist. Nur bei massiver Gefährdung des Kindeswohls hat in einem – selbst unverschuldeten – Konfliktfall der Kontaktrechtsanspruch eines Elternteils gegenüber dem Kindeswohl zurückzutreten (6 Ob 171/05y mwN). Die gänzliche Unterbindung des persönlichen Kontakts zwischen einem Elternteil und seinem Kind hat damit grundsätzlich die Ausnahme zu sein (RIS Justiz RS0047754 [T15]). Liegen aber schwerwiegende Gründe vor, kann das Kontaktrecht immer nur vorübergehend oder bis auf weiteres (grundsätzlich jedoch nicht für immer) untersagt werden (6 Ob 171/05y mwN; 6 Ob 148/10y). Eine solche in die Zukunft gerichtete und am Kindeswohl orientierte Entscheidung kann nur anhand einer aktuellen Beurteilungsgrundlage erfolgen.

4.3 Bereits das Rekursgericht hat festgehalten, dass das Erstgericht keine dem Kindeswohl abträgliche Verhaltensweisen des Vaters feststellte, die über die Feststellungen des Strafurteils vom hinausgingen. Die danach dokumentierten körperlichen Übergriffe des Vaters gegenüber seiner ältesten Tochter und gegen A***** und V***** (Ohrfeigen und Schläge auf das Gesäß) betreffen ebenso, wie seine Androhung, seinen damals fünf Monate alten Sohn „in die Baby Klappe“ zu bringen, die Zeit vor dem und sind zweifellos Ausfluss der nach den Feststellungen des Strafurteils aufbrausenden, zu Zorn- und Wutausbrüchen neigenden sowie „schizoid eigenwilligen“ Persönlichkeit (wenngleich ohne Krankheitswert) des Vaters. Damit steht zwar fest, dass der Vater in der Vergangenheit gegen das Gewaltverbot (§ 146a ABGB idF vor den KindNamRÄG 2013 bzw nunmehr § 137 Abs 2 ABGB) verstoßen und sich damit während des familiären Zusammenlebens in einer dem Kindeswohl widersprechenden Weise verhalten hat. Eine gesicherte Aussage, dass selbst eine behutsame Wiederanbahnung persönlicher Kontakte des Vaters dem Wohl der Kinder abträglich wäre, und nur ein gänzlicher Entfall des Kontaktrechts in Betracht kommt, um einer Gefährdung des Wohls der Kinder vorzubeugen, lässt sich daraus aber nicht ableiten. Nach den Feststellungen kann nämlich nicht beurteilt werden, ob der Vater sein Aggressionspotenzial und seine Gewaltbereitschaft, die während des Zusammenlebens zu körperlichen Übergriffen gegenüber seinen Töchtern geführt haben, nach wie vor nicht im Griff hat, sodass seine Persönlichkeit auch noch aktuell solche Übergriffe und damit ein solches Verhalten erwarten lässt, dass jede Kontaktanbahnung dem Wohl der Kinder widerspräche.

4.4 Die vom Erstgericht festgestellte Aufnahme der Mutter und der Kinder in ein „qualifiziertes Opferschutzprogramm“ des Bundesministeriums für Inneres steht erkennbar im Zusammenhang mit den im Strafverfahren abgehandelten Vorwürfen, wobei der Vater aber von den Anklagepunkten der fortgesetzten Gewaltausübung, schweren Nötigung, gefährlichen Drohung und Freiheitsentziehung freigesprochen wurde. Dennoch blieben die Kinder und die Mutter laut einer Mitteilung des Bundeskriminalamts vom weiterhin in diesem Programm. Das Erstgericht stützte die Abweisung des Kontaktrechtsantrags gegenüber dem Sohn unter anderem ausdrücklich auf diesen Umstand.

4.5 Maßgeblicher Bestandteil dieses Programms ist offenbar die Geheimhaltung des Aufenthaltsorts der Mutter und der Kinder. Eine nähere Begründung, warum eine derartige Schutzmaßnahme – sofern sie denn tatsächlich auch jetzt noch aufrecht ist – nach wie vor erforderlich ist, fehlt. Inwieweit der Aufrechterhaltung dieser Maßnahme eine aktuelle Einschätzung seitens des Bundeskriminalamts zugrunde liegt, die eine konkrete Gefährdung der Mutter oder der Kinder durch den Vater wahrscheinlich erscheinen lässt, und ob diese auf objektivierbaren Umständen beruhen, kann daher nicht beurteilt werden. Es ist aber eine Frage der von den Gerichten vorzunehmenden rechtlichen Qualifikation, ob so schwerwiegende Gründe vorliegen, dass nur der gänzliche Entfall des persönlichen Kontakts eines Elternteils zu seinen Kindern in Betracht kommt, um einer Gefährdung von deren Wohl vorzubeugen.

5. Der Vater hat sich zur Kontaktanbahnung ausdrücklich mit Besuchen in einem Besuchscafe einverstanden erklärt. Eine solche Erklärung kann einem ausdrücklichen Antrag nach § 110 AußStrG gleich gehalten werden (vgl RIS Justiz RS0118259; Fucik / Kloiber , AußStrG § 110 Rz 3). Eine begleitete Kontaktaufnahme dient gerade der behutsamen Neuanbahnung des persönlichen Kontakts zwischen dem nichterziehenden Elternteil und dem minderjährigen Kind. Solchen Kontakten in einem Besuchscafe, die hier bei lebensnaher Betrachtung wohl nur in Bezug auf den minderjährigen Sohn in Betracht kommen, stehen für sich allein auch gerichtlich gemäß § 382e Abs 1 EO angeordnete Kontaktaufnahmeverbote nicht entgegen. Sie laufen auch nicht einem allenfalls berechtigt gegebenen Bedürfnis, den Aufenthaltsort des Kindes geheim zu halten, zuwider. Ohne Tatsachengrundlage, die wohl eine nähere fachkundige Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit des fünfjährigen Sohns erfordern, bleiben aber die Ausführungen des Rekursgerichts, das von einer dem Kindeswohl schädlichen Irritation ausgeht, käme es zu persönlichen Kontakten mit dem Vater, an den er wohl keine persönliche Erinnerung habe und daher von einem von seiner Mutter und seinen Schwersten vermittelten negativen Vaterbild geprägt sei, reine Vermutungen. Zu Recht weist hier der Vater in seinem Rechtsmittel darauf hin, dass in Bezug auf P***** bislang jede Beweisaufnahme unterblieben ist, die derartige Schlussfolgerungen erlauben würden.

6. Im Ergebnis macht der Revisionsrekurswerber zutreffend auch das Fehlen von Feststellungen geltend, die zu einer abschließenden Beurteilung seines Antrags erforderlich sind, weswegen die Entscheidungen der Vorinstanzen, soweit sie die minderjährigen Kinder betreffen, aufzuheben sind. Das Erstgericht wird dabei im fortgesetzten Verfahren betreffend A***** die für eine Entscheidung nach § 108 AußStrG erforderliche Vorgangsweise nachzutragen, sich von der Ernsthaftigkeit der Willensbildung durch V***** zu überzeugen und im Übrigen die zur Beurteilung der Frage, ob die vom Vater angestrebten Kontakte zu seinem Sohn dessen Wohl gefährden würden, erforderliche Tatsachengrundlage zu schaffen haben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00094.16H.0929.000