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OGH vom 29.08.2006, 5Ob90/06f

OGH vom 29.08.2006, 5Ob90/06f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Grundbuchssache des Antragstellers A*****, vertreten durch Dr. Gerhard Richter und Dr. Rudolf Zahlbruckner, Rechtsanwälte in Graz, betreffend die Eintragung eines Bestandrechtes ob der Liegenschaft EZ *****, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , AZ 4 R 369/05x, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Graz vom , TZ 16720/05, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass im Lastenblatt der Liegenschaft EZ ***** aufgrund des Unternehmenspachtvertrages vom (Blg ./A) folgende Eintragung bewilligt wird:

Eintragung des Pachtrechtes für die J. *****.

Hievon werden verständigt:

1. A*****

2. J. *****

3. Rechtsanwalt Dr. Rudolf Zahlbruckner, 8010 Graz, Burgergasse 13,

4. Finanzamt Graz.

Der Vollzug der Grundbuchseintragung und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist Eigentümer der Liegenschaft EZ *****.

Der Antragsteller schloss mit der J. ***** GmbH einen auch die Nutzung eines Gebäudes umfassenden Unternehmenspachtvertrag beginnend mit auf unbestimmte Zeit, wobei festgehalten wurde, dass dieser Vertrag beiderseits unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zum 31. 3. eines jeden Jahres aufgekündigt werden könne, auf Seiten des Verpächters jedoch nur bei Vorliegen wichtiger Gründe iSd § 30 MRG bzw konkret genannter Auflösungsgründe (wie zB die Eröffnung des Konkurs- und Ausgleichsverfahrens über das Vermögen der Pächterin, die Verletzung vertraglich bedungener Betriebspflichten oder sonst auferlegter vertraglicher Pflichten, usw). Die Vertragsteile kamen überein, dass das Pachtverhältnis grundbücherlich sicherzustellen sei, wobei der Antragsteller ausdrücklich seine Einwilligung erteilte, dass das Pachtrecht einverleibt werde.

Der Antragsteller beantragt nun die Einverleibung des Pachtvertrages.

Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, dass ein auf unbestimmte Dauer eingeräumtes Bestandrecht nicht einverleibungsfähig sei.

Das Rekursgericht bestätigte den angefochtenen Beschluss. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, dass der Bestandvertrag nicht verbücherungsfähig sei, da er auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und auf unbestimmte Zeit auf die Geltendmachung von Kündigungsgründen verzichtet worden sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, da derartige Vertragsformulierungen in die vertragserrichtende Praxis der rechtsberatenden Berufe Eingang gefunden haben könnten und die Bedeutung der Entscheidung über den vorliegenden Einzelfall hinausgehe.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit einem auf Bewilligung des Eintragungsbegehrens gerichteten Abänderungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

Die Judikatur vertrat, abgeleitet aus dem Wortlaut des § 1095 ABGB, zunächst die Ansicht, dass Bestandverträge auf unbestimmte Zeit nicht Gegenstand einer grundbücherlichen Eintragung sein könnten. Aus der Wendung „auf die noch übrige Zeit" ergebe sich, dass nur auf bestimmte Zeit abgeschlossene Bestandverträge verbücherungsfähig seien (SZ 32/124; SZ 33/68; RZ 1937, 393; wN in 5 Ob 382/97f). Es wurde auch damit argumentiert, dass die Einverleibung eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandvertrages sinnlos wäre, weil im Falle der Veräußerung der Liegenschaft auch der Bestandnehmer eines im Grundbuch einverleibten, auf unbestimmte Zeit begründeten Bestandrechtes nach gehöriger Aufkündigung den Bestandgegenstand aufgeben müsse. Damit wäre seine Rechtsstellung keine andere als die des Bestandnehmers, dessen Bestandrecht nicht verbüchert sei, weil auch dieser gemäß § 1120 ABGB dem neuen Besitzer erst nach gehöriger Aufkündigung weichen müsse (SZ 32/124). Die Verbücherungsfähigkeit eines Bestandvertrages, der auf bestimmbare Zeit (Lebenszeit des Mieters) abgeschlossen wurde, wurde bejaht (SZ 25/29). Nach neuerer Rechtsprechung wird die Verbücherung von Bestandverträgen, in denen das Kündigungsrecht des Bestandgebers auf bestimmte Zeit eingeschränkt wird, bejaht, weil der spätere Erwerber der Liegenschaft entgegen der sonst geltenden Regel des § 1120 ABGB an den Bestandvertrag gebunden bleibt, also wegen des Eigentumswechsels kein Kündigungsrecht erhält (5 Ob 382/97f = SZ 70/193 = NZ 1998/419 [Hoyer]).

An der bisherigen Judikatur, dass ein Mietvertrag nur verbüchert werden kann, wenn er entweder auf bestimmte Zeit geschlossen oder auf bestimmte Zeit auf die Geltendmachung von Kündigungsgründen durch den Bestandgeber verzichtet wurde, wurde in der Lehre Kritik geübt. Insbesondere Schauer legt in GS Hofmeister, Zur Verbücherung von Bestandverträgen auf unbestimmte Zeit, S 636 ff, dar, dass die Verbücherung bei Einschränkung der Kündigungsgründe jedenfalls nicht „zwecklos" im Sinne der Judikatur sei, da nicht die Befristung der Rechtsgrund für die Zulässigkeit der Verbücherung sei, sondern der - durch die Befristung herbeigeführte - vollständige oder vorübergehende Ausschluss des Rechtes auf ordentliche Kündigung. Der Bestandnehmer solle davor geschützt werden, die Bestandsache an den Erwerber zu einem früheren Zeitpunkt herausgeben zu müssen, als der Veräußerer sie ihm hätte abverlangen können. Auch Binder in Schwimann, Praxiskommentar2, § 1095 ABGB, Rz 5 hält die Verbücherung eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandvertrages für zulässig, da ein derartiger Vertrag spätestens mit der zu einem konkreten Kündigungstermin abgegebenen Kündigungserklärung zu einem solchen auf bestimmte Dauer werde und die Verbücherung eines unbefristeten Bestandvertrages mit vertraglich verlängerter Kündigungsfrist oder abweichenden Kündigungsterminen bei Liegenschaftsübergang nicht sinnlos sei.

Der Oberste Gerichtshof schließt sich nunmehr den dargelegten Argumenten der Lehre (vor allem jenen Schauers) an, dass eine Einschränkung der Kündigungsmöglichkeiten des Bestandgebers auch bei Bestandverträgen auf unbestimmte Zeit durchaus Sinn macht. Die Verbücherung schützt den Bestandnehmer dahin, dass auch der Erwerber des Bestandobjekts an die vereinbarten Kündigungsbeschränkungen gebunden ist. Dieser vom Gesetzgeber intendierte Schutz des Bestandnehmers legt es nahe, die in § 1095 ABGB normierte Verbücherungsmöglichkeit auch auf Verträge wie den hier vorliegenden auszudehnen. Es war daher die Einverleibung des gegenständlichen Pachtvertrages zu bewilligen.