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OGH vom 05.07.2001, 6Ob99/01d

OGH vom 05.07.2001, 6Ob99/01d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. Mag. Dr. Wilhelm R*****, und 2. I*****, beide vertreten durch Dr. Maria Brandstetter, Rechtsanwältin in Wien, wider die Antragsgegnerin Ö***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Dr. Wilfried Seist, Dr. Peter Csoklich und Dr. Heinrich Hipsch, Rechtsanwälte in Wien, wegen Überprüfung der angebotenen Barabfindung für gemäß § 102a BWG eingezogene Partizipationsscheine, aus Anlass des Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom , GZ 28 R 1/01z-9, womit der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 74 Fr 9689/00p-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1.) Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 zweiter Satz iVm Art 140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 102a Abs 4 zweiter Satz und dritter Satz, erster Halbsatz Bankwesengesetz idF des BGBl I 1999/123 als verfassungswidrig aufzuheben.

2.) Gemäß § 62 Abs 3 VfGG wird mit der Fortführung des Verfahrens bis zur Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.

Text

Begründung:

Die Österr. Postsparkasse gab 1987 268.000 auf Inhaber lautende, an der Börse gehandelte Partizipationsscheine mit einem Nominale von je 500 S aus, deren Inhaber Anspruch auf 6 % Gewinnanteil und einen erfolgsabhängigen Gewinnbonus haben. Am wurde die Österr. Postsparkasse in eine Aktiengesellschaft - die nunmehrige Antragsgegnerin - umgewandelt, die seit im Firmenbuch mit dem Sitz in Wien und einem Grundkapital von 1,762,6 Mio S eingetragen ist. Der Erstantragsteller ist Inhaber von 101 Partizipationsscheinen der Antragsgegnerin, Inhaber von weiteren

4.130 Partizipationsscheinen traten ihre Ansprüche daraus bzw. aus ihrer Einziehung an den Zweitantragsteller ab. Die Antragsgegnerin beschloss in ihrer ordentlichen Hauptversammlung vom , das gesamte Partizipationskapital gemäß § 102a Bankwesengesetz (BWG) einzuziehen, und machte den Inhabern der Partizipationsscheine gemäß §§ 4 ff ÜbG das Kaufanbot zum Erwerb der Partizipationsscheine um 190 Euro (2.614,46 S) je Stück, wovon die Antragsteller keinen Gebrauch machten. Die Bekanntmachung des Kaufanbotes erfolgte am 14./ im Amtsblatt der Wiener Zeitung.

Rechtliche Beurteilung

Mit der Novelle zum Kreditwesengesetz (KWG) BGBl 1986/325 wurde den Banken mit dem Partizipationskapital ein Finanzierungsinstrument zur Stärkung der Eigenkapitalbasis zur Verfügung gestellt. § 12 Abs 6 KWG definierte das Partizipationskapital als eingezahltes Kapital, "1. das auf Unternehmensdauer unter Verzicht auf die außerordentliche und ordentliche Kündigung zur Verfügung gestellt wird; 2. das von der Bank nur unter analoger Anwendung der aktienrechtlichen Kapitalherabsetzungsvorschriften nach Bewilligung gemäß § 8 Abs 1 Z 3 zurückgezahlt werden kann; 3. dessen Erträge gewinnabhängig sind, wobei als Gewinn der handelsrechtliche Gewinn ohne Berücksichtigung der Nettoveränderung offener Rücklagen anzusehen ist; 4. das wie Aktienkapital bis zur vollen Höhe am Verlust teilnimmt und 5. das mit dem Recht auf Beteiligung am Liquidationserlös verbunden ist und erst nach Befriedigung oder Sicherstellung aller anderen Gläubiger zurückgezahlt werden darf." Die EB zur KWG-Novelle 1986 (RV, 934 BlgNR 16. GP, 31) führen nur aus, das Partizipationskapital sei dem Eigenkapital weitgehend ähnlich konzipiert; es sei substanzbeteiligt und werde dem Haftkapital voll zugerechnet. Die Definition des für die Rechtsstellung des Partizipanten zum Unternehmen, an dem er sich beteiligt hat, bedeutsame § 12 Abs. 6 KWG wurde dann in § 23 Abs. 4 BWG nahezu unverändert übernommen. Auch die Gesetzesmaterialien brachten zur Rechtsstellung des Partizipanten keine abschließende Klärung: Nach den EB zum BWG (1130 BlgNR 18. GP, 130) sei das Partizipationskapital den Vorzugsaktien weitgehend nachgebildet, es vermittle jedoch kein Mitgliedschaftsrecht des Vorzugsaktionärs. Der Berechtigte habe ein Teilnahme- und Fragerecht in der Hauptversammlung; er genieße einen Verwässerungsschutz bei Vornahme von Kapitalerhöhungen, weil er substanzbeteiligt, jedoch an der beschlussfassenden Organsitzung nicht stimmberechtigt sei. Nachdem bis dahin eine "Zwangsumwandlung" in Grundkapital unzulässig war, brachte die Novelle zum BWG Art VII BGBl I 1999/123 als Alternative zu der bis dahin einzig zulässigen Rückzahlung von Partizipationskapital im Wege der Kapitalherabsetzung in Analogie zum Aktienrecht (§ 23 Abs. 4 Z 2 BWG) die neue, mit in Kraft getretene Regelung des § 102a BWG "Einziehung von Partizipationskapital". Nach dessen Abs. 1 kann Partizipationskapital durch das Kreditinstitut nach Maßgabe der folgenden Absätze eingezogen werden. Zufolge Abs. 4 hat das Kreditinstitut bei der Einziehung das Partizipationskapital bar abzufinden. Die Abfindung von Partizipationskapital, sofern es nicht vom Kreditinstitut selbst gehalten wird, hat zum durchschnittlichen Börsekurs der Partizipationsscheine an den der Beschlussfassung über die Einziehung vorausgehenden zwanzig Börsetagen - aufgerundet auf 0,1 Euro - zu erfolgen. Ist das Partizipationskapital nicht börsenotiert, so ist dem Berechtigten aus Partizipationskapital eine angemessene Barabfindung zu gewähren. In diesem Fall ist § 2 Abs. 3 UmwG hinsichtlich der zu erstellenden Berichte, der Prüfungen und der Rechtsbehelfe der Abfindungsberechtigten sinngemäß anzuwenden, wobei anstelle des Umwandlungsplanes der Einziehungsplan tritt. Dazu führten die EB (RV, 1793 BlgNR 20. GP, 17 ff), soweit hier relevant aus, dem Berechtigten aus Partizipationskapital sei im Falle einer Aktiengesellschaft mit börsenotierten Aktien und börsenotierten Partizipationsscheinen vor Einzug Gelegenheit zum Umstieg auf Aktien (Stamm- oder Vorzugsaktien) unter Berücksichtigung der aktuellen Marktpreise zu geben. ... Die Abfindung des Partizipationskapitals - unabhängig, ob eine Verbriefung in Wertpapieren erfolgt sei - habe zum aktuellen Börsekurs zu erfolgen, wobei im Hinblick auf kurzfristige Kursspitzen der Zeitraum von 20 Börsetagen vor Entscheidung des ersten mit der Beschlussfassung gemäß Abs. 2 befassten Gremiums heranzuziehen ist. Sei mangels Börsenotierung kein Marktpreis gegeben, habe ein angemessener Barausgleich zu erfolgen. Aus Rechtsschutzüberlegungen seien in diesem Fall gemäß UmG ein Einziehungsplan und alle Berichte zu erstellen, Prüfungshandlungen zu setzen sowie den Berechtigten aus Partizipationskapital die diesbezüglichen Rechtsbehelfe zu ermöglichen.

Obwohl somit das Gesetz bei börsenotiertem Partizipationskapital wie hier keine Überprüfung der Barabfindung durch das Gericht vorsieht, begehrten die Antragsteller die gerichtliche Überprüfung des Abfindungsbetrages iSd § 225c AktG sowie die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur "Zuzahlung eines Ausgleiches von mindestens 2.500 S je Partizipationsschein im Nominale von 500 S" an die Antragsteller. Sie erachten die Abfindungsregelung als verfassungswidrig und regen eine Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof an. Partizipanten hätten Anspruch auf eine Entschädigung des vollen Wertes ihrer Unternehmensbeteiligung, den der Börsekurs nicht wiedergebe. Das Fehlen eines Rechtsbehelfes auf Überprüfung der Angemessenheit der angebotenen Barabfindung, wie er gemäß § 102a Abs. 4 dritter und vierter Satz BWG für nicht börsenotierte Partizipationsscheine vorgesehen sei, verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Recht auf den gesetzlichen Richter, den Grundsatz des "fair trials" und den Eigentumsschutz (Art 5 StGG; Art 1 des 1. ZP zur MRK).

Das Erstgericht wies den Antrag unter Hinweis auf die gesetzliche Regelung und mangels Antragsrechts des Gerichtes nach Art 140 B-VG zurück.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, weil es die gesetzliche Regelung als verfassungskonform erachtete. Der Börsekurs repräsentiere jenen Wert des Partizipationskapitals, zu dem die Partizipanten ihre Vermögensrechte zum Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses auf dem Markt realisieren könnten. Kurzfristigen Schwankungen werde durch die Heranziehung eines Durchschnittskurses ausreichend Rechnung getragen. Bei börsenotiertem Partizipationskapital bedürfe es demnach keiner gerichtlichen Mitwirkung bei der Ermittlung des über den Börsekurs definierten Marktpreises. Auch bei der Ermittlung der Gegenleistung beim Pflichtangebot nach dem ÜbG habe sich der Gesetzgeber jüngst für einen marktorientierten Ansatz entschieden (vgl. § 26 ÜbG), der schon in anderen gesetzlichen Bestimmungen der österr. Rechtsordnung (z.B. § 268 Abs. 1 EO) seinen Niederschlag gefunden habe. Die Ungleichbehandlung von Berechtigten aus börsenotierten und nicht börsenotiertem Partiziptationskapital in Ansehung der sinngemäßen Anwendung des § 2 Abs. 3 UmwG finde ihre sachliche Rechtfertigung darin, dass es zur Ermittlung und Überprüfung eines ausschließlich über den Börsekurs definierten Marktpreises gerichtlicher Mitwirkung nicht bedürfe. Bei mißbräuchlicher Einflussnahme auf die Kursentwicklung oder Anbot einer der durchschnittlichen Börsekurs unterschreitenden Abfindung stehe dem Partizipanten ohnedies der streitige Rechtsweg offen.

Die Antragsteller streben mit ihrem von der zweiten Instanz zugelassenen Revisionsrekurs die Aufhebung der Rekursentscheidung zur Verfahrensergänzung an und regen unter Wiederholung ihrer Argumente eine Antragstellung beim VfGH gemäß Art 140 Abs. 1 B-VG mit dem Ziel der ersatzlosen Aufhebung des des § 102a Abs. 4 zweiter und dritter Satz BWG an.

Der Oberste Gerichtshof erachtet wie schon in seinem Beschluss vom , AZ 6 Ob 109/01z, zu Partizipationsscheinen eines anderen Kreditinstitutes die Bestimmungen des § 102a Abs. 4 zweiter Satz und dritter Satz, erster Halbsatz BWG idF des BGBl I 1999/123 aus folgenden Erwägungen als verfassungsrechtlich bedenklich:

a) Das nach Art 5 StGG unverletzliche Eigentum kann nur in den vom Gesetz bestimmten Fällen enteignet werden. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff ist weit. Nach der Rechtsprechung des VfGH erfasst die Eigentumsgarantie alle vermögenswerten Interessen (vgl. VfSlg 13.492 zu Art I § 7 Abs. 1 ÖIAG-FinanzierungsG 1987). Eigentumsbeschränkungen werden der Enteignung gleichgehalten. Sie müssen im allgemeinen Interesse erforderlich sein, Sachlichkeitserwägungen standhalten und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Entschädigungslose Enteignungen werden nach der Judikatur des VfGH zwar nicht nach Art 5 StGG als verfassungswidrig angesehen, unter Umständen aber wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Sachlich nicht gerechtfertigte Sonderopfer sind verfassungswidrig. Demgegenüber leitet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aus Art 1 des 1. ZPMRK ab, jeder Eigentumseingriff müsse einen billigen Ausgleich zwischen den Erfordernissen des allgemeinen Interesses der Gemeinschaft und denjenigen des Grundrechtsschutzes des Einzelnen herstellen (vgl dazu die bei Mayer, B-VG Kurzkommentar2, Art 5 StGG Anm III 4. zitierte Rsp). Entschädigungslose Eigentumseingriffe sind unverhältnismäßig und damit unzulässig (EGMR "James", EuGRZ 1988, 341 und "Lithgow", EuGRZ 1988, 350). Art 1 des 1. ZP MRK gibt eine Garantie auf alle geldwerten Rechtspositionen und schützt das begründete Vertrauen auf die Haltung einer solchen Position.

Die konkreten Bedenken gegen die hier zu beurteilende Abfindungsregelung aus dem Grund der Unverletzlichkeit des Eigentums ergeben sich aus folgenden Erwägungen:

Gegen die zwangsweise Einziehung von Partizipationskapital, das vor dem Inkrafttreten der Novelle erworben worden war, äußerte bereits Laurer (in BWG2 § 102a Rz 6) verfassungsrechtliche Bedenken. Der Eigentumsschutz des Art 5 StGG umfasse jedes vermögenswerte Privatrecht. Auch wenn der Gesetzgeber eine Entschädigung vorsehe, bedürfe die Entziehung von Eigentum der besonderen Rechtfertigung des öffentlichen Interesses. Ein solches Interesse an der Beseitigung der Rechtsposition der Partizipanten sei nicht ersichtlich. Im Sinn dieser Meinung Laurers scheint die Auffassung vertretbar zu sein, dass der Gesetzgeber ohne einen im öffentlichen Interesse gelegenen und ausreichenden Grund den wirtschaftlichen Privatinteressen der Kreditinstitute gefolgt ist, die von dem zunächst begrüßten Finanzierungsinstrument des Partizipationskapitals wegen fehlender Attraktivität beim Anlagepublikum und wegen des hohen Verwaltungsaufwands abrücken wollten.

Eine unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkung kann in der unzureichenden Barabfindung auf Grund des unzuverlässigen Börsekurses sowohl des Partizipationsscheins als auch der einzutauschenden Aktie liegen:

Ob der Börsekurs bei der Bemessung der Abfindung eines Minderheitsaktionärs, der aus der Gesellschaft ausscheiden muss, eine verlässliche Bewertungsgrundlage bietet, ist in Deutschland aktueller Diskussionsgegenstand. Der Bundesgerichtshof vertrat dazu die Auffassung, die Entschädigung habe nach dem wahren Wert der Aktien zu erfolgen (BGHZ 71, 40). Das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erkannte in seiner Entscheidung vom , 1 BvR 1613/94 (ZIP 1999, 1436 = BB 1999, 1778), dem Börsekurs bei der Bestimmung der Abfindung des ausscheidenden Aktionärs zumindest als Untergrenze der Abfindung Relevanz zu, betonte aber zugleich den Anspruch auf volle Abfindung. Die deutsche Lehre war und ist zum Thema des Börsekurses als Bewertungsgrundlage uneinheitlich (vgl. Großfeld, Börsekurs und Unternehmenswert in BB 2000, 261 mwN). Die Entscheidung des deutschen BVerfG wurde auch in Österreich diskutiert (Nowotny, Börsekurs und Unternehmenswert, Eine neue Entscheidung des deutschen BVerfG in RdW 1999, 761 f; Bachl, Aktuelle deutsche Judikatur zur Ermittlung von Barabfindungen bei Umgründungsvorgängen in WBl 2000, 293 ff; Kalss/Winner, Umgründungs- und Übernahmerecht - Versuch einer Synthese in ÖBA 2000, 51 ff). Wenn das zwangsweise Ausscheiden eines Minderheitsgesellschafters nach dem Mehrheitsprinzip wegen der auch im öffentlichen Interesse gelegenen Umstrukturierung von Unternehmen als zulässig angesehen wird, muss nach Auffassung des Senates die Abfindung des Ausscheidenden auf den wahren Wert der Beteiligung abstellen. Die Bewertungsmethode steht im Vordergrund. Dass das UmwG auf § 102a BWG Bezug nimmt, definiert die Angemessenheit der Entschädigung nicht. Nach herrschender Auffassung ist eine Bewertung des Unternehmens notwendig. Der Kurswert der Aktien reicht nicht aus (Kalss, Europarechtliche und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen für das Umwandlungsrecht in JBl 1995, 420 ff, 437).

Wenn man die Skepsis gegenüber dem Börsekurs teilt und auf Grund der Rechtsstellung des Partizipanten, im Besonderen seiner Rechtsposition auf Grund der Substanzbeteiligung und der definitionsgemäßen Unkündbarkeit des Partizipationskapitals, als vergleichbar mit der eines ausscheidenden Vorzugsaktionärs ansieht, müssen Bedenken gegen eine zwingende Ausgleichsregel nach dem Börsekurs entstehen, unterliegt doch der Börsekurs notwendigerweise Schwankungen, die mit dem Unternehmenswert nichts zu tun haben. Auch wenn der Börsekurs ein Indiz für den Verkehrswert darstellen mag und der Sachverständigenbeweis mitunter unzuverlässig sein kann (Großfeld aaO), schneidet die gesetzliche Regelung dem Ausscheidenden jedenfalls den Beweis über den wahren Unternehmenswert ab. Ob dies schon mit den im Rechtsweg allenfalls durchsetzbaren, auf Schadenersatzrecht gestützten Ansprüchen des Partizipanten wegen missbräuchlicher Beeinflussung des Börsekurses durch das abfindungsverpflichtete Kreditinstitut und mit der weiteren Erwägung sachlich gerechtfertigt werden kann, dass das von den Rechtsmittelwerbern angestrebte Wertermittlungsverfahren mit hohen, im außerstreitigen Verfahren nicht ersatzfähigen Kosten verbunden ist, die bei einer Abfindung zu Börsekursen nicht anfallen, ist nicht überzeugend.

Die Abfindungsregelung bevorzugt überdies das Kreditinstitut einseitig. Sie überlässt ihm die Wahl des Zeitpunkts der Einziehung und ermöglicht erst dadurch eine Kursbeeinflussung. Einen Missbrauch hätte der Partizipant zu beweisen. Dass der Börsekurs in der Regel den wahren Wert des Unternehmens und der Beteiligung wiedergibt, ist eine Fiktion. Nach außergewöhnlichen Marktereignissen "erholen" sich die Kurse oft nur langsam und kehren erst nach längerer Zeit zu einer sich am Unternehmenswert orientierenden Einschätzung zurück. Damit erscheint auch die Frist von 20 Tagen für die Festsetzung des durchschnittlichen Börsekurses als zu gering bemessen.

Die Anwendung des § 102a BWG auf Altverträge bewirkt eine Enttäuschung der berechtigten Erwartung, die Partizipation bleibe gemäß ihrer gesetzlichen Definition auf Unternehmensdauer aufrecht. Die Abfindungsregelung muss daher schon aus diesem Grund eine Entschädigung nach dem Substanzwert vorsehen. Wenn der Börsekurs diesen offenkundig oder zumindest beweisbar nicht widerspiegelt, der abfindungsberechtigte Partizipant aber nur nach dem Börsekurs entschädigt werden darf, ist dies ein Sonderopfer ohne ausreichende sachliche Rechtfertigung.

b) Der Gleichheitsgrundsatz des Art 7 Abs. 1 B-VG garantiert die gesetzliche Gleichbehandlung von parallelen Fallgestaltungen. Das Sachlichkeitsgebot verlangt das Vorliegen von vernünftigen Gründen für eine Ungleichbehandlung. Wenn daher ein Gesetz einem aus einer Gemeinschaft gedrängten Mitglied die wirtschaftlich volle Entschädigung nach dem Wert der Beteiligung mit einer gerichtlichen Kontrolle zubilligt (vgl zur deutschen Rechtslage der Minderheitsaktionäre bei übertragender Auflösung die Entscheidung des deutschen BVerfG vom , 1 BvR 68/95, 147/97 (ZIP 2000, 1670 = BB 2000, 2011) kann in einem vergleichbar ähnlichen Fall ohne sachliche Rechtfertigung nichts anderes angeordnet werden.

§ 102a BWG räumt dem abfindungsberechtigten Partizipanten eines nicht börsenotierten Partizipationsscheins die Rechtsbehelfe des § 2 Abs. 3 UmwG ein. Mangels Börsekurses kommt es zwangsläufig zu einer Unternehmensbewertung, die der Abfindungsberechtigte gerichtlich überprüfen lassen kann. Wenn man die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Börsekurses teilt, liegt eine Ungleichbehandlung schon im Kreis der abfindungsberechtigten Partizipanten vor. Bei der verschmelzenden Umwandlung nach § 2 UmwG durch Übertragung des Vermögens der Gesellschaft auf den Hauptgesellschafter im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ist der zwangsweise ausscheidende Minderheitsgesellschafter angemessen bar abzufinden (§ 2 Abs. 2 UmwG). Das Gesetz stellt im Fall der Umwandlung einer Aktiengesellschaft nicht auf den Aktienwert nach dem Börsekurs ab. Wenn man den Partizianten einem Kleinaktionär, dem es ebenfalls primär nur auf die Kapitalanlage und nicht auf die Mitwirtschaftsrechte (etwa das Stimmrecht) ankommt, gleichstellt, läge eine Ungleichbehandlung vor.

Der einer nicht verhältniswahrenden Spaltung widersprechende Anteilsinhaber hat einen Barabfindungsanspruch. Er kann die gerichtliche Überprüfung der angebotenen Barabfindung begehren (§ 9 SpaltG).

Bei Übernahme nach dem Übernahmegesetz (ÜbG) hat der Bieter in einem öffentlichen Angebot an die Inhaber von Beteiligungspapieren einer Aktiengesellschaft zum Erwerb der Beteiligungspapiere gegen Barzahlung oder im Austausch gegen andere Wertpapiere bei einer kontrollierenden Beteiligung ein Pflichtangebot zu stellen (§ 22 ÜbG). Dessen Preis muss mindestens dem durchschnittlichen Börsekurs des jeweiligen Beteiligungspapiers während der letzten sechs Monate vor Erlangen der kontrollierenden Beteiligung entsprechen. Die Inhaber von Beteiligungspapieren (mit der im § 33 Abs. 2 Z 4 ÜbG normierten Qualifikation) können die Überprüfung der Gesetzmäßigkeit des angebotenen Preises verlangen (§ 26 Abs. 5 ÜbG). Über den Antrag entscheidet die auch mit unabhängigen Richtern besetzte Übernahmekommission, die zur Überprüfung der Angemessenheit des Preises des Pflichtangebots ein Gutachten des Gremiums gemäß § 225g AktG einholen kann. Das ÜbG normiert den Börsekurs zwingend nur als Untergrenze des Übernahmspreises und stellt beim Durchschnittskurs auf einen längeren Zeitraum als § 102a BWG ab.

Bei der übertragenden Verschmelzung von Aktiengesellschaften erhalten die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft Aktien der übernehmenden Gesellschaft (§ 219 AktG). Ist das Umtauschverhältnis oder sind die allfälligen baren Zuzahlungen nicht angemessen festgelegt, haben die Aktionäre unter gewissen Voraussetzungen einen Anspruch auf Ausgleich durch bare Zuzahlungen. Dieser Anspruch ist über Antrag vom Gericht zu prüfen (§ 225c AktG). Das Gericht kann ein Gutachten zur Prüfung des Umtauschverhältnisses und der baren Zuzahlungen einholen (§ 225g AktG). Der Börsekurs als zwingende Bewertungsgrundlage ist nicht normiert.

c) Im Ausschluss einer gerichtlichen Überprüfung der Höhe der Barabfindung der Partizipanten liegt allenfalls auch ein Verstoß gegen Art 6 MRK, der garantiert, dass über zivilrechtliche Ansprüche vor einem unabhängigen Gericht in billiger Weise öffentlich und innerhalb angemessener Frist eine Anhörung zu erfolgen hat.

Der Senat vertritt daher zusammengefasst die Auffassung, dass selbst bei Bejahung eines öffentlichen Interesses am Recht der Kreditinstitute an der Umwandlung und Einziehung von Partizipationskapital die strittige Barabfindungsregelung den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit nicht entspricht, den Partizipanten ein Sonderopfer auferlegt und damit eine Ungleichbehandlung von ähnlich gelagerten Fällen herbeigeführt wird. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin liegt die Präjudizialität vor. Der Entfall der bedenklicher Bestimmungen führt zu Anwendung des § 2 Abs. 3 UmwG bei allen Partizipationsscheinen.

Die Frage, ob auch der Zweitantragsgegner antragsberechtigt ist, ist im derzeitigen Verfahrensstadium nicht zu prüfen.