OGH vom 18.09.2009, 6Ob98/09v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef S*****, vertreten durch Dr. Clemens Schnelzer, Rechtsanwalt in Zwettl, gegen die beklagte Partei Ingeborg S*****, vertreten durch Dr. Edmund Kitzler, Rechtsanwalt in Gmünd, wegen 3.873,78 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 288/08w-15, womit das Urteil des Bezirksgerichts Gmünd vom , GZ 6 C 779/07w-15, im Umfang der Anfechtung als nichtig aufgehoben und die Rechtssache in das Außerstreitverfahren verwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben.
Dem Berufungsgericht wird die Sachentscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.
Die Kosten des Berufungs- und Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Erstgerichts vom aus dem gleichteiligen Verschulden beider Streitteile geschieden. Beim Erstgericht war zwischen den Streitteilen ein Aufteilungsverfahren betreffend das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse anhängig. Gegenstand dieses Verfahrens war unter anderem auch die Aufteilung einer im Miteigentum der Streitteile stehenden Liegenschaft, auf der sich auch die Ehewohnung der Streitteile befand.
Der Kläger begehrt mit der am eingebrachten Mahnklage Zahlung von 3.837,78 EUR sA. Er habe im Zeitraum bis die Betriebskosten für diese Liegenschaft in Höhe von insgesamt 7.675,56 EUR allein getragen. Die Beklagte hat den von ihr zu tragenden Anteil trotz mehrfacher Aufforderung nicht bezahlt.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Die Klagsforderung sei nicht nachvollziehbar. Außerdem habe sie Gegenforderungen gegen den Kläger, weil sie in der Zeit vom bis diverse Betriebskosten, Bankgebühren, Versicherungen, Tierpflegekosten, Reparaturkosten etc von insgesamt 5.865,78 EUR allein getragen habe. Davon habe der Kläger einen Betrag von 3.346,80 EUR allein zu tragen.
Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 3.873,78 EUR als zu Recht bestehend. Weiters sprach es aus, dass die Gegenforderung mit 799,12 EUR zu Recht bestehe. Davon ausgehend verpflichtete es die Beklagte zur Zahlung von 3.074,66 EUR sA.
Das Erstgericht stellte im Wesentlichen fest, dass der Kläger einen Betrag von insgesamt 6.979,52 EUR allein geleistet habe. Weiters habe er einen Betrag von 578,84 EUR an Mietzahlungen für eine während der Ehe von den Streitteilen „angeschaffte" Mietwohnung bezahlt. Der genaue Zeitpunkt der endgültigen gesonderten Wohnungnahme der Streitteile auf der gemeinsamen Liegenschaft konnte nicht festgestellt werden. In einem zwischen den Streitteilen geführten Besitzstörungsverfahren wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Beklagte von Ende Februar oder Anfang März 2006 bis durch Austausch des Schlosses der Hauseingangstür sowie der vom Hof ins Stiegenhaus führenden Tür den ruhigen Besitz des Klägers an den von ihm benutzten Räumlichkeiten des gemeinsamen Hauses gestört hat. Im Endbeschluss vom wurde die beklagte Partei für schuldig erkannt, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.
Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass die Parteien die Aufwendungen für die gemeinsame Liegenschaft entsprechend ihren Miteigentumsanteilen zu tragen hätten. Die Kosten für die Mietwohnung in Wien seien aufgrund des Mietvertrags der Beklagten allein zuzuordnen.
Die Beklagte bekämpfte im Berufungsverfahren den Zuspruch eines 1.248,34 EUR sA übersteigenden Betrags, wobei sie ausschließlich den Ausspruch über das Nichtzurechtbestehen der von ihr eingewendeten Gegenforderung bekämpfte.
Aus Anlass der Berufung hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichts im Umfang der Anfechtung als nichtig auf und verwies die Rechtssache in das anhängige Aufteilungsverfahren.
Die Liegenschaft stehe im Miteigentum der Streitteile und stelle als gemeinsamer Vermögenswert einen Bestandteil der ehelichen Ersparnisse dar. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch stelle einen Aufwandersatzanspruch für Leistungen dar, die er auf Sachen geleistet habe, die der nachehelichen Aufteilung nach §§ 81 ff EheG unterlägen. Inhaltlich mache der Kläger daher einen ehelichen Aufteilungsanspruch im Sinne der §§ 81 ff EheG geltend. Diese Sonderregelung des eherechtlichen Aufteilungsanspruchs schließe einen auf denselben Sachverhalt gegründeten Kondiktionsanspruch nach allgemeinem Zivilrecht aus.
Da das Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und die ehelichen Ersparnisse im außerstreitigen Verfahren zu führen sei, sei für die Geltendmachung dieser Ansprüche der streitige Rechtsweg unzulässig.
Auf die Gegenforderung brauche nicht näher eingegangen zu werden, weil bereits die Geltendmachung der Hauptforderung auf dem streitigen Rechtsweg unzulässig sei.
Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass die Klage mehr als ein Jahr nach der rechtskräftigen Scheidung der Streitteile eingebracht wurde, sodass die Frist zur Geltendmachung von Aufteilungsansprüchen gemäß § 95 EheG bereits verstrichen sei. Dieser Umstand werde inhaltlich im außerstreitigen Verfahren wahrzunehmen sein. Die Frist des § 95 EheG sei eine materiell-rechtliche Fallfrist, deren Nichteinhaltung zum Anspruchsverlust führe.
Nach § 235 Abs 1 und 2 AußStrG 1854 habe das Prozessgericht, wenn ein Ehegatte binnen eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe Ansprüche an den anderen Ehegatten hinsichtlich ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse stellte, soweit sie der Aufteilung unterliegen, mit Beschluss die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs auszusprechen und die Rechtssache dem zuständigen Außerstreitgericht zu überweisen. Soweit bei Ablauf des Jahres ein Verfahren über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse bereits anhängig sei, ende die Frist mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung in diesem Verfahren. Für die Überweisung seien die §§ 44 und 46 Abs 1 JN sinngemäß anzuwenden. Diese Regelung sei in das Außerstreitgesetz 2003 nicht übernommen worden. Dies sei allerdings nicht dahin zu verstehen, dass derartige Ansprüche nunmehr im Streitverfahren zu erledigen wären; sie blieben vielmehr nach wie vor im Außerstreitverfahren, wobei die Rechtsgrundlage für die Überweisung nunmehr § 40a JN sei.
Am zog die beklagte Partei ihren Aufteilungsantrag vor dem Erstgericht zurück. Mit Schriftsatz vom - sohin nach Ergehen der Entscheidung des Berufungsgerichts - stimmte die klagende Partei der Antragsrückziehung ausdrücklich zu. Mit Beschluss vom nahm das Erstgericht die Antragsrückziehung zur Kenntnis. Dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der rechtzeitige Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem „Rekursgericht" (richtig: Berufungsgericht) eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
1. Ein erstmalig vom Berufungsgericht gefasster Überweisungsbeschluss ist in analoger Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und die Höhe des Entscheidungsgegenstands anfechtbar (RIS-Justiz RS0041890, RS0008556, RS0043774; 10 Ob 16/08p; E. Kodek in Rechberger ZPO³ § 519 Rz 10).
2. Für die Beurteilung, ob eine Rechtssache im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, kommt es auf den Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen an (3 Ob 187/07g; 8 Ob 54/07k; RIS-Justiz RS0013639, RS0046245). Gehört ein im Streitverfahren geltend gemachter Anspruch in Wahrheit in das Außerstreitverfahren, so ist gemäß § 40a JN vorzugehen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs erst im Rechtsmittelverfahren herausstellt (RIS-Justiz RS0045584).
3.1. Nach ständiger Rechtsprechung kommt dem Aufteilungsverfahren Vorrang zu. Soweit aufzuteilendes Vermögen der Ehegatten betroffen ist, soll zuerst dessen Rechtszuständigkeit im Außerstreitverfahren geklärt werden. Erst nach dort erfolgter Klärung, dass einzelne Gegenstände, Ersparnisse oder Rechte nicht der Aufteilung unterliegen, können Rechtstreitigkeiten der Ehegatten untereinander im Streitverfahren geführt werden. Damit soll verhindert werden, dass das in einem Rechtsstreit gewonnene Ergebnis durch eine noch mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt würde (RIS-Justiz RS0111605).
3.2. Die ersatzlose Aufhebung des § 235 AußStrG 1854 durch das Außerstreitgesetz 2003 hat an der bisherigen Rechtslage insoweit nichts geändert. Die zu § 235 Abs 1 AußStrG 1854 ergangene Rechtsprechung ist daher weiterhin zu beachten (10 Ob 16/08d); Rechtsgrundlage für die Überweisung sind allerdings nunmehr die §§ 40a, 44 und 46 JN (10 Ob 16/08p; Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EheG § 85 Rz 14). In der Entscheidung 10 Ob 16/08p hat der Oberste Gerichtshof diesen Grundsatz auf Benützungsentgelt aus der behaupteten titellosen (Mit-)Benützung der ehemaligen Ehewohnung und auf (anteiligen) Ersatz der für die ehemalige Ehewohnung angefallenen Betriebskosten angewendet.
3.3. Allerdings ist die Überweisung streitiger Rechtssachen, in denen Ansprüche zwischen ehemaligen Ehegatten hinsichtlich des ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse geltend gemacht werden, an das Außerstreitgericht nur innerhalb der Einjahresfrist des § 95 EheG bzw bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Aufteilungsverfahrens möglich (RIS-Justiz RS0008531). Im vorliegenden Fall ist das Aufteilungsverfahren durch die im Einvernehmen (vgl RIS-Justiz RS0057603) mit der klagenden Partei erfolgte Rückziehung des Aufteilungsantrags durch die beklagte Partei beendet.
3.4. Dabei schadet nicht, dass die Zustimmung zur Antragsrückziehung erst nach Ergehen der Entscheidung des Berufungsgerichts erfolgte. Hier ist nicht entscheidend, ob die bisherige Rechtsprechung, dass der Aufteilungsantrag nur mit Zustimmung der Gegenpartei zurückgenommen werden kann (vgl RIS-Justiz RS0057603), in Hinblick auf die ausdrückliche Regelung der Antragsrückziehung in § 11 AußStrG auch nach dem Außerstreitgesetz 2003 gilt. Maßgebender Zeitpunkt für die Entscheidung über die Prozessvoraussetzungen ist nämlich stets die Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung (vgl §§ 29, 41, 42, 43 JN; G. Kodek in Fasching/Konecny² § 261 Rz 58); so ist zB bei der Zuständigkeitsentscheidung auf eine mittlerweile erfolgte Klagseinschränkung Bedacht zu nehmen. Das frühere Fehlen einer Prozessvoraussetzung ist daher unschädlich, wenn sie im Lauf des Verfahrens eingetreten ist (JBl 1956, 449; EFSlg 23.060/3 = EvBl 1975/63; SZ 56/159; EFSlg 63.902; G. Kodek aaO). Daher ist etwa die Unzuständigkeitseinrede zu verwerfen, wenn die Zuständigkeitsvoraussetzungen nachträglich eingetreten sind (ZBl 1917/302; RZ 1956, 140; JBl 1975, 101; DRdA 1983, 381 = RdW 1983, 116), mögen diese auch in der Folge wieder weggefallen sein (SZ 47/97; G. Kodek aaO). Weiters reicht für die Zulässigkeit des Rechtswegs aus, dass dieser erst während des Verfahrens eröffnet wurde (EvBl 1963/168 = JBl 1964, 92; G. Kodek aaO). In diesem Sinne ist daher die durch die mittlerweilige Rückziehung des Aufteilungsantrags eingetretene Änderung der Sachlage vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmen.
3.5. Im Hinblick auf die zwischenzeitige Beendigung des Aufteilungsverfahrens besteht für eine Verweisung in das Außerstreitverfahren auch deshalb kein Raum, weil die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche dadurch gerade nicht im - bereits beendeten - Aufteilungsverfahren geprüft werden können, während andererseits durch die Verweisung der bisherige Prozessaufwand im Streitverfahren vernichtet würde. Daher sprechen auch prozessökonomische Erwägungen dafür, die mittlerweilige Beendigung des Aufteilungsverfahrens auch noch im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof aufzugreifen.
4.1. Die Frist des § 95 EheG ist eine materiell-rechtliche Fallfrist, deren Nichteinhaltung zum Anspruchsverlust führt (RIS-Justiz RS0057726). Die Frist ist von Amts wegen zu beachten (1 Ob 113/99w; 1 Ob 286/00s; 7 Ob 317/03y). Werden nach Ablauf der Frist des § 95 EheG der nachehelichen Aufteilung unterliegende Ansprüche geltend gemacht, so ist die Klage nicht zurückzuweisen, sondern aus materiell-rechtlichen Gründen abzuweisen (RIS-Justiz RS0110013). Dies gilt allerdings nur für Aufteilungsansprüche, also Ansprüche auf Rechtsgestaltung im Sinne der §§ 81 ff EheG, nicht aber damit möglicherweise aus dem Zivilrecht ableitbare konkurrierende alternative Ansprüche (RIS-Justiz RS0110013; 1 Ob 154/99z; 7 Ob 23/08w ua).
4.2. Damit stehen aber die Bestimmungen der §§ 81 ff EheG der Geltendmachung des vorliegenden Kondiktionsanspruchs im Streitverfahren nicht entgegen. Jene Entscheidungen, nach denen ein Kondiktionsanspruch eines Ehegatten bezüglich der in das Außerstreitverfahren verwiesenen (Aufteilungs-)Ansprüche ausscheidet (RIS-Justiz RS0008528), betreffen ausschließlich innerhalb der Frist des § 235 AußStrG 1854 geltend gemachte Ansprüche. Diese Entscheidungen lassen sich daher auf die vorliegende Konstellation nicht übertragen. Im Hinblick auf den zwischenzeitigen Abschluss des Aufteilungsverfahrens besteht auch nicht mehr die Gefahr, dass das in einem Rechtsstreit gewonnene Ergebnis durch eine noch mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt würde (RIS-Justiz RS0111605).
5. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts erweist sich sohin der Rechtsweg für die vorliegende Klage als zulässig. Ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht hat sich das Berufungsgericht bisher mit den in der Berufung vorgebrachten Argumenten nicht auseinandergesetzt. Insoweit war daher spruchgemäß mit Zurückverweisung an das Berufungsgericht vorzugehen.
6. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.