OGH 27.04.2020, 5Ob60/20i
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Patrick Maydell, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. P***** Gesellschaft mbH, *****, 2. D*****, beide vertreten durch Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Beseitigung und Wiederherstellung (Streitwert 2.000 EUR) infolge der Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 119/19t-26, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 12 C 68/18i-22, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden an das Berufungsgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Klägerin und der Zweitbeklagte sind Miteigentümer einer Liegenschaft in Wien. Die Erstbeklagte ist die Wohnungseigentumsorganisatorin und Generalunternehmerin, die im Auftrag sämtlicher Miteigentümer – ausgenommen die Klägerin bzw deren Rechtsvorgängerin – im Bereich des sogenannten „Straßentrakts“ der Liegenschaft Eigentumswohnungen zu errichten hatte.
Die Klägerin erhob – nach Erörterung letztlich gestützt auf ihren Eigentumsfreiheitsanspruch nach § 523 ABGB – Beseitigungs- und Wiederherstellungsbegehren: Einerseits sollen die beklagten Parteien unverzüglich die aufgebrachte und aus brennbaren Materialien bestehende Wärmedämmung von der Hoffassade der Liegenschaft beseitigen und entfernen, andererseits die Feuermauern zu den Nachbarhäusern. Weiters sollen sie verpflichtet werden, den Konsens laut Baubewilligung herzustellen. Insgesamt bewertete die Klägerin diese Begehren mit 2.000 EUR. Über Streitwertbemängelung der Beklagten setzte das Erstgericht den Streitwert nach RATG mit (insgesamt) 25.000 EUR fest.
Das Erstgericht wies alle Begehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteige, nicht aber 30.000 EUR und ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Eigentumsfreiheitsklage in der hier vorliegenden Konstellation seien in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht behandelt worden.
Dieses Urteil bekämpft die Klägerin in ihrer ordentlichen Revision mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer vollinhaltlichen Klagestattgebung abzuändern.
Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Der Oberste Gerichtshof ist (derzeit) zu einer Entscheidung über das Rechtsmittel aus folgenden Gründen nicht berufen:
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand) an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt. Bilden mehrere Ansprüche den Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts, hat eine einheitliche Bewertung aufgrund Zusammenrechnung nur dann zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind (RIS-Justiz RS0042741; RS0053096), somit die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN stehen (vgl RS0042258). Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn allen Ansprüchen derselbe Klagegrund zugrunde liegt und keiner der Ansprüche die Behauptung eines ergänzenden Sachverhalts erfordert. Ein rechtlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden. Er ist dann nicht anzunehmen, wenn jeder der Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RS0037899). Bei der Beurteilung dieser Frage ist vom Klagevorbringen auszugehen (RS0042741). Da § 55 Abs 1 JN als Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzusammenrechnung anzusehen ist, scheidet die Zusammenrechnung im Zweifel aus (RS0122950). Mehrere Ansprüche aus einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, die sich auf verschiedene Eingriffshandlungen des Beklagten stützen, stehen nach ständiger Rechtsprechung nicht in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN (RS0110012; 5 Ob 30/17y; zuletzt 5 Ob 215/19g). Selbst eine physische Nähe der Eingriffshandlungen zueinander reicht für einen tatsächlichen Zusammenhang im Sinn des § 55 JN nicht aus. Dass der Rechtsgrund in allen derartigen Fällen die Freiheit des Eigentums nach § 523 ABGB ist, stellt den in § 55 Abs 1 JN geforderten rechtlichen Zusammenhang der auf dieselbe Norm gestützten Ansprüche untereinander noch nicht her, wenn die Eigentumsfreiheit von im Tatsachenbereich verschiedenen Belastungen behauptet wird (5 Ob 215/19g).
2. Liegt eine Parteienhäufung vor, so sind gemäß § 55 Abs 1 Z 2 JN mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie von mehreren Parteien oder gegen mehrere Parteien erhoben werden, die Streitgenossen nach § 11 Abs 1 ZPO sind. Das Gesetz verlangt somit das Vorliegen einer materiellen Streitgenossenschaft entweder auf Kläger- oder Beklagtenseite. Es muss daher entweder eine Rechtsgemeinschaft hinsichtlich des Streitgegenstands bestehen oder eine Parteienmehrheit, die aus demselben tatsächlichen Grund berechtigt oder verpflichtet ist. Liegt hingegen nur eine formelle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 2 ZPO vor, kommt es selbst dann nicht zu einer Zusammenrechnung der Streitwerte, wenn die geltend gemachten Forderungen in einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang stehen (vgl RS0053096 [T10]; 4 Ob 66/17k). Ist in einem Verfahren Anspruchs- und gleichzeitig Parteihäufung gegeben, sind zwar die gehäuften Ansprüche der betreffenden Partei – bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs 1 Z 1 JN – zusammenzurechnen, nicht jedoch diese Ansprüche mit jenen der übrigen formellen Streitgenossen (vgl Gitschthaler in Fasching/Konecny3 § 55 JN Rz 23 f). Demgemäß sind Ansprüche mehrerer Geschädigter aus demselben Unfallereignis ebensowenig zusammenzurechnen (RS0037838 [T32]) wie Unterhaltsansprüche, die sich gegen beide Elternteile richten (RS0037838 [T47]) oder mehrere gegen unterschiedliche Wohnungseigentümer gerichtete, auf unterschiedliche Eingriffshandlungen gestützte Unterlassungs- und Wiederherstellungsbegehren (5 Ob 217/13t).
3.1 Hier liegt sowohl eine subjektive als auch eine objektive Klagehäufung vor: Die Klägerin nimmt zwei Beklagte – die Erstbeklagte in ihrer Funktion als Wohnungseigentumsorganisatorin und Generalunternehmerin, den Zweitbeklagten als Miteigentümer und Bevollmächtigten aller anderen Miteigentümer – auf Beseitigung und Wiederherstellung in Anspruch. Der gleiche tatsächliche Grund läge für beide Beklagte an sich nur dann vor, wenn für sie ein einheitlicher rechtserzeugender Sachverhalt gegeben wäre. Wo für einen Streitgenossen weitere rechtserzeugende Tatsachen für die Ableitung des Anspruchs hinzutreten, fehlt es an der eine Zusammenrechnung im Sinn des § 55 Abs 1 Z 2 JN rechtfertigenden materiellen Streitgenossenschaft (5 Ob 217/13t mwN). Während die Klägerin die Erstbeklagte als unmittelbare Störerin in Bezug auf die Wärmeschutzfassade und die Feuermauern in Anspruch nimmt, begründet sie ihr Begehren gegenüber dem Zweitbeklagten damit, er habe als Miteigentümer und Bevollmächtigter aller anderen der Erstbeklagten den Auftrag dazu gegeben, sei also mittelbarer Störer. Für seine Haftung sind daher andere (zusätzliche) Sachverhaltselemente notwendig als bei der Erstbeklagten (vgl 5 Ob 217/13t). Einer getrennten Bewertung der Ansprüche der Klägerin in Bezug auf beide Beklagten bedarf es hier aber dessen ungeachtet nicht, weil nach dem Klagebegehren die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand verpflichtet werden sollen, sodass nach § 55 Abs 2 JN aufgrund der insoweit maßgeblichen Klageangaben sich der Streitwert nach der Höhe des einfachen Anspruchs zu richten hat (RS0035359).
3.2 Allerdings führt die Klägerin zwei unterschiedliche Eingriffshandlungen der Beklagten ins Treffen: Einerseits begehrt sie die Beseitigung der aufgebrachten und aus brennbarem Material bestehenden Wärmedämmung von der Hoffassade der Liegenschaft; diese Eingriffshandlung war das wesentliche Thema des bisherigen Verfahrens. Daneben will die Klägerin von beiden Beklagten aber auch die Beseitigung der Feuermauern zu den Nachbarhäusern erreichen. Auch wenn zu diesem Beseitigungsbegehren konkreteres Vorbringen fehlt, war es doch Gegenstand des Verfahrens (und einer Mängelrüge der Klägerin in ihrer Berufung), wobei nach dem Wortlaut dieses Beseitigungsbegehrens und der eingangs genannten Zweifelsregel davon auszugehen ist, dass ein rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang mit der Entfernung der Wärmedämmung von der Fassade nicht besteht. Eine Zusammenrechnung dieser beiden Beseitigungsbegehren im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN hat daher nicht zu erfolgen. Soweit die Klägerin zusätzlich die Wiederherstellung des Konsenses laut Baubewilligung begehrt, ist mangels näheren Prozessvorbringens davon auszugehen, dass sie damit den Baukonsens in Bezug auf die Gegenstand ihrer Beseitigungsbegehren bildenden Eingriffshandlungen meint, somit hinsichtlich der Wärmedämmung der Hoffassade einerseits und der Feuermauern andererseits. Ein Teil dieses Wiederherstellungsbegehrens steht daher in einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit dem Beseitigungsbegehren betreffend Wärmedämmung, der zweite hingegen mit demjenigen hinsichtlich Feuermauern.
4. Das Berufungsgericht hat sich bei der Begründung seines Bewertungsausspruchs an der Einigung der Streitteile auf einen Streitwert nach RATG von 25.000 EUR orientiert, bei seinem Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO allerdings nicht die hier notwendige getrennte Bewertung in Bezug auf die unterschiedlichen Eingriffshandlungen vorgenommen. Es wird daher eine Bewertung der einzelnen – aufgrund der obigen Ausführungen wegen rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhangs jeweils zusammenzufassenden – Entscheidungsgegenstände vorzunehmen haben. Sollte sich dabei ergeben, dass der Wert aller oder einzelner Entscheidungsgegenstände 5.000 EUR nicht übersteigt, wäre das Rechtsmittel der Klägerin insoweit gemäß § 502 Abs 2 ZPO absolut unzulässig. Diesfalls wäre der bisherige Zulassungsausspruch entsprechend zu berichtigen (vgl 4 Ob 66/17k). Sollte der Wert einzelner oder auch aller Teilbegehren zwischen 5.000 EUR und 30.000 EUR liegen, wäre eine Ergänzung des Zulassungsausspruchs durch das Berufungsgericht erforderlich, der sich nach dessen Begründung nur auf den Beseitigungs- und Wiederherstellungsanspruch in Bezug auf die Wärmeschutzfassade beziehen dürfte. Das Gebot der getrennten Beurteilung der Ansprüche betrifft nämlich nicht nur den Wert des Entscheidungsgegenstands, sondern auch den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rechtsmittels (vgl RS0042349; 5 Ob 215/19g; Lovrek in Fasching/Konecny3 IV/1 § 502 ZPO Rz 162 f). Sollte das Berufungsgericht die ordentliche Revision in Bezug auf einzelne Begehren für nicht zulässig erklären, wäre der Schriftsatz (nach etwaiger Verbesserung) insoweit als Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO zu deuten und eine Befassung des Obersten Gerichtshofs nur dann möglich, wenn der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision insoweit vom Berufungsgericht abgeändert würde (§ 508 Abs 2 ZPO). Nur wenn das Berufungsgericht alle nach obigen Ausführungen differenziert zu betrachtenden Ansprüche nicht nur mit mehr als 5.000 EUR bewerten, sondern auch hinsichtlich aller Ansprüche die ordentliche Revision zulassen sollte, wäre das Rechtsmittel der Klägerin sofort wieder dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Patrick Maydell, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. P* Gesellschaft mbH, *, 2. D*, beide vertreten durch Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Beseitigung und Wiederherstellung über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 113/19t-26 in der Fassung des Berichtigungs- und Ergänzungsbeschlusses vom , GZ 1 R 113/19t-32, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 12 C 68/18i-22, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen deren mit 1.811,65 EUR (darin 301,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin und der Zweitbeklagte sind – neben weiteren Personen, die nicht Parteien des Verfahrens sind – Miteigentümer einer Liegenschaft. Zugunsten des Zweitbeklagten und weiterer Miteigentümer ist die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum gemäß § 40 Abs 2 WEG 2002 an bestimmten Wohnungen und KFZ-Abstellplätzen angemerkt. Die Klägerin hat ihre Miteigentumsanteile von der vormaligen Alleineigentümerin, einer GmbH, deren Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin sie war, mit Kaufvertrag vom erworben. Weder zugunsten ihrer Rechtsvorgängerin noch zugunsten der Klägerin ist die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum im Sinn des § 40 Abs 2 WEG 2002 angemerkt. Anlässlich des Verkaufs von Liegenschaftsanteilen durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin im Jahr 2006 an die in weiterer Folge als Bauwerberin der Wohnungseigentumsobjekte im sogenannten „Straßentrakt“ auftretende GmbH, deren Geschäftsführer der Zweitbeklagte war, vereinbarten die damaligen Vertragsparteien eine klare Trennung zwischen dem „Straßentrakt“ und dem der Rechtsvorgängerin der Klägerin zugeordneten „Hoftrakt“, bestehend aus Hoffläche und dem im Hof errichteten „Turm“. Beabsichtigt war, zwei getrennt zu verwaltende und abzurechnende Wohneinheiten zu errichten. Der „Straßentrakt“ sollte nach bereits vorliegenden bewilligten Plänen ausgebaut werden. Eine Vereinbarung der damaligen Vertragsparteien, dass die Baufluchtlinie im Zug des Ausbaus des „Straßentrakts“ nicht überbaut werden dürfe, steht nicht fest.
[2] Die Erstbeklagte wurde von sämtlichen Miteigentümern – ausgenommen die Klägerin und deren Rechtsvorgängerin – als Generalunternehmerin mit der Errichtung der Wohnungseigentumsobjekte im „Straßentrakt“ beauftragt, die in den Jahren 2007 und 2008 erfolgte. Da der noch von der Rechtsvorgängerin der Klägerin eingereichte Plan Terrassen und Balkone vorsah, wurde hofseitig eine neue Fassade mit einer Wärmedämmung von insgesamt 12 cm Stärke angebracht. Jedenfalls in Bezug auf die Objekte des „Straßentrakts“ war die Erstbeklagte auch Wohnungseigentumsorganisatorin.
[3] Die Klägerin erhob – nach Erörterung letztlich nur gestützt auf ihren Eigentumsfreiheitsanspruch nach § 523 ABGB – Beseitigungs- und Wiederherstellungsbegehren: Die Beklagten sollen die aufgebrachte und aus brennbaren Materialien bestehende Wärmedämmung von der Hoffassade der Liegenschaft und die Feuermauern zu den Nachbarhäusern beseitigen. Außerdem sollen sie (insoweit) den Konsens laut Baubewilligung wiederherstellen.
[4] Das Erstgericht wies sämtliche Begehren ab.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Ihr komme ein ideeller Miteigentumsanteil an der Liegenschaft, nicht aber ein damit verbundenes dingliches ausschließliches Nutzungsrecht an einem bestimmten Objekt zu. Als Miteigentümerin habe sie zwar das Recht, sich der zur Wahrung des Gesamtrechts erforderlichen Rechtsbehelfe zu bedienen, sie dürfe sich aber dadurch nicht in Widerspruch zu den übrigen Miteigentümern setzen. Die Erstbeklagte, die die Wärmedämmung in der Stärke von 12 cm anbringen ließ, sei eine der Wohnungseigentumsorganisatorinnen sowie von den Erwerbern beauftragte Generalunternehmerin. Als solche sei sie laut den Verträgen zu Änderungen insbesondere auch an der Fassadengestaltung ermächtigt gewesen. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin habe mit Übergabsvereinbarung ihre Zustimmung zur Errichtung des Straßentrakts durch die Erstbeklagte nach deren Gutdünken erteilt, was die Herstellung der Fassade einschließe. Mit der Klageführung setze sich die Klägerin daher in Widerspruch zu den Interessen sämtlicher übrigen Miteigentümer. Den Zweitbeklagten hielt das Berufungsgericht für nicht passiv legitimiert, weil er weder in die Planung der Fassade eingebunden gewesen sei noch Kenntnis von deren Ausgestaltung gehabt habe.
[6] Über Auftrag des Obersten Gerichtshofs sprach das Berufungsgericht aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige hinsichtlich des Begehrens auf Entfernung der Wärmedämmung und Wiederherstellung des diesbezüglichen Baukonsenses einerseits und auf Entfernung der Feuermauer und der Wiederherstellung des diesbezüglichen Konsenses andererseits jeweils 5.000 EUR und die Revision sei hinsichtlich beider Ansprüche zulässig. Die maßgeblichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Eigentumsfreiheitsklage in der vorliegenden wohnungseigentumsrechtlichen Konstellation seien in oberstgerichtlicher Rechtsprechung noch nicht behandelt worden.
[7] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, in der sie eine Abänderung im Sinn einer Klagestattgebung anstrebt, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
[8] Die Beklagten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig und kann auch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[10] 1. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die das Berufungsgericht nicht als solche anerkannt hat, können nicht mehr erfolgreich im Revisionsverfahren gerügt werden (RIS-Justiz RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei (RS0042963 [T58]). Der Ausnahmefall, dass das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte (vgl RS0042963 [T52]), wird in der Revision nicht behauptet und liegt auch nicht vor.
[11] 2. Zur Bestätigung der Abweisung des Begehrens auf Entfernung der Feuermauern und Wiederherstellung des diesbezüglichen Baukonsenses enthält die Revision keine Ausführungen. In einer zulässigen Rechtsrüge ist aber darzulegen, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig sein soll (RS0043605), weil sonst keine Überprüfung der im angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsansicht des Berufungsgerichts stattfinden kann (vgl RS0043654 [T6]). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, Feststellungen zu den Feuermauern seien entbehrlich, weil es an Sachvorbringen hiezu fehle, und der Klägerin stehe insoweit ein Beseitigungsanspruch mangels aktiver Klagelegitimation nicht zu, zieht die Revision nicht in Zweifel. Auch die allseitige Prüfpflicht nach Rechtsrüge erstreckt sich aber nicht auf – insoweit vorliegende – selbständige Klagegründe (vgl RS0043338). Da die vom Berufungsgericht auch dazu als erheblich bezeichneten Rechtsfragen nicht releviert werden (RS0102059), ist die Revision insoweit schon deshalb unzulässig.
[12] 3. Für den Zweitbeklagten stellen sich die vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfragen auch zum Entfernungs- und Wiederherstellungsbegehren betreffend die Wärmedämmung nicht: Die Vorinstanzen gingen aufgrund der unbekämpften Feststellungen übereinstimmend davon aus, der Zweitbeklagte, der weder in die Planung der Fassaden eingebunden gewesen war noch deren Herstellung in Auftrag gegeben hatte, sei weder unmittelbarer noch mittelbarer Störer gewesen. Es handelt sich dabei um eine selbständig tragfähige Begründung des Berufungsgerichts, die in der Revision bekämpft hätte werden müssen (vgl RS0118709 [T4]). Die vom Berufungsgericht verneinte Passivlegitimation des Zweitbeklagten spricht die Revision allerdings nicht an. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, die sehr pauschal gehaltene Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts hätte auch diese Rechtsfrage mitumfassen sollen, hat sich die Revisionswerberin damit doch nicht auseinandergesetzt, was zur Unzulässigkeit der Revision in Ansehung des Zweitbeklagten zu führen hat (RS0102059).
[13] 4. Einer inhaltlichen Auseinandersetzung bedarf nur das Revisionsvorbringen zum Entfernungs- und Wiederherstellungsbegehren betreffend die Wärmedämmung gegen die Erstbeklagte. Die Klägerin meint, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts komme ihr gemäß § 37 Abs 5 iVm § 16 Abs 1 WEG 2002 ein ausschließliches Nutzungsrecht am ihr zugeordneten Hoftrakt zu, weil die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum für einzelne Wohnungen der Liegenschaft bereits „vorgemerkt“ sei. Zu Unrecht habe das Berufungsgericht einen eigenmächtigen Eingriff verneint und sie habe sich nicht in Widerspruch zu den übrigen Miteigentümern gesetzt. Zur „Eigentumsgrenze“ lägen sekundäre Feststellungsmängel vor.
[14] 4.1. Die – allein Grundlage des Begehrens der Klägerin bildende – Eigentumsfreiheitsklage kann (nur) gegen einen unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht erhoben werden (RS0012040; RS0012113). Sie setzt Eigenmacht des Störers voraus (RS0012112 [T11]). Dass die Klägerin am „Hoftrakt“ und dem nach ihren Behauptungen diesem zugeordneten Innenhof (noch) nicht dinglich berechtigt ist, liegt nach der eindeutigen Gesetzeslage auf der Hand: Eine wohnungseigentumsrechtliche dingliche Rechtsposition würde sie nach § 5 Abs 3 Satz 1 WEG 2002 erst aufgrund einer auf einem gültigen Titel beruhenden Einverleibung im Grundbuch erwerben (Ofner in GeKo Wohnrecht II § 2 WEG 2002 Rz 3; Hausmann in Hausmann/Vonlkilch Österreichisches Wohnrecht4 § 2 WEG Rz 4). Die Klägerin ist aber nach wie vor (nur) schlichte Miteigentümerin.
[15] 4.2. § 37 Abs 5 WEG 2002 regelt die Anwendung von Wohnungseigentumsbestimmungen insbesondere im Zusammenhang mit der Verwaltung zugunsten der Wohnungseigentumsbewerber im Gründungsstadium. Sobald eine Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums im Grundbuch angemerkt ist und zumindest ein Wohnungseigentumsbewerber Miteigentum erworben hat, gelten für die Verwaltung der Liegenschaft und die Rechte der Miteigentümer die §§ 16–34, 36 und 52 WEG. Ein Wohnungseigentumsbewerber, der noch nicht Miteigentümer, zu dessen Gunsten aber eine solche Zusage angemerkt ist, hat ab Bezug des wohnungseigentumstauglichen Objekts die Rechte nach §§ 16 und 52 Abs 1 Z 2 WEG sowie den Anspruch auf Rechnungslegung gemäß § 34 WEG. Weiters hat ein solcher Wohnungseigentumsbewerber ab dem Zeitpunkt, zu dem sein späterer Miteigentumsanteil – insbesondere durch ein bereits vorliegendes Nutzwertgutachten – bekannt ist, die Rechte eines Miteigentümers, sofern zumindest ein anderer Wohnungseigentumsbewerber bereits Miteigentum erworben hat. Nach der Rechtsprechung des Fachsenats (5 Ob 173/08i mwN) und herrschender Lehre (Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und Wohnrecht II23 § 37 WEG Rz 17; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht4 § 37 WEG Rz 50) ist Voraussetzung in diesen Fällen, dass die Zusage der Einräumung des Wohnungseigentums im Grundbuch angemerkt ist und zwar zugunsten des konkreten Wohnungseigentumsbewerbers. Eine Zusage einer Einräumung des Wohnungseigentums zugunsten der Klägerin ergibt sich aus dem offenen Grundbuch hier aber nicht, sodass sie auch aus § 37 Abs 5 WEG 2002 keine exklusiven Nutzungsrechte ableiten kann. Im Übrigen hat die Eigentumsfreiheitsklage eines Wohnungseigentümers ihre Grundlage nach der Rechtsprechung ohnedies nicht in der in § 37 Abs 5 WEG genannten Bestimmung des § 16 Abs 2 WEG 2002, sondern in § 523 ABGB iVm § 829 ABGB (5 Ob 173/08i; 5 Ob 153/00m).
[16] 4.3. Die höchstgerichtliche Judikatur billigt dem Wohnungseigentumsbewerber, dem die zugesagte Wohnung übergeben wurde, die Klage nach § 372 ABGB analog zu (RS0010989), die an den verlorenen Besitz anknüpft (vgl 5 Ob 143/12h). Ob die Klägerin, die ihre Anteile nicht von der Erstbeklagten, sondern von der vormaligen Alleineigentümerin der Liegenschaft übertragen erhalten hat, im Verhältnis zur Erstbeklagten, die nur die Errichtung und Organisation der Wohnungseigentumsobjekte im „Straßentrakt“ übernommen hatte, überhaupt als Wohnungseigentumsbewerberin im Sinn des § 2 Abs 6 Satz 1 WEG 2002 anzusehen ist, bedarf hier keiner Erörterung. Voraussetzung für eine erfolgreiche publizianische Klage wäre nämlich Besitz oder zumindest Mitbesitz der Klägerin an der Hoffläche, deren Beeinträchtigung durch die Wärmedämmfassade sie nun behauptet. Allerdings konnte das Erstgericht die von der Klägerin behauptete Vereinbarung zwischen ihrer Rechtsvorgängerin und der Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Miteigentümer, wonach bei Ausbau des Straßentrakts die Baufluchtlinie nicht überbaut werden dürfe, unbekämpft nicht feststellen. Exakt diese „Eigentumsgrenze“ – die aufgrund des schlichten Miteigentums nur als ausschließliche Nutzungsgrenze verstanden werden kann – hat die Klägerin behauptet, konnte sie aber damit nicht nachweisen. Dazu kommt, dass sie ihre Miteigentumsanteile von der vormaligen Alleineigentümerin erst 2013 erworben hat, also zu einem Zeitpunkt, als die Fassadenarbeiten bereits längst abgeschlossen waren. Schon der Altbestand des Straßentrakts ragte teils über die Baufluchtlinie und auch die Fassade zum Hof war bei Erwerb durch die Klägerin bereits in der nunmehr beanstandeten Form vorhanden. Wie die Klägerin angesichts dieser Feststellungen in den Besitz der bereits vorher durch die Wärmedämmung verbauten Hoffläche gelangt sein will, hat sie nicht behauptet und ist aus den Feststellungen nicht ableitbar. Der von der Klägerin zu erbringende Beweis (vgl RS0012186 [T7]) eines Eigentumseingriffs in ihr übergebene Bereiche durch die Errichtung der Wärmedämmung ist ihr damit nicht gelungen.
[17] 4.4. Der betreffend „Eigentumsgrenze“ behauptete sekundäre Feststellungsmangel liegt nicht vor, weil das Erstgericht zur von der Klägerin behaupteten Nutzungsgrenze die zitierte Negativfeststellung getroffen hat (RS0053317 [T1]). Feststellungen zur tatsächlich vereinbarten Nutzungsgrenze waren mangels konkreter Behauptungen der Klägerin zu einer von der Baufluchtlinie abweichenden Grenzziehung nicht erforderlich.
[18] 4.5. Auch auf ihre Stellung als schlichte Miteigentümerin kann die Klägerin nach der auf höchstgerichtlicher Rechtsprechung beruhenden Auffassung des Berufungsgerichts ihren Beseitigungsanspruch nicht stützen. Zwar ist jeder Miteigentümer – selbst wenn er nur die Minderheit der Anteile repräsentiert – grundsätzlich berechtigt, eigenmächtige Eingriffe auch eines anderen Miteigentümers in das gemeinsame Eigentum mit Eigentumsfreiheitsklage gegen den Störer abzuwehren (RS0012112 [T1]). Allerdings fehlt dem Eingriff eines Dritten die Eigenmacht schon dann, wenn nur ein Teilhaber den Eingriff gestattet hat (RS0124237; Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas ABGB4 § 833 ABGB Rz 1). Dies gilt jedenfalls für die Erstbeklagte, die nicht Wohnungseigentümerin ist (vgl RS0012112 [T10]).
[19] 4.6. Das Berufungsgericht legte die im Generalunternehmervertrag zwischen der Erstbeklagten und den anderen Miteigentümern (ausgenommen die Klägerin bzw deren Rechtsvorgängerin) vereinbarte Ermächtigung der Erstbeklagten, die Ausführung des „Straßentrakts“ einschließlich der Fassadengestaltung nach Gutdünken vorzunehmen, dahin aus, dass sämtliche andere Miteigentümer damit (auch) die Zustimmung zur Verstärkung der Wärmedämmung der Fassaden von 7 auf 12 cm erteilt hätten. Ob dies allein schon für die anderen Miteigentümer grundsätzlich vorteilhaft war (wozu keine ausdrücklichen Feststellungen vorliegen), sei dahingestellt; nach dem festgestellten Sachverhalt gab es jedenfalls keine Beschwerden der Miteigentümer über die Fassade, die von der Klägerin bei der Baubehörde erstattete Anzeige wegen Verletzung von Brandschutzbestimmungen blieb ohne Folgen und eine Gefährdung der Hausbewohner durch unzureichenden Brandschutz bestand nicht. Dass die konkret ausgeführte Fassadengestaltung der Bauordnung widerspräche, wurde nicht festgestellt.
[20] 4.7. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, wirft nur dann eine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt worden ist (RS0042936). Dies behauptet die Klägerin aber gar nicht, die nur damit argumentiert, rechtlich könne ein Einverständnis der Miteigentümer nicht für einen Eingriff in ihr absolut geschütztes Eigentumsrecht gelten, das ihr aber – wie ausgeführt – in Bezug auf den Innenhof gar nicht zukommt. Dass das Berufungsgericht auf Basis der Feststellungen einen eigenmächtigen Eingriff der Erstbeklagten verneinte, die die Fassade im Auftrag oder zumindest mit Duldung sämtlicher übrigen Miteigentümer in ihrer konkreten Form gestaltete, ist somit keine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.
[21] 5. Damit war die ordentliche Revision zurückzuweisen.
[22] 6. Die Klägerin hat den Beklagten die tarifgemäß verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung gemäß §§ 41, 50 ZPO zu ersetzen. Sie haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00060.20I.0427.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAD-70739