OGH vom 24.08.2022, 7Ob99/22t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*gesellschaft mbH & Co KG, *, vertreten durch Mag. Stefan Weidinger, Rechtsanwalt in Scharnstein, gegen die beklagte Partei Mag. M* W*, vertreten durch Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Herausgabe, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 165/21x-22, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die M* GmbH mit Sitz in Österreich (in Hinkunft: M GmbH) – deren Geschäftsführer und Mitgesellschafter F* M* (in Hinkunft: Geschäftsführer) war – und die Klägerin vereinbarten am zur Besicherung unter anderem der Verbindlichkeiten aus einem gleichzeitig geschlossenen Leasingvertrag über einen Bugatti Veyron, den damals in Deutschland befindlichen – am selben Tag von einem Dritten erworbenen – Mercedes Benz G-Klasse G 63 AMG 6 x 6 Biturbo 700 der Klägerin ins Eigentum zu übertragen. Die Übergabe wurde dadurch ersetzt, dass die Klägerin der M GmbH den Mercedes zur Verwahrung überließ und ihr die Weiterbenutzung gestattete. Am unterzeichnete die M GmbH – vertreten durch ihren Geschäftsführer – als Darlehensnehmerin, der Geschäftsführer als Pfandbesteller und der Beklagte als Darlehensgeber einen Pfandvertrag, mit dem unter anderem der Mercedes, der nach Österreich gebracht worden war, an den Beklagten verpfändet wurde. Am kündigte die Klägerin den Leasingvertrag betreffend den Bugatti fristlos aus wichtigem Grund, weil die M GmbH die Zahlung vereinbarter Raten eingestellt hatte. Mit Beschluss vom bewilligte das Bezirksgericht Salzburg die vom Beklagten gegen den Geschäftsführer beantragte Fahrnisexekution zur Hereinbringung eines Teilbetrags von 2 Mio EUR ua hinsichtlich des Mercedes. In der nachfolgenden Versteigerung erhielt der Beklagte den Zuschlag für das Meistbot von 830.625 EUR.
[2] Die Klägerin begehrt, gestützt auf ihr Sicherungseigentum, die Herausgabe des Mercedes vom Beklagten.
Rechtliche Beurteilung
[3] 1.1 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der – anspruchshindernden (vgl RS0106638, RS0109832) – Tatsachen betreffend die Nichtigkeit des Sicherungsübereignungsvertrags zwischen der Klägerin und der M GmbH wegen Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 82 GmbHG den Beklagten treffe, ist nicht zu beanstanden.
[4] 1.2 Normadressaten des in § 82 GmbHG enthaltenen Verbots der Einlagenrückgewähr sind die Gesellschaft und der Gesellschafter. Dritte – etwa der Leasinggeber – sind nur ausnahmsweise rückgabepflichtig bzw ihnen gegenüber die Gesellschaft leistungsverweigerungsberechtigt, so bei Kollusion, aber auch in jenen Fällen, in denen der Gesellschafter bewusst zum Nachteil der Gesellschaft handelt und der Dritte davon gewusst hat oder sich der Missbrauch ihm gerade aufdrängen musste. Die Wirksamkeit des Vertrags beurteilt sich demnach nach den Grundsätzen der Vertretungsmacht (RS0105536 [T4, T15]). Dass das Berufungsgericht in einzelfallbezogener (RS0042828) Auslegung das Prozessvorbringen des Beklagten, „die Sicherungsübereignung der M GmbH gemäß Beilage ./AF und die Zahlungsbestätigung zur Absicherung eines Privatvergnügens des Geschäftsführers stellt eine verbotene Einlagenrückgewähr dar und ist daher nichtig“, nicht als im Sinn der obigen Ausführungen ausreichendes Vorbringen zu einem allfälligen Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr durch die Klägerin (einer Dritten) wertete, ist nicht korrekturbedürftig.
[5] 2.1 Die Auslegung des konkreten Sicherungsübereignungsvertrags hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0044358). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision für ihre Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, das Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung einer krassen Fehlbeurteilung unterlegen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte.
[6] 2.2 Das ist hier nicht der Fall. Gegen das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts, dass der Geschäftsführer den Sicherungsübereignungsvertrag lediglich als Vertreter der M GmbH und nicht auch im eigenen Namen als Sicherungsgeber unterzeichnet habe, bringt der Beklagte schon keine stichhaltigen Argumente.
[7] 3.1 Nach deutschem Recht überträgt bei einer Sicherungsübereignung der Sicherungsgeber (hier die M GmbH) das Eigentum an einer oder mehreren Sachen zur Sicherung einer oder mehrerer Forderungen auf den Sicherungsnehmer (hier die Klägerin) mit der Abrede, dass dieser von dem ihm überlassenen Eigentum nur im Rahmen der Zweckbestimmung Gebrauch machen darf. Die Eigentumsübertragung erfolgt durch Übereignung gemäß §§ 929 bis 931 BGB, wobei das – hier vereinbarte – Besitzkonstitut gemäß § 930 BGB die Regel bildet (3 Ob 249/18s).
[8] 3.2 In dieser erst jüngst ergangenen Entscheidung ging der Oberste Gerichtshof von seinem früheren, insbesondere in der Entscheidung 3 Ob 126/83 vertretenen, Standpunkt ausdrücklich ab und nahm unter Bezugnahme auf Literatur und Judikatur eine Neubewertung der Rechtslage bei grenzüberschreitenden Sicherungsrechten vor. Er folgerte, dass bereits nach einer an Wortlaut und Normzweck orientierten Auslegung der §§ 7, 31 IPRG der Untergang eines in Deutschland wirksam begründeten Eigentums (bloß) durch den Import der Sache nach Österreich nicht zu begründen und eine Verletzung des Unionsrechts in diesem Zusammenhang daher ausgeschlossen ist. Sieht das Recht eines Staats einen wirksamen Erwerb von „gewöhnlichem“ Eigentum auch ohne Übergabe vor, ist der Erwerb ungeachtet der unterschiedlichen Rechtslage des neuen Lageorts auch dort wirksam, weil der Eigentumserwerb ein bereits abgeschlossener Tatbestand im Sinn des § 7 IPRG ist. Nichts anderes kann für eine wirksam vorgenommene Sicherungsübereignung gelten, die zu einer Vollrechtsübertragung führt. Der mit einem späteren Transport bewirkte Statutenwechsel kann nicht zurückwirken. Ein Rechtsverlust stünde auch im Widerspruch zum in § 7 IPRG allgemein anerkannten Prinzip der wohlerworbenen Rechte (droits aquis), welche auch unter dem neuen Statut erhalten bleiben, wenn das erworbene Recht an der Sache dem neuen Statut nicht völlig wesensfremd ist. Letzteres trifft auf in Deutschland zur Sicherung übertragenes Eigentum nämlich nicht zu, weil ein solches Institut auch in Österreich anerkannt ist. Die an 3 Ob 126/83 angelehnte Rechtsansicht hätte zur Folge, dass ein nach deutschem Recht wirksames Volleigentum durch eine sachenrechtliche Dauervoraussetzung modifiziert wurde. Im Umstand, dass nach deutschem – im Gegensatz zum österreichischen Recht – ein Besitzkonstitut ausreicht, um Sicherungseigentum wirksam zu begründen, liegt auch kein Verstoß gegen den ordre public, ist doch von dieser Klausel sparsamst Gebrauch zu machen und zwar nur dann, wenn Grundwertungen des österreichischen Rechts verletzt werden. Diese Voraussetzung ist bei einer Sicherungsübereignung ohne erschwerte Publizitätserfordernisse jedenfalls nicht erfüllt, zumal in der österreichischen Rechtsordnung der Eigentumsvorbehalt – als anerkanntes Institut, das der Sicherungsübereignung wirtschaftlich nahekommt – ebenfalls ohne erschwerte Publizitätsvoraussetzungen wirksam ist. Auf § 31 Abs 2 IPRG kann ein Wegfall des Sicherungseigentums nicht gestützt werden, weil die Bestimmung ausdrücklich vom Inhalt und nicht von den Wirkungen der einmal begründeten dinglichen Rechte spricht und damit lediglich die Anpassung fremder Mobiliarsachenrechte an den Typenkatalog und die Rechtsschutzeinrichtungen des neuen Lageortrechts meint.
[9] 3.2.1 Das Berufungsgericht ist dieser Rechtsansicht gefolgt und hat vertreten, dass die vom Beklagten in der Berufung ins Treffen geführte Kritiken von Faber, Bachner und Heindler kein Abgehen von dieser Rechtsprechung erfordere.
[10] 3.2.2 Bachner (Publizität und stärkste Beziehung bei Mobiliarsicherheiten im deutsch-österreichischen Rechtsverkehrs – Besprechungsaufsatz zu , ÖJZ 2020/6) stimmt der Entscheidung, wenn der Sachverhalt – wie hier – ein echtes grenzüberschreitendes Element aufweist, zu. Heindler (Die Faustpfandpublizität im IPR, ÖBA 2020, 395) hält die vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung vorgenommene Lösung zwar für radikal aber vertretbar, wobei er betont, dass die Fortschreibung der früheren Rechtsprechung de lege lata in einem Spannungsverhältnis zu den unionsrechtlichen Grundsätzen stehe, weil sie zum Untergang eines publizitätslosen Sicherungseigentums führe. Nach Faber (In Deutschland publizitätslos begründetes Sicherungseigentum nach Grenzübertritt doch nicht unwirksam? – Kritisches zu OGH 3 Ob 249/18s und Vorschlag einer alternativen Lösung, ÖBA 2019, 401) überzeuge die Begründung der Entscheidung insbesondere mangels Befassung mit der Frage, ob es sich bei den pfandrechtlichen Publizitätsvoraussetzungen des ABGB um Eingriffsnormen handle und mangels Bedachtnahme auf Folgeprobleme nicht. Dabei geht der Autor aber selbst davon aus, dass ein „zurück zum bisherigen Rechtszustand“ – wegen der unionsrechtlichen Bedenken – nicht erstrebenswert sei, weshalb seine Lösung eine Reform des österreichischen materiellen Rechts der Mobiliarsicherheiten, flankiert durch ausdrückliche Klarstellungen zum Kollisionsrecht vorsieht.
[11] 3.2.3 Die Argumente des Beklagten in seiner außerordentlichen Revision, in der er ausschließlich seinen Hinweis auf die genannten kritischen Stimmen wiederholt, eine konkrete Auseinandersetzung mit der bereits erfolgten Begründung des Berufungsgerichts jedoch vermissen lässt, bieten keinerlei Anlass, von der erst vor kurzem ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs abzugehen.
[12] 3.3 Soweit der Beklagte den Untergang des Sicherungseigentums der Klägerin mit der deutschen Kollisionsnorm des Art 43 Abs 2 EGBGB begründen möchte, ist ihm entgegenzuhalten: Diese Bestimmung betrifft den Fall, dass eine Sache in ein anderes Staatsgebiet gelangt. Für diesen Fall ordnet sie an, dass an der Sache bestehende dingliche Rechte nicht im Widerspruch zum neuen Gelegenheitsrecht ausgeübt werden können. Der Verweis auf diese Bestimmung ist aber insoweit nicht zielführend, weil sie keine Aussage über die Anerkennungsvoraussetzungen nach österreichischem Recht – die in der Entscheidung 3 Ob 249/18s bejaht wurden – trifft.
[13] 4.1.1 Der gute Glaube des Pfandnehmers setzt voraus, dass er davon überzeugt ist, kein fremdes Recht zu verletzen, und dass ihm bei dieser Annahme keine Fahrlässigkeit zur Last fällt (RS0011411). Der Pfanderwerber muss jede Fahrlässigkeit vertreten. Es genügt nicht die bloße Unkenntnis des dem Erwerb entgegenstehenden Hindernisses. Der Erwerber muss die positive Überzeugung haben, dass er durch den Erwerb kein fremdes Recht verletzt. Ein ihm unterlaufender Irrtum muss in jeder Hinsicht entschuldbar und unvermeidlich sein (RS0011412). Gutgläubiger Erwerb findet überall dort nicht statt, wo irgendein Merkmal den Erwerb als objektiv verdächtig erscheinen lässt (7 Ob 599/85).
[14] 4.1.2 Wer weiß oder wissen musste, dass eine zur Versteigerung gelangende Sache nicht dem gehört, als dessen Eigentum sie angegeben wird und versteigert werden soll, der kann nicht als redlicher Erwerber im Sinn des § 367 ABGB angesehen und geschützt werden (RS0010869). § 367 ABGB schützt – auch beim Erwerb in exekutiver Versteigerung – nur den redlichen Erwerber einer beweglichen Sache. Die Redlichkeit bestimmt sich nach § 368 ABGB. Redlich ist demnach nur, wer den Veräußerer aus wahrscheinlichen Gründen für den Eigentümer halten konnte, wobei diesbezüglich schon leichte Fahrlässigkeit schadet (RS0010885).
[15] 4.2 Das Berufungsgericht verneinte den guten Glauben des Beklagten an das Eigentum des Geschäftsführers bei der Pfandbestellung und bei der Ersteigerung aufgrund einer Vielzahl schwerwiegender Verdachtsmomente, die gegen das Eigentum des Geschäftsführers gesprochen hätten.
[16] 4.3 Gegen die nicht zu beanstandende Beurteilung des Berufungsgerichts bringt der Beklagte keine beachtenswerten Argumente. Dass er allenfalls aufgrund der früheren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf den Wegfall der Sicherungsübereignung nach der Verbringung des Fahrzeuges nach Österreich vertraut habe, entkräftet die vom Berufungsgericht aufgezeigte schwerwiegende Verdachtslage jedenfalls nicht.
[17] 5. Ein Eingehen auf die Ausführungen des Beklagten, wonach der Sicherungsübernehmer im Fall der Exekution in das Vermögen des Sicherungsgebers nicht zur Herausgabe der Sache mittels Exzindierungsklage berechtigt, sondern auf die Pfandvorrechtsklage nach § 258 EO beschränkt sei, erübrigt sich schon deshalb, weil der Geschäftsführer nach der insoweit nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts nicht Sicherungsgeber war.
[18] 6.1 Die Unterlassung der Widerspruchsklage nach § 37 EO bewirkt nicht den Verlust aller Ansprüche desjenigen, dessen Eigentum zu Unrecht im Exekutionsverfahren verwertet worden ist (RS0001308).
[19] 6.2 Ob ein stillschweigender Verzicht der Klägerin vorlag, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Für die Schlüssigkeit eines Verhaltens im Hinblick auf einen rechtsgeschäftlichen Willen legt § 863 ABGB einen strengen Maßstab an; es ist bei der Beurteilung der Frage, ob ein stillschweigender Verzicht auf ein Recht vorliegt, besondere Vorsicht geboten (RS0014190, RS0014420). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, in dem – bereits nach den Behauptungen des Beklagten – die Klägerin (vorerst) vom Untergang ihres Sicherungseigentums nach Verbringen des Fahrzeugs nach Österreich ausgegangen sei, liege es nicht auf der Hand, dass sie durch ihre Untätigkeit nach Verständigung über die Einleitung des Fahrnisexekutionsverfahrens auf ihr Eigentumsrecht und den Herausgabeanspruch gegenüber dem schlechtgläubigen Beklagten habe verzichten wollen, hält sich im Rahmen der Judikatur.
[20] 7. Da das Berufungsgericht – im Ergebnis unbeanstandet – davon ausging, dass der Beklagte mangels Gutgläubigkeit kein Pfandrecht erworben habe, erübrigen sich Ausführungen zur Frage eines Herausgabeanspruchs gegenüber dem gutgläubigen Pfandgläubiger.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00099.22T.0824.000 |
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