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OGH vom 27.06.2016, 6Ob93/16v

OGH vom 27.06.2016, 6Ob93/16v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Y***** K***** K*****, geboren am *****, vertreten durch den Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Soziales, Jugend und Familie, 4041 Linz, Neues Rathaus, Hauptstraße 1 5, über den Revisionsrekurs der Mutter N***** E*****, *****, vertreten durch Mag. Manfred Arthofer, Rechtsanwalt in Linz, als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 18/16x 88, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom , GZ 20 Pu 7/14h 82, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen .

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob bei Heranziehung des Oö Mindestsicherungsgesetzes und des Oö Wohlfahrtsgesetzes der Anspruch auf erhöhte Leistungen das Einkommen des unterhaltspflichtigen Leistungsbeziehers insgesamt erhöht.

Gegenstand des Verfahrens ist ausschließlich die Frage, ob bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage der gegenüber Y*****, der bei seinem Vater lebt, geldunterhaltspflichtigen Mutter neben der Notstandshilfe von monatlich 592 EUR, der Wohnbeihilfe von 262,50 EUR und der (für sie persönlich gewährten) bedarfsorientierten Mindestsicherung von monatlich knapp 300 EUR (zusammen somit rund 1.155 EUR) auch die für die mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden beiden (2003 und 2009 geborenen) Kinder gewährten Erhöhungsbeträge von rund 166 EUR (vgl AS 303) zu berücksichtigen sind, in welchem Fall sich die maßgebliche Unterhaltsbemessungsgrundlage auf monatlich 1.321 EUR erhöhen würde.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die von einem unterhaltspflichtigen Pensionisten bezogene Ausgleichszulage als Einkommen in dessen Unterhaltsbemessungsrundlage einzubeziehen (7 Ob 152/03h samt zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung; vgl auch RIS Justiz RS0047465), wobei mit der Entscheidung 7 Ob 152/03h außerdem klargestellt wurde, dass eine Differenzierung danach, ob sich die Ausgleichszulage im Hinblick auf einen im gleichen Haushalt mit dem Unterhaltspflichtigen lebenden Ehegatten oder Kinder erhöht hat, nicht vorzunehmen ist. Es bestehe hinsichtlich einer solchen Erhöhung, wenn sie auch im Hinblick auf sich gemäß § 293 ASVG in höheren Richtsätzen niederschlagende höhere Bedürfnisse gewährt wird, kein Anspruch des Ehegatten und der Kinder, sondern werde damit lediglich das Einkommen des unterhaltspflichtigen Pensionsbeziehers insgesamt erhöht.

Dieser Entscheidung stimmten Schwimann/Kolmasch (Unterhaltsrecht 7 [2014] 10) zu (vgl auch Gitschthaler , Unterhaltsrecht³ [2015] Rz 287/2).

2. In der Entscheidung 8 Ob 88/15x (EF Z 2016/42 [ Tews ]) entschied der Oberste Gerichtshof zum Wiener Mindestsicherungsgesetz, dass die öffentlich-rechtlichen Leistungen der Ausgleichszulage für Pensionsbezieher und der Anspruch auf bedarfsorientierte Mindestsicherung im Hinblick auf die Frage der Berücksichtigung von (wegen weiterer im Haushalt lebender Personen) erhöhten Richtsätzen bei der Unterhaltsbemessung für andere, nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Unterhaltsschuldner lebende Kinder vergleichbar seien. Bei beiden auch von ihrer Zweckwidmung her vergleichbaren Leistungen stehe der Anspruch auf die (erhöhte) Leistung dem Unterhaltsschuldner zu. Wenngleich die Erhöhung im Hinblick auf die Bedürfnisse der weiteren im Haushalt lebenden Person erfolgt, bestehe mangels entsprechender gesetzlicher Anordnung kein Anspruch dieser (minderjährigen) Person; vielmehr werde mit der Erhöhung lediglich das Einkommen des unterhaltspflichtigen Leistungsbeziehers insgesamt erhöht. Der Anspruch auf Mindestsicherung könne im Hinblick auf § 7 Abs 1 WMG für mehrere im gemeinsamen Haushalt lebende Personen („Bedarfsgemeinschaft“) nur gemeinsam geltend gemacht werden und stehe volljährigen Personen der Bedarfsgemeinschaft solidarisch zu. Die Abdeckung des Bedarfs von zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden minderjährigen Personen erfolge durch Zuerkennung des maßgeblichen Mindeststandards an die anspruchsberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft, der sie angehören.

Diese Entscheidung wurde von Tews (EF Z 2016, 94) kritisiert, der meinte, es erschiene „sachgerechter“, die Rechtsprechung zu den Kinderzuschüssen zu Pensionen heranzuziehen; solche Zuschüsse fielen nur dann in die Unterhaltsbemessungsgrundlage, wenn sie für das unterhaltsberechtigte Kind bezogen werden.

3. Mit dieser Argumentation übersieht Tews allerdings, dass der Oberste Gerichtshofs auch zu derartigen Kinderzuschüssen mehrfach ausführte, sie seien in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (etwa 7 Ob 620/93; 6 Ob 299/98h). Soweit in anderen Entscheidungen Gegenteiliges judiziert wurde (etwa 7 Ob 531/93; 1 Ob 76/99d), wurde dies damit begründet, Kinderzuschüsse stellten zwar kein Eigeneinkommen des Kindes dar, sollten aber vom Pensionsempfänger auch nicht für sich verwendet werden; es liege somit ein der Familienbeihilfe gleichzustellender Anspruch vor, der nicht als frei verfügbares Einkommen dem Pensionisten überlassen werde.

Gerade diese Wertung lässt sich jedoch nicht auf die erhöhte bedarfsorientierte Mindestsicherung übertragen, soll doch damit – worauf der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 88/15x hingewiesen hat – das der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung stehende Einkommen erhöht werden. Zwar findet sich im Oberösterreichischen Mindestsicherungsgesetz eine dem § 7 Abs 1 WMG vergleichbare ausdrückliche Norm nicht. Jedoch ordnet die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art 15a B VG über eine bundesweite bedarfsorientierte Mindestsicherung (BGBl I 96/2010), die sämtlichen Mindestsicherungsgesetzen der Bundesländer zugrunde liegt und deshalb zu einer weitestgehend einheitlichen Auslegung dieser Gesetze zwingt, in Art 4 Abs 2 Satz 2 an, dass (volljährige) bedürftige Personen Leistungen unter anderem auch im Namen der mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden, ihnen gegenüber unterhaltsberechtigten Personen geltend machen dürfen; dabei sieht Art 10 Mindeststandards an monatlichen Geldleistungen auch für diese Personen vor. Nach Art 13 Abs 1 sollen bei der Bemessung von Leistungen nach Art 10 bis 12 die zur Deckung der eigenen Bedarfe (beziehungsweise jener der nach Art 4 Abs 2 zugehörigen Personen) unter anderem zur Verfügung stehende Leistungen Dritter berücksichtigt werden, worunter bei Kindern zwangslos auch Unterhaltsansprüche subsumiert werden können. Aus einer Zusammenschau dieser Bestimmungen zeigt sich somit, dass auch die genannte Vereinbarung nach Art 15a B VG von jener Bedarfsgemeinschaft ausgeht, die etwa in § 7 WMG explizit geregelt ist (vgl auch Anlage 1 zur Vereinbarung, wo ausdrücklich von „Bedarfsgemeinschaften“ die Rede ist, die auch die Kinder zu umfassen haben).

Für einen konkreten Anspruch der im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder auf die Erhöhungsbeträge lässt sich somit – jedenfalls auch nach dem Oö BMSG – eine gesetzliche Grundlage nicht erkennen; § 8 Abs 1 Oö BMSG spricht lediglich vom „Einkommen“ in Haushaltsgemeinschaft mit hilfebedürftigen Personen lebender Kinder bis zur Erreichung der Volljährigkeit, das ausschließlich zur eigenen Bedarfsdeckung zu berücksichtigen ist.

Das von Tews dargestellte Berechnungsbeispiel, wonach letztlich dem Unterhaltspflichtigen überhaupt keine Erhöhungsbeiträge mehr zukämen, ist im Übrigen nicht einschlägig, als es auf der „Unterstellung“ beruht, beide Elternteile bezögen Mindestsicherung samt Zuschlägen für die jeweils bei ihnen lebenden Kinder; dafür finden sich in der Aktenlage aber keinerlei Anhaltspunkte (vgl AS 237, wo von einem monatlichen Verdienst des Vaters von 1.620 EUR die Rede ist).

4. Da die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage durch die Entscheidung 8 Ob 88/15x bereits beantwortet ist und der Oberste Gerichtshof keine Veranlassung sieht, aufgrund der an dieser Entscheidung geübten Kritik von Tews davon wieder abzugehen, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00093.16V.0627.000