OGH vom 22.10.2019, 5Ob82/19y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** G*****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger, Dr. Otto Urban, Mag. Andreas Meissner, Mag. Thomas Laherstorfer, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei V*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, sowie der Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei 1. T***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Wolfgang Kempf, Rechtsanwalt in Linz, 2. C***** AG, *****, vertreten durch MMag. Hermann Bogensperger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 1.208 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 346/18s-69, mit dem das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom , GZ 35 C 54/17d-63, über Berufung der beklagten Partei abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und den Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei binnen 14 Tagen die jeweils mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin kam in einem von der Beklagten betriebenen Einkaufszentrum beim Betreten eines Aufzugs zu Sturz. Der Aufzug war mit geöffneten Türen so stehen geblieben, dass sein Boden etwa 8–10 cm über das Niveau des Fußbodens vor dem Lift hinausragte. Die Klägerin stolperte über die dadurch entstandene Stufe und fiel der Länge nach hin. Dabei verletzte sie sich im Bereich des linken Knies und der linken Schulter.
Dieser Unfall ereignete sich auf dem Weg von einem Café, das die Klägerin besucht hatte, zu einem Geschäft, in dem die Klägerin einkaufen wollte. Die Ursache dafür, dass der Aufzug so stehen geblieben war, war ein spontaner Defekt, der sich nicht schon zuvor durch fehlerhaftes oder ungewöhnliches Verhalten ankündigte. Wie lange sich der Aufzug vor dem Sturz der Klägerin bereits in diesem Zustand mit Stufe und geöffneten Türen befunden hatte, konnte nicht festgestellt werden.
Die Aufzugsanlagen im Einkaufszentrum der Beklagten werden auf Basis eines Wartungsvertrags vom Hersteller regelmäßig gewartet und bei allfälligen Mängeln repariert. An den Öffnungstagen gehen von der Beklagten beschäftigte Techniker in der Früh durch das Einkaufszentrum und machen eine Sichtkontrolle, die das gesamte Gebäude und damit auch die Aufzüge umfasst. Tagsüber ist ein Security-Mitarbeiter der Beklagten im Haus unterwegs, der die Anweisung hat, bei augenscheinlichen Defekten sofort Mitteilung an die Techniker zu machen.
Die Klägerin begehrte, 1. die Beklagte schuldig zu erkennen, der Klägerin 1.208 EUR an Schadenersatz für die erlittenen Verletzungen (Schmerzengeld, Pflegekosten, Haushaltshilfe, unfallskausale Aufwendungen) zu zahlen, und 2. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin zur Hälfte für sämtliche künftige, derzeit nicht bekannte Schäden aus dem Sturzgeschehen hafte.
Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass die Beklagte der Klägerin „für ihre Ansprüche auf Schmerzengeld, Haushaltshilfe, Pflege und unfallskausale Unkosten und allfällige Spät- und/oder Dauerfolgen, die dieser durch den Sturz am im Einkaufszentrum [...] entstanden sind, zu 50 % haftet“. Dies begründete das Erstgericht zusammengefasst damit, dass der Geschädigte nur den Schaden und die Kausalität sowie einen – ein rechtswidriges Verhalten indizierenden – objektiv rechtswidrigen Zustand beweisen müsse; anschließend stehe dem Schädiger der Entlastungsbeweis offen. Der Verkehrssicherungspflichtige habe dabei zu beweisen, dass er die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen habe, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sich diese Pflicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (Ingerenzprinzip) oder einem Vertrag ergebe. Der Beweis, auf das Auftreten des mangelhaften Zustands des Lifts rechtzeitig die ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen zu haben, um für die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer zu sorgen, sei der Beklagten nicht gelungen. Es habe nicht festgestellt werden können, wie lange der Lift unbündig mit offenen Türen gestanden sei, bevor ihn die Klägerin betreten habe. Diese Negativfeststellung belaste die Beklagte. Das eigene Mitverschulden, das darin bestehe, dass sie der eingeschlagenen Wegstrecke beim Betreten des Lifts zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet habe, habe die Klägerin mit 50 % ausreichend berücksichtigt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das gesamte Klagebegehren ab. Das Erstgericht habe mit seinem Zwischenurteil nicht lediglich ein Teilzwischenurteil über den Grund des Anspruchs über das Leistungsbegehren gefällt, sondern auch über das Feststellungsbegehren entschieden. Das Berufungsgericht könne daher über beide Teilbegehren entscheiden. Die Klägerin leite ihren Anspruch nicht aus einem direkten Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten als Betreiberin des Einkaufszentrums, sondern aus dem Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ab, weil sie vor dem Unfall ein Café im Obergeschoss des Einkaufszentrums besucht und sich der Unfall dann auf dem Weg von diesem Café zu einem Geschäft im Erdgeschoss ereignet habe. Von den Schutzwirkungen eines Bestandvertrags seien aber grundsätzlich nur solche Dritte erfasst, die das Bestandobjekt in ähnlicher Intensität und Häufigkeit nutzten wie der Mieter selbst. Kunden von Geschäftsraummietern seien daher ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zur Interessensphäre des Mieters und dessen allfälliger Fürsorgepflicht den kurzfristigen Besuchern von Wohnungsmietern gleich zu halten, sodass sich die Nebenpflichten des Vermieters aus dem Bestandvertrag nicht auch auf sie bezögen. Die Klägerin sei somit von den Schutzwirkungen der zwischen der Beklagten und den Betreibern des von ihr aufgesuchten Cafés bzw des von ihr angestrebten Geschäfts nicht erfasst. Sie könne ihren Anspruch daher nur auf die von ihr ebenfalls geltend gemachte deliktische Haftung der Beklagten wegen Verstoßes gegen deren Verkehrssicherungspflichten stützen. Wenn dem Geschädigten der Nachweis eines Schadens und der Kausalität sowie zumindest eines – ein rechtswidriges Verhalten indizierenden – objektiv rechtswidrigen Zustands gelungen sei, habe der Verkehrssicherungspflichtige zu beweisen, dass er die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen habe. Der Klägerin sei zwar der Nachweis eines objektiv rechtswidrigen Zustands gelungen, weil feststehe, dass der Lift nicht bodenniveaugleich angehalten habe, seine Tür offengestanden sei und eine 8–10 cm hohe Stufe zwischen dem vor dem Lift befindlichen Boden und dem Boden der Liftkabine verblieben sei. Im Hinblick auf die Ursache für den objektiv rechtswidrigen Zustand des Aufzugs, die regelmäßige Wartung und die Anordnung einer täglichen Überprüfung und Kontrolle (auch) der Aufzugsanlagen habe die Beklagte allerdings den Entlastungsbeweis erbracht. Da die allgemeine Verkehrssicherungspflicht dem Deliktsrecht entspringe, hafte der Verkehrssicherungspflichtige für Gehilfen nur nach § 1315 ABGB, also nur, wenn feststehe, dass der eingesetzte Besorgungsgehilfe habituell für die ihm übertragenen Aufgaben ungeeignet und dies für den Verkehrssicherungspflichtigen auch erkennbar gewesen sei. Die Klägerin habe die Untüchtigkeit der von der Beklagten eingesetzten Gehilfen aber gar nicht behauptet, auch könne aus dem festgestellten Sachverhalt kein verlässlicher Schluss auf eine Untüchtigkeit oder gar Gefährlichkeit der Gehilfen der Beklagten gezogen werden. Die Klägerin könne somit ihr Begehren weder auf einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter noch auf eine Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte stützen.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, an der sich das Berufungsgericht orientiert habe, in der Literatur auf Kritik gestoßen sei und dort auch die Rechtsauffassung vertreten werde, dass die Ausgrenzung von Kunden eines Geschäftsraummieters von den Schutzwirkungen eines Bestandvertrags nicht sachgerecht sei.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung abzuändern und dem Klagebegehren zur Gänze statt zu geben. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die Beklagte und die auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenientinnen beantragen in ihren jeweiligen Revisionsbeantwortungen, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
1.1. Eine Sorgfalts- und Schutzpflicht zugunsten dritter am Vertrag nicht beteiligter Personen wird von Lehre und Rechtsprechung dann angenommen, wenn bei objektiver Auslegung des Vertrags anzunehmen ist, dass eine Sorgfaltspflicht auch in Bezug auf die dritte Person, wenn auch nur der vertragschließenden Partei gegenüber, übernommen wurde (RIS-Justiz RS0017195). Im Fall eines solchen Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter erwirbt der Dritte unmittelbare vertragliche Ansprüche gegen den Schuldner (RS0037785 [T34, T 45]), der dann auch gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden jener Personen haftet, deren er sich zur Erfüllung bediente (RS0037785 [T34]).
1.2. Dievom Gesetzgeber getroffene unterschiedliche Ausgestaltung von Deliktsrecht und Vertragsrecht soll nicht aufgehoben oder verwischt werden, weshalb der Kreis der durch den Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter geschützten Personen eng gezogen werden muss (RS0022814 [T2]). Begünstigte Personen sind (nur) Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung beim Vertragsabschluss vorhersehbar war, die also der vertraglichen Leistung nahestehen und die der Vertragspartner entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte, an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist (2 Ob 209/17z; RS0017195 [T5, T 12]; RS0037785 [T5, T 21, T 22]; RS0034594). Der begünstigte Personenkreis ist dabei aufgrund einer objektiven Auslegung des Vertrags zu bestimmen (RS0037785 [T25]; RS0034594 [T19]).
2.1. Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass sich die Nebenpflichten des Vermieters aus dem Bestandvertrag zwar auch auf die zur Hausgemeinschaft des Mieters gehörenden Personen erstrecken, nicht aber auf Personen, die sich in den Mieträumen nur kurzfristig aufhalten, wie Gäste, Lieferanten und Handwerker oder bloße Besucher und zu Besuch weilende Angehörige des Mieters (2 Ob 70/12a; vgl RS0023168). Nur solche Dritte sollten von den Schutzwirkungen eines Bestandvertrags erfasst sein, die das Bestandobjekt in ähnlicher Intensität und Häufigkeit nutzten, wie der Mieter selbst. Ein nur kurzfristiger Aufenthalt im Bestandobjekt reicht nicht aus, um die geforderte Nähe zur vertraglich geschuldeten Hauptleistung des Vermieters herzustellen (2 Ob 70/12a). Diese Rechtsprechung wurde in der Entscheidung 4 Ob 223/10p (obiter) in Frage gestellt. Die in dieser Entscheidung in den Raum gestellten Bedenken teilte der 2. Senat ausdrücklich nicht. Zu 2 Ob 70/12a sprach er vielmehr aus, dass die diese Rechtsprechung tragenden Erwägungen für Wohnungs- und Geschäftsraummiete gleichermaßen zu gelten hätten und daher Kunden, Klienten oder Patienten eines Geschäftsraummieters ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zur Interessensphäre des Mieters und dessen allfälliger Fürsorgepflicht von den Schutzwirkungen eines Bestandvertrags nicht erfasst seien (vgl RS0023168 [T14]). Eine andere Beurteilung würde zu einer uferlosen Ausweitung der Vertragshaftung beitragen.
2.2. Ausgehend von dieser Rechtsprechung verneinte das Berufungsgericht die Haftung der Beklagten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, weil die Klägerin von den Schutzwirkungen der zwischen ihr und den Betreibern des von ihr aufgesuchten Cafés und des von ihr angestrebten Geschäfts nicht erfasst sei. Die Klägerin wendet sich in ihrer Revision (ausschließlich) gegen diese Rechtsansicht des Berufungsgerichts. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum einfachen Geschäftsraummieter lasse sich nicht auf Einkaufszentren übertragen.
2.3. Die Rechtsfrage, ob Kunden eines Geschäftsraummieters im Allgemeinen oder in einem Einkaufszentrum von den Schutzwirkungen des vom Geschäftsraummieter abgeschlossenen Bestandvertrags umfasst sind, kann in diesem Verfahren auf sich beruhen. Diese vom Berufungsgericht und der Klägerin als erheblich iSd § 502 ZPO erachtete Frage ist hier nämlich für die Entscheidung nicht maßgeblich, weil sich die Klägerin auf das Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter schon zufolge dessen Subsidiarität nicht berufen kann.
3.1. Grundvoraussetzung für die Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich eines Vertrags ist dessen schutzwürdiges Interesse. Ein solches ist aber zu verneinen, wenn dieser kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den späteren Schädiger vertraglich als Erfüllungsgehilfen beizog, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat (Subsidiarität; RS0022814 [T1]; RS0129705 [T1]). Nach ständiger Rechtsprechung wird ein geschädigter Dritter also dann nicht in den Schutzbereich eines fremden Vertrags einbezogen, wenn er selbst einen deckungsgleichen Schadenersatzanspruch gegen einen der beiden Vertragspartner hat (9 Ob 69/17p mwN; RS0022814 [T15]).
3.2. Der Unfall ereignete sich auf dem Weg von einem Café, das die Klägerin besucht hatte, zu einem Geschäft, in dem die Klägerin einkaufen wollte. Nach ständiger Rechtsprechung treffen einen Geschäftsinhaber gegenüber seinen (potentiellen) Kunden nicht nur allgemeine Verkehrssicherungspflichten, sondern auch vor- und nachvertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten (4 Ob 13/19v mwN). Es ist Aufgabe der Geschäftsinhaber, ihre Kunden vor den ihnen beim Betreten oder Verlassen ihres Geschäfts im Zugangsbereich drohenden Gefahren zu schützen, soweit diese für sie bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar sind (4 Ob 13/19v mwN). Der Geschäftsinhaber hat also die seiner Verfügung unterliegenden Anlagen, die er den Kunden zur Benützung einräumt, in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu halten. Er muss alle erkennbaren Gefahrenquellen, die sich aus dem Geschäftsbetrieb ergeben, ausschalten (5 Ob 89/17z; RS0023597). Diese vertraglichen Verkehrssicherungspflichten erstrecken sich auch auf Flächen und Anlagen außerhalb des eigentlichen Geschäftslokals, wenn diese funktionell noch zum Zugangsbereich gehören und von den Kunden bestimmungsgemäß benützt werden (4 Ob 13/19v). Das gilt für zur Verfügung gestellte Parkplätze und Zugangswege (6 Ob 180/14k; RS0023768; RS0023554 [T3]), Gehsteige (RS0023597 [T6]), Gänge und Treppen (RS0023554), aber auch für Aufzugsanlagen (vgl 2 Ob 598/89). Auf die Eigentumsverhältnisse an den Zugangsbereichen vor dem Geschäftslokal oder auf die rechtliche Verfügungsmöglichkeit des Geschäftsinhabers auf den zu sichernden Bereich kommt es nicht an (4 Ob 13/19v mwN). Ebensowenig ist eine Haftung des Geschäftsinhabers deshalb ausgeschlossen, weil der zu sichernde Bereich und seine Anlagen nicht einzelnen Geschäften zugeordnet sind, sondern den Kunden mehrerer Geschäfte als Zugangsmöglichkeit dienten und zur Verfügung stehen (4 Ob 13/19v). Die vor- und nachvertraglichen Schutzpflichten dürfen freilich nicht überspannt werden. Soll die vom Gesetzgeber getroffene unterschiedliche Ausgestaltung von Deliktsrecht und Vertragsrecht nicht aufgehoben oder verwischt werden, müssen insbesondere Schutz- und Sorgfaltspflichten aufgrund eines nachvertraglichen Schuldverhältnisses durch einen inneren Zusammenhang mit dem Vertragsverhältnis gerechtfertigt sein. Bei der Prüfung, wann ein nachvertraglicher Kontakt in einen deliktischen Zufallskontakt übergeht, kommt es auf die zeitliche, örtliche und funktionale Nähe der schädigenden Handlung zu dem Vertragsverhältnis, ausgelegt nach der Übung des redlichen Verkehrs, an (4 Ob 13/19v mwN).
3.3. DieKlägerin vertritt in ihrer Revision (nach wie vor) selbst den Standpunkt, dass sie gegenüber den Betreibern des Geschäfts, welches sie aufzusuchen beabsichtigte, und gegenüber des Cafés, welches sie zuvor verlassen hatte, („lediglich“) vor- bzw nachvertragliche Ansprüche aus der Verletzung der Nebenpflicht zur Gewährung eines gefahrlosen Zugangs habe. Das ist im Hinblick auf die dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und den festgestellten zeitlichen, örtlichen und funktionalen Zusammenhang zwischen der schädigenden Unterlassung und diesen vor- und nachvertraglichen Schuldverhältnissen auch tatsächlich zu bejahen (vgl 4 Ob 13/19v; 6 Ob 180/14k). Entgegen der Auffassung der Klägerin steht ihr damit aber ein deckungsgleicher vertraglicher Schadenersatzanspruch gegenüber einem Vertragspartner der Beklagten zu. Die Beklagte als Betreiberin des Einkaufszentrums und Bestandgeberin der Geschäftsinhaber ist dabei in Bezug auf die Sicherung der Zugangsbereiche und Anlagen, die dieser seinen (potentiellen) Kunden zur Verfügung stellt, deren Erfüllungsgehilfe iSd § 1313a ABGB. Die von dieser mit den entsprechenden Aufgaben betrauten Personen und Unternehmen sind wiederum deren Erfüllungsgehilfin iSd § 1313a ABGB. Es besteht eine Haftung für den Gehilfen eines Gehilfen, also eine sogenannte „Erfüllungsgehilfenkette“ (4 Ob 13/19v mwN; RS0021803). Es bedarf hier daher keines Rückgriffs auf das subsidiäre Rechtsinstitut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, um die Interessen der geschädigten Klägerin zu wahren.
4.1. Das Berufungsgericht hat demnach die Haftung der Beklagten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf Basis bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung zutreffend verneint. Mit dessen Beurteilung, dass auch die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung der Beklagten nicht gegeben seien, setzt sich die Klägerin in ihrer Revision erst gar nicht auseinander. Die Revision ist daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und zurückzuweisen.
4.2. Die Kostenentscheidung gründet auf § 41, 50 ZPO. Die Beklagte und die auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenientinnen haben auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (RS0112296; RS0035962; RS0035979).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00082.19Y.1022.000 |
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