OGH vom 16.08.2007, 3Ob95/07b
Kopf
Die an dieser Stelle befindliche Grafik kann nicht angezeigt werden. Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R***** reg. Genossenschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Kraler Rechtsanwalt GmbH in Lienz, wider die verpflichtete Partei Daniel G*****, wegen 4.925,36 EUR s.A., infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 1 R 3/07h-78, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 1 R 3/07h-84, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Lienz vom , GZ 30 E 44/05f-74, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die unterlassene Zurückweisung des Rekurses der Überbieterin wendet, zurückgewiesen.
Im Übrigen wird ihm nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Nachdem 2/9 Anteile des Verpflichteten an einer Liegenschaft einer Überbieterin zugeschlagen worden waren, wies das Exekutionsgericht in seinem Meistbotsverteilungsbeschluss u.a. aus dem Kapitalsbetrag unter Punkt 13.) der betreibenden Bank das restliche Meistbot von 9.424,87 EUR zur (vollständigen) Berichtigung der Zinsen und Kosten sowie zur teilweisen Tilgung des Kapitals zu; dazu kamen noch 20,65 EUR aus dem Zinsenzuwachs. Außerdem hob es das zu ClNR 3a auf der ganzen Liegenschaft zugunsten des Josef G***** einverleibte Wohnungsrecht auf.
Diesen Beschluss bekämpften die Überbieterin und der Wohnungsberechtigte jeweils insoweit, als dessen Wohnungsrecht aufgehoben wurde. Während erstere begehrte, statt dessen anzuordnen, dass sie das Recht unter anteiliger Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen habe und ihr das [anteilige] Deckungskapital von 11.189 EUR im Rang des Wohnungsrechts ausgefolgt werde, strebte letzterer in erster Linie an, auszusprechen, dass sein Recht ohne Anrechnung auf das Überbot übernommen werde; hilfsweise stellte er einen der Erstgenannten entsprechenden Antrag; wiederum in eventu beantragte er die Zuweisung des genannten Entschädigungsbetrags an ihn.
Das Gericht zweiter Instanz gab beiden Rekursen (dem des Wohnungsberechtigten nur teilweise) durch seinen Ausspruch dahin Folge, dass das Wohnungsrecht von der Überbieterin unter Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen und das darauf entfallende Deckungskapital von 11.188,88 EUR an sie auszufolgen sei. Demgemäß wies es (neben dem jeweiligen Teil des Zinsenzuwachs) nur noch dem in der bücherlichen Rangordnung 11. Gläubiger 89,20 EUR zu und wies die Mehrbegehren (also neben dem des 12. Gläubigers auch das der betreibenden Partei) ab. Es sprach letztlich aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Der außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist teils unzulässig, teils nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
a) Soweit sich die Revisionsrekurswerberin dagegen wendet, dass auch dem Rekurs der Überbieterin Folge gegeben und dieser nicht mangels Beschwer zurückgewiesen worden sei, fehlt es dieser an der erforderlichen Beschwer. Mit dem angefochtenen Beschluss hat ja das Gericht zweiter Instanz auch einem (noch weiter gehenden) Rekurs des Dienstbarkeitsberechtigten im selben Umfang Folge gegeben. Die Entscheidung wäre daher auch bei Zurückweisung des Rekurses der Überbieterin nicht anders ausgefallen.
b) In der Sache vermeint die betreibende Partei, das Wohnungsrecht hätte allein infolge der Versteigerung eines ideellen Anteils der dienenden Liegenschaft aufgehoben werden müssen. Dem kann aber nicht gefolgt werden.
Richtig ist, dass nach der im Einklang mit der Lehre stehenden stRsp des Obersten Gerichtshofs Dienstbarkeiten an ideellen Liegenschaftsanteilen nicht begründet werden können (SZ 41/30; 3 Ob 504/78 = MietSlg 31.650; 6 Ob 155/00p = NZ 2001, 343 = MietSlg 52.039; Hofmann in Rummel³ § 472 ABGB Rz 2, § 509 ABGB Rz 1; Kiendl-Wendner in Schwimann³ § 485 ABGB Rz 5 f; Sailer in KBB² § 829 ABGB Rz 2), soweit nicht Wohnungseigentum begründet wurde (Hofmann aaO § 521 Rz 1; Würth in Rummel³ § 2 WEG Rz 3; Koch in KBB² § 521 ABGB Rz 2). Dasselbe gilt demnach auch für das Wohnungsgebrauchsrecht nach § 521 zweiter Satz ABGB (SZ 41/30; 3 Ob 318/01p = SZ 2002/55 = EvBl 2002/148; 5 Ob 251/03b = NZ 2004, 248), aber - Hofmeister folgend - nach neuerer zutreffender Rsp auch für den Wohnungsnießbrauch nach dem dritten Satz dieser Norm (2 Ob 520/95 = SZ 68/70 = Jbl 1996, 256 = EvBl 1995/186; 5 Ob 167/99s = NZ 2000, 315; Hofmann aaO § 521 ABGB Rz 1; Kiendl-Wendner aaO und § 521 ABGB Rz 7). Demnach ist es unerheblich, wie das einverleibte Wohnungsrecht im vorliegenden Fall einzustufen ist. Daraus folgt weiters, dass eine Servitut - außer im Sonderfall eines allgemeinen Fruchtgenusses - auf einzelnen Miteigentumsanteilen nicht bestehen kann (5 Ob 143/92 = NZ 1993, 178; 5 Ob 251/03b; 5 Ob 168/06a = EvBl 2007/149 = wobl 2007, 172 [Call] u.a.; Heller/Berger/Stix, EO4 1564 mwN; für Grunddienstbarkeiten Kiendl-Wendner aaO Rz 6). Dass auch an im Miteigentum stehenden Liegenschaften Servituten begründet werden können, wenn alle Miteigentümer zustimmen, steht außer Zweifel (Jbl 1960, 441; 9 Ob 52/97f; 6 Ob 84/05d; Hofmann aaO § 472 ABGB Rz 2; Kiendl-Wendner aaO § 480 ABGB Rz 4; Koch aaO § 472 ABGB Rz 2).
Aus diesen Grundsätzen wird mit Recht abgeleitet, dass das unzulässige Ergebnis auch nicht auf indirektem Weg erreicht werden kann (etwa durch Rechtfertigung der Vormerkung des Eigentums bei einem Miteigentumsanteil, wenn die ganze Liegenschaft durch eine Dienstbarkeit belastet ist: 5 Ob 251/03b = NZ 2004, 248 [krit Hoyer 253]).
Dienstbarkeiten sind beschränkt dingliche Rechte, die u.a. gegenüber jedem Eigentümer der Sache wirken (2 Ob 2267/96p = SZ 69/180; Hofmann aaO § 472 ABGB Rz 1; Iro, Sachenrecht² Rz 15/1). Daher ändert ein (teilweiser) Wechsel der Eigentümer der dienenden Liegenschaft an Bestand und Umfang der Dienstbarkeit nichts.
Für die Zwangsversteigerung bedeutet dies, dass grundsätzlich der Zuschlag an den Ersteher und damit der Eigentumserwerb eines neuen (Mit-)Eigentümers die im Grundbuch einverleibten Dienstbarkeiten unberührt lässt, soweit nicht exekutionsrechtliche Vorschriften anderes anordnen. Demnach bleiben sie aufrecht, wenn sie vom Ersteher nach § 150 EO ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen sind oder sonst (mit Anrechnung) im Meistbot volle Deckung finden (§ 227 Abs 1 EO e contrario; SZ 2002/55; Angst in Angst, EO,§ 225 Rz 2, § 237 Rz 7; Hofmann aaO § 472 ABGB Rz 6).
Die angefochtene Entscheidung steht im vollen Einklang mit der dargestellten Rechtslage. Dass das Wohnungsrecht (anteilig) im Meistbot für die versteigerten Anteile Deckung findet (vgl Heller/Berger/Stix aaO 1565), bezweifelt die betreibende Partei offenbar nicht. Entgegen der im außerordentlichen Revisionsrekurs geäußerten Ansicht besteht demnach kein rechtliches Hindernis gegen den Fortbestand der Dienstbarkeit an der ganzen Liegenschaft. Die Entscheidung 2 Ob 520/95 (= SZ 68/70 = EvBl 1995/186= Jbl 1996, 256) behandelt nicht das Schicksal von Dienstbarkeiten im Zwangsversteigerungsverfahren und bietet für die Ansicht der betreibenden Partei auch sonst keine Stütze. Dass auch die - allenfalls durch das Wort „daher" missverständliche - Lehrmeinung von Heller/Berger/Stix (aaO 1565) in Wahrheit die abzulehnende Rechtsansicht des Exekutionsgerichts nicht trägt, hat schon das Gericht zweiter Instanz richtig dargelegt. Die diesen Autoren folgende Darstellung von Lecher (in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO,§§ 225-227 Rz 49) lässt dem entsprechend keinen Zweifel offen, dass die gänzliche Löschung eines auf einem Anteil allein nicht bestehen könnenden Rechts nur mangels Deckung im restlichen Meistbot zu erfolgen hat. Da ein solcher Fall hier nicht vorliegt, ist dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Dass der betreibenden Partei kein Kostenersatz zusteht, folgt schon aus § 78 EO iVm §§ 50, 40 ZPO.