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OGH vom 14.09.2011, 6Ob9/11h

OGH vom 14.09.2011, 6Ob9/11h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundesarbeitskammer, 1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20 22, vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer ua Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei E***** AG, *****, vertreten durch Neumayer, Walter Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen Feststellung (4.500 EUR), in eventu Zahlung von 4.222,55 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 60 R 61/09i 22, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 5 C 221/08y 18, bestätigt wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden hinsichtlich des Hauptbegehrens dahingehend abgeändert, dass sie als Teilurteil zu lauten haben wie folgt:

„Das Klagebegehren, es werde zwischen den Parteien festgestellt, dass die Beklagte für jeden Schaden hafte, der E***** H***** aus der Vermittlung und der fehlerhaften Beratung im Zusammenhang mit dem Erwerb der Meinl European Land (MEL) Wertpapiere ISIN AT0000660659, Antragsnummer *****, Vertragsbezeichnung Meinl European Land, Vertragsbeginn Anlageplan ab 05/2004, einbezahlt 3.448 EUR, sowie Vertragsbezeichnung Kapitalerhöhung, Vertragsbeginn , einbezahlt 134,55 EUR, entstehe, wird abgewiesen“.

Im Übrigen, also betreffend das Eventualbegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin Zug um Zug gegen Übergabe der Meinl European Land (MEL) Wertpapiere ISIN AT0000660659 3.622,55 EUR zuzüglich 600 EUR samt 4 % Zinsen ab Klagseinbringung zu bezahlen, wird die Rechtssache zur Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist ein in § 29 KSchG genannter Verband. Die Verbraucherin E***** H***** (im Folgenden Verbraucherin genannt) hat der Klägerin ihre Ansprüche gegen die Beklagte zur klagsweisen Geltendmachung und zum Inkasso abgetreten.

Die Beklagte hat die Verbraucherin im April 2004 im Zusammenhang mit dem Erwerb von „Meinl European Land“ (MEL) Zertifikaten beraten.

Die Verbraucherin ist von Beruf Angestellte und verfügte vor dieser Veranlagung nur über Sparbücher und Bausparverträge, hatte jedoch keine Erfahrungen mit Wertpapieren oder sonstigen Anlageformen. Generell war ihr schon bekannt, dass man mit einer Aktie auch verlieren kann. Über Vermittlung ihrer Tochter suchte die Beraterin der Beklagten, M***** R***** (in der Folge Beraterin genannt), die Verbraucherin zu Hause auf und übergab ihr eine Visitenkarte, die sie als Beraterin der Beklagten auswies. Die Beraterin teilte der Verbraucherin mit, sie könne in Bezug auf Versicherungen und Kredite beraten. Auf die Frage nach ihren Sparformen berichtete ihr die Verbraucherin von einem existierenden Bausparvertrag. Die Beraterin sagte, sie habe etwas viel Besseres, und zeigte der Verbraucherin Tabellen mit Gewinnprognosen. Sie sagte zur Verbraucherin, wenn sie das abschließe, könne sie wesentlich mehr Gewinn als mit einem Bausparvertrag machen. Sie werde sich um die Auflösung des Bausparvertrags kümmern, die Summe, die sie dabei verlieren werde, würde in kurzer Zeit durch die Anlage in MEL Papiere wieder ausgeglichen. Nachdem die Verbraucherin die Tabellen mit Gewinnprognosen durchgelesen hatte, sagte sie zur Beraterin, sie wolle auf keinen Fall mit Aktien zu tun haben, weil sie davon keine Ahnung habe. Die Beraterin sagte ihr, dies seien keine Aktien, sondern es sei genau so ein Sparen wie der Bausparvertrag, nur mit mehr Gewinn. Es werde mit Supermärkten expandiert, da könne man keinen Verlust haben. Es handle sich um ein „Fondssparen“, das besser als ein Bausparvertrag sei, und nicht um eine Aktie im herkömmlichen Sinn und es sei ohne Risiko. Die Verbraucherin wies die Beraterin mehrmals darauf hin, dass sie „ja keine Aktien“ haben wolle, weil sie sich da nicht auskenne und davor Angst habe. Die Beraterin beruhigte sie, sie müsse keine Angst haben, sie würde mit dem Produkt hundertprozentig einen Gewinn haben. Die nächsten 15 Jahre habe sie sogar eine Garantie auf einen Gewinn. Daraufhin entschied sich die Verbraucherin zu dieser Anlageform. Sie erwartete sich ein Produkt, in das sie „einsparen“ und einen Gewinn erzielen würde. Sie erwartete keine Verluste.

Die Verbraucherin erhielt bei der Beratung von der Beraterin den Konto und Depoteröffnungsantrag/Kaufauftrag und das Beratungsprotokoll zur Ermittlung des Anlegerprofils ausgehändigt. Beide Urkunden waren bereits von der Beraterin vorausgefüllt. Die Beraterin ging die einzelnen Punkte nicht mit der Verbraucherin durch und fragte sie insbesondere nicht zu ihrer konkreten Risikobereitschaft, ehe sie das Beratungsprotokoll ausfüllte und es der Verbraucherin zur Unterschrift vorlegte. Das Beratungsprotokoll enthält ua folgende Angaben:

„ Nennen Sie mindestens zwei Gründe, warum Sie sich für die nachfolgenden Produkte entschieden haben: Höherer Ertrag, Kapitalaufbau, Absicherung des Kredits im Falle des Unfalls, finanzielle Versicherung.

In der Spalte 'Kenntnisse und Erfahrungen im Veranlagungsbereich' ist angekreuzt, dass bisher keine Wertpapiergeschäfte getätigt wurden, auch nicht auf Kreditbasis.

Die aktuelle Vermögens und Einkommenssituation ist dahin angegeben, dass dem Kunden nach Abzug sämtlicher Belastungen pro Jahr auf dem Konto bis zu 5.000 EUR verbleiben, der Kunde keine laufenden Verpflichtungen in Form eines Hypothekenkredits zu erfüllen hat, über Vermögen bis 50.000 EUR und über Kreditverbindlichkeiten über 25.000 EUR verfügt.

In der Spalte Anlageinteresse/Risikoprofil ist angekreuzt: 'ausgewogen/risikobewusst'.

In der Spalte 'Angaben zum geplanten Anlagenhorizont' ist angekreuzt „mittelfristig (bis ca 10 Jahre)'.“

Das Beratungsprotokoll wurde von der Verbraucherin und der Beraterin unterschrieben, ohne dass die Beraterin es vorher mit der Verbraucherin durchgegangen wäre.

Das Beratungsprotokoll der Beklagten enthält unmittelbar über der Unterschrift des Kunden und der Beraterin einen Ausschluss der Haftung der Beklagten für leicht fahrlässig zugefügte Schäden.

Ob die Verbraucherin beim Beratungsgespräch auch den Verkaufsprospekt erhielt, kann nicht festgestellt werden. Sie vertraute jedenfalls aufgrund der mehrfachen Zusicherungen der Beraterin darauf, dass es sich bei den MEL Zertifikaten nicht um Aktien im herkömmlichen Sinn handle und sie kein größeres Risiko als bei einem Bausparvertrag eingehe. Deshalb las sie sich auch die ihr übergebenen Unterlagen nicht näher durch. Sie war sich aufgrund des Beratungsgesprächs nicht bewusst, eine riskante Anlageform gewählt zu haben.

Dass die Verbraucherin monatliche Abrechnungen erhalten hat, aus denen erkennbar gewesen ist, dass es sich bei der von ihr erworbenen Anlage um Aktien handelte, kann nicht festgestellt werden.

Hätte die Verbraucherin gewusst, dass mit der gewählten Anlageform tatsächlich ein nicht bloß unerhebliches Verlustrisiko verbunden ist und diese Anlageform einem Bausparvertrag nicht vergleichbar ist, hätte sie die Veranlagung nicht getätigt.

Auch im Rahmen der Einladung zur Kapitalerhöhung im Jahr 2005 vertraute die Verbraucherin auf die ihr von der Beraterin der Beklagten 2004 erteilten Auskünfte.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am bei Gericht eingelangten Klage die (im Spruch näher umschriebene) Feststellung der Haftung der Beklagten gegenüber der Verbraucherin aus der Vermittlung und der fehlerhaften Beratung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der Meinl European Land (MEL). Die Verbraucherin habe über Empfehlung der Beklagten in den Anlageplan ab Mai 2004 monatlich 80 EUR, somit bis zur Stilllegung einschließlich September 2007 3.448 EUR inklusive Ausgabeaufschlag, investiert und am nochmals um 134,55 EUR wiederum inklusive Ausgabeaufschlag zugekauft, insgesamt also 3.582,55 EUR eingesetzt. Die Beraterin der Beklagten habe die Verbraucherin am zu Hause aufgesucht und sie zur Auflösung ihres Bausparvertrags und zur Umschichtung in MEL Papiere überredet, obwohl die Verbraucherin als „Sparbuchsparerin“ ohne jede Erfahrung mit Wertpapiergeschäften keine Aktien erwerben habe wollen, nicht bereit gewesen sei, Verluste in Kauf zu nehmen, und der Beraterin mitgeteilt habe, eine sichere Veranlagung zu wünschen. Bedenken der Verbraucherin habe die Beraterin mit irreführenden Modellrechnungen zerstreut. Das von der Beklagten empfohlene und vermittelte Produkt sei tatsächlich, wie dem nach den KMG verpflichtenden Prospekt zu entnehmen sei, hoch riskant. Mit diesem hohen Risiko habe die Beklagte die Verbraucherin nicht konfrontiert, sondern lediglich auf die hohen Gewinnerwartungen hingewiesen. Die Verbraucherin sei auch nicht darüber aufgeklärt worden, dass die emittierende Gesellschaft ihren Sitz in Jersey und somit außerhalb der EU habe. Die Beklagte hätte die Verbraucherin vor dem Hintergrund des ausgegebenen KMG Prospekts der MEL zumindest darauf hinweisen müssen,

dass es sich bei MEL um einen ausländischen Emittenten außerhalb des europäischen Rechtsraums handle, wodurch österreichisches Recht zum Schutz von Kleinaktionären ausgeschlossen sei,

dass Immobiliengeschäfte als langfristige Anlageform zu betrachten seien,

dass es sich bei den MEL Zertifikaten aus mehreren im Prospekt genannten Gründen um eine sehr riskante Anlageform handle,

dass es zu für die Anleger nachteiligen Interessenskonflikten kommen könne,

dass Anleger nur Zertifikate, nicht aber Aktien erwerben.

Jegliche individuelle Beratung sei unterblieben. Wäre die Verbraucherin ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hätte sie die Verträge nicht abgeschlossen. Die Beklagte sei gegenüber der Verbraucherin als eigenständige Finanzdienstleisterin und nicht bloß als Erfüllungsgehilfin der Meinl Sucess aufgetreten. Wie ein interner Argumentationsleitfaden zeige, seien die Anlageberater der Beklagten angehalten worden, die MEL Papiere als risikolose Sparform mit guten Zinsen für kleine Sparer darzustellen. Diese Darstellung, wie sie auch gegenüber der Verbraucherin erfolgt sei, sei unabhängig von den späteren Kursmanipulationen unrichtig gewesen. Die Beklagte habe gegen die Wohlverhaltensregeln der §§ 13 f WAG aF verstoßen und hafte gemäß § 15 WAG für den eingetretenen Schaden. Ein Primärschaden liege bereits im Erwerb eines entgegen dem Willen der Anlegerin nicht risikoarmen, sondern riskanten Papiers. Die Beklagte sei als Maklerin aufgetreten und habe auch deshalb den Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB zu erfüllen. Das Feststellungsinteresse sei angesichts der Ablehnung jeglicher Haftung durch die Beklagte und wegen der drohenden Verjährung gegeben.

In weiterer Folge erhob die Klägerin das aus dem Spruch ersichtliche, auf Zahlung von 3.622,55 EUR zuzüglich 600 EUR sA gerichtete Eventualbegehren Zug um Zug gegen Übergabe der erworbenen MEL Wertpapiere. Dieser Klagsbetrag setzt sich zusammen aus den insgesamt in den Erwerb der Papiere investierten Beträgen sowie weiteren 600 EUR, die die Verbraucherin bei rechtsrichtiger und korrekter Beratung lukriert hätte, wenn sie nämlich ihren 2002 begründeten Bausparvertrag nicht aufgekündigt, sondern weitergehalten und damit einen Zins und Prämiengewinn in Höhe von 600 EUR lukriert hätte.

Die Beklagte wendete ein, sie habe als Erfüllungsgehilfin der Meinl Sucess gehandelt. Im Kontoeröffnungsantrag sei ihre Haftung auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt worden. Ein Hinweis auf ein mittleres Risiko mit einem möglichen Kapitalverlust sei erfolgt. Die Kursabstürze seien nicht auf ein Veranlagungsrisiko, sondern auf Kursmanipulationen und Aktienrückkäufe zurückzuführen, die der Beklagten im Jahr 2004 nicht bekannt und für sie nicht vorhersehbar gewesen seien und die mittlerweile zu einem Strafverfahren geführt hätten. Tatsächlich sei der Kurs der Aktie der Klägerin seit 2004 kontinuierlich gestiegen. Für den nach dem Beratungsgespräch (im Jahr 2005) getätigten Ankauf hafte die Beklagte nicht, weil sie in diesem Zusammenhang nicht beraten habe. Der Prospekt enthalte die unwahre Behauptung, die partly paid shares seien einem nach österreichischem Recht genehmigten Kapital vergleichbar und die Aktien befänden sich nahezu vollständig in Streubesitz. Die Beklagte habe dies sowie die Tatsache nicht erkennen können, dass in Wahrheit ein Drittel der Aktien an befreundete Firmen übergeben worden sei. Tatsächlich seien die Meinl Zertifikate keine riskante Anlageform. Es handle sich um das Risiko einer Aktiengesellschaft, die in verschiedenste Immobilien veranlagt habe, deren Zertifikate von einem Sachverständigen als „mündelsicherähnlich“ beurteilt und von der Beklagten zutreffend als mit mittlerem Risiko qualifiziert verkauft worden sei. Die behauptete „Nichtberatung“ der Verbraucherin durch die Beklagte sei nicht kausal für den Kursverlust gewesen. Eine Feststellungsklage sei mangels rechtlichen Interesses nicht zulässig. Die Beklagte wendete schließlich Verjährung ein. Schon aus den monatlichen Abrechnungen habe sich für die Verbraucherin ergeben, dass sie tatsächlich Aktien erworben habe. Die Verbraucherin treffe ein erhebliches Mitverschulden, weil sie im Kaufantrag zum Zeitpunkt der Zeichnung der Kapitalerhöhung und bei jeglicher ihr übermittelter Abrechnung der Meinl Bank deutlich den Hinweis erhalten habe, dass es sich um eine Aktie handle; sie habe dennoch während des gesamten Ansparplans nie aufgehört, weitere Aktien zu zeichnen, obwohl ihr spätestens mit der ersten Kaufabrechnung bewusst sein habe müssen, dass sie Aktien einer Immobilienaktiengesellschaft erworben habe.

Das Erstgericht gab dem Klagehauptbegehren (Feststellungsbegehren) statt. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht die Ansicht, aus dem bindenden Spruch der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 4 Ob 188/08p ergebe sich, dass MEL Zertifikate, die sich nicht zur Gänze in Streubesitz befänden, tatsächlich keine Aktien im Sinne des österreichischen Aktiengesetzes seien und dass mit diesen Zertifikaten nicht bloß unerhebliche Risiken verbunden seien. Eine Leistungsklage lasse die herrschende Rechtsprechung solange nicht zu, als der Anleger sein Papier noch nicht verkauft habe. Da die Anlegerin ihre Zertifikate nach wie vor halte, sei die Feststellungsklage zulässig. Die Beklagte sei als selbständige Anlageberaterin und nicht bloß als Erfüllungsgehilfin eines Dritten tätig geworden und daher passiv legitimiert. Die Beklagte sei Sachverständige iSd § 1299 ABGB. Da die Beraterin der Beklagten der Anlegerin wahrheitswidrig zugesichert habe, dass die Anlegerin beim Erwerb der MEL Zertifikate kein Risiko eingehe und ein Gewinn garantiert sei, sei der Beklagten eine schuldhaft unrichtige Beratung vorzuwerfen. Die Beklagte habe der Anlegerin daher den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Anlegerin treffe insbesondere wegen ihrer völligen Unerfahrenheit und der intensiven „Beschwichtigungen“ der Beraterin kein Mitverschulden. Auf die Frage der Wirksamkeit des Haftungsausschlusses für leichte Fahrlässigkeit müsse nicht eingegangen werden, weil das Verhalten der Beraterin als grob fahrlässig zu qualifizieren sei. Zur Verjährung reichten bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände für die Auslösung der Verjährungsfrist gemäß § 1489 ABGB nicht aus. Dass der Anlegerin ein solcher hinreichend konkretisierter Sachverhalt innerhalb der Verjährungsfrist bekannt geworden wäre, habe die dafür beweispflichtige Beklagte nicht bewiesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Die Anlegerin treffe kein Mitverschulden, weil deren Vertrauen in die sachverständige Beratung gemäß § 1299 ABGB angesichts einer so klaren Aussage der Beraterin über die Risikolosigkeit des Produkts anderslautende schriftliche Informationen in den Hintergrund treten lassen müsse. Die Rechtsrüge betreffend den Verjährungseinwand sei nicht gesetzmäßig ausgeführt. Das rechtliche Interesse der Klägerin an einer Feststellung könne nicht von vornherein verneint werden. Ob eine Wahlmöglichkeit des Klägers zwischen Feststellungsklage und Leistungsklage auf „Naturalherstellung“ bestehe, erscheine nicht eindeutig geklärt. Gegenüber dem Vermittler als Schädiger, wo eine „Rückabwicklung“ im technischen Sinn nicht stattfinden könne, habe zumindestens die Entscheidung 1 Ob 187/08v den Feststellungsanspruch bejaht.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil der Frage, ob in der konkreten Fallkonstellation ein Feststellungsbegehren zulässig sei, in Anbetracht der zahlreichen Anlegerprozesse und der in letzter Zeit unterschiedlichen Rechtsprechung sowie der neuesten Literatur erhebliche Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig und teilweise berechtigt.

Die Revisionswerberin führt im Wesentlichen aus, für den Fall der Zulässigkeit einer Leistungsklage bestehe keine Möglichkeit, eine Feststellungsklage einzubringen. Das Berufungsgericht habe die Frage der Verjährung unrichtig beurteilt, weil der Anlegerin spätestens ab „Unterfertigung der Kapitalerhöhung“ klar sein habe müssen, dass sie sich an einem Unternehmen beteilige, das gerade sein Kapital erhöhe, sodass von einem Bausparvertrag oder einem sicheren Depot bei einer Bank oder ähnlichen Vorgängen keine Rede sein könne. Deshalb sei auch die „Abweisung des Einwands eines Mitverschuldens“ ungerechtfertigt, weil der Einwand dahingehend gelautet habe, dass die Anleger erkennen hätten können, dass sie sich an einem Unternehmen beteiligten. Die entstandenen Schäden seien nicht durch aufklärungspflichtige Marktrisiken entstanden, sondern durch Malversationen der Meinl European Land und der Meinl Bank, wofür die Beklagte mangels eines Adäquanzzusammenhangs nicht hafte.

Hiezu wurde erwogen:

Zum Feststellungsbegehren:

Der nach den Klagsbehauptungen von der Beklagten verursachte und konkret beziffert im Eventualbegehren geltend gemachte Schaden besteht einerseits im aufgewendeten Kaufpreis für die erworbenen Zertifikate, andererseits im Entgang des Gewinns, den die Verbraucherin bei Aufrechterhaltung ihres Bausparvertrags erzielt hätte. Darüber hinausgehende Schäden sind nicht ersichtlich.

Die hier gegebene und im Eventualbegehren ergriffene Möglichkeit der Leistungsklage verdrängt aber bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage (RIS Justiz RS0038849; vgl die in Parallelfällen gestellten Leistungs- und [abgewiesenen] Feststellungsbegehren: 5 Ob 246/10b; 8 Ob 132/10k).

Die Entscheidung 1 Ob 187/08v steht einer Verneinung des Feststellungsinteresses nicht entgegen, weil dort ein anderer, ua von noch nicht bekannten Ausschüttungen und Konkursquoten abhängiger und daher noch nicht bezifferbarer Schaden geltend gemacht wurde.

Das Feststellungsbegehren besteht daher nicht zu Recht.

Zum Leistungsbegehren:

In der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist Folgendes anerkannt. Hat ein potenzieller Anleger aufgrund bestimmter unrichtiger Erklärungen eines Beraters ein Finanzprodukt mit unerwünschten Eigenschaften erworben, so ist der Schaden bereits durch den Erwerb eingetreten und die gebührende Naturalrestitution besteht grundsätzlich in der Rückabwicklung des Finanzprodukts Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich der erhaltenen Zinszahlungen (10 Ob 11/07a = RIS Justiz RS0120784 [T3]). Dieser auf Naturalrestitution gerichtete Anspruch besteht auch gegenüber dem Berater, von dem die Finanzprodukte nicht erworben werden (10 Ob 11/07a; 5 Ob 246/10b; 7 Ob 77/10i). So wurde bereits ein derartiger Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises für die auch hier gegenständlichen Zertifikate gegen Rückgabe derselben Zug um Zug gegen das auch hier beklagte Beratungsunternehmen grundsätzlich für gegeben erachtet (5 Ob 246/10b; 8 Ob 132/10k jeweils mwN). Auf die spätere Kursentwicklung des Finanzprodukts und die dafür maßgeblichen Gründe kommt es dann für den hier in eventu gemachten Zahlungsanspruch nicht mehr an. Die von der Revisionswerberin darüber angestellten Erwägungen sind daher nicht entscheidungswesentlich (5 Ob 246/10b; 8 Ob 132/10k).

Daher ist das hilfsweise gestellte Zahlungsbegehren Zug um Zug gegen Rückgabe der erworbenen Zertifikate grundsätzlich berechtigt.

Die Rechtsausführungen der Revision zur Verjährung gehen insofern nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, als behauptet wird, der Anlegerin wäre spätestens mit Unterfertigung der Kapitalerhöhungszeichnung bewusst gewesen, dass sie Aktien erwerbe.

Die Revisionswerberin beruft sich weiters auf jene Rechtsprechung, wonach für den Beginn der Verjährungsfrist nicht entscheidend ist, ob sich der Anspruchsberechtigte subjektiv in einem Irrtum befunden hat, sondern ob ihm objektiv alle für das Entstehen des Anspruchs maßgebenden Tatumstände bekannt waren (vgl RIS Justiz RS0034547).

Diese Rechtsausführungen können eine unrichtige Beurteilung der Vorinstanzen nicht aufzeigen. Im vorliegenden Fall ist ein objektives Bekanntsein der maßgeblichen Tatumstände, nämlich dass es sich bei den gezeichneten Zertifikaten um eine riskante Anlageform handelt, zu einem Zeitpunkt, der länger als drei Jahre vor Klagseinbringung liegt, nicht festgestellt. Dass die Anlegerin unter Umständen (auch das ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht) die Möglichkeit gehabt hätte, aus allfälligen schriftlichen Informationen mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung über die Risikoträchtigkeit der gezeichneten Zertifikate Kenntnis zu erlangen, ändert an der Beurteilung der Verjährung nichts. Nach ständiger Rechtsprechung setzt der Beginn der Verjährungsfrist die Kenntnis des Verletzten vom Schaden voraus, die bloße Möglichkeit der Kenntnis genügt nicht (RIS Justiz RS0034686 [T9, T 15]; RIS Justiz RS0034603 [T2, T 7]; RS0034366 [T3, T 6]).

Dass die Anlegerin im Kaufantrag zum Zeitpunkt der Zeichnung der Kapitalerhöhung einen Hinweis auf das Risiko der erworbenen Zertifikate erhielt, steht nicht fest. Zu den monatlichen Abrechnungen, aus denen erkennbar gewesen wäre, dass es sich bei der erworbenen Anlage um Aktien gehandelt hätte, hat das Erstgericht eine Negativfeststellung getroffen. Der auf diese nicht oder negativ festgestellten Umstände gestützte Mitverschuldenseinwand der Revisionswerberin ist somit nicht berechtigt.

Dennoch ist die Rechtssache noch nicht spruchreif im Sinne des Eventualbegehrens, weil das Erstgericht weder zur Höhe der behaupteten Investitionen in die MEL Zertifikate noch zum behaupteten Gewinnentgang bei Alternativveranlagung im Bausparvertrag Feststellungen getroffen hat. Ein ausdrückliches oder schlüssiges Zugeständnis der Höhe dieser Positionen durch die Beklagte liegt nicht vor.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.