OGH vom 25.01.2016, 5Ob56/15v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. S***** GmbH, *****, 2. W***** L*****, und 3. A***** E***** L*****, alle vertreten durch Dr. Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, gegen die Antragsgegner 1. Verlassenschaft nach G***** P*****, 2. Verlassenschaft nach B***** G*****, 3. H***** W*****, 4. C***** P*****, 5. Dr. E***** S 6. E***** M*****, 7. O***** L*****, 8. C***** L*****, 9. Hausverwaltung B***** GmbH, *****, 10. J***** L***** P*****, 11. Dr. G***** H*****, 12. Mag. T***** M***** H*****, 1. bis 8. und 10. Antragsgegner vertreten durch Dr. Joachim Tschütscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, 9. Antragsgegnerin vertreten durch Dr. Herbert Pertl, Rechtsanwalt in Wörgl, wegen Beschlussanfechtung (§§ 24 Abs 6, 29 WEG) und Feststellung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 1 R 343/13t-53, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom , GZ 26 Msch 7/10y 44, teils aufgehoben und teils abgeändert wurde, den
I.Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen den Überweisungsbeschluss des Rekursgerichts gemäß § 40a JN richtet, mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
II. Sachbeschluss
gefasst:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs gegen den Teilsachbeschluss des Rekursgerichts wird Folge gegeben.
Im Umfang des Teilsachbeschlusses (Punkt 2. des Spruchs) werden die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abgeändert, dass es lautet:
„Der Beschluss der Eigentümergemeinschaft ***** vom , mit dem ein Auftrag zur Erneuerung und Erweiterung sämtlicher Balkone vergeben wurde, wird aufgehoben.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt vorbehalten.“
Die Entscheidung über die darauf entfallenden Kosten des Revisionsrekursverfahrens obliegt dem Erstgericht.
Text
Begründung:
Die Antragsteller sowie die 1. bis 8. Antragsgegner sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft in EZ ***** GB *****, auf der ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet ist. Die 9. Antragsgegnerin ist die Hausverwalterin dieser Liegenschaft. Die Wohnungen der Antragsteller befinden sich im Dachgeschoss des Hauses und verfügen über keinen Balkon. Das Gebäude ist ca 100 Jahre alt; an dessen Hofseite gab es vom 1. bis zum 3. Obergeschoss sowohl westlich als auch östlich des Stiegenhauses sogenannte „Pawlatschenbalkone“, welche entfernt und durch neue Balkone ersetzt wurden. Die Entfernung/Neuerrichtung dieser Balkone bildet den Gegenstand des Verfahrens. In der Hausversammlung vom haben die Miteigentümer mit 1214/1764 Anteilen (das entspricht 68,8 %) für die Auftragsvergabe an ein bestimmtes Unternehmen gestimmt. Die Auftragsvergabe sah den Abriss und die Neuerrichtung der Balkone (einschließlich einer Verbreiterung und teilweisen Verlängerung) vor.
Die Antragsteller begehrten (1.) den Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom , wonach ein Auftrag an ein namentlich genanntes Unternehmen zur Erneuerung und Erweiterung sämtlicher Balkone vergeben werde, aufzuheben und (2.) festzustellen, dass die Erstantragstellerin nicht verpflichtet sei, die Sondervorschreibung von 18.500 EUR und der Zweit- und die Drittantragsteller nicht verpflichtet seien, die Sondervorschreibung von 12.490 EUR zu zahlen. In eventu, (3.) festzustellen, dass die Antragsteller nicht verpflichtet seien, die genannten Sondervorschreibungen zu zahlen, sowie (4.) der Hausverwaltung aufzutragen, sämtliche Kosten der Erneuerung und Erweiterung der Balkone der beschließenden Mehrheit vorzuschreiben.
Das Erstgericht sprach aus, dass sich die Antragsteller entsprechend ihren Miteigentumsanteilen bei Beginn des gegenständlichen Verfahrens an den mit 90.000 EUR gedeckelten Kosten des Abrisses der alten und der Errichtung der neuen Balkone zu beteiligen hätten; mit ihren weiteren Anträgen verwies es die Antragsteller auf diesen Ausspruch. Es legte seiner Entscheidung unter anderem die von einem Miteigentümer verfasste Erklärung zugrunde, die von sämtlichen damaligen Miteigentümern, somit auch vom Rechtsvorgänger der Erstantragstellerin am unterfertigt wurde:
„ Wohnungseigentumsgemeinschaft *****
Einverständniserklärung
Die Unterzeichneten als Eigentümer der Liegenschaft *****, stimmen folgenden Beschlüssen zu:
1. Im Zuge der erforderlichen Sanierung der Balkone wird deren Tiefe auf 175 cm zuzüglich 5 cm Geländer vergrößert;
2. der Balkon des Eigentümers [Anm.: des 5. Antragsgegners] wird bis 100 cm vor die Hauskante verlängert. Dieser verlängerte Balkonteil wird jedoch nicht überdacht. Das Fenster des westlichen Zimmers wird zu einer Balkontüre umgebaut (siehe Plan).
3. An der Westfassade des Hauses werden in den 3 Geschossen je 2 französische Fenster mit horizontal verschiebbaren Fensterläden als Planung eingereicht, damit eine eventuelle Ausführung zu einem späteren Zeitpunkt gesichert wird (siehe Plan).
4. Der Balkon der Familie [Anm.: damit sind der 7. und die 8. Antragsgegner(in) gemeint] wird so weit verlängert, dass er mit den darüber liegenden Balkonen in einer vertikalen Linie abschließt (siehe Plan). "
Erkennbar unter Bezugnahme auf diese Erklärung führte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht aus, die Miteigentümer hätten am entschieden, die alten „Pawlatschenbalkone“ abzureißen und größere, modernere Balkone zu errichten. Dem Gericht sei es verwehrt, gegen die durchgeführte Neuerrichtung zu entscheiden, zumal sich die Antragsteller lediglich gegen die Kostenbeteiligung an der gewählten „Luxusvariante“ wenden würden. Somit sei auch eine Aufhebung der Auftragsvergabe an das ausführende Unternehmen nicht zulässig, weil diese von den Antragstellern gar nicht begehrt werde. Die durchgeführten Arbeiten gingen über bloße Erhaltungsarbeiten weit hinaus, sodass es sachgerecht sei, die Antragsteller lediglich an jenen Kosten zu beteiligen, die mit dem geplanten Abriss und einer gleichwertigen Neuerrichtung in Zusammenhang stünden.
Über die Rekurse der Antragsteller und der Antragsgegner behob das Rekursgericht den Sachbeschluss des Erstgerichts hinsichtlich des Zehntantragstellers (unbekämpft) ersatzlos (Punkt 1.) und fasste in Stattgebung des Rekurses der Erst- bis Achtantragsgegner einen Teilsachbeschluss (ON 53), mit dem es den erstgerichtlichen Sachbeschluss dahin abänderte, dass es Punkt (1.) des verfahrenseinleitenden Antrags gegen die Erst- bis Neuntantragsgegner abwies (Spruchpunkt 2.). Darüber hinaus hob es in Spruchpunkt 3. den erstgerichtlichen Sachbeschluss, soweit er Punkt (2.) des verfahrenseinleitenden Antrags, sowie das darüber und über die Eventualbegehren gegen die Erst- bis Neuntantragsgegner abgeführte Verfahren aus Anlass der Rekurse als nichtig auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück. Dazu trug es dem Erstgericht in der Begründung seiner Entscheidung die Erledigung der Sache in diesem Umfang im streitigen Rechtsweg auf.
Es qualifizierte die Erklärung vom als Umlaufbeschluss und führte dazu aus, die unterfertigenden Miteigentümer und deren Rechtsnachfolger (und somit auch die Erstantragstellerin) seien an die Zustimmung (zur Balkonsanierung mit den angeführten Veränderungen) gebunden. Der in Anküpfung an und auf Grundlage dieses Beschlusses iSd § 24 Abs 1 WEG gefasste und hier bekämpfte Beschluss vom beinhalte lediglich die Auftragserteilung an das bauausführende Unternehmen. Als Maßnahme der (schlichten) Durchführung der Sanierung auf Grundlage des einstimmigen Umlaufbeschlusses stelle die Auftragserteilung nur eine vom Verwalter vorzunehmende Maßnahme der ordentlichen Verwaltung dar. Die Hausverwaltervollmacht berechtige grundsätzlich zu allem, was die Verwaltung erfordere und was gewöhnlich mit ihr verbunden sei, wozu auch die Erteilung eines Auftrags über eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme, wie hier einer über den Erhaltungszweck hinausgehenden Verbesserung, zähle, wenn sich zuvor alle Miteigentümer darüber geeinigt hätten. Die Auftragserteilung zähle daher auch dann zu den Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung, wenn die zugrundeliegenden Baumaßnahmen der außerordentlichen Verwaltung zuzuordnen wären. Eine Beschlussaufhebung nach § 29 Abs 2 WEG komme daher nicht in Frage.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands des abändernden Teils seiner Entscheidung (Teilsachbeschluss) den Betrag von 10.000 EUR übersteigt, und der ordentliche Revisionsrekurs gegen den abändernden Teil der Rekursentscheidung nicht zulässig sei.
Mit Beschluss vom trug der Oberste Gerichtshof dem Rekursgericht auf, hinsichtlich des Spruchpunkts 3. seiner Entscheidung vom den gemäß § 59 Abs 1 Z 2
AußStrG erforderlichen
Ausspruch nachzuholen, weil es damit einen Überweisungsbeschluss gemäß § 40a JN gefasst hat.
Das Rekursgericht ergänzte seine Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs auch insoweit nicht zulässig sei.
Gegen den abweisenden und überweisenden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung richtet sich das Rechtsmittel der Antragsteller, mit dem Begehren, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass ihren Anträgen stattgegeben werde; in eventu, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Die Antragsgegner haben von der ihnen durch den Obersten Gerichtshof freigestellten Möglichkeit Gebrauch gemacht und den gegen den abweisenden Teil der Entscheidung des Rekursgerichts gerichteten Revisionsrekurs beantwortet.
Der Revisionsrekurs ist gegen den Überweisungsbeschluss des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig, im Übrigen aber zulässig, weil dem Rekursgericht bei der Beurteilung der Erklärung vom als Umlaufbeschluss eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist; er ist insoweit auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
I. Zur Zurückweisung der außerordentlichen Revision (Überweisungsbeschluss; Spruchpunkt 3 des angefochtenen Beschlusses):
1. Die Zulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens ist gegeben, wenn das Gesetz die betreffende Angelegenheit ausdrücklich oder wenigstens unzweifelhaft schlüssig in das außerstreitige Verfahren verweist (RIS-Justiz RS0012214; RS0005948; RS0109644). Ob eine Angelegenheit im streitigen oder außerstreitigen Rechtsweg zu behandeln ist, richtet sich nach dem Wortlaut des Begehrens und dem anspruchsbegründenden Tatsachenvorbringen (RIS-Justiz RS0013639; RS0005896).
2. Die Frage, welchen Sachverhalt und welches Begehren ein Antrag enthält und wie der Antrag daher zu verstehen ist, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und bildet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS Justiz RS0042828 [T10]).
3. Im konkreten Fall machen die Antragsteller geltend, Minderheitsrechte einzelner Wohnungseigentümer nach § 30 Abs 1 und 2 WEG wären ebenso, wie die Durchsetzung von Pflichten des Verwalters ins Verfahren außer Streitsachen verwiesen. Auch könne nach § 52 Abs 2 WEG (iVm § 37 Abs 4 MRG) im Verfahren Außerstreit ein Rückzahlungstitel geschaffen werden.
3.1 Der allgemeine Grundsatz, dass Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder doch wenigstens unzweifelhaft schlüssig ins Außerstreitverfahren verwiesen sind, auf den streitigen Rechtsweg gehören, wird auch durch § 52 WEG nicht berührt. Der streitige Rechtsweg ist also nur in den Angelegenheiten ausgeschlossen, die in § 52 Abs 1 WEG aufgezählt sind (RIS Justiz RS0109644). Nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG sind die in § 30 Abs 1 und 2 WEG genannten Minderheitsrechte der einzelnen Wohnungseigentümer in das Verfahren Außerstreit verwiesen. Das von den Antragstellern gestellte Begehren, wonach sie nicht verpflichtet seien, die ihnen vorgeschriebenen Sonderzahlungen zu leisten, fällt ebenso wenig darunter wie die von ihnen dazu formulierten Eventualbegehren.
3.2 Obwohl der Zweck der
Rücklage nach dem Wortlaut des Gesetzes in der Vorsorge für künftige Aufwendung liegt, nimmt der Oberste Gerichtshof eine Leistung in die
Rücklage auch bei Bevorschussung eines bereits bestimmten Erhaltungsaufwands an (5 Ob 187/12d; 5 Ob 144/15k mwN; E. M. Hausmann in Hausmann / Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³, § 31 WEG Rz 17). Die den Antragstellern als Sonderzahlung vorgeschriebenen Beträge sind solchen Leistungen gleichzuhalten.
3.3 Es entspricht gesicherter Rechtsprechung, dass Forderungen der Eigentümergemeinschaft nach § 32 Abs 1 WEG im streitigen Rechtsweg geltend gemacht werden können (vgl 5 Ob 248/11y; 5 Ob 28/12x). Es begründet daher keine Fehlbeurteilung des Rekursgerichts, wenn es das auf Verneinung einer solchen Zahlungspflicht gerichtete Hauptbegehren der Antragsteller und das damit korrespondierende Eventualbegehren auf den streitigen Rechtsweg verwies.
4. Das gilt auch für das zweite Eventualbegehren. Der Antrag, der Hausverwaltung aufzutragen, die Kosten der beschließenden Mehrheit vorzuschreiben, ist logische Konsequenz der von den Antragstellern angestrebten Feststellung, wonach sie keine Zahlungspflicht treffen solle, dient aber nicht der Durchsetzung von typischerweise den Verwalter treffenden Pflichten (vgl dazu RIS Justiz RS0111727), insbesondere nicht der Durchsetzung der in § 20 Abs 1 WEG 2002 (Befolgung der Weisungen der Mehrheit der Wohnungseigentümer) oder in § 20 Abs 3 WEG 2002 (Verpflichtung zur Legung einer ordnungsgemäßen und richtigen Abrechnung) geregelten Aufgaben des Hausverwalters, was Voraussetzung für den von den Antragstellern herangezogenen Kompetenztatbestand des § 52 Abs 1 Z 6 WEG wäre. Dieser Antrag ist auch nicht auf die Festsetzung eines grundsätzlich nur für zukünftige Abrechnungsperioden zulässigen (vgl RIS Justiz RS0106570) geänderten Aufteilungsschlüssels (§ 52 Abs 1 Z 9 WEG) gerichtet. Ist bereits die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs für die gestellten Sachanträge zu verneinen, kann auch die Berufung auf die „Annexzuständigkeit“ gemäß § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 4 MRG (die die Antragsteller hier gerade nicht geltend machen, wenn sie die Feststellung, dass sie keine Zahlungspflicht trifft, anstreben) zu keiner anderen Beurteilung führen (vgl 5 Ob 220/07z).
II. Zur Beschlussanfechtung (Teilsachbeschluss; Punkt 2. der Entscheidung des Rekursgerichts):
Passiv legitimiert sind alle Wohnungseigentümer, die keinen Antrag gestellt haben, den Beschluss für rechtsunwirksam zu erklären (5 Ob 154/12a; Würth / Zingher / Kovanyi , Miet- und Wohnrecht 23 § 24 WEG Rz 36 mwN). Die Eingabe der Elft- und Zwölftantragsteller als Rechtsnachfolger im Eigentum nach den ursprünglich Zweit- und Drittantragstellern (ON 52) kann nur so verstanden werden, dass sie den Antrag nicht aufrecht erhalten (vgl dazu RIS Justiz RS0083185; 0083106). Sie sind daher auf Seiten der Antragsgegner in das Verfahren einzubeziehen.
Der (verbliebene) Antragsteller wendet sich gegen die Rechtsansicht des Rekursgerichts, wonach die Einverständniserklärung vom einen (einstimmigen) (Umlauf )Beschuss der Miteigentümer darstelle, nach dem die alten Balkone abgerissen und zur Gänze erneuert werden sollten. Tatsächlich sei zu diesem Zeitpunkt weder festgestanden, ob eine Sanierung erforderlich sei, noch wie eine solche zu erfolgen hätte.
Dazu wurde erwogen:
1. Die Beschlussfassung gemäß § 24 Abs 1 WEG ist Ausdruck der internen
Willensbildung der Eigentümergemeinschaft und als Willenserklärung anzusehen (5 Ob 147/12x; vgl H . Löcker in Hausmann / Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht³ § 24 WEG Rz 99).
2. Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft können entweder durch Abstimmung in der Eigentümerversammlung oder durch schriftlichen Umlaufbeschluss (RIS-Justiz RS0108768 [T6, T 7, T 8, T 12]) zustande kommen. Allen Beschlussformen ist gemeinsam, dass sie den Anforderungen des § 24 WEG genügen müssen. Das gilt insbesondere auch für Umlaufbeschlüsse, die in Form einer hier vorgelegenen Unterschriftenliste von einem Wohnungseigentümer persönlich zwecks Unterfertigung überbracht werden (zur grundsätzlichen Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: 5 Ob 146/01h; 5 Ob 116/06d). Sie müssen nach § 24 Abs 5 Satz 1 WEG jedem Wohnungseigentümer sowohl durch Hausanschlag als auch durch Übersendung schriftlich zur Kenntnis gebracht werden. Nur der Hausanschlag löst die Anfechtungsfristen des § 24 Abs 6 WEG und des § 29 Abs 1 letzter Satz WEG aus. Zweck der schriftlichen Verständigung ist die umfassende Information von Stand und Lauf der Verwaltung ( H . Löcker aaO Rz 51).
3. Die im WEG 2002 zwingend vorgesehene schriftliche Verständigung der Wohnungseigentümer durch den Hausanschlag als allein Anfechtungsfristen auslösendes Moment macht deutlich, dass nur der schriftlich zur Kenntnis gebrachte Text für die Beurteilung maßgeblich sein kann, was Gegenstand des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft ist. Der erkennende Senat hat daher bereits ausgesprochen, dass für die Interpretation des Inhalts eines im Umlaufverfahren zustande gekommenen Beschlusses allein dessen
Wortlaut Ausschlag gebend ist (5 Ob 29/15y).
4. In der vom Erstgericht festgestellten Erklärung vom ist zwar das Erfordernis der Sanierung der Balkone angesprochen. Nicht diese, sondern der Umstand, dass im Zuge von Sanierungsarbeiten bestimmte Veränderungen an den Balkonen erfolgen sollen, waren dem Wortlaut nach aber Gegenstand des Einverständnisses der Miteigentümer. Nach dem für die Interpretation des Inhalts eines Umlaufbeschlusses allein maßgeblichen Wortlaut kann aus dieser Erklärung daher noch keine Willensbildung über die eigentliche Sanierung der Balkone, auch nicht in Form einer sogenannten Grundsatzentscheidung (vgl 5 Ob 42/09a), abgeleitet werden, sodass sich daraus auch keine Anhaltspunkte für eine vom Rekursgericht angenommene beschlussmäßige Zustimmung der Mit- und Wohnungseigentümer zu einer Verwaltungsmaßnahme ergeben, die die mit dem bekämpften Beschluss vom beauftragten Arbeiten decken könnte. Ob sonst die Förmlichkeiten des § 24 WEG überhaupt eingehalten wurden, muss nicht mehr geprüft werden. Im Unterschied zu der vom Rekursgericht zu seiner Begründung herangezogenen Entscheidung 5 Ob 306/98f liegt nach den Feststellungen keine Einigung aller Miteigentümer über die Sanierung der Balkone vor. Damit ist auch die Qualifizierung der dem Beschluss vom zugrunde liegenden Arbeiten als Maßnahme der (schlichten) Durchführung der Sanierung auf Grundlage eines einstimmigen Umlaufbeschlusses und als Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung verfehlt. Da im Revisionsrekursverfahren die Aufhebung dieses Beschlusses aus den Gründen des § 29 WEG angestrebt wird, und bereits diese Argumentation zum Erfolg führt, kann im Folgenden die Frage, inwieweit einzelne der davon erfassten Arbeiten im Hinblick auf § 16 WEG überhaupt wirksam zum Gegenstand einer Beschlussfassung nach § 24 WEG gemacht werden können, dahingestellt bleiben.
5. Zum Beschluss vom :
5.1 Mit dem Beschluss vom stimmten die Mit- und Wohnungseigentümer mit einer Mehrheit von 68,8 % für eine Auftragsvergabe an das letztlich bauausführende Unternehmen und damit für die Durchführung der von diesem Unternehmen seinem Kostenvoranschlag zugrunde gelegten Arbeiten. Dieser sah den Abriss und die Neuerrichtung der Balkone unter Einschluss der in der Erklärung vom enthaltenen Änderungen gegenüber den ursprünglich vorhandenen „Pawlatschenbalkone“ vor.
5.2 Nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG gehört die Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft iSd § 3 MRG, einschließlich baulicher Veränderungen, die über den Erhaltungszweck nicht hinausgehen, zur ordentlichen Verwaltung. Zu Inhalt und Bedeutung des aufgrund des Verweises auf § 3 MRG am ortsüblichen Standard zu orientierenden Erhaltungsbegriffs (sogenannter dynamischer oder elastischer Erhaltungsbegriff) liegt umfangreiche Judikatur des Obersten Gerichtshofs vor (vgl RIS Justiz RS0116139; RS0114109; RS0083171; RS0069971; RS0083121; RS0116998; RS0069944; RS0070000). Danach gilt, dass zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen noch zur Erhaltung gehören, auch wenn es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und/oder dabei Veränderungen vorgenommen werden, die gegenüber dem vorigen Zustand als „Verbesserungen“ anzusehen sind. Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit ist jedoch eine Reparaturbedürftigkeit, Schadensgeneigtheit oder Funktionseinschränkung. Dieser Erhaltungsbegriff gebietet also die Rücksichtnahme auf Entwicklungen der Bautechnik und auf eine zeitgemäße Wohnkultur (RIS-Justiz RS0069944 [T3]).
5.3 Für die Abgrenzung der ordentlichen von der außerordentlichen Verwaltung kann auch die Kostenhöhe maßgeblich sein; so wurde wiederholt ausgesprochen, dass bei außergewöhnlich hohen Kosten oder auch bei Finanzierungsproblemen eine an sich der ordentlichen Verwaltung zuzuordnende Maßnahme als Angelegenheit der außerordentlichen Verwaltung zu qualifizieren ist (vgl 5 Ob 301/01b; 5 Ob 255/03s; 5 Ob 210/10h je mwN). Dem liegen regelmäßig Aspekte der Wirtschaftlichkeit der beschlossenen Maßnahme zugrunde.
5.4 Substanzändernde, über den Erhaltungszweck hinausgehende Baumaßnahmen gehören demgegenüber als Veränderungen an allgemeinen Teilen zur außerordentlichen Verwaltung ( Würth / Zingher / Kovanyi aaO § 29 WEG Rz 2).
6.1 Aus den erstgerichtlichen Feststellungen ergibt sich kein Anhaltspunkt, dass die ursprünglichen Balkone am Ende ihrer Lebensdauer angelangt waren. Daraus kann gesichert nur abgeleitet werden, dass eine Sanierung erforderlich war, weil die Bretter der alten Balkone zum Teil morsch und die Geländer einer Horizontalbelastung nicht mehr ausreichend sicher standhielten. Jedenfalls war durch den Zustand nicht die Standsicherheit des Hauses betroffen. Durch die neuen Balkone wurde deren Standard deutlich angehoben, wobei die Kosten sich auf etwa 170.000 Euro im Gegensatz zu 90.000 EUR für die reine Sanierung beliefen. Diese Aspekte sprechen deutlich für eine Einordnung der mit Beschluss vom beauftragten Arbeiten als Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung. Ausgehend davon ist das Beschlussanfechtungsbegehren berechtigt.
6.2 Über Veränderungen an den allgemeinen Teilen der Liegenschaft, die über die in § 28 WEG genannten Änderungen hinausgehen, wie etwa nützliche Verbesserungen oder sonstige über die Erhaltung hinausgehende bauliche Veränderungen, entscheidet ebenfalls die Mehrheit der Wohnungseigentümer (§ 29 Abs 1 WEG). Ein solcher Mehrheitsbeschluss ergibt sich auch unter Zugrundelegung der von den Antragstellern bereits in ihrem Rekurs vertretenen Auffassung, wonach einzelne Miteigentümer von der Willensbildung ausgeschlossen gewesen wären. Dazu kann auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts verwiesen werden (§ 71 Abs 3 AußStrG). Nach § 29 Abs 2 WEG ist ein solcher Beschluss der Mehrheit der Miteigentümer aufzuheben, wenn die Veränderung den (die) Antragsteller übermäßig beeinträchtigen würde oder die Kosten der Veränderung unter Berücksichtigung auch der in absehbarer Zeit anfallenden Erhaltungsarbeiten nicht aus der Rücklage gedeckt werden können (§ 29 Abs 2 WEG).
6.3 Für das Vorliegen eines Aufhebungsgrundes ist der überstimmte Miteigentümer behauptungs- und beweispflichtig (5 Ob 18/13b mwN; H. Löcker aaO § 29 WEG Rz 33 mwN). Die Antragsteller machten geltend, durch die beauftragten Arbeiten seien exorbitant hohe Kosten verursacht worden, die die Kosten einer Erneuerung der Balkone, die in etwa dem alten Bestand entsprochen hätten, um ca 100 % überschritten hätten, obwohl dies technisch weder erforderlich noch begründbar sei, und leiteten daraus ab, dass einzelne Wohnungseigentümer auf Kosten der Allgemeinheit Balkone verbreitern oder verlängern hätten lassen. Damit zielen sie ausschließlich auf die mit der Veränderung verbundene finanzielle Belastung ab.
6.4 Nach § 29 Abs 2 Z 2 WEG bildet es einen Aufhebungsgrund, wenn die Kosten der Veränderung nicht aus der Rücklage gedeckt werden können. Dieser Aufhebungsgrund kommt nach § 29 Abs 3 WEG jedoch dann nicht zum Tragen, wenn entweder der nicht gedeckte Kostenanteil von der beschließenden Mehrheit getragen wird oder wenn es sich um eine Veränderung handelt, die auch unter Berücksichtigung der fehlenden Kostendeckung in der Rücklage allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereicht. Bei der Beurteilung, ob die Veränderung einen eindeutigen Vorteil begründet, ist grundsätzlich eine objektive Betrachtungsweise geboten (vgl 5 Ob 18/13b mwN).
6.5 Das Erstgericht hat zwar keine ausdrücklichen Feststellungen zur Rücklage getroffen. Aus dem Umstand, dass den (ursprünglich drei) Antragstellern gegenüber - im Verfahren nie strittig - Sondervorschreibungen erfolgten und diese der Höhe nach in etwa dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile an den Gesamtkosten entsprechen, folgt aber in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise, dass eine allfällige Rücklage jedenfalls nicht ausreichte, die Kosten der beschlossenen Maßnahmen zu decken.
6.6 Aus dem vorgelegten Protokoll über die Hausversammlungen vom (./6) ergibt sich zwar, dass erörtert wurde, die mit den Abänderungen an den Balkonen gegenüber dem Altbestand verbundenen Mehrkosten seien von den änderungswilligen Miteigentümern zu tragen. Eine Vereinbarung (dazu Würth / Zingher / Kovanyi aaO § 29 Rz 5) der beschließenden Mehrheit zur Übernahme der nicht durch eine allfällige Rücklage gedeckten, aus der beschlossenen Maßnahme resultierenden Mehrkosten, kann daraus aber nicht abgeleitet werden. Eine solche Vereinbarung wurde von den Antragsgegnern auch nicht behauptet und stünde darüber hinaus mit der Höhe der vorgeschriebenen Sonderzahlungen im Widerspruch. Damit kommt der Aufhebungsgrund nach § 29 Abs 2 Z 2 WEG zum Tragen, weil es sich bei der beschlossenen Maßnahme um eine Veränderung handelt, die jedenfalls den (verbliebenen) Antragsteller nicht eindeutig zum Vorteil gereicht, verfügt dessen Wohnungen doch über keinen Balkon.
7. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der angefochtene Beschluss aus dem Grund des § 29 Abs 2 Z 2 WEG aufzuheben ist. Ob die beschlossene Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung den überstimmten Mit- und Wohnungseigentümer darüber hinaus auch übermäßig beeinträchtigt (§ 29 Abs 2 Z 1 WEG), muss damit nicht mehr geprüft werden ( H. Löcker aaO § 29 WEG Rz 31). Die bereits erfolgte Durchführung der nicht rechtswirksam beschlossenen außerordentlichen Vewaltungsmaßnahme steht der Geltendmachung des Rechts nach § 29 WEG durch die Antragsteller nicht entgegen (5 Ob 301/01b). Damit ist spruchgemäß zu entscheiden.
8. Das Erstgericht hat einen Kostenvorbehalt ausgesprochen. Die Kostenentscheidung beruht daher auf § 78 Abs 1 letzter Satz AußStrG.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00056.15V.0125.000