OGH vom 30.08.2017, 3Ob92/17a

OGH vom 30.08.2017, 3Ob92/17a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****gmbH als Insolvenzverwalterin im Konkurs über das Vermögen der D***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Muhri Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei S***** Gebietskrankenkasse, *****, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in Graz, wegen 128.745,90 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 26/17m-18, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 12 Cg 14/16h-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 44,10 EUR (hierin enthalten 7,35 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.725 EUR bestimmten Barauslagen des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen. Im Übrigen werden die Kosten des Revisionsverfahrens gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluss vom wurde über das Vermögen der D***** GmbH Co KG (im Folgenden: Schuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt. Bereits mit Beschluss vom war über das Vermögen der Schuldnerin ein Insolvenzverfahren eröffnet worden, das mit einem am in der Insolvenzdatei bekannt gemachten Sanierungsplan endete, der eine innerhalb von zwei Jahren auszuschüttende Quote von insgesamt 20 % vorsah. Die Schuldnerin erfüllte den Sanierungsplan (auch) gegenüber der Beklagten.

Die Schuldnerin hatte pro Monat Sozialversicherungsbeiträge von durchschnittlich rund 47.000 EUR (unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen) an die Beklagte abzuführen. Da sie den (mit fälligen) Beitrag für Oktober 2014 in Höhe von rund 75.000 EUR nicht beglich, brachte die Beklagte am einen Exekutionsantrag ein. Dieses Exekutionsverfahren wurde bereits am infolge an den Gerichtsvollzieher geleisteter Vollzahlung vom eingestellt.

Den seit fälligen Beitrag für November 2014 (knapp 41.000 EUR) beglich die Schuldnerin am . Da sie den Beitrag für Dezember 2014 in Höhe von knapp 62.000 EUR nach Fälligkeit am nicht beglich, brachte die Beklagte am diesbezüglich erneut einen Exekutionsantrag ein. Aufgrund Vollzahlung der Schuldnerin (einschließlich der angefochtenen Zahlung vom ) wurde auch dieses Exekutionsverfahren am eingestellt.

Die Beiträge für Jänner und Februar 2015 (fällig seit 16. Februar bzw ) beglich die Schuldnerin zunächst nicht. Ihr Geschäftsführer fragte am – also noch vor Fälligkeit des Beitrags für Februar 2015 – telefonisch bei der zuständigen Sachbearbeiterin der Beklagten an, ob im Hinblick darauf, dass hohe Kundenforderungen bestünden, der für Jänner 2015 zu leistende Beitrag in wöchentlichen Raten à 10.000 EUR beglichen werden könne. Als er darauf hingewiesen wurde, dass der Beitrag bis bezahlt sein müsse, um eine weitere Exekution (neben der damals gerade anhängig gemachten wegen des Beitrags für Dezember 2014) zu verhindern, erklärte er, dass er die Zahlung fristgerecht leisten werde, weil die offenen Forderungen bis dahin eingelangt sein sollten.

Mit Schreiben vom , das bei der Beklagten am 24. März einlangte, ersuchte die Schuldnerin die Beklagte allerdings „aufgrund der derzeitigen wirtschaftlichen Lage (weniger Auslastung in den Wintermonaten)“ darum, ihre Beiträge für Jänner und Februar 2015 (36.091,85 EUR und 34.166,75 EUR) in Raten zahlen zu dürfen. Eine „6-monatige Ratenzahlung beginnend am “ wäre für sie „wirtschaftlich gesehen realisierbar“.

Die Beklagte lehnte dieses Ratenansuchen am schriftlich ab. Der Gesamtrückstand betrage einschließlich der Beiträge für Februar 2015 127.072,47 EUR zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen. Bis zum Zahlungseingang behalte sie sich „weitere Maßnahmen“ vor.

Mit dieser Formulierung war gemeint, dass die Beklagte die Stellung eines weiteren Exekutionsantrags beabsichtige. Der Geschäftsführer der Schuldnerin fasste diese Erklärung jedoch so auf, dass die Stellung eines Insolvenzeröffnungsantrags im Raum stehe. Im Hinblick darauf leistete die Schuldnerin am die (ebenfalls angefochtene) Zahlung in Höhe von 70.258,60 EUR an die Beklagte, mit der die Beiträge für Jänner und Februar 2015 beglichen wurden. Den mit fälligen Beitrag für März 2015 leistete die Schuldnerin bereits am .

Am beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie war jedenfalls bereits im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen vom und vom (bei der Beklagten eingegangen am 20. März bzw ) materiell insolvent. Die Schuldnerin brachte diese Beträge auf, indem sie eingegangene Zahlungen von Kunden ausschließlich an die Beklagte überwies und anderen Gläubigern keine Zahlungen mehr leistete, obwohl ihr bewusst war, dass sie überschuldet und zahlungsunfähig war. Für die Schuldnerin war die Beklagte nämlich die „gefährlichste“ Gläubigerin, sodass es ihr vor allem wichtig war, die fälligen Zahlungen an diese zu leisten. Dabei war ihr völlig klar, dass es dadurch zu einer Ungleichbehandlung der verschiedenen Gläubiger kommt, die Beklagte also bevorzugt befriedigt wird. Der Geschäftsführer der Schuldnerin bemühte sich bis unmittelbar vor Stellung des Insolvenzeröffnungsantrags erfolglos darum, Investoren zu gewinnen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Mitarbeiter der Beklagten Kenntnis von der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen hatten.

Die ficht die (an den Gerichtsvollzieher geleistete) Zahlung der Schuldnerin vom (richtig:) in Höhe von 58.487,30 EUR (wovon nach Abzug der Gebühren des Gerichtsvollziehers 58.267,57 EUR an die Beklagte überwiesen wurden) und die Zahlung vom in Höhe von 70.258,60 EUR (Beiträge für Jänner und Februar 2015) gemäß § 30 Abs 1 Z 3 und § 31 Abs 1 Z 2 1. Fall IO an. Auch nach Aufhebung des Sanierungsverfahrens habe die Schuldnerin ihre wirtschaftliche Lage nicht verbessern können. Der Jahresverlust zum Bilanzstichtag habe immerhin noch rund 1.700.000 EUR betragen, wobei die Reduktion dieses Verlusts gegenüber dem Jahresverlust zum von knapp 4.000.000 EUR ausschließlich auf den anteiligen Sanierungsgewinn aus dem Abschluss des Sanierungsplans zurückzuführen gewesen sei. Die neuerliche Zahlungsunfähigkeit sowie Überschuldung habe bereits unmittelbar nach Abschluss des ersten Insolvenzverfahrens bestanden. Dies hätte die Beklagte durch Einsicht in die Bilanzen erkennen können. Sie habe jedoch jegliche Nachforschungen unterlassen, obwohl erst knapp zwei Jahre zuvor ein Insolvenzverfahren anhängig gewesen sei und sie erneut Beitragsrückstände im Wege der Zwangsvollstreckung einbringlich machen habe müssen. Ihr sei deshalb jedenfalls fahrlässige Unkenntnis der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin anzulasten. Im Schreiben vom habe die Schuldnerin ausdrücklich mitgeteilt, dass es ihr wirtschaftlich nicht möglich sei, Zahlungen zu leisten. Aus dem Ersuchen um einen „6 Monatsratenrhythmus“, dass also nur zwei Raten pro Jahr zu zahlen seien, habe die Beklagte schließen müssen, dass keine bloße Zahlungsstockung vorliege und die Schuldnerin nicht in der Lage sei, mehr als 5 % der fälligen Forderungen zu bedienen; jedenfalls hätte dieser Umstand zu Nachforschungen der Beklagten führen müssen.

Die wendete ein, das Ratenersuchen der Schuldnerin vom habe nur die Beiträge für Jänner und Februar 2015 in Höhe von insgesamt 70.258,60 EUR erfasst, also insgesamt nur zwei Beitragsmonate. Angesichts der plausiblen Begründung des Ersuchens sei dieses nicht als unüblich und/oder als Insolvenzindikator anzusehen gewesen. Unter „6-monatiger Ratenzahlung“ sei nur zu verstehen, dass die Schuldnerin sechs Monatsraten bezahlen habe wollen und nicht nur alle sechs Monate eine Rate. Der letzte erstattete Jahresabschluss (zum ) habe eine durchaus positive Entwicklung des Unternehmens gezeigt. Die Übersicht über das Beitragskonto lasse keine dramatische Entwicklung des Debetsaldos nachvollziehbar erscheinen. Berücksichtige man die durchschnittliche Höhe der Beitragsbelastung (47.052,15 EUR) und stelle diese den jeweils offenen Beitragssalden gegenüber, ergebe sich zu keinem Zeitpunkt während des Beobachtungszeitraums ein solcher Debetsaldo, der etwa die kritische Marke des Vierfachen eines durchschnittlichen Monatsbeitrags erreicht hätte. Vielmehr habe der Kontensaldo während der letzten vier Monate vor Insolvenzeröffnung maximal das Zweifache des durchschnittlichen monatlichen Beitragsaufkommens betragen. Die Beiträge seien zwar nicht zu den Fälligkeitszeitpunkten bzw innerhalb der vorgegebenen Zahlungsfristen vollständig geleistet worden. Ein Insolvenzverdacht habe sich daraus aber noch lange nicht ergeben. Andernfalls müsste schon beim geringsten Verzug Zahlungsunfähigkeit angenommen werden und Exekutionsversuche wären obsolet.

Das verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 70.258,60 EUR sA und wies das Mehrbegehren in Höhe von 58.487,30 EUR sA ab. Zum Zeitpunkt der Zahlung vom 20. [richtig: 19.] März 2015 sei der Beklagten noch keine fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit (und Benachteiligungsabsicht) der Schuldnerin vorzuwerfen gewesen, weil das Schreiben vom damals noch nicht bei ihr eingelangt gewesen sei. Erst dieses – zum Zeitpunkt der zweiten angefochtenen Zahlungen bereits vorliegende – Schreiben stelle in Verbindung mit den übrigen Umständen, wonach die Schuldnerin zwar ihre Verbindlichkeiten aus dem Sanierungsplan eingehalten, jedoch mit den (laufenden) Beitragszahlungen immer rund eineinhalb Monate im Rückstand gewesen sei und beim Telefonat vom um Ratengewährung für den Jännerbeitrag ersucht habe, einen Krisenindikator dar. Aus dem Schreiben ergebe sich nämlich, dass die (dann doch geleistete) Zahlung von 70.258,60 EUR „wirtschaftlich nicht darstellbar“ sei. Es entspreche geradezu dem „Musterverhalten“, dass ein Schuldner besonders „lästige“ Gläubiger, etwa solche, von denen Konkursanträge zu befürchten seien, bevorzugt befriedige. Der mangels Vornahme zumutbarer Prüfschritte fahrlässig nicht erkannte Umstand, dass keine bloße Zahlungsstockung, sondern Zahlungsunfähigkeit vorgelegen sei, habe dazu geführt, dass die Beklagte wegen Nichtbeachtung von Krisenindikatoren auch das Vorliegen der Begünstigungsabsicht fahrlässig nicht erkannt habe.

Das gab der Berufung der Klägerin gegen den abweisenden Teil des Ersturteils nicht Folge und änderte dieses über Berufung der Beklagten dahin ab, dass es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Die Schuldnerin habe ihre Verpflichtungen gegenüber der Beklagten aus dem Sanierungsplan erfüllt, die am 16. Jänner und exekutiv betriebenen Beitragsforderungen jeweils binnen weniger Tage getilgt und auf die Ablehnung ihrer Ratenzahlungsersuchen vom 13. und mit den beiden angefochtenen Zahlungen reagiert, deren Höhe über ihrem durchschnittlichen Monatsbeitrag gelegen sei. Es fehle deshalb an ausreichenden Insolvenzindikatoren, um eine Nachforschungsobliegenheit der Beklagten auszulösen. Auch zu einer Nichteinhaltung von Ratenvereinbarungen, die nach der Rechtsprechung Nachforschungsobliegenheiten auslöse, sei es nicht gekommen. Eine Situation, in der die Beklagte Zweifel an Zusagen der Schuldnerin haben hätte müssen, sei nie vorgelegen. Der Beklagten sei deshalb weder am 20. März noch am fahrlässige Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit (oder Begünstigungsabsicht) der Schuldnerin vorzuwerfen gewesen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

In ihrer , mit der sie die gänzliche Stattgebung des Klagebegehrens anstrebt, macht die Klägerin zusammengefasst geltend, das Berufungsgericht habe das Vorliegen von Insolvenzindikatoren zu Unrecht verneint. In Wahrheit habe die Beklagte unter den gegebenen Umständen eine Erkundigungspflicht getroffen, zumal nach der Rechtsprechung bereits übereinstimmende Medienberichte über die massive wirtschaftliche Krise eines Unternehmens einen Insolvenzindikator darstellen könnten. Umso mehr sei dies hier zu bejahen, weil die Beklagte konkrete Informationen zur wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin zur Verfügung gehabt habe und nicht auf eine vage Berichterstattung durch die Medien angewiesen gewesen sei.

Die Beklagte beantragt in ihrer vom Obersten Gerichtshof freigestellten , die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist und .

1. Nach ständiger Rechtsprechung dienen die Anfechtungstatbestände der §§ 30 und 31 IO dem Schutz des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Gläubiger (par conditio creditorum): Der Anfechtungserfolg soll die Konkursmasse so stellen, als ob der Konkurs schon bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (der relevanten Überschuldung) eröffnet worden wäre. Dementsprechend soll ein Gläubiger jene Zahlung (oder Sicherstellung), die er von seinem Schuldner nach Eintritt der Insolvenzvoraussetzungen (aber noch vor Einleitung des gesetzlichen Verfahrens, das die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger sicherstellen soll) erlangt hat, wieder in den der Befriedigung aller Gläubiger dienenden Fonds (die Konkursmasse) der Schuldnerin zurückstellen (RIS-Justiz RS0064417 [T2]; zuletzt 3 Ob 155/16i).

2.1. Dass die Schuldnerin zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen materiell insolvent war, ist unstrittig; nach den Feststellungen war der Beklagten dieser Umstand jedoch nicht positiv bekannt. Der in § 31 Abs 1 Z 2 IO normierte Tatbestand des Kennenmüssens der Zahlungsunfähigkeit ist dann erfüllt, wenn die Unkenntnis des Anfechtungsgegners auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht; es genügt leichte Fahrlässigkeit des Anfechtungsgegners (RIS-Justiz

RS0064672;

RS0064379). Die Frage, ob dem Anfechtungsgegner fahrlässige Unkenntnis zur Last fällt, ist nach den ihm im Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung zu Gebote stehenden Auskunftsmitteln, dem Maß ihrer ihm vernunftgemäß zuzumutenden Heranziehung und der Ordnungsmäßigkeit ihrer Bewertung zu beantworten (RIS-Justiz

RS0064794). Die Anzeichen einer wirtschaftlichen Krise müssen Anlass sein, mit zumutbaren Mitteln Erkundigungen einzuziehen (RIS-Justiz RS0064794 [T2]).

3. An die Sorgfaltspflicht bestimmter Großgläubiger, zu denen grundsätzlich auch die Krankenversicherungsträger gehören, ist ein strenger Maßstab anzulegen, weil sie über entsprechende Ressourcen zur Bonitätsüberwachung ihrer Schuldner verfügen (RIS-Justiz

RS0064682 [T12]). Sie sind nach der Rechtsprechung ua zu Nachforschungen verpflichtet, wenn getroffene Ratenvereinbarungen nicht mehr eingehalten werden (3 Ob 181/14k mwN). Liegen Insolvenzindikatoren vor, darf sich der Anfechtungsgegner nicht mit der Behauptung des Schuldners über eine bloße Zahlungsstockung zufrieden geben, sondern muss diese überprüfen (3 Ob 99/10w = RIS-Justiz RS0126562 [zur Prüfpflicht von Sozialversicherungsträgern]). Als jedenfalls zumutbares Auskunftsmittel ist der Schuldner anzusehen, der zu seinen Behauptungen über eine bloße Zahlungsstockung, die offenen Kundenforderungen und die vorhandenen liquiden Mittel, die Liquiditätsplanung und insbesondere über den Stand der fälligen Schulden sowie auch zur Vorlage von Urkunden (insbesondere Liquiditätsbilanz, offene Postenlisten, allenfalls letzte Bilanz) aufgefordert werden kann (3 Ob 181/14k mwN).

4. Den Vorinstanzen ist dahin zuzustimmen, dass zum Zeitpunkt der ersten angefochtenen Zahlung im März 2015 (noch) keine ausreichenden Insolvenzindikatoren vorlagen, aufgrund derer die Beklagte zu Nachforschungen gehalten gewesen wäre. Weder das vorangegangene Sanierungsverfahren, in dem die Schuldnerin ihre Verpflichtungen aus dem Sanierungsplan gegenüber der Beklagten erfüllte, noch der Umstand, dass die Schuldnerin mit den laufenden Beiträgen stets in Rückstand geriet, weshalb die Beklagte zwei Exekutionsanträge stellte, die jeweils umgehend zur Vollzahlung führten, war nämlich – für sich allein oder auch in Kombination – bereits ein ausreichendes Indiz für eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin.

5. Wie das Erstgericht richtig erkannt hat, trat allerdings mit Einlangen des Schreibens der Schuldnerin vom , also zwischen der ersten und der zweiten angefochtenen Zahlung, eine entscheidende Änderung ein:

5.1. Während die Schuldnerin beim Telefonat vom noch – wenn auch vergeblich – den Wunsch geäußert hatte, den offenen (Jänner-)Beitrag in Höhe von rund 36.000 EUR in wöchentlichen Raten à 10.000 EUR zu begleichen, das heißt also binnen vier Wochen, somit bis etwa Mitte April 2015, war in ihrem Schreiben vom nunmehr davon die Rede, dass sie die mittlerweile fälligen Beiträge für Jänner und Februar 2015 von insgesamt rund 70.000 EUR erst beginnend mit durch „6-monatige Ratenzahlung“ – womit sie ersichtlich die Begleichung in sechs Monatsraten [April bis September 2015] von jeweils knapp 12.000 EUR meinte – tilgen könne, weil (zu ergänzen: nur) eine solche Ratenzahlung für sie „wirtschaftlich gesehen realisierbar“ sei.

5.2. Aufgrund dieser Formulierung hätte die Beklagte bei gehöriger Aufmerksamkeit Verdacht schöpfen müssen, dass die Schuldnerin – wie es ja tatsächlich der Fall war – insolvenzrechtlich überschuldet bzw zahlungsunfähig sein könnte: Dass die Schuldnerin ihr erstes – abgelehntes – Ratenersuchen sechs Tage nach dem Telefonat nicht etwa nachbesserte, sondern in ihrem Schreiben für die Beklagte deutlich ungünstigere Konditionen vorschlug, müsste einem aufmerksamen (Groß-)Gläubiger zu denken geben.

5.3. Auch wenn die Formulierung der Schuldnerin nicht zweifelsfrei als Eingeständnis ihrer Überschuldung/Zahlungsunfähigkeit zu werten ist, bewirkte sie doch eine Nachforschungsobliegenheit einer Großgläubigerin wie der Beklagten. Eine solche entsteht nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nämlich bereits aufgrund übereinstimmender Medienberichterstattung über eine erhebliche Krise des Schuldners (RISJustiz RS0118049, jüngst 3 Ob 92/16z). In gleicher Weise handelte die hier beklagte Großgläubigerin gerade in der vorliegenden Konstellation, in der die Schuldnerin auch in den vorangegangenen Monaten (nach Beendigung des Sanierungsverfahrens) stets mit den Beitragszahlungen in Rückstand geraten war, weshalb zweimal sogar ein Exekutionsantrag gestellt werden musste, fahrlässig, wenn sie es unterließ, auf die von der Schuldnerin selbst kommenden Hinweise auf eine mögliche Insolvenz zu reagieren.

6. In teilweiser Stattgebung der Revision ist deshalb das Urteil des Erstgerichts (einschließlich dessen Kostenentscheidung) wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Berufungs- und Revisionsverfahrens beruht auf § 41 und § 43 Abs 1 iVm § 50 ZPO. Da beide Berufungen gegen das Urteil des Erstgerichts unberechtigt waren, haben beide Parteien jeweils Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Berufungsbeantwortung, was wegen der unterschiedlichen Bemessungsgrundlage einen geringfügigen Saldo zugunsten der Klägerin ergibt. Im Revisionsverfahren ist die Klägerin– wie im Verfahren vor dem Erstgericht – nur ungefähr zur Hälfte (mit knapp 55 %) durchgedrungen, sodass die Beklagte ihr die Hälfte der Pauschalgebühr für die Revision zu ersetzen hat, während im Übrigen die Kosten des Revisionsverfahrens gegeneinander aufzuheben sind.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00092.17A.0830.000

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