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OGH vom 19.01.2011, 7Ob92/10w

OGH vom 19.01.2011, 7Ob92/10w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Oberstern Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Mag. I***** S*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Manfred Ainedter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei Dr. G***** Z*****, geboren am *****, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 44 R 334/09g, 44 R 441/09t 140, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Das Verfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.

2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der von der Revisionswerberin geltend gemachte Nichtigkeitsgrund gemäß § 477 Abs 1 Z 1 ZPO liegt nur dann vor, wenn ein Richter erfolgreich abgelehnt wurde (RIS Justiz RS0007462). Die zur Entscheidung über eine Ablehnung berufenen Organe sind in § 23 JN genannt. Da alle von der Klägerin in der Vergangenheit gestellten Ablehnungsanträge gegen die in erster und zweiter Instanz tätigen Richter aufgrund der darüber ergangenen Entscheidungen der zuständigen Organe erfolglos geblieben sind und eine neuerliche Ablehnung in der Revision, wie die Klägerin nun ausdrücklich erklärt hat, nicht beabsichtigt war, ist der behauptete Nichtigkeitsgrund nicht gegeben. Die offenbar von der Revisionswerberin vertretene Ansicht, der Oberste Gerichtshof könne sich über rechtskräftige Entscheidungen in Ablehnungssachen hinwegsetzen und entgegen diesen einen Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO annehmen, entbehrt jeder Rechtsgrundlage. Es trifft zwar zu, dass Nichtigkeitsgründe, über deren Vorliegen oder Nichtvorliegen keine den Obersten Gerichtshof bindende Entscheidung der Vorinstanzen vorliegt, aus Anlass eines statthaften (prozessual zulässigen) außerordentlichen Rechtsmittels als erhebliche Rechtsfrage wahrzunehmen sind (RIS Justiz RS0043067). Ein außerordentliches Rechtsmittel ist aber nicht schon deshalb vom Obersten Gerichtshof als zulässig zu behandeln, weil eine Nichtigkeit, die eindeutig nicht gegeben ist, bloß behauptet wird ( Zechner in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 502 Rz 94 mwN ua). Ein Nichtigkeitsgrund, über den die Vorinstanzen noch nicht entschieden haben, liegt nicht vor.

Die Fragen, welche Erklärungen die Parteien in den zeitlich am selben Tag hintereinander durchgeführten Rechtsmittelverhandlungen abgegeben haben und welche ergänzend getroffenen Feststellungen allenfalls überschießend sind, sind nicht entscheidungsrelevant und können dahingestellt bleiben. Das Berufungsgericht übernahm nämlich die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zur Gänze und meinte nur, diese noch präzisieren und ergänzen zu müssen. Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen reichen jedoch für eine abschließende Beurteilung des Verschuldens der Ehegatten ohnedies aus.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der Judikatur, auch wenn man auf den (vom Rekursgericht ergänzend festgestellten) Vorfall vom (Verletzung des Minderjährigen J*****) nicht Bedacht nimmt. Ebenso wenig kommt es darauf an, welche Strafverfahren gegen den Beklagten noch anhängig sind oder welche eingestellt wurden. Sollte es zu einer für das Ehescheidungsverfahren relevanten strafgerichtlichen Verurteilung des Beklagten in der Zukunft kommen, so könnte dies mit Wiederaufnahmsklage geltend gemacht werden.

Die Revision wirft dem Berufungsgericht zu Recht gar nicht vor, dass es die Beweisrüge nicht erledigt hätte. Hat sich aber das Berufungsgericht mit der Beweisrüge befasst, so ist die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpfbar (RIS Justiz RS0043371). Abgesehen davon verweist die Revisionswerberin selbst darauf, dass die bezughabenden Urkunden und Protokolle ohnehin in allen drei Verfahren (Obsorge, Ehescheidung und Unterhalt) vorlagen. Sie meint aber, dass diese vom Berufungsgericht nicht richtig gewürdigt wurden. Der Oberste Gerichtshof ist jedoch nicht Tatsacheninstanz.

Der Umstand, dass sich die Revisionswerberin mit anderen gerichtlichen, schon in Rechtskraft erwachsenen Entscheidungen nicht abfinden will, bildet keinen Revisionsgrund.

Die Revision wendet sich nicht dagegen, dass die Übertragungen von Tonbandaufzeichnungen als Beweismittel verwendet wurden, meint jedoch, dass die Aufzeichnung ein strafgerichtlich zu verfolgendes Verhalten des Beklagten darstellten. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, dass die Verwendung der Tonbandaufzeichnungen wegen Beweisnotstands nach Interessenabwägung berechtigt gewesen sei. Diese Rechtsansicht des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der Judikatur (3 Ob 131/00m, 4 Ob 247/99y je mwN), wobei die Verwertung eines Transkripts im Verfahren - wie hier - nicht § 120 StGB zu unterstellen ist (1 Ob 172/07m; RIS-Justiz RS0123178).

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage, welchen Ehepartner an der unheilbaren Zerrüttung der Ehe das überwiegende Verschulden trifft, eine solche des Einzelfalls (RIS Justiz RS0118215, RS0119414). Bei der Beurteilung des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten sind alle Umstände zu berücksichtigen und in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen (RIS Justiz RS0057821). Der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens kann nur dann erfolgen, wenn das Verschulden eines Ehegatten erheblich schwerer ist als das des anderen. Dabei kommt es nicht allein auf die Schwere der Verfehlung an sich an, sondern darauf, in welchem Umfang die Verfehlung zu der schließlich eingetretenen Zerrüttung der Ehe beigetragen hat (RIS Justiz RS0057858). Bei der Abwägung ist vor allem auch zu berücksichtigen, wer mit der schuldhaften Zerstörung der Ehe den Anfang gemacht hat (RIS Justiz RS0056597).

Bis Weihnachten 2005 ist durchaus von einem gleichteiligen Verschulden der Ehegatten auszugehen. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Klägerin aber letztlich das überwiegende Verschulden trifft, weil sie - wie sich aus den Feststellungen im Zusammenhalt mit der Beweiswürdigung des Erstgerichts ergibt - tatsachenwidrig dem Beklagten den Vorwurf machte, er habe sie vorsätzlich am Körper verletzt und ihn durch die Anzeigenerstattung der strafgerichtlichen Verfolgung aussetzte, und weil sie ab Weihnachten 2005 den Versuch machte, die Kinder vom Beklagten abzuschirmen, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

Eine Verzeihung im Sinn des § 56 EheG ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Auch wenn der Beklagte aus welchen Gründen immer an die Klägerin die von ihr zitierte SMS schickte, so ist aus dem festgestellten Verhalten beider Ehegatten eindeutig abzuleiten, dass keine wie immer geartete Versöhnung eingetreten oder auch nur angedacht war.

Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).