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OGH vom 29.03.2017, 7Ob91/16g

OGH vom 29.03.2017, 7Ob91/16g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** W***** GmbH, *****, vertreten durch Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei 1. e***** l***** OG, 2. M***** S***** und 3. C***** M*****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 422.903,48 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 34 R 161/15v38, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 43 Cg 4/12d33, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin beauftragte die Erstbeklagte, Zweit- und Drittbeklagter sind deren unbeschränkt haftende Gesellschafter, im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung mit der Versendung von Gütern von Österreich nach Rumänien und Bulgarien. Es galt dafür der Rahmenvertrag „Vertragliche Vereinbarung für Transporte von elektronischen Produkten von Fa. H***** (kurz: H*****) und Sammelguttransporte“, wonach die beigeschlossenen Mindest-Sicherheitsanforderungen von H***** einen integrierten Bestandteil der Vereinbarung bildeten und auch jedem Fahrer bzw Subunternehmer vor Transportdurchführung bekannt zu machen und vom eingesetzten Fahrer zu unterschreiben waren. Der Rahmenvertrag lautete auszugsweise:

„8. Subunternehmer:

8.1. Sämtliche Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung gelten auch für Dritte und Subunternehmer, die der Frächter zur Erfüllung dieses Vertrages einsetzt. Die eingesetzten Dritten und Subunternehmer sind vom Frächter zur Einhaltung der Pflichten dieser Vereinbarung, insbesondere auch zur Einhaltung der beigeschlossenen Mindest-Sicherheitsanforderungen von (H*****) zu verpflichten.

8.2. Der Frächter ist verpflichtet, im Falle einer Weitergabe des Transportauftrages an Dritte (nachfolgender Transportführer) die Spedition (Klägerin) von diesem Umstand vor Durchführung des Transportes schriftlich in Kenntnis zu setzen und zwar unter Angabe der Firmendaten (Name, Adresse, Telefon- und Faxnummer, Kontaktperson) des weiterführenden Unternehmens.

8.3. Die Spedition (Klägerin) behält sich das Recht vor, eine Weitergabe des Transportauftrages an einen Subunternehmer zu untersagen, insbesondere wenn sicherheitsrelevante Aspekte gegen eine Weitergabe sprechen.

9. Haftung:

Der Frächter haftet während seines Obhutszeitraumes für sämtliche Schäden, welche durch Beschädigung, Verlust oder Verspätung erfolgen; ausdrücklich auch für Handlungen und Unterlassungen seiner Bediensteten und aller Personen, derer er sich bei Vertragserfüllung bedient. Diese Haftung erstreckt sich insbesondere auf von ihm eingesetzte Subunternehmer und deren Erfüllungsgehilfen.

10. Sonstige Bestimmungen:

10.6. Dem Frächter ist bewusst, hochwertige Elektronik zu laden. ...“

Die Erstbeklagte gibt Aufträge im Regelfall an ihre Stammfrachtführer oder an vorher geprüfte inländische Frachtführer nach vorheriger Abstimmung mit der Klägerin weiter. Die Erstbeklagte nutzt für die Transportvermittlung die Plattform der internationalen und speziell auf den rumänischen Markt zugeschnittenen Frachtenbörse B*****.

Im Jänner 2011 kaufte A***** M***** über einen öffentlichen Notar in Österreich die Geschäftsanteile an der G***** H***** Transport GmbH (kurz: GH GmbH) und im Februar 2011 schloss er einen Vertrag zur Nutzung der Internetfrachtenbörse T***** ab, um über diese an Transportaufträge zu kommen.

Die GH GmbH fragte im Februar 2011 bei der S***** G***** A***** GmbH wegen einer Verkehrshaftungsversicherung an und übermittelte dazu einen ausgefüllten und unterfertigten Fragebogen zur „Risikoerhebung“, auf dem eine Firmenstampiglie mit einer Wiener Adresse, die Tel/Fax-Nummer und eine Internetadresse aufschienen. Die S***** G***** A***** GmbH überprüfte die ebenfalls vorgelegten Auszüge aus dem Gewerberegister sowie dem Firmenbuch (Geschäftszweig „Handel mit Waren aller Art“ und „Ausübung des Transportgewerbes“) und stellte der GH GmbH mit die CMR-Versicherungsbestätigung aus.

Der Disponent der Klägerin kontaktierte die Erstbeklagte am wegen eines Transportauftrags für eine H*****-Ladung nach Rumänien.

Die GH GmbH bewarb sich am bei der Erstbeklagten um einen Transportauftrag. Der Disponent der Erstbeklagten bot der GH GmbH die von der Klägerin nachgefragte Beförderung nach Rumänien an, weil die dafür vorgesehenen Stammfrachtführer ausgefallen waren. Voraussetzung war eine Überprüfung der GH GmbH, wozu der Disponent der Erstbeklagten die im Speditionsgeschäft üblichen Unterlagen verlangte. Er erhielt von der GH GmbH den Firmenbuchauszug, die Unternehmensdaten, die Kopie der Versicherungsbestätigung der österreichischen Frachtführer-haftungsversicherung sowie die avisierten Kennzeichen. Nach Erhalt der Kennzeichen und Prüfung der Unterlagen nahm der Disponent der Erstbeklagten einen Kontrollanruf bei der GH GmbH vor und erkundigte sich darüber, weshalb polnische Kennzeichen zum Einsatz kommen sollten. Der Geschäftsführer der GH GmbH erklärte, dass bei Osttransporten generell osteuropäische Frachtführer eingesetzt würden, weil diese über bessere Ortskenntnisse verfügten. Die Erstbeklagte erteilte der GH GmbH daraufhin den Transportauftrag. Noch am erhielt die Erstbeklagte von der S***** G***** A***** GmbH auch die Versicherungsdeckung bestätigt.

Der Disponent der Erstbeklagten teilte der Klägerin mit, dass die Stammfrachtführer der Erstbeklagten ausgelastet seien, aber ein sogenannter Erstkontakt (gemeint: die GH GmbH) zur Verfügung stehe. Den Namen dieses Subfrächters, wie auch den Umstand, dass dieser über eine Internetfrachtenbörse akquiriert worden war, teilte der Disponent nicht mit.

Die Klägerin beauftragte am die Erstbeklagte mit dem Transport der H*****-Produkte vom Betriebsstandort M***** L***** nach Bukarest (Rumänien). Die Frachtpauschale betrug 1.400 EUR „all in“. Die Ladung erfolgte am Abend des auf den LKW eines polnischen Frachtführers. Die GH GmbH hatte die Kennzeichen zuvor an die Erstbeklagte zur Weiterleitung an die Klägerin avisiert, damit deren Mitarbeiter den LKW auf das Betriebsareal der Klägerin einlassen konnten. Die Beladung des polnischen LKW erfolgte durch die Klägerin. Deren Disponent fertigte Kopien des Reisepasses des Fahrers und des Zulassungsscheins des LKW an und übermittelte diese an die Erstbeklagte mit dem Ersuchen, den LKW weiter im Auge zu behalten. Hätten die Mitarbeiter der Klägerin den Fahrer nach seinem Transportauftrag und über die genaue Entladeadresse befragt, hätten sie (im Fall wahrheitsgemäßer Antwort) herausgefunden, dass der polnische Frachtführer bereits vorab von der GH GmbH beauftragt worden war, nicht nach Rumänien, sondern nach Ungarn zum Lager der GH GmbH zu fahren. Die gesamte Transportladung geriet in der Folge in Verlust und konnte nicht wiedererlangt werden.

Auch andere internationale Speditionen wurden im April 2011 von der GH GmbH auf diese Weise getäuscht und geschädigt. Im April 2011 hatte die ungarische Niederlassung der Klägerin ebenfalls mit der GH GmbH Transportaufträge abgeschlossen und dadurch Schäden erlitten, was allerdings erst nach der Auftragserteilung im vorliegenden Fall bekannt wurde. Die GH GmbH schien bis April 2011 auf keiner sogenannten „Blacklist“ auf.

H***** hielt die Klägerin für den Verlust der Ladung haftbar. Die Rechnungssumme der in Verlust geratenen H*****-Produkte beträgt 422.903,48 EUR.

Die Klägerin begehrte nach mehrmaliger Modifikation zuletzt:

a. Die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, ihr den Betrag von 422.903,48 EUR bei sonstiger Exekution in den Versicherungsanspruch aus der (näher bezeichneten) Verkehrshaftungsversicherung gegenüber den (nach Namen und %-Anteilen aufgelisteten) Versicherern zuzüglich je 8,38 % Zinsen p.a. ab zu bezahlen, und

b. es werde festgestellt, dass im Fall nicht gedeckter Ansprüche der Beklagten gegenüber den (nach Namen und %-Anteilen aufgelisteten) Versicherern aus dem (näher bezeichneten) Verkehrshaftungsversicherungsvertrag die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig sind, der Klägerin den Betrag von 84.580,70 EUR in 4 gleichen Raten zu je 21.145,18 EUR, die erste Rate von 21.145,18 EUR fällig seit samt 8,38 % Zinsen p.a., seit , die zweite Rate von 21.145,18 EUR fällig am samt 8,38 % Zinsen p.a. ab , die dritte Rate von 21.145,18 EUR fällig am samt 8,38 % Zinsen p.a. ab , die vierte Rate von 21.145,18 EUR fällig am samt 8,38 % Zinsen p.a. ab bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Die Klägerin brachte im Wesentlichen vor, dass die Erstbeklagte entgegen ihrer vertraglichen Verpflichtung einen ihr unbekannten, über eine Internetplattform akquirierten Subfrächter eingesetzt und die Klägerin darüber nicht informiert habe. Die Klägerin hätte diesen Einsatz schon aufgrund der besonderen vertraglichen Sicherheitsbestimmungen von H***** untersagt. Die Erstbeklagte hafte schon aufgrund ihres eigenen grob fahrlässigen Verhaltens, weil durch den weisungswidrigen Einsatz eines unbekannten Subfrächters die gesamte Warenladung verloren gegangen sei. Die Erstbeklagte habe aber auch für das vorsätzliche Verhalten ihrer Subfrachtführer als Erfüllungsgehilfen gemäß Art 3 iVm Art 29 CMR einzustehen, ohne dass es auf ein Auswahlverschulden ankomme. Der Transportverlust durch Unterschlagung stelle kein unabwendbares Ereignis gemäß Art 17 Abs 2 vierter Fall CMR dar.

Die Beklagten beantragten Abweisung der Klagebegehren und wandten – soweit im Revisionsverfahren noch entscheidungsrelevant – ein, dass die Erstbeklagte bei der Auswahl der GH GmbH alle zumutbaren und dem Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Spediteurs entsprechenden Überprüfungen vorgenommen habe. Die Klägerin sei mit der getroffenen Auswahl einverstanden gewesen. Für die Erstbeklagte sei der Verlust des Transportguts iSd Art 17 Abs 2 CMR unvermeidbar gewesen, weil sie Opfer international organisierter Kriminalität geworden sei. Eine Zurechnung nach Art 3 CMR könne nicht erfolgen, weil Betrugskriminalität nicht in Erfüllung der frachtrechtlichen Verpflichtungen geschehe. Die Klägerin treffe jedenfalls ein überwiegendes Mitverschulden, weil sie den Verlust der Ware hätte verhindern können. Die Mitarbeiter der Klägerin hätten den Fahrer fragen können, welchen Auftrag er habe bzw welches Ziel ihm vorgegeben worden sei.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Rechtlich führte es – soweit noch wesentlich – aus, dass den Beklagten die Haftungsbefreiung nach Art 17 Abs 2 CMR zugute komme. Der Verlust der Ladung sei nicht etwa auf einen bloßen Diebstahl durch einen (Sub-)Frachtführer, sondern auf organisierte Kriminalität zurückzuführen, die auch andere große Speditionen betroffen habe. Der Vorwurf der Klägerin, die Erstbeklagte habe grob fahrlässig gehandelt, weil sie einen unbekannten Frachtführer eingesetzt habe, sei unberechtigt. Auch die ungarische Niederlassung der Klägerin habe zeitnahe die GH GmbH beauftragt, habe doch gegen diese ursprünglich kein Verdacht bestanden und offenbar auch die Klägerin mit einem derartigen Betrugsfall nicht rechnen können. Zudem habe die Klägerin den LKW beladen und deren Mitarbeiter seien die einzigen gewesen, die Kontakt mit dem Fahrer gehabt hätten. Der Klägerin sei vor der Beladung auch bekannt gewesen, dass ein neuer Subfrachtführer kommen werde. Hätten Mitarbeiter der Klägerin den Transportauftrag des Fahrers näher geprüft, hätten sie herausgefunden, dass dieser von der GH GmbH beauftragt gewesen sei, nicht nach Rumänien, sondern nach Ungarn zu fahren. Nur dadurch hätte der Verlust der Ladung verhindert werden können, weshalb keine Schadensteilung iSd Art 17 Abs 5 CMR greife. Die Klägerin habe jedenfalls keine grobe Fahrlässigkeit der Erstbeklagten unter Beweis stellen können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass es sich beim (Sub-)Frachtführer um einen „Erstkontakt“ gehandelt habe; trotzdem habe sie gegen seine Beauftragung keinen Einwand erhoben. Die Klägerin sei zwar nicht darüber informiert gewesen, dass die GH GmbH über eine Frachtbörse akquiriert worden sei, doch sei deren Überprüfung ohnehin Bedingung für eine Weitergabe des Auftrags gewesen. Die Erstbeklagte habe sich vergewissert, dass eine Versicherungsdeckung bestehe, es habe eine telefonische Kontaktaufnahme zur GH GmbH stattgefunden, diese sei im Firmenbuch aufgeschienen und habe über eine Gewerbeberechtigung verfügt sowie die Kennzeichen des Sattelzugs avisiert. Der Erstbeklagten sei daher kein grober Sorgfaltsverstoß vorzuwerfen, sondern habe ein unabwendbares Ereignis iSd Art 17 Abs 2 CMR vorgelegen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagsstattgebung. Hilfsweise stellt die Klägerin auch einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten erstatteten eine ihnen freigestellte Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist infolge einer korrekturbedürftigen rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen zulässig; sie ist in ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

1.1. Die Beklagten machen in ihrer Revisionsbeantwortung geltend, die Erstbeklagte sei nach Schluss der mündlichen Streitverhandlung in erster Instanz im Firmenbuch gelöscht worden, was die Beklagten auch bekanntgegeben hätten. Werde aber die beklagte Personengesellschaft während des anhängigen Prozesses gelöscht, sei das Verfahren zu unterbrechen und nur auf Begehren des Klägers fortzusetzen. Strebe der Kläger hingegen nicht die Fortsetzung des Verfahrens gegen die gelöschte Gesellschaft an, sei die Klage zurückzuweisen und das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären.

1.2. Den Beklagten ist dahin beizupflichten, dass der Oberste Gerichtshof seit der Entscheidung des verstärkten Senats 8 ObA 2344/96f (= SZ 71/175) die Auffassung vertritt, dass eine vollbeendete Kapitalgesellschaft grundsätzlich nicht mehr parteifähig ist, es aber mit dem Grundrecht auf ein faires Verfahren nach Art 6 EMRK unvereinbar ist, wenn die Beklagte durch rechtliche Änderungen in ihrer Sphäre, auf die der Kläger keinen Einfluss hat und die er auch nicht durchschauen kann, eine Entscheidung über den vom Kläger rechtmäßig geltend gemachten, mit erheblichem Aufwand an Geld, Zeit und Mühe vor Gericht verfolgten zivilrechtlichen Anspruch vereiteln könnte. Wird daher eine Gesellschaft während eines gegen sie anhängigen Passivprozesses gelöscht, so ist das Verfahren auf Begehren des Klägers fortzusetzen. Strebt aber der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens gegen die gelöschte Gesellschaft nicht an, so ist die Klage zurückzuweisen und das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären (7 Ob 55/14k; RIS-Justiz RS0035195 [T11]; RS0035204 [T6]; RS0109397 [T1]; RS0110979).

Das ist – im Einklang mit der Entwicklung der Rechtsprechung zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) als Kapitalgesellschaft (RIS-Justiz RS0050186) – dahin zu verstehen, dass der Untergang der Parteifähigkeit und Prozessfähigkeit einer handelsrechtlichen Personengesellschaft deren Vollbeendigung voraussetzt (RIS-Justiz RS0021209). Materiell-rechtlich ist dafür die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft (3 Ob 32/06m) – der Mangel an Aktivvermögen (8 ObA 46/06g; siehe ferner RIS-Justiz RS0050186) – erforderlich. Infolgedessen hat die Löschung einer Gesellschaft im Firmenbuch bloß deklarative Bedeutung, besteht doch eine gelöschte Gesellschaft fort, solange sie noch über Aktivvermögen verfügt (1 Ob 166/06b; RIS-Justiz RS0050186, RS0061921).

Nach dieser Rechtsprechung ist (von den Beklagten unbestritten) auch ein Anspruch der Gesellschaft gegen den Haftpflichtversicherer ein Vermögen, das der Vollbeendigung der Gesellschaft entgegensteht (vgl 2 Ob 166/08p).

1.3. Der Wille des Klägers zur Verfahrensfortsetzung gegen die aufgelöste oder gelöschte Gesellschaft muss nicht ausdrücklich erklärt werden. Er kann sich vielmehr auch daraus ergeben, dass der Kläger trotz der ihm bekannten, den Verlust der Parteifähigkeit herbeiführenden Umstände das Verfahren durch Anträge oder Rechtsmittel fortsetzt (1 Ob 70/99x = EvBl 1999/210; 1 Ob 153/02k = SZ 2003/27). Das ist hier geschehen:

1.4. Die Beklagten haben mit Eingabe vom die Löschung der Erstbeklagten aus dem Firmenbuch bekanntgegeben. Die Gleichschrift dieser Eingabe erhielt der Klagevertreter gemäß § 112 ZPO zugestellt. Die Klägerin hat in der Folge die ihren geltend gemachten Anspruch verneinenden Entscheidungen der Vorinstanzen mit Berufung bzw Revision bekämpft. Es ist daher vom Fortsetzungswillen der Klägerin auszugehen.

2.1. Die Anwendbarkeit der CMR ist unzweifelhaft.

2.2. Die bereits vom Erstgericht bejahte Aktivlegitimation der Klägerin (vgl dazu RIS-Justiz RS0107088; RS0107085; RS0033092, auch [T4]) wird von den Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung zu Recht nicht mehr bekämpft.

3. Im Revisionsverfahren ist das Verhältnis zwischen Art 3 und Art 17 CMR und zwar konkret die Frage strittig, ob die Erstbeklagte für die GH GmbH gemäß Art 3 CMR haftet oder ob sich die Erstbeklagte auf die Haftungsbefreiung nach Art 17 Abs 2 4. Fall CMR, nämlich darauf berufen kann, dass der Schaden durch Umstände verursacht worden ist, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Erstbeklagte gemäß Art 3 CMR für das Verhalten der GH GmbH einzustehen habe und damit die Haftungsbefreiung nach Art 17 Abs 2 CMR ausgeschlossen sei. Die Beklagten vertreten dagegen im Wesentlichen die Rechtsansicht, Art 3 CMR komme deshalb nicht zur Anwendung, weil dem kriminellen Verhalten der GH GmbH der „innere Zusammenhang“ zur „Ausübung der Verrichtungen“ im Sinne dieser Bestimmung fehle. Der Fachsenat hat dazu Folgendes erwogen:

4. Nach Art 3 CMR haftet der Frachtführer, soweit das Übereinkommen anzuwenden ist, für Handlungen und Unterlassungen seiner Bediensteten und aller anderen Personen, deren er sich bei Ausführung der Beförderung bedient, wie für eigene Handlungen und Unterlassungen, wenn diese Bediensteten oder andere Personen in Ausübung ihrer Verrichtungen handeln.

5. Aus Art 3 CMR folgt, dass der Frachtführer berechtigt ist, die ihm übertragenen Pflichten auf andere Personen, seien es nun seine Dienstnehmer oder selbständige Unternehmer, zu übertragen, jedoch nur unter Fortbestand seiner Verantwortung gegenüber dem Absender für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung (Jesser-Huß in MüKo HGB3 Art 3 CMR Rn 3; vgl auch Koller in Koller, Transportrecht8 Art 3 CMR Rn 1). Der Frachtführer hat für das Verschulden seiner Leute einzustehen, so als ob er selbst die schädigende Handlung oder Unterlassung gesetzt hätte (Csoklich in Jabornegg/Artmann UGB2 Art 3 CMR Rz 1).

6. Der Frachtführer haftet nicht nur für seine Bediensteten und Personen, die ohne seine Bediensteten zu sein, regelmäßig im Rahmen seines Unternehmens tätig werden, sondern auch für andere Personen, die auf seinen Wunsch an der Durchführung einer bestimmten Beförderung mitwirken, so insbesondere für seine Unterfrachtführer und deren Personal (RIS-Justiz RS0073705). Die Rechtsstellung des Unterfrachtführers gleicht demnach der eines Erfüllungsgehilfen (RIS-Justiz RS0062604 [T1]).

7. Dass die betreffende Person „in Ausübung ihrer Verrichtungen“ handeln muss, erfordert einen inneren Zusammenhang zwischen der Schädigung und der Erfüllungshandlung. Demnach ist eine Schädigung ausgenommen, die der Gehilfe dem Gläubiger nur gelegentlich (anlässlich) der Erfüllung zugefügt hat und einer selbständigen unerlaubten Handlung entsprungen ist. Betrifft die unerlaubte Handlung des Gehilfen aber jenen Aufgabenbereich, zu dessen Wahrnehmung er vom Geschäftsherrn bestellt worden ist, dann hat der Schuldner dafür einzustehen (1 Ob 643/84 = SZ 57/196; 7 Ob 184/09y; BGH I ZR 40/83 = MDR 1986, 115 = VersR 1985, 1060; vgl auch RIS-Justiz RS0028626; RS0028691; RS0028517; RS0028499). Unter dieser Voraussetzung haftet der Frachtführer also auch für vorsätzliches Verhalten seiner Gehilfen (Csoklich in Jabornegg/Artmann UGB2 Art 3 CMR Rz 6).

8. Nach den zuvor dargestellten Grundsätzen ist nach ganz herrschender Ansicht etwa auch der Diebstahl durch den unmittelbar mit dem Transport befassten Unterfrachtführer ein Handeln in Ausübung seiner Verrichtungen, für das der Hauptfrachtführer haftet (Csoklich in Jabornegg/Artmann UGB2 Art 3 CMR Rz 6; Ferrari in Ferrari/Kieninger/Mankowski Internationales Vertragsrecht2 Art 3 CMR Rn 13; Jesser-Huß in MüKo HBG3 Art 3 CMR Rn 25; Herber/Piper CMR Art 3 Rn 12; Didier in Didler/Andresen CMR8 Art 3 Rn 15; Koller in Koller, Transportrecht8 Art 3 CMR Rn 5; vgl Helm in Helm, Frachtrecht II2 Art 3 CMR Rn 10; Schärmer in Schütz/Schärmer CMR Rn 29; Schmid in Thume CMR3 Art 3 Rn 38; vgl auch 7 Ob 184/09y [zu § 1313a ABGB]).

9. Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang, dass die Erstbeklagte durch die Beauftragung der GH GmbH dieser die ordnungsgemäße sowie technisch einwandfreie Durchführung des Transports und somit die Obhutspflicht übertragen hat (vgl Csoklich in Jabornegg/Artmann UGB2 Art 3 CMR Rz 6; vgl auch 7 Ob 400/97t). Die unerlaubten Handlungen durch Mitarbeiter der GH GmbH erfolgten damit genau in jenem Aufgabenbereich, zu dessen Wahrnehmung die Erstbeklagte von der Klägerin bestellt worden ist und demnach „in Ausübung ihrer Verrichtungen“ iSd Art 3 CMR.

10. Die Beklagten stützen sich demgegenüber auf die Ansicht von Schmid (in Thume CMR3 Art 3 Rn 33), wonach die Haftung nach Art 3 CMR dann nicht greife, wenn ein Frachtführer trotz Aufwendung höchster Sorgfalt (Art 17 Abs 2 CMR) bei der Auswahl Opfer eines betrügerischen Scheinfrachtführers werde. Diese Ansicht ist allerdings vereinzelt geblieben und wird von zweitinstanzlicher Rechtsprechung in Deutschland nicht geteilt (vgl OLG Düsseldorf 18 U 221/09 = BeckRS 2011, 20163; vgl auch OLG Schleswig-Holstein 16 U 24/14 = TranspR 2015, 157).

Der Fachsenat teilt die Ansicht Schmids nicht; diese widerspricht der Systematik des Übereinkommens, das die Haftung des Frachtführers für andere Personen allein in Art 3 CMR, nicht aber in den Art 17 ff CMR regelt, sie weicht von den zur Gehilfenhaftung entwickelten Grundsätzen (s insb Pkt 7. und 8.) ab und begünstigt ohne sachliche Rechtfertigung jenen Unternehmer, der sich zum eigenen Nutzen zur Erweiterung seines Handlungsspielraums eines Gehilfen bedient. Die Erstbeklagte haftet daher nach Art 3 CMR für die GH GmbH.

11. Die Erstbeklagte hat nach Art 29 Abs 2 Satz 1 CMR vorsätzliches Verhalten (der GH GmbH) zu vertreten (vgl BGH I ZR 197/81 = NJW 1984, 2033; Jesser-Huß in MüKo HGB3 Art 28 CMR Rn 30; Otte in Ferrari/Kieninger/Mankowski, Internationales Vertragsrecht2 Art 29 CMR Rn 49; Bahnsen in Ebenroth/Boujong/
Joost/Strohn
HGB3 Art 3 CMR Rn 45; Herber/Piper, CMR Art 29 Rn 1; Harms in Thume, CMR Art 29 Rn 1, 32 ff; Koller in Koller, Transportrecht8 Art 29 Rn 6; Helm in Helm Frachtrecht II2 Art 29 CMR Rn 30). Damit ist die von den Beklagten in der Revisionsbeantwortung noch angestrebte Schadensteilung ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0054050). Auch auf Art 23 Abs 3 und Art 27 Abs 2 CMR können sich die Beklagten aus diesem Grund nicht erfolgreich berufen (vgl Csoklich in Jabornegg/Artmann UGB2 Art 29 CMR Rz 11).

12. Die im Revisionsverfahren entscheidungs-wesentliche Rechtsfrage ist demnach im Sinn des Standpunkts der Klägerin wie folgt zu beantworten: Der vom Frachtführer beauftragte (Sub-)Frachtführer, dem die ordnungsgemäße sowie technisch einwandfreie Durchführung des Transports und somit die Obhutspflicht übertragen wird, handelt im Rahmen dieses Aufgabenbereichs „in Ausübung (seiner) Verrichtungen“ iSd Art 3 CMR. Der Frachtführer haftet daher für den von ihm beauftragten (Sub-)Frachtführer auch dann, wenn dieser durch vorsätzlich und organisiert kriminelles Verhalten die ihm zur Auftragsdurchführung eingeräumte Verfügungsmacht missbraucht und die Ladung verbringt. Der von der Klägerin geltend gemachte Ersatzanspruch erweist sich demnach grundsätzlich als berechtigt, doch steht der Abänderung in Richtung der Klagsstattgebung die Erörterungsbedürftigkeit der Klagebegehren entgegen:

13.1. Das Klagebegehren zu lit a hat die Klägerin offenbar im Hinblick auf § 157 VersVG formuliert. Nach dieser Bestimmung kann, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers der Konkurs eröffnet ist, der Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers verlangen. Ein solches Absonderungsrecht kann der Geschädigte nach Konkurseröffnung gegen den Insolvenzverwalter geltend machen. Die Klage ist auf Zahlung bei sonstiger Exekution in den Deckungsanspruch zu richten (RIS-Justiz RS0064068). Der Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer stellt ein Sondervermögen dar, das nicht in die Konkursmasse fällt, sondern zur Befriedigung des geschädigten Dritten dient (RIS-Justiz RS0064041). Die Regelung des § 157 VersVG gilt wegen der Gleichheit des Zwecks genauso im Ausgleichsverfahren (7 Ob 144/99y = SZ 72/105) und die exekutive Verfolgung des Befriedigungsrechts aus einer Sondermasse ist auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens weiter möglich.

13.2. Unklar ist dagegen das zu lit b formulierte, vom Berufungsgericht für ein Eventualbegehren gehaltene Klagebegehren und dessen allfälliger (untrennbarer) Zusammenhang mit dem zu lit a erhobenen Leistungsbegehren. Dieses Begehren wird einerseits im Sinne eines Feststellungsbegehrens eingeleitet, enthält aber andererseits die Formulierung eines Leistungsbefehls entsprechend der Ausgleichsquote, mit dem allenfalls (nur) in diesem Umfang die Anspruchsverfolgung in das gesamte Vermögen der Beklagten angestrebt wird. Für diesen Fall bestünde ein Zusammenhang mit dem Leistungsbegehren zu lit a, wobei allerdings die Beschränkung auf vom Verkehrshaftungsversicherungsvertrag nicht gedeckte Ansprüche nicht plausibel erscheint. Für ein an den Teilnahmeanspruch im Insolvenzverfahren erinnerndes Feststellungsbegehren fehlt dagegen bislang ein Vorbringen zu dem von den Beklagten auch bestrittenen und unerörtert gebliebenen Feststellungsinteresse nach Bestätigung des Zahlungsplans und der Aufhebung des Sanierungsverfahrens. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren mit der Klägerin deren Klagebegehren und das damit angestrebte Ziel zu erörtern und auf eine dementsprechend widerspruchsfreie Formulierung der Begehren zu dringen haben. Auf die Klärung dieses Punktes hat sich das fortgesetzte Verfahren zu beschränken.

14. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00091.16G.0329.000
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