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OGH vom 27.04.2011, 5Ob77/11a

OGH vom 27.04.2011, 5Ob77/11a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Petra M*****, vertreten durch Dr. Harry Fretska, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Zoran J***** (Keller und top 2), 2. Dragana B***** (top 1), 3. Milka D***** (top 3), 4. Milovan D***** (top 4), 5. Margarete S***** (top 5 8), 6. Agnes U***** (top 9 13), 7. Johanna H***** (top 14 17), 8. Branka V***** (top 18/19), 9. Helene H***** (top 20/21), 10. Maria E***** (top 22/23), 11. Robert B***** (top 24 26), alle *****, 7. Antragsgegnerin vertreten durch Mag. Walter Krauss, Sekretär der Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, 5., 8., 9. und 11. Antragsgegner vertreten durch Knirsch Braun Fellner Rechtsanwälte GbR in Wien, wegen §§ 18, 18a, 37 Abs 1 Z 10 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 40 R 234/10y 204, mit dem der Rekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Bezirkgsgerichts Hernals vom , GZ 5 Msch 34/09v 186, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird abgesehen von der unbekämpft gebliebenen Zurückweisung der Eingabe vom (ON 193) aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs der Antragstellerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies den am erhobenen Sachantrag der am geborenen Antragstellerin auf Endabrechnung hinsichtlich des § 18 MRG Verfahrens betreffend das Haus *****, mit Sachbeschluss vom (ON 186) ab. Die Zustellung dieses Sachbeschlusses an die Antragstellerin erfolgte am an den Parteivertreter Rechtsanwalt Mag. Andreas W*****.

Gegen den Sachbeschluss des Erstgerichts erhob die Antragstellerin, „vertreten durch (deren Vater) Emmerich M*****, vertreten durch Mag. Andreas W*****“, mit dem am im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachten Rechtsmittelschriftsatz (ON 187) Rekurs.

Mit einer am eingebrachten Eingabe (ON 197) teilte die Antragstellerin dem Erstgericht mit, dass sie das Vollmachtsverhältnis „mit dem Beklagtenvertreter“ (gemeint offenbar: mit dem bisherigen Vertreter Mag. Andreas W*****) aufgelöst habe.

Nach der Aktenvorlage an das Rekursgericht stellte dieses die Akten dem Erstgericht mit folgendem „Ersuchen“ vom (ON 198) zurück:

„Nach dem Aktenvermerk ON 26 ist die Antragstellerin am geboren. Sie ist daher offensichtlich nicht mehr minderjährig. Mag. W***** vertritt Herrn Emmerich M*****. Es fehlt daher die nach erteilte schriftliche Vollmacht oder die Berufung des Einschreiters Mag. W***** auf eine ihm von der Antragstellerin erteilte Vollmacht. Bitte den Verbesserungsauftrag unter Fristsetzung zu erteilen.“

Das Erstgericht erteilte mit dem Rechtsanwalt Mag. Andreas W***** zugestellten Beschluss vom (ON 199) den Auftrag, „binnen 14 Tagen den Rekurs durch Vorlage einer nach dem erteilten schriftlichen Vollmacht der mittlerweile großjährigen Antragstellerin oder die Berufung auf eine ihm erteilte Vollmacht der Antragstellerin zu verbessern“.

Nach fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Frist und nach zwischenzeitig erfolgter Vollmachtsbekanntgabe durch den nunmehrigen Vertreter der Antragstellerin legte das Erstgericht die Akten neuerlich dem Rekursgericht vor.

Das Rekursgericht wies mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss (ua) den von der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Erstgerichts erhobenen Rekurs zurück. Die am geborene Antragstellerin sei im Verfahren bisher von ihrem Vater und gesetzlichen Vertreter Emmerich M***** und dieser wiederum zuletzt von Rechtsanwalt Mag. Andreas W***** vertreten worden. Dieser habe nach Volljährigkeit der Antragstellerin namens ihres Vaters Rekurs erhoben. Der Rekurs habe nur für den vom Rechtsanwalt vertretenen Vater gewirkt, weil eine Vollmacht der großjährigen Antragstellerin an ihren Vater nicht vorgelegt worden sei. Dem wirkungslos einschreitenden Rechtsanwalt habe das Erstgericht erfolglos die Vorlage der noch fehlenden schriftlichen Vollmacht der Antragstellerin an ihren Vater oder aber die Berufung auf eine ihm von der Antragstellerin direkt erteilte Vollmacht aufgetragen. „Mangels geschlossener Vollmachtskette“ sei daher der Rekurs zurückzuweisen gewesen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil sich keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG genannten Qualität gestellt hätten.

Gegen die ihr Rechtsmittel zurückweisende Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss des Rekursgerichts aufzuheben und diesem die Sachentscheidung über den Rekurs aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichts auf einer aktenwidrigen Annahme beruht und Grundsätze des Vertretungsrechts verkennt; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

1. Das Revisionsrekursverfahren ist hier einseitig (§ 48 Abs 1 AußStrG iVm § 71 Abs 4 AußStrG;6 Ob 195/10k).

2. Die Annahme des Rekursgerichts, der Rekurs gegen den Sachbeschluss des Erstgerichts sei erst nach Volljährigkeit der Antragstellerin erfolgt, ist aktenwidrig. Rechtsanwalt Mag. Andreas W***** hat den Rekurs mit dem im elektronischen Rechtsverkehr am eingebrachten Rechtsmittelschriftsatz (ON 197), somit vor dem erhoben. Schon aus diesem Grund bestand der vom Rekursgericht erkannte Vollmachtsmangel nicht.

3. Die hier im Rekurs benutzte Wendung „vertreten durch den gesetzlichen Vertreter, vertreten durch den Rechtsanwalt“ kann bei naheliegendem Verständnis (nur) als Ausdruck einer Vollmachtserteilung des gesetzlichen Vertreters zum Einschreiten für die Minderjährige gewertet werden, die nicht durch und bei Erreichen der Volljährigkeit, sondern erst durch Widerruf der inzwischen Volljährigen erlischt (6 Ob 127/10k; RIS Justiz RS0035654 [T1]; Zib in Fasching ² § 35 ZPO Rz 29 mwN).

4. Es ist schließlich auch nicht nachvollziehbar, warum der überflüssige Verbesserungsauftrag ON 199 noch nach bekanntgegebener Vollmachtsauflösung zu Mag. Andreas W***** (ON 197) an diesen ergangen ist, obwohl gemäß § 37 Abs 3 Z 9 MRG die Parteien in erster und zweiter Instanz selbst vor Gericht handeln und daher die Antragstellerin auch selbst eine hier freilich nicht nötige Genehmigung einer früheren Verfahrenshandlung vornehmen hätte können.

In Stattgebung des berechtigten Revisionsrekurses war dem Rekursgericht daher die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der Antragstellerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Erst mit der endgültigen Sachentscheidung können die gebotenen Billigkeitserwägungen angestellt werden (RIS Justiz RS0123011 [T1]).