OGH vom 28.06.2007, 3Ob90/07t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bengt Ingemar C*****, vertreten durch Quendler, Klaus & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Mag. Christina C*****, vertreten durch Mag. Arnold Köchl und Mag. Christian Köchl, Rechtsanwälte in Villach, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 301/06a-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 2 C 39/04v-33, aufgehoben wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Parteien sind schwedische Staatsbürger. Im Zusammenhang mit dem damals anhängigen Scheidungsverfahren wurde der Oppositionskläger mit einstweiliger Verfügung vom zu einem einstweiligen monatlichen Unterhalt von 25.000 S ab verpflichtet. Am wurde der Beklagten aufgrund dieses Titels zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands von 30.885,94 EUR für die Zeit von August 2002 bis Dezember 2003 die (bisher ergebnislos gebliebene) Fahrnisexekution bewilligt.
Seine Oppositionsklage stützte der Kläger auf eine Unterhaltsverwirkung iSd § 74 EheG und relevierte die vom Erstgericht auf S 2 seiner Entscheidung zusammengefasst wiedergegebenen Vorwürfe:
a) die Beklagte unterhalte ein intimes Verhältnis zu einem anderen Mann seit dem Jahr 1994; b) die Beklagte habe in Schädigungsabsicht den früheren Arbeitgeber des Klägers über dessen Anwesenheit in Velden zur vorteilhafteren Durchführung einer Hausdurchsuchung informiert; c) die Beklagte habe in Schädigungsabsicht dem früheren Arbeitgeber des Klägers Gutschriftsanzeigen Dritter (mögliche neue Arbeitgeber des Klägers) weitergegeben und dadurch gegen das Geheimhaltungsinteresse des Klägers wegen eines bestehenden Konkurrenzverbots verletzt; d) sie habe Dritten gegenüber wahrheitswidrig über eine stattgefundene Hausdurchsuchung beim Kläger Mitteilung gemacht; e) die Beklagte habe verschiedene Exekutionsschritte gesetzt und f) sie habe Weihnachtsgeschenke des Vaters des Klägers für die gemeinsame Tochter der Parteien mit der Absicht pfänden lassen, dadurch das Verhältnis zwischen Großeltern und Enkeln nachhaltig zu schädigen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf seine Feststellungen nur aufgrund der vorgelegten Urkunden und der Parteienvernehmung und führte die beantragten Zeugenbeweise nicht durch. Vom festgestellten Sachverhalt sind die Feststellungen hervorzuheben, dass zwar der Rechtsvertreter der Beklagten dem früheren Arbeitgeber des Klägers die gewünschten Urkunden über Zahlungen Dritter an den Kläger (als Beweismittel zum Nachweis eines Verstoßes gegen das Konkurrenzverbot durch den Kläger) übermittelt habe, dass die Beklagte dazu aber keine Zustimmung gegeben habe. Weiters stellte das Erstgericht fest, dass die Beklagte nie ein intimes Verhältnis zu dem vom Kläger behaupteten Mann gehabt habe und dass ganz allgemein die Beklagte nie die Absicht gehabt habe, „bei welchen Aktionen ihrerseits auch immer, ihren geschiedenen Mann zu schädigen". Die Beklagte habe dem früheren Arbeitgeber des Klägers auch nie Auskünfte über seinen Aufenthalt in Österreich oder über eine Hausdurchsuchung gegeben. Die Unterlassung der Aufnahme weiterer Beweise begründete das Erstgericht mit nicht ausreichenden Klagebehauptungen (also deren Unschlüssigkeit), weil die behaupteten Verfehlungen nicht als so schwer anzusehen seien, dass die Fortdauer der Unterhaltspflicht für den Kläger unzumutbar wäre. Eine Schädigungsabsicht der Beklagten sei zu verneinen.
Das Berufungsgericht hob über Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil zur Verfahrensergänzung auf. Nach wörtlicher Wiedergabe des gesamten Klagevorbringens und einer Darlegung der in der Rsp zur Verwirkung von Unterhaltsansprüchen iSd § 74 EheG entwickelten Grundsätze führte es in rechtlicher Hinsicht aus, dass die einzelnen vom Kläger relevierten Verwirkungstatbestände jeder für sich genommen für eine Unterhaltsverwirkung nicht ausreichten, dass aber bei Feststellung aller oder einer „Kombination einzelner behaupteter Handlungen" die „Schwere eines Unterhaltsverwirkungstatbestands" erreicht werden könnte, wenn die Beklagte in Schädigungsabsicht gehandelt haben sollte. Es seien daher die Beweisanträge zu berücksichtigen, ein Beweisverfahren durchzuführen und die Beweisergebnisse im Einzelnen zu würdigen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage fehle, ob über Jahre fortgesetzte, verschiedene Handlungen in ihrer Gesamtheit gesehen, zu einer Unterhaltsverwirkung führen könnten. Schließlich könne auch die Rechtsmeinung vertreten werden, dass alleine schon die Weitergabe der Urkunden über die (von Dritten) an den Kläger gerichteten Gutschriften die Unterhaltsverwirkung auslösen könnte.
Mit ihrem Rekurs beantragt die Beklagte die Wiederherstellung des die Oppositionsklage abweisenden Urteils des Erstgerichts. Der Kläger beantragt, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Ausführung erheblicher Rechtsfragen durch die Rekurswerberin unzulässig:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Zulässigkeit der Oppositionsklage (dazu RIS-Justiz RS0001131) und die Anwendung österreichischen Rechts wegen der Rückverweisung des schwedischen Rechts (dazu 8 Ob 64/99s) sind im Rekursverfahren unstrittig.
2. Das Berufungsgericht hat die in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zur Unterhaltsverwirkung iSd § 74 EheG vertretenen Rechtsgrundsätze richtig wiedergegeben. Danach setzt die Unterhaltsverwirkung eine besonders schwerwiegende, das Maß schwerer Eheverfehlungen iSd § 49 EheG übersteigende Verfehlung gegen den früheren Ehegatten voraus, sodass dem Verpflichteten die Unterhaltsleistung nicht mehr zumutbar ist (RIS-Justiz RS0078153). Bei Ehrverletzungen, falschen Anschuldigungen und Verstößen gegen ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse durch Verbreitung vertraulicher Tatsachen hat die Rsp als Kriterien für die Erfüllung des Verwirkungstatbestands die dem Verhalten zugrundeliegende Gesinnung, die Art und das Gewicht der erhobenen Vorwürfe sowie die Art ihrer Weitergabe und deren Auswirkungen auf die Interessenssphäre des Unterhaltspflichtigen angesehen (Stabentheiner in Rummel, ABGB³, §§ 74, 75 EheG Rz 2 mwN aus der Rsp). Von diesen Grundsätzen weicht die bekämpfte Berufungsentscheidung nicht ab. Aus ihnen ist aber durchaus ableitbar, dass schon ein einmaliger Verstoß gegen ein besonderes Geheimhaltungsinteresse des Unterhaltspflichtigen, wenn dadurch in Schädigungsabsicht das wirtschaftliche Fortkommen massiv gefährdet wird, nach den Umständen des Einzelfalls eine Unterhaltsverwirkung auslösen kann (hier: durchaus schlüssig verweist der Kläger auf einen drohenden Verlust im anhängigen Arbeitsgerichtsprozess, wenn dort eine Verletzung des Konkurrenzverbots nachgewiesen wird; weiters auf wirtschaftliche Schwierigkeiten gegenüber neuen Arbeitgebern). Eine mangelnde Schlüssigkeit der Oppositionsklage liegt demnach nicht vor.
3. Das Rekursvorbringen der Beklagten beschränkt sich ohne nähere Begründung auf die Wiederholung des Rechtsstandpunkts des Erstgerichts, dass selbst bei Vorliegen aller vom Kläger behaupteten Verfehlungen und trotz Schädigungsabsicht der Beklagten kein Verwirkungstatbestand vorläge. Das einzig ausgeführte Rechtsargument der Revisionswerberin, der Kläger komme seiner Unterhaltspflicht seit fünf Jahren nicht nach, ist zur Begründung der Unschlüssigkeit der Oppositionsklage nicht geeignet, weil die Säumigkeit des Unterhaltsschuldners keinesfalls zu einer rechtsmissbräuchlichen Schadenszufügung der Oppositionsbeklagten berechtigt (hier durch Geheimnisverletzung und Anschwärzen gegenüber einem Dritten). Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.