OGH vom 17.05.2006, 3Ob90/06s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wider die verpflichtete Parteien 1) Elisabeth R*****, und 2) Ernst R*****, wegen 30.000 EUR sA, infolge ordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 340/05g-12, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Stainz vom , GZ 5 E 16/05d-2, in Punkt IV.) abgeändert wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht bewilligte der betreibenden Partei auf Grund eines vollstreckbaren Versäumungsurteils die Zwangsversteigerung einer Liegenschaft der Verpflichteten, die mit Pfandrechten zu Gunsten der betreibenden Partei belastet ist (AZ 5 E 16/05d). Unter Punkt IV.) dieses Beschlusses wurde angeordnet, dass "die Verfahren 5 E 10/05x und 5 E 16/05d ... in analoger Anwendung des § 22 EO verbunden" werden. Führendes Verfahren sei jenes zur AZ 5 E 10/05x. Dort wurde dem Masseverwalter im Konkurs einer GmbH die kridamäßige Versteigerung deren Betriebsliegenschaft bewilligt. Nach Ansicht des Erstgerichts ist es notorisch, dass Gegenstand dieses Zwangsversteigerungsverfahrens ein "Grundstück mit einem darauf errichteten Gastronomiebetrieb", das Exekutionsobjekt des anderen Verfahrens (AZ 5 E 16/05d) dagegen eine "unbebaute asphaltierte Fläche" sei, die dem Gastronomiebetrieb als Parkplatz diene. Das Verfahren zur AZ 5 E 10/05x richte sich gegen eine GmbH als verpflichtete Partei, jenes zur AZ 5 E 16/05d gegen deren Geschäftsführer und einzigen Gesellschafter. Diese "weitgehende Parteiähnlichkeit" rechtfertige die Verbindung der Verfahren, "weil die Verwertung des Grundstücks mit dem Gastronomiebetrieb ohne diesem Betrieb zur Verfügung stehende Parkplätze nur sehr erschwert, wenn überhaupt möglich sein" werde.
Das Rekursgericht hob Punkt IV.) jenes Beschlusses infolge der Rekurse zweier Pfandgläubiger ersatzlos auf. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es zu. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, dass eine Vollzugsverbindung gemäß § 22 EO deshalb nicht in Betracht komme, weil die verpflichteten Parteien in den beiden Verfahren nicht identisch seien. Selbst "eine gemeinsame Versteigerung als wirtschaftliche Einheit im Sinn des § 146 Abs 1 Z 2 EO" setzte "abgeänderte Versteigerungsbedingungen ... nach Einvernehmung der bücherlich Berechtigten" voraus. Die Entscheidung hänge von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO ab, weil es für die Zulässigkeit einer Vollzugsverbindung in einem Fall wie hier an einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs mangle.
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Einer Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs bedarf es dann nicht, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage bereits nach dem Wortlaut der anzuwendenden Norm so eindeutig gelöst ist, dass nur die in der angefochtenen Entscheidung erstmals vorgenommene - im Schrifttum nicht in Zweifel gezogene - Auslegung ernsthaft in Betracht zu ziehen ist (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 47 mN aus der Rsp).
2. Eine Vollzugsverbindung gemäß § 22 Abs 1 EO kommt nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur in Betracht, "wenn ein Gläubiger wider denselben Verpflichteten auf mehrere Liegenschaften abgesonderte Exekutionen führt". An der Erfüllung dieser Voraussetzung mangelt es, weil in den betroffenen Exekutionsverfahren weder die betreibenden noch die verpflichteten Parteien identisch sind.
3. Die Revisionsrekurswerberin als betreibende Partei im Verfahren AZ 5 E 16/05d führt gegen § 22 Abs 1 EO lediglich ins Treffen, ein "Gastronomiebetrieb ohne Parkfläche" sei "nahezu unverwertbar". Im Fall "einer Verbindung der Exekutionsverfahren" werde "eine vorteilhaftere Verwertung der Exekutionsobjekte möglich sein". Deshalb sei jene Norm dahin "ergänzungsbedürftig", dass eine Vollzugsverbindung "trotz mangelnder Identität der Parteien" Platz zu greifen habe. Die bestehende "Rechtslücke" sei "im Rahmen der Gesetzesanalogie zu schließen".
4. Die betreibende Partei strebt in Wahrheit nicht die Schließung einer "Rechtslücke" durch eine "Gesetzesanalogie" oder eine allfällige Rechtsanalogie (s zu deren Unterscheidung etwa P. Bydlinski in KBB § 7 ABGB Rz 3) an, sondern sie will der Sache nach eine teleologische Reduktion (Näheres zum Begriff etwa bei P. Bydlinski aaO § 7 ABGB Rz 5) des § 22 Abs 1 EO erreichen. Sie vermag sich indes auf eine - durch bestimmte Gründe gestützte - Äußerung im Schrifttum, die ihren Standpunkt tragen könnte, nicht zu berufen. Angesichts dessen hätte sie selbst erläutern müssen, weshalb bei Sachverhalten wie hier das Interesse eines bestimmten betreibenden Pfandgläubigers an einer Vollzugsverbindung zur "vorteilhafteren Verwertung der Exekutionsobjekte" in mehreren Verfahren trotz mangelnder Identität der betreibenden und verpflichteten Parteien im Grundsätzlichen schwerer wiegt als das anderer Buchberechtigten, aber auch jenes der verpflichteten Parteien an der Aufrechterhaltung getrennter Vollzugsverfahren. Nur solche Erwägungen hätten allenfalls eine - zu erörternde - erhebliche Rechtsfrage iSd § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO aufwerfen können. Mangels solcher Rechtsmittelausführungen sieht sich der erkennende Senat nicht veranlasst, eine allfällige teleologische Reduktion des eindeutigen normativen Gehalts des § 22 Abs 1 EO im Einklang mit der Überzeugung der betreibenden Partei auch nur in Erwägung zu ziehen. Insofern ist bloß anzumerken, dass auf den im Anlassfall maßgebenden Umstand, dass sich ein Gastronomiebetrieb und dessen Parkplatz auf Liegenschaften verschiedener Eigentümer befinden, bereits anlässlich der Krediteinräumung und Pfandrechtsbegründung als mögliche Erschwernis für die Realisierung eines Sicherungsrechts Bedacht genommen werden konnte.
5. Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 526 Abs 2 ZPO bei Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an die Beurteilung der zweiten Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden. Da die Rechtsmittelwerberin keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigte, von deren Lösung die Entscheidung abhängt (s dazu Zechner aaO § 502 ZPO Rz 10 ff mN aus der Rsp), ist deren Revisionsrekurs zurückzuweisen.