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OGH vom 24.06.2010, 6Ob86/10f

OGH vom 24.06.2010, 6Ob86/10f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch zu FN ***** eingetragenen „B*****“ ***** Gesellschaft m.b.H., *****, wegen Eintragung von Änderungen im Stande der Gesellschafter und der Geschäftsführer, über den Revisionsrekurs der 1. „B*****“ ***** Gesellschaft m.b.H., *****, 2. H***** GmbH, *****, 3. R***** S***** H*****, 4. H***** H*****, *****, 5. M***** A***** D*****, alle vertreten durch Rechtsanwälte Weixelbaum Humer Partner OG in Linz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 37/10v 5, womit der Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom , GZ 16 Fr 455/10f 2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

E***** P***** und M***** A***** D***** sind Gesellschafter der „B*****“ ***** Gesellschaft m.b.H. (in der Folge: Gesellschaft). Deren Geschäftsführer sind E***** P***** und H***** J***** H*****.

R***** S***** H***** und H***** H***** sind (neben anderen) gemeinsam vertretungsbefugte Geschäftsführer der zu FN ***** eingetragenen H***** GmbH.

Mit dem Vorbringen, E***** P***** habe mit notariellem Anbot vom ihren Geschäftsanteil an der Gesellschaft an die H***** GmbH abgetreten und diese habe die Abtretung mit Annahmeerklärung vom angenommen, die H***** GmbH und M***** A***** D***** hätten als Gesellschafter der Gesellschaft mit Gesellschafterbeschluss vom E***** P***** und H***** J***** H***** als Geschäftsführer abberufen und R***** S***** H***** und H***** H***** zu neuen Geschäftsführern bestellt, beantragten die beiden Letztgenannten die Eintragung dieser Änderungen im Stande der Gesellschafter und in der Geschäftsführung in das Firmenbuch.

E***** P***** beantragte die Unterbrechung des Firmenbuchverfahrens gemäß § 19 FBG mit dem Vorbringen, eine Klage auf Feststellung des nicht wirksamen Zustandekommens des Abtretungsvertrags zwischen ihr und der H***** GmbH, in eventu auf Aufhebung des Abtretungsvertrags gegen die H***** GmbH beim Landesgericht Ried im Innkreis eingebracht zu haben. Das Abtretungsanbot vom Jahre 1994 habe im Jahr 2010 nicht mehr rechtsgültig angenommen werden können; wenn doch, so habe es jedenfalls die Antragstellerin schon am mündlich und am schriftlich gegenüber der H***** GmbH widerrufen. Mit ihrer Löschung als Gesellschafterin würde sie von der Willensbildung der Gesellschafter und von jeglicher Information und Kontrolle ausgeschlossen. Die Ausübung ihrer Gesellschafterrechte könne später nicht mehr nachgeholt werden. Dieser unwiederbringliche Nachteil wiege schwerer als das Interesse des neuen Gesellschafters an einer raschen Firmenbucheintragung.

Ohne eine Äußerung der Antragsteller zum Unterbrechungsantrag eingeholt zu haben, unterbrach das Erstgericht mit Beschluss vom gemäß § 19 Abs 1 FBG das Verfahren zur Eintragung von Änderungen im Stande der Gesellschafter und der Geschäftsführer bis zur Klärung der rechtlichen Gültigkeit des zugrundeliegenden Abtretungsvertrags in dem von E***** P***** erwähnten Streitverfahren (40 Cg 6/10g des Landesgerichts Ried im Innkreis; die Klage wurde am bei Gericht überreicht und war am der dort Beklagten noch nicht zugestellt worden). Das rechtliche und wirtschaftliche Interesse an einer raschen Erledigung der Firmenbuchsache überwiege nicht, weil die Gesellschaft ordnungsgemäß vertreten sei und weil sich für den laufenden Geschäftsverkehr keine offensichtlichen Nachteile ergäben. An der Gültigkeit des Abtretungsvertrags bestünden Zweifel. Die streitigen Fragen könnten nur im Rechtsweg geklärt werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der mit den nunmehrigen Revisionsrekurswerbern identen Rekurswerber nicht Folge. Ein allfälliger Verstoß des Erstgerichts gegen § 18 FBG sei durch die Neuerungserlaubnis gemäß § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG, von der die Rekurswerber auch Gebrauch gemacht hätten, saniert. Da § 19 Abs 1 FBG Anhängigkeit und nicht Streitanhängigkeit verlange, genüge es für die Unterbrechung, dass die Klage bei Gericht eingebracht sei. Zustellung der Klage an die Gegenseite sei nicht Voraussetzung. Wegen des ähnlichen Regelungsinhalts von § 19 FBG und § 190 ZPO sei das, was zur letztgenannten Gesetzesstelle vertreten werde, auch für § 19 FBG heranzuziehen. Es sei auch nicht ersichtlich, was es für die Unterbrechung des Firmenbuchverfahrens für einen Unterschied machen sollte, ob die bei Gericht eingebrachte Klage bereits an die beklagte Partei zugestellt sei. Der Schutzzweck des § 78 Abs 1 GmbHG erstrecke sich auch auf die Rechte der Gesellschafterin E***** P*****. Eine Prüfung der voraussichtlichen Erfolgsaussichten der von dieser beim Landesgericht Ried im Innkreis eingebrachten Klage sei im Außerstreitverfahren nicht soweit möglich, dass die Klage als voraussichtlich erfolglos oder gar aussichtslos eingeschätzt werden könnte. Die rechtsgeschäftliche Annahme eines vor 16 Jahren abgegebenen Abtretungsangebots, bei dem der Abtretungspreis nicht gezahlt, sondern nur verrechnet werden solle, berge vielfältige juristische Thematik für drei Instanzen in sich. Die Rechtsansicht, dass ein Vertrag, durch den sich ein Vertragspartner gänzlich und ohne zeitliche Befristung der Fremdbestimmung durch den anderen ausliefere, als sittenwidriger Knebelungsvertrag nach § 879 ABGB zu qualifizieren sei, sei nicht so abwegig, dass sie schon von vornherein und unabhängig von Beweisaufnahmen als offenbar aussichtslos einzustufen wäre. Das rechtliche und wirtschaftliche Interesse von E***** P***** iSd § 19 Abs 2 FBG könne nicht außer Acht gelassen werden. Der aus ihrer Löschung erwachsende Nachteil wiege nach den Umständen des Einzelfalls schwerer als die vorläufige Beibehaltung des zumindest seit dem Jahre 1994 bestehenden Firmenbuchstands, was die beiden Gesellschafterinnen E***** P***** und M***** A***** D***** betreffe. Diese sei ohnedies nicht Geschäftsführerin der Gesellschaft, sodass die Gefahr einer faktischen Handlungsunfähigkeit der Geschäftsführung infolge gegenseitiger Blockade feindlicher Geschäftsführer nicht ersichtlich sei. Dass durch Aufhebung der Unterbrechung und durch sofortige Bewilligung der beantragten Eintragungen vorläufig ein konfliktfreier Zustand innerhalb der Gesellschaft hergestellt werden könnte, sei kein stichhältiges Argument für ein Absehen von der Unterbrechung, weil dieser Zustand bei Obsiegen von E***** P***** im Prozess infolge Rückabwicklung wieder wegfiele. Es sei in der Absicht des Gesetzgebers gelegen, ein „Hin und Her im Firmenbuchstand zu vermeiden“. Es entspreche daher dem Zweck des § 19 FBG, vorerst den Prozessausgang abzuwarten.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob „anhängig“ iSd § 19 Abs 1 FBG gerichtsanhängig oder streitanhängig bedeute.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos zu beheben, die Unterbrechung des Firmenbuchverfahrens aufzuheben und den Vollzug der beantragten Eintragung der Änderungen im Stand der Gesellschafter sowie der Geschäftsführung anzuordnen.

Der Gesellschafterin E***** P***** wurde die Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung freigestellt, wovon sie keinen Gebrauch gemacht hat.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Nach den Gesetzesmaterialien zu § 19 FBG lehnt sich diese Regelung bezüglich ihres Umfangs eng an § 190 ZPO an (AB, zitiert bei Danzl , Das neue Firmenbuch 78). Auch die sprachliche Ähnlichkeit beider Bestimmungen ist unverkennbar. Zu § 190 Abs 1 ZPO judiziert der Oberste Gerichtshof, dass „anhängige Verfahren“ alle gerichtsanhängigen Verfahren sind, die Klagseinbringung genügt und Streitanhängigkeit nicht gefordert wird (RIS Justiz RS0081556). Auch der Gesetzeswortlaut von § 19 Abs 1 FBG gibt keinerlei Hinweis darauf, mit „anhängigen“ Verfahren seien nur streitanhängige gemeint. Dies erhellt überdies daraus, dass die Bestimmung auch „anhängige“ Verwaltungsverfahren nennt, die oftmals ebenso wie manche außerstreitige Gerichtsverfahren mangels eines Gegners nicht kontradiktorisch ablaufen und schon deshalb niemals streitanhängig werden können.

§ 19 Abs 1 FBG trifft somit eine klare und eindeutige Regelung im Sinne der rekursgerichtlichen Erwägungen, sodass eine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 62 Abs 1 AußStrG nicht vorliegt (RIS Justiz RS0042656). Zur möglichen Unterbrechung eines Eintragungsverfahrens gemäß § 19 Abs 1 FBG genügt es daher, dass ein anderes Verfahren bei Gericht anhängig ist, Streitanhängigkeit ist nicht erforderlich.

Auch der Revisionsrekurs zeigt keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf: Die Revisionsrekurswerber können den auf § 58 Abs 1 AußStrG gestützten Ausführungen des Rekursgerichts zur Heilung ihres allenfalls verletzten rechtlichen Gehörs nichts Stichhaltiges entgegensetzen.

Die Frage, ob rechtliche oder wirtschaftliche Interessen an einer raschen Erledigung so erheblich überwiegen, dass gemäß § 19 Abs 2 FBG von der Unterbrechung abzusehen ist, ist stets einzelfallbezogen aufgrund einer alle Umstände berücksichtigenden Interessenabwägung zu beurteilen (RIS Justiz RS0106487 [T2]). Ob danach die Voraussetzungen für das Absehen von der Unterbrechung vorliegen, bildet somit von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht abgesehen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG.

Das Rekursgericht hat nachvollziehbar und plausibel dargelegt, weshalb es die Voraussetzungen für das Absehen von einer Unterbrechung gemäß § 19 Abs 2 FBG für nicht gegeben erachtet hat. Eine krasse Fehlbeurteilung kann dem Rekursgericht dabei nicht vorgeworfen werden. Die Rechtsmittelwerber können gegen die rekursgerichtlichen Erwägungen auch keine stichhaltigen Argumente vorbringen. Vor allem übersehen sie, dass für das Absehen von der Unterbrechung das Interesse der Klärung der präjudiziellen Rechtsfrage im anderen Verfahren einerseits und das rechtliche oder wirtschaftliche Interesse an einer raschen Erledigung andererseits nicht annähernd gleichgewichtig sein müssen, sondern dass nach dem klaren Gesetzeswortlaut das rechtliche oder wirtschaftliche Interesse an einer raschen Erledigung erheblich überwiegen muss.