OGH vom 08.11.1994, 5Ob76/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin H***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Schütz, Rechtsanwalt in Wien, betreffend Eintragungen in der EZ ***** des Grundbuches ***** S*****, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben vom , R 362/94, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neumarkt/Stmk vom , TZ 242/94, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Unter Vorlage zahlreicher Urkunden, von denen - mangels sonstiger Abweisungsgründe - für die Erledigung des Revisionsrekurses nur die einen Kaufvertrag enthaltende "Aufsandungsurkunde" vom / (Beilage A) und das Fehlen eines in der erwähnten Aufsandungsurkunde zitierten Optionsvertrages vom von Bedeutung sind, beantragte die Einschreiterin am die grundbücherliche Einverleibung ihres Eigentumsrechtes an der im Buchbesitz der Marktgemeinde S***** stehenden Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** S***** mit dem landwirtschaftlich genutzten Grundstück 461.
Die als Eintragungsgrundlage vorgelegte Aufsandungsurkunde gibt zunächst in Punkt I. Bestimmungen eines zwischen der Marktgemeinde S***** und der Fa Z***** & Co GmbH am abgeschlossenen Optionsvertrages wieder, aus denen sich ergibt, daß die Firma Z***** & Co GmbH hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft eine Kaufoption hatte, die sie auch durch andere Personen auszuüben berechtigt war. In Punkt II. wird ausgeführt, daß das Optionsrecht im allseitigen Einverständnis von der Fa. T*****gesellschaft m.b.H. (die durch Verschmelzung in der nunmehrigen Einschreiterin aufging) ausgeübt wurde. In einem zweiten Absatz dieses Vertragspunktes halten die Vertragsschließenden sodann ausdrücklich fest, daß die gegenständliche Liegenschaft EZ ***** KG S***** nunmehr lediglich aus dem Grundstück Nr 461 Sonstige (Lagerplatz) im Ausmaß von ca 4239 m2 besteht. Schließlich heißt es in Punkt III., dem sich ein eigener detaillierter Kaufvertrag mit zwölf Vertragspunkten (I. bis XII.) anschließt:
"Die Vertragsschließenden halten den im Punkt II. dieses Vertrages erwähnten Umstand ausdrücklich fest und errichten auf Grund des bestehenden Optionsvertrages nunmehr nachstehenden Kaufvertrag:"
Der eigens überschriebene "Kaufvertrag" ist Teil der Aufsandungsurkunde, an deren Ende die Unterschriften der Vertragsteile (Marktgemeinde S***** und Fa. *****gesellschaft mbH) gesetzt wurden.
Das Erstgericht wies das Eintragungsbegehren mit der Begründung ab, daß auch der in der Aufsandungsurkunde zitierte Optionsvertrag vom im Original hätte vorgelegt werden (RPflSlgG 190) und die Amtsbestätigung des Handelsregisters Wien vom zur Feststellung der Identität zwischen der Einschreiterin und der seinerzeitigen Firma P***** Gesellschaft m.b.H. neuesten Datums hätte sein müssen.
Das Rekursgericht erblickte zwar im Datum der zuletzt erwähnten Amtsbestätigung keinen Abweisungsgrund, teilte jedoch die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß der in der Aufsandungserklärung zitierte Optionsvertrag im Original hätte vorgelegt werden müssen, und bestätigte deshalb die Abweisung des Eintragungsgesuches. Es führte aus:
Werde im Text einer Grundbuchsurkunde auf eine andere Urkunde Bezug genommen, so sei auch diese Urkunde im Original vorzulegen. Im gegenständlichen Fall müßten die in der Aufsandungsurkunde angeführten Vereinbarungen (Optionsvertrag, Übertragung des Optionsrechtes, Einverständnis der Marktgemeinde S*****) als integrierender Bestandteil der Aufsandungsurkunde angesehen werden. Ihre Vorlage sei nicht zuletzt deshalb eine Voraussetzung für die Bewilligung des Einverleibungsbegehrens der Einschreiterin, weil den Urkunden allenfalls ein - in einer Verfügungsbeschränkung bestehendes - Eintragungshindernis bzw ein weiteres Erfordernis für die Eintragung entnommen werden könnte.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes - im Hinblick auf den Einheitswert der betroffenen Liegenschaft - S 50.000,-- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der Notwendigkeit der Beibringung von "zusammenhängenden Urkunden" keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.
Mit ihrem Revisionsrekurs strebt die Einschreiterin die Abänderung des rekursgerichtlichen Beschlusses im Sinne einer Bewilligung ihres Eintragungsbegehrens an. Ihre Rechtsmittelausführungen lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß sie meint, die als Eintragungsgrundlage vorgelegte Aufsandungserklärung bilde einen ausreichenden Titel für die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes, weil sie einen eigenen Kaufvertrag enthalte, der für sich allein Bestand habe und die sonst noch erwähnten Vereinbarungen auch nicht integriere.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.
Die Zulässigkeit des Rechtsmittels ergibt sich daraus, daß der vom Rekursgericht herangezogene Abweisungsgrund keine Deckung in der höchstgerichtlichen Judikatur findet. Daß ein anderes Eintragungshindernis besteht, ändert daran nichts, weil in einem Grundbuchsbeschluß gemäß § 95 Abs 3 GBG alle Gründe anzugeben sind, die der Bewilligung entgegenstehen, und deshalb eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG bei einem von mehreren Abweisungründen auch dann vorliegen kann, wenn das Gesuch wegen anderer Abweisungsgründe, bei denen keine erhebliche Rechtsfrage zu lösen ist, abgewiesen werden muß (SZ 63/84 ua).
Bei der Lösung jenes Rechtsproblems, mit dem die Zulässigkeit des Revisionsrekurses begründet wurde, ist von der Bestimmung des § 87 Abs 1 GBG auszugehen, die vorschreibt, daß Urkunden, auf Grund deren eine Eintragung erfolgen soll, im Original beizulegen sind. Diese Bestimmung korrespondiert mit § 6 GBG, der anordnet, beglaubigte Abschriften derartiger Urkunden in die Urkundensammlung aufzunehmen, womit vor allem sichergestellt werden soll, daß die Grundlagen einer bestimmten Eintragung jederzeit überprüft werden können. Als Grundbuchsurkunden iSd § 87 Abs 1 GBG, die dem Gericht bei der Entscheidung über ein Eintragungsbegehren im Original vorliegen müssen, lassen sich daher jene Urkunden definieren, die in materieller und formeller Hinsicht die konstitutiven Voraussetzungen der vorzunehmenden Grundbuchshandlung enthalten. Wird beispielsweise auf Grund einer (auch allen sonstigen Anforderungen der §§ 27 und 31 ff GBG entsprechenden) Privaturkunde die Einverleibung eines Rechtes begehrt, muß ihr ein gültiger Rechtsgrund für das einzutragende Recht zu entnehmen sein.
Sind alle wesentlichen Eintragungsgrundlagen für einen bestimmten Verbücherungsakt in einer Urkunde enthalten, die auch kein Bedenken gegen ihre Vollständigkeit erweckt, so bedarf es nur der Vorlage dieser Urkunde im Original. Ist allerdings ein vollständiges Bild über den Inhalt des zu verbüchernden Vertrages nur aus mehreren Urkunden zusammen zu gewinnen, dann sind alle einzelnen von ihnen Urkunden, auf Grund deren iSd § 87 Abs 1 GBG die betreffende Eintragung erfolgen soll. Bartsch (GBG7, 64) hat hiefür den Begriff "zusammenhängende Urkunden" geprägt. Demnach sind vom Eintragungswerber mehrere Urkunden im Original beizubringen, wenn die Urkunde, auf Grund deren die Eintragung begehrt wird, im Zusammenhang mit einer anderen Urkunde steht und sich im Text auf diese andere Urkunde ausdrücklich bezieht. Diese erweiterte Vorlagepflicht beschränkte der genannte Autor allerdings auf Urkunden, die einen integrierenden Bestandteil der eigentlichen Grundbuchsurkunde bilden und deshalb zur Eintragungsbewilligung unbedingt notwendig sind. Enthält die vorgelegte Urkunde, in der ein anderer Vertrag bezogen wird, alle zur Eintragung erforderlichen Merkmale (wie bereits ausgeführt, in unbedenklicher Weise), sodaß die Eintragung allein schon auf Grund der vorliegenden Urkunde möglich ist, bedarf es der Vorlage der bezogenen Urkunde nicht mehr.
Die auf dieser Lehrmeinung aufbauende Rechtsprechung der Instanzgerichte hat in der Sache zwar zumeist richtig entschieden (vgl RPflSlgG 190, 632, 2101), die Einschränkung der Vorlagepflicht auf bezogene Urkunden, die ansonsten fehlende wesentliche Eintragungsvoraussetzungen enthalten, jedoch nicht erwähnt. Ebenso verkürzend und damit mißverständlich ist der bei Feil, GBG2, Anm 2 zu § 87, zu findende Grundsatz, daß immer dann, wenn im Text einer Grundbuchsurkunde auf eine andere Urkunde Bezug genommen wird, auch diese Urkunde im Original vorzulegen ist. Die Anwendung dieses Grundsatzes durch das Rekursgericht im konkreten Fall hat dazu geführt, der Einschreiterin die Vorlage zusätzlicher Urkunden abzuverlangen, obwohl bereits ein vollständiger, mit allen allgemeinen und besonderen Verbücherungserfordernissen ausgestatteter Kaufvertrag vorliegt. Die Begründung, andere Vereinbarungen, insbesondere der Optionsvertrag vom , wären durch ihre Erwähnung zu einem integrierendem Bestandteil der "Aufsandungsurkunde" (der Umrahmung des vorhin erwähnten Kaufvertrages) geworden, trägt jedoch dieses allein auf die Bewilligungsvoraussetzung des § 87 Abs 1 GBG abgestellte Ergebnis nicht. Von Grundbuchsurkunden, die so zusammenhängen, daß eine integrierender Bestandteil der anderen ist (und die daher gemeinsam im Original vorgelegt werden müssen), kann nämlich nach der dargestellten Rechtslage nur dann gesprochen werden, wenn alle zusammen, keine jedoch für sich allein die für das konkrete Eintragungsbegehren erforderlichen konstitutiven Eintragungsvoraussetzungen enthalten. Da die Einschreiterin nicht die Verbücherung eines durch Ausübung eines Optionsrechtes zustandegekommenen Kaufvertrages, sondern die Verbücherung eines selbständig abgeschlossenen Kaufvertrages begehrt, hinsichtlich dessen die gültige Ausübung der Option nicht ausdrücklich zur Bedingung gemacht wurde, stellt der in der Aufsandungsurkunde erwähnte Optionsvertrag keinen integrierenden Bestandteil des zu verbüchernden Kaufvertrages dar.
Dennoch bleibt ein Abweisungsgrund bestehen. Der im vorliegenden Kaufvertrag verbriefte Rechtstitel der Einschreiterin deckt nämlich nur den Eigentumserwerb an einem ca 4239 m2 großen, als Lagerplatz mit der Grundstücksnummer 461 der KG S***** beschriebenen Grundstück. Im Grundbuch ist das Grundstück 461 KG S***** als einziges Zubehör der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** S***** jedoch als landwirtschaftlich genutzt und mit einer Größe von 9258 m2 ausgewiesen. Auch wenn - wie sich aus dem Grundbuch ergibt - die Änderung der Fläche in Vorbereitung ist, fehlt es an einer grundbücherlich wirksamen Abschreibung der Restfläche, sodaß die Stattgebung des Eintragungsbegehrens dazu führen würde, daß die Einschreiterin grundbücherliches Eigentum am Gesamtgrundstück erwirbt. Damit stehen die Bestimmungen des § 94 Abs 1 Z 1 und 3 GBG der begehrten Eintragung entgegen.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.