OGH vom 24.04.2020, 7Ob34/20f

OGH vom 24.04.2020, 7Ob34/20f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Felix Sehorz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. K***** KG und 2. Dr. N***** W*****, beide *****, vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger, Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwälte in Graz, und deren Nebenintervenienten Ing. J***** H*****, vertreten durch Mag. Klemens Mayer und Mag. Stefan Herrmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen 67.272,21 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 179/19i-24, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Bei Unterbleiben des Werks iSd § 1168 Abs 1 ABGB nimmt die Rechtsprechung die Fälligkeit des Entgeltanspruchs im Allgemeinen an, sobald endgültig feststeht, dass das Werk nicht ausgeführt wird (RS0021845; RS0021826). Sofortiger Fälligkeitseintritt ist anzunehmen, wenn das endgültige Unterbleiben evident ist oder zumindest für den Besteller, insbesondere etwa bei Abbestellung des Werks, feststeht. Sonst ist aus Klarstellungsgründen eine Fälligstellung durch Einmahnung gemäß § 1417 ABGB erforderlich (8 Ob 114/11i).

2. Schon das Erstgericht ist davon ausgegangen, dass Haupt- und Zusatzaufträge jeweils zu Pauschalpreisen beauftragt worden waren. Dagegen wird in der Revision nichts vorgebracht. In solchen Fällen ist dem Besteller von vornherein bekannt, welchen Betrag er dem Unternehmer nach Vollendung des Werks schuldet, weshalb in diesen Fällen eine gesonderte Rechnungslegung im Allgemein nicht erforderlich ist (vgl RS0112186).

3. Den Beklagten ist allerdings dahin beizupflichten, dass bestimmte vertragliche Vereinbarungen über die Rechnungslegung bei Pauschalpreisvereinbarungen (9 Ob 32/16w) bzw über die Fälligkeit im Fall des § 1168 Abs 1 ABGB (RS0021845) grundsätzlich aufrecht bleiben. Dies gilt im letztgenannten Fall namentlich dann, wenn – was im vorliegenden Fall aber gerade nicht zutrifft – eine von der Vollendung des Werks unabhängige Fälligkeit vereinbart wurde (2 Ob 260/00z).

4. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die von den Beklagten für die behauptete mangelnde Fälligkeit in Anspruch genommenen vertraglichen Regelungen nicht für den Fall des § 1168 Abs 1 ABGB von den Parteien gedacht gewesen seien. Dabei handelt es sich um eine Frage der Vertragsauslegung, die nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstellt, wenn infolge Verkennung der Rechtslage ein durch die Auslegungsregel nicht mehr gedecktes Ergebnis erzielt wurde (vgl RS0042936; RS0042776). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor:

5.1. Für die von der Klägerin zu erbringenden Leistungen waren Pauschalpreise vereinbart (vgl Punkt 2.). Grundlage des Anspruchs nach § 1168 Abs 1 ABGB ist das vereinbarte Entgelt in seiner Gesamtheit (2 Ob 54/99a; 8 Ob 133/16s; 8 Ob 102/19m). Der Unternehmer muss nicht von sich aus eine Anrechnung vornehmen, sondern der Besteller hat zu behaupten und zu beweisen, was sich der Unternehmer anrechnen lassen muss (RS0112187; RS0021768; RS0021841). Daraus folgt, dass der Klägerin grundsätzlich das vereinbarte Pauschalentgelt zustand und es deshalb auch keiner detaillierten Rechnung bedurfte, um dessen Fälligkeit herbeizuführen (7 Ob 529/88 [Fälligkeit trotz unterbliebener Schlussrechnung]). Wenn die Klägerin mit ihrer Klage ohnehin nur einen Teil dieses Entgelts begehrte, kann ihr dies nicht zum Nachteil gereichen (2 Ob 54/99a; 7 Ob 529/88), sodass die vom Erstgericht angenommene Fälligkeit 45 Tage nach Klageeinbringung jedenfalls nicht zu beanstanden ist.

5.2. Der Nachforderungsausschluss dient, insbesondere bei Bauvorhaben mit hoher Auftragssumme, dazu, möglichst innerhalb kurzer Frist die Rechtslage eindeutig zu klären und zu diesem Zweck die gesetzlichen Verjährungsfristen abzukürzen, sodass der Auftraggeber zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überblicken und erfahren können soll (vgl 6 Ob 566/95; 6 Ob 108/00a). Hier hat die klagende Auftraggeberin erst knapp vor Ablauf der Verjährungsfrist ihren Anspruch nach § 1168 Abs 1 ABGB geltend gemacht und dabei nicht die Pauschalpreise zugrundegelegt, sondern sich bereits selbst ersparte Kosten angerechnet. Dass jedenfalls für eine solche Konstellation die Vereinbarung eines „schriftlichen Vorbehaltsverzichts“ mangels zusätzlichen Informations- und Sicherheitsgewinns für den Auftraggeber nicht gelten sollte, ist eine Auslegung, die mit der dargestellten Judikatur und dem Zweck einer solchen Regelung vereinbar und daher nicht zu beanstanden ist.

6. Die Beklagten machen demnach insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist daher die Revision nicht zulässig und zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00034.20F.0424.000

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