OGH vom 25.02.2009, 3Ob9/09h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei B*****, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die verpflichtete Partei Eduard L*****, vertreten durch Dr. Manfred Winkler, Rechtsanwalt in Wien, wegen 335.178,17 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 22 R 254/08v-318, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Thalgau vom , GZ 6 E 19/03i-310, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Beim Erstgericht ist seit April 1998 ein Zwangsversteigerungsverfahren in Ansehung zweier Liegenschaften anhängig, die am um das Meistbot von 500.000 EUR einer Ersteherin zugeschlagen wurden. In der Meistbotsverteilungstagsatzung meldeten ua die betreibende Partei (die nunmehrige Revisionsrekurswerberin) und eine ihr im Rang vorangehende Pfandgläubigerin ihre Forderungen an. Der Verpflichtete und drei Dienstbarkeitsberechtigte, Andrea L*****, Friederike L***** und Eduard Andreas L***** erhoben gegen die Berücksichtigung beider angemeldeter Forderungen Widerspruch und bestritten deren Höhe. In Ansehung der Forderung der betreibenden Partei brachten sie vor, die angemeldete Forderung sei bereits „getilgt und erloschen", weshalb der Verpflichtete zu AZ 1 C 117/07i des LG Salzburg Oppositionsklage gegen die betreibende Partei eingebracht habe; weiters habe er beim Bezirksgericht Salzburg zu AZ 10 Cg 6/05y Löschungsklage mit der Begründung erhoben, die Schuld sei getilgt. Der Anspruch bestehe nicht mehr. Zum Beweis ihres Vorbringens beriefen sich die Dienstbarkeitsberechtigten auf die Gerichtsakten und das offene Grundbuch. Die betreibende Partei bestritt die Widerspruchsvorbringen und legte Urkunden zum Beweis dafür vor, dass keine Zahlungen erfolgt seien (ON 309). Die Widerspruchswerber replizierten, dass die vorgelegte „mikroverfilmte Kontoentwicklung" bereits Gegenstand des anhängigen Löschungsverfahrens sei.
Im Meistbotsverteilungsbeschluss wies das Erstgericht einer Gemeinde an Vorzugsposten 6.258,35 EUR und in der bücherlichen Rangordnung der Pfandgläubigerin auf deren angemeldete Forderung 99.198,41 EUR und der betreibenden Partei auf deren angemeldete Forderung den Meistbotsrest von 394.543,24 EUR jeweils zur teilweisen Berichtigung durch Barzahlung zu. Damit war das Meistbot erschöpft. Die Widersprüche des Verpflichteten und der Dienstbarkeitsberechtigten gegen die Forderung der betreibenden Partei wies das Erstgericht mit der wesentlichen Begründung zurück, die Behauptung der Zahlung der Forderung sei unbelegt geblieben. Die vom Verpflichteten angestrengten Gerichtsverfahren seien unstrittig unterbrochen bzw ruhten, sodass der zu Gunsten der betreibenden Partei bestehende Titel (ein Versäumungsurteil des LG Salzburg zu AZ 2 Cg 160/96w) unverändert rechtskräftig und vollstreckbar sei. Die Dienstbarkeitsberechtigten hätten zur Höhe der Forderung kein inhaltliches Vorbringen erstattet.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Verpflichteten nicht Folge, dem Rekurs der Dienstbarkeitsberechtigten aber teilweise in Ansehung der Forderungen der betreibenden Gläubigerin dahin Folge, dass es die Widersprüche auf den Rechtsweg verwies und den Dienstbarkeitsberechtigten auftrug, binnen eines Monats nach Zustellung auszuweisen, dass sie das zur Erledigung ihrer Widersprüche notwendige Streitverfahren anhängig gemacht haben, widrigenfalls der Verteilungsbeschluss auf Antrag eines jeden durch den Widerspruch betroffenen Berechtigten ohne Rücksicht auf den Widerspruch durchgeführt werde. Im Übrigen - nämlich in Ansehung der Forderungen der Pfandgläubigerin - gab das Rekursgericht dem Rekurs der Dienstbarkeitsberechtigten nicht Folge. Es sprach aus, dass die Rekurswerber ihre Rekurskosten zu 1/5 selbst zu tragen haben und dass die übrigen Rekurskosten als Kosten eines allfälligen Nachtragsverteilungsverfahrens zu behandeln seien. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs im Umfang der Beschlussabänderung zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, wie detailliert Dienstbarkeitsberechtigte eine Forderungsanmeldung in der Verteilungstagsatzung zu bestreiten haben sowie dazu, ob ein Verweis auf ein vom Verpflichteten geführtes (unterbrochenes) Oppositionsverfahren bzw ein (ruhendes) Löschungsverfahren genüge.
In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, dass die Ansprüche der Dienstbarkeitsberechtigten beim Ausfall der bestrittenen Forderungen zum Zug kommen könnten. Der Widerspruch sei auch beachtlich; dessen sofortige Abweisung würde eine unzulässige Vorwegnahme des Ergebnisses einer dem streitigen Prozessweg vorbehaltenen Klärung widerstreitender Tatsachen bedeuten. Den Dienstbarkeitsberechtigten sei deshalb Gelegenheit zu bieten, den Rechtsweg zu beschreiten und den Nachweis der Klageführung zu erbringen. Gegenüber einer weiteren Dienstbarkeitsberechtigten sei der Meistbotsverteilungsbeschluss in Rechtskraft erwachsen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung unzulässig:
1. Obwohl dies ohne konkrete Auswirkungen bleibt, ist festzuhalten, dass auf das vorliegende Verfahren die EO in der Fassung vor der EO-Nov 2000, BGBl I 2000/59, anzuwenden ist, weil der maßgebende Zeitpunkt des Exekutionsantrags vor dem liegt (Art III Abs 1 leg cit). Die maßgebliche Gesetzesbestimmung des § 213 EO wurde nur sprachlich an § 210 EO angepasst, inhaltlich aber nicht verändert.
2. Zur bisherigen Rechtsprechung zu § 213 EO:
Wegen der im Verteilungsverfahren herrschenden Konzentrationsmaxime wurde ein Widerspruch nur dann als beachtlich angesehen, wenn in ihm die Tatsachen angeführt wurden, auf die sich die Bestreitung des Bestandes oder der Rangordnung des angemeldeten Anspruchs gründet (2 Ob 919/53 = JBl 1954, 405; 3 Ob 57/83). Erforderlich sei die Individualisierung des Widerspruchs in der Richtung, dass ein bestimmter Anspruch in Ansehung des Bestandes, der Höhe oder Rangordnung bestritten wird (RIS-Justiz RS0003210). In der Entscheidung 3 Ob 282/02w wurde ausgeführt, ein unschlüssiger und damit unbeachtlicher Widerspruch läge nur dann vor, wenn sich bereits aus dem Vorbringen die mangelnde Berechtigung ergäbe. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass schon der Widerspruch das vollständige Vorbringen der Widerspruchsklage zu enthalten hätte, dies obwohl die Widerspruchsklage auf den im Widerspruch behaupteten Sachverhalt gestützt werden müsse, also weder auf einen neuen Rechtsgrund noch auf Tatsachen, die erst nach dem Schluss der Verteilungstagsatzung eingetreten sind (RIS-Justiz RS0003261). Es sei daher nicht erforderlich, dass dem Widerspruch schon alle Tatsachen zu entnehmen seien, auf die sich die Bestreitung gründe. Eine im Schrifttum vertretene strengere Auffassung (Lecher in Deixler/Hübner, EO Kommentar §§ 212 bis 214 Rz 28), wurde in der genannten Entscheidung abgelehnt.
3. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, der Widerspruch der Dienstbarkeitsberechtigten sei beachtlich, steht mit der zitierten Entscheidung 3 Ob 282/02w im Einklang. Mit dem Vorbringen, die angemeldete Forderung sei „getilgt und erloschen", wurde die Forderung nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach bestritten. Die Revisionsrekurswerberin rügt das Fehlen einer Behauptung, auf welche Weise es zum Erlöschen der Forderung gekommen sei, etwa durch Zahlung, Aufrechnung oder Schulderlass. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die Dienstbarkeitsberechtigten in der Tagsatzung ausreichend erkennbar dem Widerspruchsvorbringen des Verpflichteten angeschlossen haben, der ausdrücklich deponierte, die Forderung der Betreibenden sei „zur Gänze zurückgezahlt". Es wurde demnach nicht nur abstrakt der Rechtsgrund der Tilgung der Schuld, sondern auch eine Tatsache (die Zahlung) releviert. Dem Widerspruch müssen nach der zitierten Entscheidung nicht alle Tatsachen entnehmbar sein, auf die sich die Bestreitung gründet. Ob der Verpflichtete im Oppositionsverfahren mit seinem Standpunkt durchdringen wird oder dieses Verfahren - ebenso wie die von ihm eingebrachte Löschungsklage - wenig aussichtsreich ist, ist für den Widerspruch ohne Bedeutung, weil selbst eine abweisende rechtskräftige Entscheidung den Dienstbarkeitsberechtigten gegenüber - sofern sie nicht am Verfahren beteiligt waren - keine Bindungwirkung entfalten könnte (Angst in Angst, EO2 § 213 Rz 2). Da der Zahlungseinwand zur Individualisierung des Widerspruchs ausreicht, kommt es auf die vom Rekursgericht aufgeworfene Rechtsfrage nicht mehr an. Gründe, die ein Abgehen von der zitierten Rechtsprechung nötig machten, werden im Revisionsrekurs nicht aufgezeigt. Ob ein Widerspruch gegen eine in der Verteilungstagsatzung angemeldete Forderung ausreichend individualisiert ist, wird immer nur an Hand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilbar sein.
4. Soweit die Revisionsrekurswerber auch die zweitinstanzliche Kostenentscheidung (im Übrigen ohne jede Begründung) anfechten, ist ihr Revisionsrekurs nach den §§ 78 EO, 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig (Kodek in Rechberger, ZPO3, § 528 Rz 37 mwN).