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OGH vom 24.08.2022, 7Ob87/22b

OGH vom 24.08.2022, 7Ob87/22b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M* T*, vertreten durch Mag. Mehmet Munar LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Z* AG, *, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 171.841,96 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 191/21a-57, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger ersteigerte eine mit einem Gebäude bebaute Liegenschaft um das Meistbot von 42.500 EUR. Er hatte das Grundstück davor nicht besichtigt, kannte aber das im Versteigerungsverfahren eingeholte Gutachten. Darin führte der Sachverständige unter anderem aus, dass das gesamt Objekt sichtbare Verfallserscheinungen aufweise, eine nicht erhaltungswürdige Bausubstanz habe und das Ende der technischwirtschaftlichen Lebensdauer erreicht habe. Noch am selben Tag wollte der Kläger für die Liegenschaft eine Versicherung abschließen. Er wählte über ein Vergleichsportal das Angebot der Beklagten mit einer Versicherungssumme von 265.000 EUR aus. Der Kläger drückte danach den Button „Details und Abschluss“. Nach Ausfüllen seiner persönlichen Daten kam die Frage, ob das Gebäude in einem ordnungsgemäßen Bauzustand sei. Der Kläger blieb bei dieser Frage hängen, da er aufgrund des Inhalts des Gutachtens und seiner persönlichen Wahrnehmungen wusste, dass das auf dem Grundstück befindliche Gebäude in keinem solchen Zustand war. Er beantwortete dennoch die Frage mit „ja“, um die Versicherung über den wahren Zustand des Objekts zu täuschen, damit es zum Abschluss des Versicherungsvertrags kam. Rund fünf Monate später kam es zu einem Brand, der den Stalltrakt des Gebäudes weitgehend zerstörte.

[2] Der Kläger begehrt 171.841,96 EUR sA aus der mit der Beklagten geschlossenen Feuerversicherung.

[3] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn von § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

[5] 1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft, liegen jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).

[6] 2.1. Nach § 16 Abs 1 VersVG hat der Versicherungsnehmer bei Abschluss des Versicherungsvertrags alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Zur Bejahung der Gefahrenerheblichkeit von Umständen ist es nicht erforderlich, dass der Versicherer bei Kenntnis des wahren Sachverhalts den Vertrag tatsächlich abgelehnt oder nicht zu den bestimmten Bedingungen geschlossen hätte. Vielmehr reicht es aus, dass der vom Versicherer nachgewiesene Umstand bei objektiver Betrachtung geeignet ist, einen solchen Entschluss des Versicherers zu motivieren (RS0080637). Ein Umstand, nach dem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, gilt im Zweifel als erheblich (RS0080628 [T1]). An die vom Versicherten bzw Versicherungsnehmer bei Erfüllung seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht anzuwendende Sorgfalt sind ganz erhebliche Anforderungen zu stellen, besonders dann, wenn die gestellten Fragen Individualtatsachen betreffen (RS0080641 [insb T1, T4]). Für eine schuldhafte Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht genügt bereits leichte Fahrlässigkeit (§ 16 Abs 3 VersVG; RS0080572). Die Beweislast für das mangelnde Verschulden an der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht trifft grundsätzlich den Versicherungsnehmer (RS0080809). Ist der Vorschrift des § 16 Abs 1 VersVG zuwider die Angabe eines erheblichen Umstands unterblieben, so kann der Versicherer nach § 16 Abs 2 VersVG vom Vertrag zurücktreten. Nach ständiger Rechtsprechung kann sich der Versicherer aber auch ohne Vertragsauflösung auf Leistungsfreiheit berufen, wenn er von der Verletzung der betreffenden vertraglichen Obliegenheit (Anzeigeobliegenheit) erst nach dem Versicherungsfall erfahren hat (RS0129732).

[7] 2.2. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Beklagte sei aufgrund der schuldhaften Verletzung der Anzeigeobliegenheit durch den Kläger leistungsfrei, ist nicht korrekturbedürftig, weil der Kläger im Antrag über die Frage des Versicherers angegeben hat, dass sich das versicherte Gebäude in einem ordnungsgemäßen Bauzustand befinde, obwohl er aufgrund des im Versteigerungsverfahren eingeholten Gutachtens wusste, dass dies unrichtig ist. Aus dem Gutachten ergibt sich nämlich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne jeden Zweifel, dass beim Abschluss des Versicherungsvertrags die Bausubstanz wertlos und das Gebäude abbruchreif und damit der Bauzustand nicht ordnungsgemäß war. Die Ansicht des Klägers, für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer sei ein Bauzustand nur dann nicht ordnungsgemäß im Sinn der vom Versicherer gestellten Frage, wenn er „bauordnungswidrig“ sei, haben die Vorinstanzen daher ohne Korrekturbedarf verneint.

[8] 3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00087.22B.0824.000

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