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OGH vom 04.10.1989, 3Ob600/89

OGH vom 04.10.1989, 3Ob600/89

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann S***, Pensionist, Nußdorf, Hochberg 4, vertreten durch Dr.Benno Oberdanner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Juliana S***, Landwirtin, Nußdorf, Hochberg 4, vertreten durch Dr.Gunther Stemberger und Dr.Peter Zumtobel, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Aufkündigung eines Bestandvertrages, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom , GZ 21 R 58/89-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Oberndorf bei Salzburg vom , GZ C 461/88h-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.966,40 (darin S 494,04 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem am beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz ON 1 brachte der Kläger vor, er kündige der Beklagten die gegen halbjährige Kündigung gepachtete Liegenschaftshälfte Wimmernbauergut ..., die einen landwirtschaftlichen Betrieb bilde, samt Zubehör für den , für den Fall, daß die Zustellung verspätet erfolgen sollte, für den gerichtlich auf und beantrage, der Gegenseite aufzutragen, den Bestandgegenstand binnen 14 Tagen nach diesem Termin zu übergeben oder gegen die Aufkündigung Einwendungen anzubringen. Im Pachtvertrag vom habe sich die Beklagte verpflichtet, einen Jahrespachtzins von S 7.000 inklusive Umsatzsteuer im vorhinein zu bezahlen. Sie habe jedoch ungeachtet einer am erfolgten Mahnung nichts bezahlt. Der Kläger sei daher gemäß Punkt IV des Pachtvertrages auch zur sofortigen Vertragsauflösung berechtigt.

Die Beklagte erhob Einwendungen. Die Streitteile, deren Ehe mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom gemäß § 50 EheG geschieden worden sei, seien Eigentümer der Liegenschaft je zur Hälfte. Der Kläger sei 1983/84 durch Alkoholexzesse arbeits- und erwerbsunfähig geworden; der Pachtvertrag sei abgeschlossen worden, um ihm die Berentung zu ermöglichen. Die Liegenschaft sei ab der Arbeitsunfähigkeit des Klägers tatsächlich von der Beklagten allein bewirtschaftet worden. Ein Pachtzinsrückstand bestehe nicht. Die Liegenschaft sei nach den Bestimmungen des Ehegesetzes aufzuteilen. Der Pachtvertrag stelle nur eine Regelung der Benützung der gemeinsamen Sache dar.

In der Tagsatzung vom gab der Kläger als richtig zu, daß die Beklagte den Pachtzins bis November 1988 bezahlt habe. Das Erstgericht hob die Kündigung auf und wies den Antrag, der Beklagten die Übergabe des Bestandgegenstandes aufzutragen, ab. Die Zulässigkeit des Rechtsweges sei gegeben. Bei dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrag handle es sich auch dann, wenn damit nur eine Benützungsregelung getroffen worden sein sollte, um eine Vereinbarung, über deren Zustandekommen und Beendigung im streitigen Rechtsweg zu entscheiden sei. Für ein Aufteilungsverfahren sei kein Platz, weil ein Unternehmen im Sinne des § 82 Abs 1 Z 4 EheG vorliege. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von Punkt IV des Pachtvertrages bzw. gemäß § 1118, erster Fall, ABGB, seien nicht gegeben, weil der Pachtzins vereinbarungsgemäß bezahlt worden sei. Auf den in der Tagsatzung vom vorgebrachten weiteren Kündigungsgrund (unberechtigte Holzentnahme) sei wegen der im Kündigungsverfahren bestehenden Eventualmaxime nicht einzugehen gewesen. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 60.000, nicht jedoch S 300.000 übersteige und daß die Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß der Kläger keine ordentliche Aufkündigung, sondern eine vorzeitige Auflösung ("außerordentliche Aufkündigung") gemäß § 1118 ABGB vorgenommen habe; die Angabe von Kündigungsgründen wäre andernfalls entbehrlich gewesen. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision lägen nicht vor, weil die Entscheidung in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinausreiche.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, weil die Vorinstanzen zu Unrecht das Vorliegen einer vorzeitigen Auflösung (einer "außerordentlichen Kündigung") angenommen haben; sie ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Aufkündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Erklärung, das Bestandverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt unter Einhaltung einer bestimmten Frist zu beenden. Sie bedarf nach dem ABGB keiner Begründung, ist vielmehr die Ausübung des schon von Gesetzes wegen beiden Teilen eingeräumten Gestaltungsrechtes zur Beendigung von Bestandverhältnissen auf unbestimmte Zeit und deren Regelfall (Würth in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1116 mwN). Von der Kündigung zu unterscheiden ist die vorzeitige Auflösung ("außerordentliche Aufkündigung"), die wichtiger Gründe bedarf (Würth aaO Rz 3).

Nach dem Wortlaut des Schriftsatzes ON 1 ("Ich kündige der Gegenseite die gegen halbjährige Kündigung gepachtete Liegenschaftshälfte ... für den ... gerichtlich auf ...") besteht kein Zweifel darüber, daß der Kläger eine "ordentliche" Aufkündigung vorgenommen hat. Daß er einen Kündigungsgrund angeführt hat, obwohl es eines solchen nicht bedurft hätte, machte die ordentliche Kündigung noch nicht zu einer außerordentlichen. Dies entsprach auch keineswegs der Absicht des Klägers; denn er führt im Schriftsatz aus, daß er wegen des geltend gemachten Kündigungsgrundes (auch) zur sofortigen Vertragsauflösung berechtigt sei, ohne aber eine solche Auflösung, wie aus dem von ihm beantragten Beschluß zu ersehen ist, zu erklären.

Die Vorinstanzen haben jedoch nicht beachtet, daß sich ein Bestandvertrag niemals auf einen ideellen Teil einer Liegenschaft erstrecken kann, weil die Ausübung eines Gebrauchsrechtes an einem ideellen Liegenschaftsanteil unmöglich ist (MietSlg 26.049). Auch die Aufkündigung von ideellen Anteilen einer Liegenschaft ist dementsprechend rechtlich unmöglich (2 Ob 126/55).

Aber auch wenn man im vorliegenden Fall davon ausgeht, daß hier die Verpachtung nicht nur eines ideellen Liegenschaftsanteiles, sondern der gemeinsamen Liegenschaft der Streitteile vorgenommen wurde, darf doch nicht übersehen werden, daß ein Miteigentümer, auch wenn er mit der Gemeinschaft einen Bestandvertrag abgeschlossen hat, Miteigentümer bleibt. Die Überlassung des Gebrauchs bestimmter Teile der Liegenschaft an ihn gegen Entgelt schließt eine Benützungsregelung der Miteigentümer über das Gemeinschaftseigentum in sich. Die Aufkündigung des Bestandvertrages mit einem Miteigentümer kann daher nicht der Aufkündigung des Bestandvertrages mit einem Dritten gaeichgestellt sein, weil die Sache, die er benützt, zum Teil in seinem Miteigentum steht. Eine solche Aufkündigung stellt eine wichtige Veränderung dar, die gegen den Willen der Minderheit oder eines Hälfteeigentümers ohne eine entsprechende Entscheidung des Außerstreitrichters nicht wirksam wird (MietSlg 4.904). Der Abschluß und die Aufkündigung eines Bestandvertrages mit einem Miteigentümer gehören nicht zur ordentlichen Verwaltung der gemeinschaftlichen Sache im Sinne des § 833 ABGB, sondern stellen eine wichtige Veränderung im Sinne des § 834 ABGB dar, die gemäß § 835 ABGB Einstimmigkeit oder die Genehmigung des Gerichtes erfordert. Dasselbe gilt für die Änderung der Benützungsregelung. Bei beabsichtigter Aufkündigung des Bestandvertrages mit einem Miteigentümer muß (auch) dessen fehlende Zustimmung durch den Außerstreitrichter ersetzt werden (SZ 53/18 ua.).

Es ist im vorliegenden Fall nicht zu untersuchen, ob der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Pachtvertrag bloß als eine Benützungsvereinbarung anzusehen ist; denn eine Abänderung der vereinbarten Regelung ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Der Kläger hat aber auch - abgesehen von den grundsätzlichen Erwägungen über den Abschluß eines Bestandvertrages über einen ideellen Liegenschaftsanteil und die Aufkündigung eines solchen Vertrages - die Zustimmung des Außerstreitrichters zu der vorliegenden Aufkündigung weder behauptet noch nachgewiesen. Die Aufhebung der Aufkündigung erfolgte aus diesem Grund im Ergebnis zu Recht.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.