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OGH vom 21.04.2010, 7Ob33/10v

OGH vom 21.04.2010, 7Ob33/10v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Dr. Hermann Kienast, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei B*****, vertreten durch Neumayer, Walter Haslinger Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, wegen 10.000 EUR (sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 150/09v-16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 6 C 1456/08y-11, infolge Berufung der Klägerin bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit 742,27 EUR (darin enthalten 123,71 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin erwarb am über Vermittlung des Wiener Wertpapierdienstleistungsunternehmens F***** GmbH (im Folgenden F*****) Namensaktien der Schweizer G***** AG (im Folgenden G*****) im Wert von 10.000 EUR. In ihrem Werbematerial und durch ihre österreichische Repräsentantin F***** sowie deren Vertriebspartner S*****, Gesellschaft m.b.H. sicherte G***** der Klägerin zu, dass eine Kapitalgarantie einer Bank mit AA Rating abgegeben werde, was aber nicht geschah. Ein gemäß § 1 KMG erforderlicher, bei der österreichischen Kontrollbank AG hinterlegter Prospekt war, wie aufgrund eines rechtskräftigen Urteils des Oberlandesgerichts Wien feststeht, zum Zeitpunkt des Erwerbs der Wertpapiere durch die Klägerin nicht vorhanden. Über das Vermögen der G***** wurde im Jahr 2007 der Konkurs eröffnet. Die von der Klägerin erworbenen Namensaktien sind wertlos. Auch F***** ist mittlerweile im Konkurs.

F***** hatte beim beklagten Versicherer eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen, der die Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung für Finanzdienstleister zugrundegelegt wurden. Diese weisen unter anderem folgende Bestimmungen auf:

„6.2.2.1. [...]. Ebenso sind ausgeschlossen Ansprüche aufgrund der Hinterlegung von Finanzinstrumenten oder Kundengeldern bei Unternehmen oder Personen, die im Gemeinschaftsgebiet hierzu nicht befugt sind oder bei Unternehmen oder Personen in Drittstaaten, die keine Kreditinstitute oder qualifizierte Geldmarktfonds sind.

[...]

6.2.2.9. [...]. Ausgeschlossen bleiben weiters Haftpflichtansprüche aus der Beratung und/oder Vermittlung von prospektpflichtigen und nach den Gesetzen von der Prospektpflicht nicht befreiten Veranlagungen und Wertpapieren nach dem Kapitalmarktgesetz, wenn nicht die jeweiligen nach den Bestimmungen des Kapitalmarktgesetzes erstellten, geprüften und bei der gesetzlichen Hinterlegungsstelle hinterlegten Prospekte der Beratung/Vermittlung zugrundegelegt wurden .“

Die Klägerin begehrt aus der Versicherung den von ihr veranlagten Betrag von 10.000 EUR ersetzt. F***** die Versicherungsnehmerin des beklagten Versicherers, hafte nach ABGB und KMG als Vertreiberin der Namensaktien in Österreich für unrichtige Informationen, die für die Zeichnung der Aktien durch die Klägerin wesentlich gewesen seien. Nach § 20 Abs 5 WAG 1996 müsse die Berufshaftpflichtversicherung das aus der Geschäftstätigkeit des Wertpapierdienstleistungsunternehmens resultierende Risiko abdecken und ein Direktklagerecht des geschädigten Dritten vorsehen. Durch den Verweis auf § 158c VersVG ergebe sich, dass durch die Vereinbarung von Risikoausschlüssen der Schutz des Dritten nicht untergraben werden dürfe. Der exklusive Vertrieb und die Vermittlung des Anlageprodukts durch F***** mittels eines unrichtigen Prospekts sei ein Risiko aus der Geschäftstätigkeit, das nach § 20 Abs 5 WAG 1996 zu decken sei. Die von der Beklagten herangezogenen Haftungsausschlussgründe führten dazu, dass die Beklagte bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit kleiner Konzession (wie F*****) überhaupt keine Haftung treffe und der von § 20 Abs 5 WAG 1996 vorgesehene Versicherungsschutz zu Gunsten des Dritten de facto ausgeschlossen würde. Die Haftungsausschlüsse seien deshalb unwirksam und darüber hinaus auch wegen gröblicher Benachteiligung des Konsumenten im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB ungültig.

Der beklagte Versicherer beantragte Klagsabweisung. G***** habe Kundengelder zur Weiterveranlagung in Wertpapieren übernommen, ohne ein Kreditinstitut oder zugelassener Geldmarktfonds zu sein, sodass der Ausschluss nach Punkt 6.2.2.1. der Versicherungsbedingungen verwirklicht sei. Zudem sei der Vertrieb der Wertpapiere in Österreich unzulässig gewesen und habe gegen das KMG verstoßen, insbesondere, weil der Vermittlung kein bei der österreichischen Kontrollbank AG hinterlegter Prospekt zugrundegelegt worden sei; es liege daher auch der Ausschlussgrund nach Punkt 6.2.2.9. vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Gesetzgeber habe in § 20 WAG 1996 nicht ausdrücklich einen Mindeststandard für die Berufshaftpflichtversicherung normiert. Daher seien auch dem (direkt berechtigten) geschädigten Dritten gegenüber die vereinbarten Deckungsausschlüsse wirksam, wobei allerdings der gesetzliche Schutz nicht entscheidend untergraben werden dürfe. § 158c VersVG beziehe sich nur auf Obliegenheiten. Haftungsausschlüsse müsse die Klägerin hingegen gegen sich gelten lassen, sofern sie dem Schutzzweck des § 20 WAG 1996 nicht widersprächen. Dies sei bei den Haftungsausschlüssen, auf die sich die Beklagte berufen habe, nicht der Fall, was sich schon daraus ergebe, dass die Versicherungsbedingungen mit der Finanzaufsichtsbehörde abgestimmt gewesen seien. Auch aus dem Sinn und Zweck der Norm könne eine Untergrabung des Schutzzwecks durch diese Haftungsausschlüsse nicht abgeleitet werden. Dem Haftpflichtversicherer sei nicht zumutbar, jegliches Handeln des Finanzdienstleisters abzudecken. Die Statuierung der Einhaltung von Elementarpflichten als Haftungsausschluss widerspreche daher nicht dem Schutz der Anleger, die in der Lage seien, das Vorhandensein eines Kapitalmarktprospekts zu überprüfen. Der Vertrieb trotz Nichtvorliegens dieser Voraussetzung stelle eine dem Vorsatz gleichzuhaltende Handlung dar und schließe daher eine Haftung des Versicherers wirksam aus.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. F***** hafte der Klägerin als Repräsentant für Österreich und Exklusivvermittler der G***** aus culpa in contrahendo. Eine Haftung der F***** für den Schaden, den die Klägerin im Vertrauen auf die Richtigkeit der Prospektangaben erlitten habe, komme auch nach § 11 KMG in Betracht. Die Beklagte habe jedoch eingewendet, zufolge von Risikoausschlüssen bestehe kein Versicherungsanspruch. Zur Wirksamkeit dieser Risikoausschlüsse sei auszuführen: Die Entscheidung 7 Ob 152/06p, in der ausgesprochen werde, dass Risikobeschränkungen und Risikoausschlüsse den Schutz des Dritten nicht untergraben dürften, lasse die Frage offen, ob eine darüber hinausgehende Klausel den Haftpflichtversicherer kraft Gesetzes (§ 20 Abs 5 WAG 1996) binden solle. Fenyves (VR 2005, 70) weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich der Geschädigte Risikoausschlüsse oder Risikobegrenzungen prinzipiell entgegenhalten lassen müsse. Auch Schauer komme in FS Krejci, 1270 ff zum Ergebnis, dass der geschädigte Dritte nur jene Rechte unmittelbar gegen den Versicherer geltend machen könne, die der Versicherungsvertrag einräume. § 20 Abs 5 WAG 1996 verlange ausdrücklich die Vereinbarung der sinngemäßen Anwendung des § 158c Abs 1 und 2 VersVG.§ 158c Abs 1 VersVG setze schon nach seinem Wortlaut ein versichertes Risiko voraus. Aus dem verwendeten Begriff der „Leistungsfreiheit“ folge, dass diese Bestimmung auf Risikoausschlüsse keine Anwendung finde. Sei eine bestimmte Gefahr von vornherein nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes, könne sich der geschädigte Dritte nicht auf § 158c VersVG berufen. Die im vorliegenden Fall im Versicherungsvertrag vorgesehenen Risikoausschlüsse führten daher zur Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber dem Geschädigten. Dieser Umstand wäre lediglich ein Grund, eine erforderliche Konzession nach § 20 WAG 1996 nicht zu erteilen. Er führe aber nicht zu einem vom Versicherungsverhältnis losgelösten eigenständigen gesetzlichen Haftungsanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer, weil diese Rechtsfolge über den eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 20 WAG 1996 hinausgehe und eine durch Analogie zu schließende planwidrige Gesetzeslücke angesichts denkbarer Amtshaftungsansprüche der Klägerin bei schuldhaft rechtswidriger Konzessionserteilung durch die Behörde nicht zu erkennen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage der Wirksamkeit von Risikoausschlüssen bei einer Haftpflichtversicherung gemäß § 20 Abs 5 WAG 1996 keine Judikatur des Höchstgerichts vorliege.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel ihrer Prozessgegnerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die Ausführungen der Revisionswerberin können nicht überzeugen, während die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung zutreffend sind. Gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO reicht es daher aus, auf die Richtigkeit der Entscheidungsbegründung der zweiten Instanz zu verweisen. Bezugnehmend auf die Rechtsrüge der Klägerin ist ergänzend auszuführen:

Wie schon die Vorinstanzen richtig erkannt haben, sind auf den vorliegenden Rechtsfall noch die Bestimmungen des WAG 1996 (BGBl Nr. 753/1996 id am gF im Folgenden WAG) anzuwenden. Unstrittig ist, dass der Klägerin als „geschädigter Dritten“ ein „Direktklagerecht“ im Sinn des § 20 Abs 5 WAG eingeräumt ist. Keinen Streitpunkt bildet auch, dass die von F***** beim beklagten Versicherer abgeschlossene Berufshaftpflichtversicherung nach § 20 WAG mangels entsprechenden Eigenkapitals (Abs 2 leg cit) Voraussetzung der Gewährung der Konzession als Wertpapierdienstleistungsunternehmen für F***** war und insofern eine Pflichtversicherung darstellt, auf die die §§ 158b ff VersVG anzuwenden sind ( vgl Schauer , Rechtsprobleme der Haftpflichtversicherungen im KMG, WAG und ÜbG, FS Krejci II 1269 [1282 ff]). Grundsätzlich nicht strittig ist ferner, dass die Parteien einer solchen Pflichtversicherung zwar Risikoausschlüsse und begrenzungen vereinbaren können ( Fenyves , Versicherungsvertragsrechtliche Grundfragen der Pflichthaftpflichtversicherung, VR 2005, 70 [74]; Ertl , Versicherungspflicht light, ecolex 2007/586, [587]), damit aber deren Schutz nicht untergraben dürfen (7 Ob 152/06p; Fenyves aaO; Ertl aaO). Schließlich wird von der Revisionswerberin gar nicht in Frage gestellt, dass die Tatbestände der eingangs wiedergegebenen Risikoausschlussklauseln (6.2.2.1. und 6.2.2.9.) hier erfüllt sind und im Fall der Wirksamkeit dieser Klauseln die Klägerin daher keinen Anspruch aus der Berufshaftpflichtversicherung der F***** geltend machen kann. Strittig ist allein, ob zwischen dem beklagten Versicherer und F***** die beiden Risikoausschlussklauseln (hinsichtlich geschädigter Anleger) wirksam vereinbart werden konnten. Die Revisionswerberin verneint dies; sie vertritt weiterhin die Rechtsansicht, § 20 Abs 5 WAG beschreibe einen „Mindeststandard“ und stelle eine „Primärrisikoumschreibung“ dar. Ausgehend davon, dass eine obligatorische Haftpflichtversicherung ausdrücklich zum Schutz des geschädigten Dritten und als Ersatz für einen Haftungsfonds vom Gesetzgeber angeordnet worden sei, hielten die Risikoausschlussklauseln einer Geltungs und Inhaltskontrolle im Sinn der §§ 879 Abs 3 und 864a ABGB nicht stand, weil durch sie der Schutz des Anlegers entscheidend untergraben werde.

Dem kann nicht beigepflichtet werden. Der geschädigte Dritte kann im Hinblick auf die rechtsgeschäftliche Grundlage seines Anspruchs grundsätzlich nur jene Rechte unmittelbar gegen den Versicherer geltend machen, die der Versicherungsvertrag einräumt ( Schauer aaO 1287). Die Beantwortung der Frage, welcher Gestaltungsspielraum den Parteien dabei offen steht, hat sich daran zu orientieren, was der Gesetzgeber mit der Anordnung einer „das aus der Geschäftstätigkeit resultierende Risiko abdeckenden“ Pflichtversicherung erreichen wollte. Der Umstand, dass damit die in § 20 Abs 2 WAG angeführte, dem Gesetzgeber offenbar zum Schutz der Anleger allein ausreichend erscheinende, Kapitaldeckung des Wertpapierdienstleisters von 50.000 EUR bzw 125.000 EUR substituiert werden soll, lässt keinen Zweifel daran, dass wie der erkennende Senat bereits in der Entscheidung 7 Ob 152/06p ausgeführt hat zwar die gesamte Tätigkeit des Wertpapierdienstleisters versichert werden soll, damit aber keine „all risk Versicherung“ gemeint sein kann. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin vermag daran auch das dem geschädigten Anleger vom Gesetzgeber eingeräumte „Direktklagerecht“ nichts zu ändern. Die (vor allem teleologische) Interpretation der betreffenden gesetzlichen Anordnung wird im Ergebnis auf den Abschluss einer Versicherung mit dem üblichen Deckungsumfang, also auch mit den üblichen Risikoausschlüssen und begrenzungen hinauslaufen müssen ( Fenyves aaO 75 ff; Ertl aaO 587). Ausgehend von dieser Prämisse haben die Vorinstanzen die in Rede stehenden Risikoausschlussklauseln 6.2.2.1. und 6.2.2.9. zutreffend nicht als den Deckungsumfang unüblich oder unsachlich begrenzend und den Anlegerschutz über Gebühr einschränkend angesehen. Die durch die beiden Klauseln vom Versicherungsschutz ausgeschlossenen Tatbestände (die Vermittlung der Veranlagung bei nicht befugten Unternehmen, die Vermittlung von Veranlagungen unter Missachtung der gesetzlichen Prospektpflicht) betreffen jeweils ein gesetzwidriges Vorgehen oder zumindest ein Inkaufnehmen von Gesetzesverstößen durch den versicherten Wertpapierdienstleister. Ein durch ein solches Fehlverhalten bewirkter Schaden kann nicht mehr als „aus der (normalen) Geschäftstätigkeit der F***** als Wertpapierdienstleistungsunternehmen resultierend“ bezeichnet werden. Fällt der von der Klägerin aufgrund der Berufshaftpflichtversicherung der F***** geltend gemachte Anspruch demnach nicht unter das versicherte Risiko, so kann er, wie vom Berufungsgericht ebenfalls richtig erkannt, auch nicht auf § 158c VersVG gestützt werden (RIS Justiz RS0080651).

Da die Abweisung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen der Sach und Rechtslage entspricht, muss die Revision erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.