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OGH vom 28.11.1991, 7Ob32/91

OGH vom 28.11.1991, 7Ob32/91

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl K*****, vertreten durch Dr. Dieter Böhmdorfer und Dr. Wolfram Themmer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei A***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 112.633), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 1 R 105/91-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 30 Cg 343/89-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag Pol.Nr. 06110308631 für das Schadenereignis vom Dezember 1986/Jänner 1987 am Hause W*****, B*****gasse 56, Versicherungsschutz zu gewähren.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 61.774,90 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 23.320 Barauslagen und S 6.409,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist zur gewerbsmäßigen Ausübung des Patentes Nr. 224.883 "Vorrichtung zum Verputzen der Innenwandung von Schornsteinen odgl." berechtigt. Eine darüber hinausgehende Gewerbeberechtigung besitzt sie nicht. Sie hat mit der beklagten Partei eine Haftpflichtversicherung für den Betrieb Kaminschleifunternehmen ohne Rauchfangkehrerarbeiten und eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen. Der Haftpflichtversicherung liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1978) zugrunde. Danach ist der Versicherungsfall ein Schadenereignis, das dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten (Art. I 1). Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen sowie die Kosten der Feststellung und der Abwehr einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzverpflichtung (Art. I 2).

Wegen eines Schadenereignisses am Hause B*****gasse 56 wird die klagende Partei vom Feuerversicherer gemäß § 67 VersVG in Anspruch genommen und verlangt mit Hauptbegehren die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei aus der Haftplichtversicherung und mit Eventualbegehren die Feststellung deren Deckungspflicht aus der Rechtsschutzversicherung.

Das Erstgericht wies Haupt- und Eventualbegehren ab.

Nach seinen Feststellungen wurde die klagende Partei vom Hausverwalter des Hauses W*****, B*****gasse 56, damit beauftragt, die Kaminschläuche eines zum Haus gehörenden Kamins auch im Bereich des Kaminkopfes zu schleifen. Hiezu war es erforderlich, die vorhandenen Steingutabzugsrohre, welche über den Kaminkopf hinausragten und in der Kaminplatte einbetoniert waren, abzutragen. Durch eine solche Abtragung wird der Steingutabzug zur Gänze zerstört. Die vorhandenen Steingutabzugsrohre wiesen eine Biegung auf und führten vom Kaminkopf zunächst zur Feuermauer und waren in einer Länge von 8 bis 10 m an der Feuermauer hochgezogen und an dieser mit Schellen befestigt. Die klagende Partei sollte nach dem Schleifen des Kamins an Stelle der abgetragenen Steingutabzugsrohre vier jeweils 4 m lange Metallrohre anbringen. Zuvor sollten die Schäden am Kaminkopf saniert werden. Zum Zwecke der Neueinführung der Rohre war es auch notwendig, daß die Abdeckplatte des Kaminkopfes von der klagenden Partei neu gegossen wird. Die klagende Partei führte den Werkauftrag durch. Sie trug zunächst die Steingutrohre ab, entfernte die bisherige Abdeckplatte und sanierte den Kaminkopf. Dazu war es notwendig, einige Fahren Ziegeln aufzumauern. Dann schliff die klagende Partei von oben her die Kaminschläuche aus. Sie goß eine neue Abdeckplatte und brachte die vier 4 m langen frei stehenden Metallrohre an. Diese Metallrohre sind in der Betonabdeckplatte fix verankert. Die Befestigung der Metallrohre erfolgte mittels Winkeleisen. Diese Winkeleisen wurden auf der Abdeckplatte angebracht. Sie wurden mit Verspannseilen an der Feuermauer befestigt, und die Köpfe der Metallrohre wurden mit dem Winkeleisen verspannt.

Mit einer am beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingebrachten Klage begehrt der Feuerversicherer des Hauses von der klagenden Partei S 112.633 sA mit der Behauptung, daß infolge eines starken Sturmes in den Dezembertagen 1986 auf dem Dach des Hauses B*****gasse 56 die vier jeweils 4 m hohen Metallschornsteinaufsätze aus der von der klagenden Partei äußerst mangelhaft und unfachmännisch errichteten Verankerung gerissen worden seien.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes könne die klagende Partei für den gegen sie erhobenen Haftpflichtanspruch aus der Betriebshaftpflichtversicherung keinen Versicherungsschutz begehren. Der Umfang einer Betriebshaftpflichtversicherung für ein Kaminschleifunternehmen erstrecke sich nicht auch auf die Gefahren aus der Errichtung neuer Abzugsrohre. Die klagende Partei sei auch gewerberechtlich zur Herstellung einer Neukonstruktion an Stelle des alten Kaminaufsatzes nicht berechtigt gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Ob ein Schadenereignis unter das versicherte Risiko falle, sei durch Auslegung zu ermitteln. Diese ergebe hier, daß das versicherte spezifische Risiko eines Kaminschleifunternehmens zwar auch notwendige Vor- und Vollendungsarbeiten umfasse. Zu den Vollendungsarbeiten gehöre aber keinesfalls die Errichtung einer Neukonstruktion von Kaminabzugsrohren. Diesbezüglich fehle es an dem erforderlichen inneren Zusammenhang zum Betrieb eines Kaminschleifunternehmens.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zweck der Betriebshaftpflichtversicherung ist es, alle Haftpflichtgefahren, die aus dem betreffenden Betrieb erwachsen können, unter Versicherungsschutz zu stellen. Das Betriebshaftpflichtrisiko ist daher nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht nur auf typische Betriebsgefahren beschränkt. Grundsätzlich ist jede Tätigkeit der Betriebshaftpflichtversicherung zuzurechnen, die für den Betrieb erfolgt oder in einem unmittelbaren inneren Zusammenhang mit dem Betrieb steht (VersRdSch 1991, 107; RZ 1984/6; VersR 1977, 780; VersRdSch 1976, 51; vgl. auch Bruck-Möller VVG8 IV 350). Im vorliegenden Fall hatte die klagende Partei, die für die Haftpflichtgefahren aus dem Betrieb eines Kaminschleifunternehmens die Versicherung abgeschlossen hat, auch den Kamin im Bereich des Kaminkopfes zu schleifen. Die Schleifung des Kaminkopfes hatte zwangsläufig zur Folge, daß die Abzugsrohre entfernt und wieder angebracht werden mußten. Die Entfernung und Wiederanbringung der Abzugsrohre waren notwendige Vor- und Vollendungsarbeiten der Schleiftätigkeit und sind nach den obgenannten Grundsätzen der betrieblichen Tätigkeit zuzurechnen. Dies wurde auch vom Berufungsgericht nicht verkannt. Daraus, daß hier nicht die alten Abzugsrohre wieder befestigt, sondern an ihrer Stelle neue angebracht wurden, folgt, entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes, aber nicht, daß der innere ursächliche Zusammenhang zur betrieblichen Tätigkeit fehlt. Die vorhanden gewesenen Abzugsrohre bestanden aus Steingut und wurden durch die Abtragung zwangsläufig zerstört, was notwendigerweise eine "Neukonstruktion" zur Folge hatte. Dem Berufungsgericht ist zwar darin beizupflichten, daß ein zu weites Verständnis der Betriebsgefahren zu einer für den Versicherer nicht mehr kalkulierbaren Erweiterung des Risikos führen kann. Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits ausgesprochen, daß über die Gewerbeberechtigung hinausgehende Tätigkeiten vom Versicherungsschutz der Betriebshaftpflichtversicherung ausgeschlossen sind (VersRdSch 1990, 183). Die Überschreitung der gewerberechtlichen Befugnis muß jedoch offensichtlich sein. Die Auslegung der in der Versicherungspolizze enthaltenen Risikobeschreibung hat sich am Verständnis eines redlichen und verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (Schauer, Einführung2 86 mwN; vgl. auch Rummel in Rummel2 Rz 4 zu § 914 S. 1296). Daran gemessen durfte aber die klagende Partei, der die Befugnis zur gewerbsmäßigen Ausübung des Patentes "Vorrichtung zum Verputzen der Innenwandung von Schornsteinen odgl." erteilt worden war, was offensichtlich auch der beklagten Partei bekannt war (ON 2, AS 8), die Zusage der Übernahme des Haftpflichtrisikos aus dem Betrieb Kaminschleifunternehmen dahin verstehen, daß alle mit der Ausübung des Patentes verbundenen Tätigkeiten vom Versicherungsschutz umfaßt sind, sofern hiezu nur nicht offensichtlich die gewerberechtliche Befugnis fehlt. Die §§ 30 und 32 bis 37 GewO enthalten eine Reihe von Bestimmungen, die die Gewerbetreibenden berechtigen, in untergeordnetem Umfang Leistungen anderer Gewerbe zu erbringen. Hiezu gehören nach der sinngemäß auch für Dienstleistungsgewerbetreibende anzuwendenden Bestimmung des § 33 Abs 1 Z 2 GewO Vor- und Vollendungsarbeiten, die notwendig sind, um das Erzeugnis absatzfähig zu machen. Da die Schleifung eines Kaminkopfes zwangsläufig die Entfernung und Wiederanbringung der Abzugsrohre bedingt, kann nicht gesagt werden, daß die klagende Partei zu diesen Tätigkeiten gewerberechtlich offenkundig nicht befugt gewesen wäre. Die Anbringung neuer Abzugsrohre war, wie schon oben dargelegt wurde, hier nur eine Folge der mit der Entfernung der alten Abzugsrohre zwangsläufig verbundenen Zerstörung des alten Kaminabzugs.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.