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OGH vom 21.07.2004, 3Ob88/04v

OGH vom 21.07.2004, 3Ob88/04v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1.) Horst G*****, 2.) Andreas M*****, und 3.) Christian M*****, alle vertreten durch Dr. Christian Boyer, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Robert B*****, vertreten durch Dr. Thomas Menschhorn, Rechtsanwalt in Wien, wegen 15.713,32 EUR sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom , GZ 7 R 305/00h-6, womit der Exekutionsbewilligungsbeschluss des Bezirksgerichts Purkersdorf vom , GZ 1 E 1655/00b-2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die erstinstanzliche Exekutionsbewilligung wiederhergestellt wird.

Die Revisionsrekurskosten von 891,31 EUR (darin 148,55 EUR USt) werden als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

Die betreibenden Gläubiger beantragten die Bewilligung der Exekution zur Hereinbringung einer Geldforderung von 216.220 S = 15.713,32 EUR sA gemäß §§ 331 ff EO durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung auf dem für den Verpflichteten auf einer näher bezeichneten Liegenschaft - deren Eigentümer nicht die Betreibenden sind - unter COZ 11a einverleibten "WOHNUNGSRECHT gemäß Pkt II Dienstbarkeitsvertrag 1997-09-08". Laut diesem Dienstbarkeitsvertrag sei dem Verpflichteten das "Wohnungsrecht gemäß § 521 ABGB im gesamten Haus ... samt Gartenbenützung" eingeräumt worden. Damit werde offen gelassen, ob die Vertragsparteien einen Gebrauch oder einen Fruchtgenuss eingeräumt hätten. Im Zweifel sei bei Überlassung eines selbständigen Hauses ein Fruchtgenussrecht anzunehmen. Dies habe auch der Verpflichtete beim Vollzug der Fahrnisexekution am dem Vertreter der Betreibenden gegenüber bejaht.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Pfändung gemäß § 331 EO und behielt sich die Entscheidung über den Verwertungsantrag vor.

Das Rekursgericht wies in Stattgebung des Rekurses des Verpflichteten den Exekutionsantrag ab, weil aus dem mit dem Exekutionsantrag vorgelegten, der Eintragung des Wohnungsrechts im Grundbuch zugrundeliegenden Dienstbarkeitsvertrag hervorgehe, dass das betreffende Haus als gemeinsame Ehewohnung diene. Daraus folge, dass das eingeräumte Wohnungsrecht für den persönlichen Bedarf des Verpflichteten und seiner Ehegattin bestimmt sei.

Der von der zweiten Instanz - mit der Begründung, es fehle, soweit überblickbar, Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Frage eines eingeräumten Wohnungsrechts unter Ehegatten - zugelassene und nun - nach Beendigung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Verpflichteten und Aufnahme des Verfahrens (3 Ob 42/01z, 3 Ob 61/03x) - zu behandelnde Revisionsrekurs der betreibenden Gläubiger ist zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) § 478 ABGB nennt bei den persönlichen Dienstbarkeiten taxativ den Fruchtgenuss (usus fructus), den nötigen Gebrauch einer Sache (usus) und das Wohnungsrecht (habitatio). Das ABGB regelt das Wohnrecht (§ 521 ABGB) nicht als eigene Dienstbarkeit, sondern als Gebrauch (§§ 504 ff ABGB) oder Fruchtgenuss (§§ 509 ff ABGB) an Wohnräumen, je nachdem, ob sie nur zum persönlichen Bedarf (so beim Gebrauch) oder ohne diese Einschränkung, somit auch durch Überlassung an Dritte (so beim Fruchtgenuss) benützt werden dürfen. Welches dieser beiden Rechte vorliegt, ist eine Frage der Auslegung des Erwerbstitels im Einzelfall. Bei einem selbständigen Gebäude spricht aber nach der Rsp die Vermutung für Fruchtgenuss (6 Ob 139/72, MietSlg 24.036; 7 Ob 644/84, SZ 57/155 = MietSlg 36/35; 1 Ob 533/95, MietSlg 47.029, je mwN u.a., zuletzt 5 Ob 135/99k, EvBl 1999/190 = immolex 2000, 23 = NZ 2000, 155 [Hoyer]; RIS-Justiz RS0011588). Das Gebrauchsrecht kann nur von dem, mit dem Recht belasteten Liegenschaftseigentümer oder mit dessen - hier von den betreibenden Gläubigern nicht einmal behaupteten - Zustimmung auch von Dritten in Exekution gezogen werden (JBl 1957, 267 mwN; Frauenberger in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 331 Rz 24 unter Hinweis auf Heller/Berger/Stix, EO4 2335; Hofmann in Rummel3 § 521 ABGB Rz 4). Oberhammer (in Angst, EO, § 331 Rz 50) vertritt die Ansicht, auch die Exekution auf ein (nur der persönlichen Ausübung dienendes) Wohnrecht sei zu bewilligen, weil die Verwertung mit Zustimmung des Liegenschaftseigentümers möglich sei; stimme der Eigentümer dann einer Verwertung nicht zu, sei die Exekution im Verwertungsstadium wegen Vorliegens eines Verwertungshindernisses einzustellen. Der Ansicht von Oberhammer kann aber nicht beigepflichtet werden, weil die von ihm als Beleg angeführte E LGZ Graz RPflgE 1995/96 diese Rechtsansicht nicht deckt, hatte doch dort die Liegenschaftseigentümerin zugestimmt, und diese Ansicht auch den Grundsätzen des Umfangs der Prüfungspflicht bei Bewilligung der Exekution widerspricht.

Die Pfändung eines verbücherten Fruchtgenussrechts nach §§ 509 ff ABGB im Rahmen der Exekution nach §§ 331 ff EO ist jedenfalls zulässig. Würden alle bewohnbaren Teile eines Hauses ohne Einschränkung zum Fruchtgenuss überlassen, so könne der Berechtigte dieses Recht allenfalls auch durch Vermietung oder sonstige Verwertung der ihm überlassenen Räume ausüben; dass die Exekution in ein solches Recht zulässig sei, wurde in der E 3 Ob 7/66 (MietSlg 18.733) ausgesprochen. Auch dass die Ehefrau des Verpflichteten auf Grund dieser familienrechtlichen Beziehung das auf der Liegenschaft befindliche Haus benützt, steht einer Pfändung nicht entgegen (3 Ob 87/87, JBl 1988, 463; Frauenberger aaO Rz 23).

b) Im vorliegenden Fall ist die Zulässigkeit der Pfändung des Wohnrechts des Verpflichteten zu prüfen:

Die Pfändung eines bücherlich eingetragenen Fruchtgenussrechts erfolgt durch Einverleibung des Pfandrechts im Grundbuch im Rahmen der Exekution nach §§ 331 ff EO (SZ 46/17; 3 Ob 35/93, NZ 1995, 275 = RPflE 1995/74; 3 Ob 305/98v, NZ 2001, 170 = RpflE 1999/146 mwN u.a.; RIS-Justiz RS0036054, RS0004315; Frauenberger aaO Rz 23 mwN; Oberhammer aaO Rz 39). Bei Bewilligung der Pfändung ist zu prüfen, ob das Recht, dessen Pfändung beantragt wird, einer Verwertung zugänglich ist (SZ 10/136, SZ 46/17). Im Exekutionsantrag muss weder bewiesen noch bescheinigt werden, dass das gepfändete Recht verwertbar ist. Nur wenn sich schon aus dem Exekutionsantrag ergibt, dass es sich um ein nicht pfändbares Recht handelt, ist der Exekutionsantrag abzuweisen (3 Ob 41/94, JBl 1995, 123; 3 Ob 188/97m, ecolex 1997, 941; 3 Ob 28/99k, SZ 72/108 u.a.). Stellt sich erst im Laufe des Verfahrens heraus, dass eine Verwertung des gepfändeten Rechts aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, so ist das Verfahren nach § 39 Abs 1 Z 8 EO einzustellen (3 Ob 35/93, 3 Ob 28/99k u.a.). Da die §§ 330 ff EO die Exekutionsmöglichkeiten erweitern und sämtliche nicht erfassten, aber als Exekutionsobjekte in Betracht kommende Vermögensrechte des Verpflichteten erfassen sollen, ist bei der Beurteilung, ob ein Vermögensrecht diesen Bestimmungen unterfällt und gepfändet werden darf, großzügig vorzugehen und im Zweifel die Exekutionsunterworfenheit anzunehmen (Frauenberger aaO Rz 2; ähnlich auch Oberhammer aaO Rz 1).

Diese Prüfung, die hier anhand des Grundbuchs und des der Eintragung des Wohnungsrechts zugrundeliegenden, mit dem Exekutionsantrag vorgelegten "Dienstbarkeitsvertrags" - und zwar in seiner Gesamtheit, und nicht bloß in dem in der Grundbuchseintragung zitierten Pkt. II - vorzunehmen ist, ergibt entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts keineswegs eindeutig, dass hier ein bloßes Wohnungsgebrauchsrecht vorliegt. Geht doch daraus nur hervor, dass dem Verpflichteten das "unentgeltliche und lebenslängliche Wohnungsrecht gemäß § 521 ABGB im gesamten Haus ... samt Gartenbenützung" zusteht und dass er und die (damalige) Liegenschaftseigentümerin in aufrechter Ehe leben, wobei das Haus als gemeinsame Ehewohnung dient. Auf Grund dieser bei der Entscheidung über den Pfändungsantrag allein zu berücksichtigenden Tatsache kann nicht abschließend gesagt werden, dass nur ein auf den persönlichen Gebrauch des Verpflichteten beschränktes, somit nicht pfändbares Gebrauchsrecht vorliege.

c) Bei der Entscheidung über den Verwertungsantrag wird das Exekutionsgericht gemäß § 331 Abs 2 EO nach Einvernahme des Verpflichteten und aller Gläubiger, zu deren Gunsten Pfändung erfolgte, sowie des Liegenschaftseigentümers (§ 337 EO;Frauenberger aaO § 337 Rz 1 f) auf einer entsprechend erweiterten Tatsachengrundlage neuerlich zu beurteilen haben, ob die Exekutionsführung nach §§ 331 ff EO in diesem Fall zulässig ist. Falls sich danach ergibt, dass die Einwände des Verpflichteten berechtigt sind, wäre das Exekutionsverfahren auch von Amts wegen gemäß § 39 Abs 1 Z 8 EO einzustellen.

Demnach ist in Stattgebung des Rechtsmittels der betreibenden Gläubiger der erstgerichtliche Exekutionsbewilligungsbeschluss, der nur über die Pfändung absprach, wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 74 EO.