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OGH vom 12.10.1983, 3Ob594/83

OGH vom 12.10.1983, 3Ob594/83

Norm

ABGB § 961;

ABGB § 964;

ABGB § 1012;

ABGB § 1297;

Kopf

SZ 56/143

Spruch

Der Unternehmer hat das ihm zum Service übergebene Kraftfahrzeug so zu verwahren, daß Unbefugte nicht Zugang zu den Fahrzeugschlüsseln haben

(HG Wien 1 R 333/82; BGHS 10 C 4967/81)

Text

Die Klägerin übergab Ende März 1978 ihren PKW der beklagten Partei zur Durchführung eines Service. Nach Abholung des PKWs stellte sie ihn am ordnungsgemäß versperrt vor ihrem Wohnhaus ab. Von dort wurde der PKW von Ferdinand S gestohlen und der Klägerin in der Folge nicht mehr zurückgestellt. Ferdinand S hatte sich während der Zeit, als der PKW bei der beklagten Partei war, ohne kontrolliert zu werden, in das Betriebsgelände der beklagten Partei begeben, wo der PKW der Klägerin unversperrt stehen gelassen worden war; auch der Zundschlüssel steckte; im Fahrzeug lag ein schriftlicher Reparaturauftrag, der die Adresse der Klägerin enthielt. Ferdinand S zog den Schlüssel ab, verließ das Gelände unkontrolliert, ließ sich einen Ersatzschlüssel anfertigen, kehrte wiederum unbemerkt und unkontrolliert in den Werkstättenhof der beklagten Partei zurück und steckte den Originalschlüssel wieder ins Zundschloß. Beim Betriebsgelände der beklagten Partei handelte es sich um einen Hof, vor dem ein Schranken ist, der gehoben werden muß, wenn man mit einem Auto in den Hof fährt. Fußgänger konnten aber das Betriebsgelände der beklagten Partei ungehindert betreten und verlassen. Ferdinand S wartete dann einige Tage zu und führte vor dem Haus der Klägerin den Autodiebstahl mit Hilfe seines Ersatzschlüssels aus.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Partei aus dem Titel des Schadenersatzes 28 250 S sA, die Hälfte ihres durch den Diebstahl erlittenen Schadens, mit der Begründung, die beklagte Partei habe ihre Pflichten als Verwahrer verletzt und nicht hinreichend dafür gesorgt, daß sich Ferdinand S nicht in der geschilderten Weise in das Betriebsgelände begeben und dort den Schlüssel vom PKW der Klägerin vorübergehend abziehen konnte, sodaß die beklagte Partei ein 50%iges Mitverschulden zu verantworten habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß sich ein Kraftfahrzeugunternehmer gegen das Einschleichen von fremden Personen nicht 100%ig absichern könne. Daß der Autoschlüssel stecken bleibe, sei nötig, um den Reparaturauftrag sinnvollerweise durchführen zu können und den Ablauf der einzelnen Arbeitsvorgänge zu gewährleisten. Die Vorgangsweise der beklagten Partei und der Arbeitsablauf in ihrer Werkstätte entspreche dem, was in allen gleichartigen Werkstätten üblich sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Auffassung, daß der Diebstahl selbst nicht während der Verwahrungszeit stattgefunden habe und der beklagten Partei die Handlung des Ferdinand S nicht als Verschulden im Zusammenhang mit einer Vernachlässigung der mit dem Werkvertrag übernommenen Verwahrungspflicht angelastet werden könne, weil mit derartigen Vorfällen im Rahmen einer ordentlichen Verwahrung nicht zu rechnen sei.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es mit Zwischenurteil zu Recht erkannte, daß der Klagsanspruch auf Ersatz von 50% des Wertes des PKWs dem Gründe nach zu Recht bestehe. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß die beklagte Partei gemäß § 1298 ABGB nicht nachgewiesen habe, daß sie hinreichend für den Schutz des ihr übergebenen PKWs der Klägerin gesorgt habe. Zu dieser Obsorge gehöre auch deren Sicherung gegen Eingriffe Dritter. Die beklagte Partei hätte dafür sorgen müssen, daß in der Zeit, während der ihr der PKW anvertraut war, kein Dritter einen Nachschlüssel anfertigen konnte, was entweder durch sorgfältige Verwahrung des Schlüssels oder, wenn dieser zur Ausführung der Servicearbeiten am Fahrzeug bleiben muß, durch ausreichende Beaufsichtigung des Fahrzeuges verhindert werden hätte können. Auf eine allfällige gleichartige Übung aller Kfz-Werkstätten sei nicht Bedacht zu nehmen, weil die beklagte Partei die Klägerin nicht davon in Kenntnis gesetzt habe. Der beklagten Partei sei daher leichte Fahrlässigkeit anzulasten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In der Rechtsrüge macht die beklagte Partei geltend, daß eine Überprüfung der Personen, die das Werksgelände der beklagten Partei betreten, nicht möglich sei. Das Steckenlassen des Startschlüssels und das Belassen des Reparaturauftrages im Wagen seien für die Ausübung der Arbeiten unentbehrlich. Im Hinblick auf den Umstand, daß sich bei der beklagten Partei ein derartiger Vorfall erstmals ereignet habe und mangels getroffener Feststellung nicht von einer gegenteiligen Übung des redlichen Verkehrs ausgegangen werden könne, könne der beklagten Partei kein Verschulden angelastet werden.

Daß die beklagte Partei im Rahmen der mit dem Werkvertrag übernommenen Nebenpflicht verpflichtet war, den PKW der Klägerin zu verwahren, also gemäß § 957 ABGB in ihre Obsorge zu übernehmen, wird von der beklagten Partei nicht bezweifelt. Obsorge iS des § 957 ABGB ist nicht nur die rein passive Verwahrung, sondern der Verwahrer ist auch zu allen positiven Handlungen verpflichtet, die zur Erhaltung der Sache bzw. Verhinderung ihrer Verschlechterung erforderlich sind (Schubert in Rummel, ABGB, Rdz. 2 zu § 957 ua.). Von der beklagten Partei wird auch nicht mehr die zutreffende Auffassung des Berufungsgerichtes in Zweifel gezogen, daß es in diesem Sinne eine Verletzung der übernommenen Obsorgepflicht darstellen würde, wenn der eigentliche Diebstahl des PKWs zwar nicht während der Verwahrdauer selbst geschah, aber wegen des Verhaltens der beklagten Partei im Zusammenhang mit der übernommenen Obsorge ermöglicht wurde. Es kann auch nicht gesagt werden, daß die Art der Entstehung des Schadens der klagenden Partei iS der Lehre von adäquatem Kausalzusammenhang so atypisch war, daß die von der beklagten Partei gesetzte Ursache ihrer allgemeinen Natur nach für die Herbeiführung des späteren Erfolges als völlig ungeeignet erscheinen muß und nur infolge einer ganz außergewöhnlichen Verkettung von Umständen zu einer Bedingung des Schadens wurde (Koziol - Welser[6], I 336; JBl. 1977, 599 ua.), wie dies in der Rechtsansicht des Erstgerichtes anklingt.

Zu untersuchen bleibt das Maß an Sorgfalt, das die beklagte Partei als Verwahrer anzuwenden hatte, wobei gemäß § 1298 ABGB die beklagte Partei beweisen muß, daß sie an der Erfüllung ihrer Obsorgepflicht ohne ihr Verschulden verhindert war (SZ 43/83; EvBl. 1976/21 ua.), und dabei gemäß § 1313a ABGB auch für jedes Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen einzustehen hat (vgl. MietSlg. 20.204). Das Ausmaß der Sorgfaltspflicht des Unternehmers, der ein Fahrzeug zur Reparatur übernimmt, bestimmt sich nach den §§ 1297 bis 1299 ABGB (Gschnitzer in Klang[2], IV/1, 648; Schubert in Rummel, ABGB, Rdz. 2 zu § 964 und die dort - allerdings in anderem Zusammenhang - zitierte Entscheidung 3 Ob 221/75; EvBl. 1974/160).

Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß der beklagten Partei der Beweis der Schuldlosigkeit in diesem Sinne nicht gelungen ist. Es ist durchaus möglich, den Betrieb einer Kraftfahrzeugwerkstätte so gut zu organisieren, daß ein zum Service übergebener PKW während der Zeit, da er vom Kunden dem Unternehmer überlassen wird, so verwahrt wird, daß unbefugte Dritte zum Fahrzeugschlüssel und zu den Kfz-Papieren keinen Zutritt haben. Solange eigentliche Arbeiten ausgeführt werden und zu diesem Zweck der Wagen unversperrt sein muß, kann sich der jeweilige Monteur in unmittelbarer Nähe des Fahrzeuges aufhalten und dadurch den Zutritt eines Unbefugten verhindern. Für Zeiten, während welcher die eigentlichen Arbeiten noch nicht in Angriff genommen wurden oder der Monteur sich vom Fahrzeug wieder entfernt hat, sei es, daß er längere Zeit nicht mehr daran zu arbeiten hat oder daß weitere Arbeiten durch einen anderen Dienstnehmer des Unternehmens zu erledigen sind oder daß die Arbeiten überhaupt beendet sind, können die Autoschlüssel und Dokumente nach Abschließen des Fahrzeuges in einem an geeigneter sicherer Stelle verwahrten Säckchen oder dgl. aufbewahrt werden. Eine solche Vorgangsweise ist ohne weiteres zumutbar und stellt bei entsprechend vernünftiger Betriebsorganisation keine ungebührliche Erschwerung der einzelnen Arbeitsvorgänge dar. Es spielt also keine Rolle, ob der spätere Dieb sich den Schlüssel zu einer Zeit beschaffte, während der am Fahrzeug gearbeitet wurde, oder ob er dies tat, während das Fahrzeug zwischendurch "abgestellt" war. Eine allenfalls bestehende Übung vieler Werkstätten, in diesem Punkte eher nachlässig zu sein, könnte die Verletzung der Sorgfaltspflicht nicht aufheben. Die beklagte Partei würde auch nicht dadurch entlastet, daß sich bei ihr bisher noch nie ein derartiger Schadensfall ereignet hat. Darauf, daß die Klägerin gewußt hat, daß die beklagte Partei hier unsachgemäß vorzugehen pflege, hat sich die beklagte Partei in erster Instanz nicht berufen. Einem eventuell gegebenen Eigenverschulden der Klägerin wurde aber ohnedies dadurch Rechnung getragen, daß in der Klage nur ein 50%iges Mitverschulden der beklagten Partei geltend gemacht und nur die Hälfte des Schadens begehrt wird.