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OGH vom 23.05.2017, 5Ob73/17x

OGH vom 23.05.2017, 5Ob73/17x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am geborenen mj G***** R*****, der am geborenen mj S***** R*****, beide ***** und der am geborenen mj Sa***** R*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter Anjuman Gujan R*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Langeder, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 70/17p-319, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 83 Ps 16/13t-307, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

1. Die Mutter meint, es liege keine höchstgerichtliche Judikatur zur verfahrensrechtlichen Frage vor, ob die Anhörung eines Minderjährigen, „die ab einem gewissen Alter zu erfolgen, bei Vorliegen gewisser Gründe jedoch zu unterbleiben habe“, nur die Anhörung durch das Gericht oder auch anlässlich der Befundaufnahme durch die Sachverständige umfasse. Dies sei entscheidungsrelevant, weil die Vorinstanzen die Rüge der Mutter, eine „Befragung der mj S*****“ zu dieser Frage habe die Sachverständige unterlassen, als rechtswidrig abgetan hätten.

Rechtliche Beurteilung

Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG stellt die Mutter mit diesen Ausführungen nicht dar.

2.1. Grundsätzlich kann ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz keinen Revisionsrekursgrund bilden (RISJustiz RS0050037; RS0030748), sofern die Durchbrechung dieses Grundsatzes nicht aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist. Im Regelfall ist die diesen Grundsatz einschränkende Voraussetzung in Obsorge und Kontaktrechtsverfahren von Bedeutung (RISJustiz RS0030748 [T2, T 4, T 5, T 6]; RS0050037 [T1, T 4, T 5, T 8]). Ob von jenem Grundsatz hier aus Gründen des Kindeswohls abzugehen ist, bedarf keiner näheren Erörterung, weil schon nach den Ausführungen im Revisionsrekurs kein relevanter Verfahrensmangel vorliegen kann:

2.2. Gemäß § 105 Abs 1 AußStrG hat das Gericht Minderjährige im Verfahren über Pflege und Erziehung oder die persönlichen Kontakte persönlich zu hören. Der Minderjährige kann auch durch den Jugendwohlfahrtsträger, die Familiengerichtshilfe, durch Einrichtungen der Jugendgerichtshilfe oder in anderer geeigneter Weise, etwa durch Sachverständige, gehört werden, wenn er das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wenn dies seine Entwicklung oder sein Gesundheitszustand erfordert oder wenn sonst eine Äußerung der ernsthaften und unbeeinflussten Meinung des Minderjährigen nicht zu erwarten ist. Die Befragung hat gemäß § 105 Abs 2 AußStrG zu unterbleiben, soweit durch sie oder durch einen damit verbundenen Aufschub der Verfügung das Wohl des Minderjährigen gefährdet wäre oder im Hinblick auf die Verständnisfähigkeit des Minderjährigen offenbar eine überlegte Äußerung zum Verfahrensgegenstand nicht zu erwarten ist. Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 105 Abs 1 AußStrG ist die hier von der Mutter als erheblich angesehene Rechtsfrage dahin zu beantworten, dass jedenfalls Minderjährige, die das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, auch durch Sachverständige gehört werden können. Die 2008 geborene mj S*****, deren angeblich unzureichende Anhörung Gegenstand des Zulassungsantrags bildet, fällt jedenfalls unter den Personenkreis, der auch durch Sachverständige gehört werden kann.

2.3. Eine Anhörung aller drei Minderjährigen durch die gerichtlich bestellte Sachverständige Mag. Barbara KhaliliLanger iSd § 105 Abs 1 AußStrG ist hier jedenfalls erfolgt. Die Sachverständige (Gutachten ON 285 S 5) hat die Fragestellung des Gerichts auch im Sinn einer Erforschung des kindlichen Willens in Bezug auf ihren künftigen Lebensmittelpunkt und die Kontaktgestaltung zur Mutter bzw Vater verstanden, hat alle drei Kinder ausführlich befragt (siehe Gutachten ON 285 S 65 ff) und im Rahmen dieser Gespräche kamen sowohl der Gerichtskonflikt der Eltern als auch die Wünsche und Vorstellungen der Kinder für die Zukunft zur Sprache (ON 285 S 70, S 75 f und S 80 f). Die Auffassung der Vorinstanzen, dies sei eine ausreichende Anhörung der mj S***** und mj Sa***** iSd § 105 Abs 1 AußStrG ist jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Die Beurteilung der Vorinstanzen, das Erstgericht sei iSd § 105 Abs 2 AußStrG berechtigt gewesen, von einer neuerlichen Befragung der mj G***** Abstand zu nehmen, weil einerseits die zum Ausdruck gebrachten Wünsche von der Sachverständigen bereits erhoben worden waren und andererseits dadurch die Gefahr einer Verstärkung des ohnedies bereits bestehend schweren Loyalitätskonflikts bestehe, zieht die Mutter im Revisionsrekurs nicht in Zweifel.

3. Das Rekursgericht hat zutreffend auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach die bloße Verweisung des Rekurswerbers in seinem Rechtsmittel auf seine Ausführungen in einem Schriftsatz den Rekurs unzulässig mache, weil jede Rechtsmittelschrift einen in sich geschlossenen selbständigen Schriftsatz darstellt und nicht durch die Bezugnahme auf den Inhalt anderer in derselben oder einer anderen Sache erstatteten Schriftsätze ersetzt oder ergänzt werden kann (RISJustiz RS0007029). Der beim Zitat offensichtlich unterlaufene Schreibfehler kann keine erhebliche Rechtsfrage begründen.

4. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedarf (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00073.17X.0523.000

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