OGH vom 27.04.2017, 2Ob99/16x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M***** S*****, Rechtsanwältin, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei C***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch Wess Kispert Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 118.028,88 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionen der Parteien und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 61/15b-37, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 34 Cg 29/14t32, infolge Berufungen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Der wird teilweise, jenen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin wird zur Gänze gegeben.
A. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden , soweit
(a) die Beklagte zur Zahlung von 59.014,44 EUR samt 4 % Zinsen seit Zug um Zug gegen das Angebot der Abtretung der Hälfte der Rechte an den nachstehend genannten Beteiligungen verpflichtet wurde,
(b) das Begehren auf Feststellung, dass die Beklagte der Klägerin für die künftigen Schäden hafte, die aus der am eingegangenen Beteiligung an der Fünfzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH Co KG, der am eingegangenen Beteiligung an der „Mahler Star“ Schifffahrtsgesellschaft m.b.H. Co KG, der am eingegangenen Beteiligung an der Sechsundfünfzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH Co KG, der am eingegangenen Beteiligung an der MPC Rendite-Fonds Leben plus V GmbH Co KG, der am eingegangenen Beteiligung an der MPC Rendite-Fonds Leben spezial plus III GmbH Co KG sowie der am eingegangenen Beteiligung an der Erste Schifffahrtsgesellschaft „Merkur Sky“ m.b.H. Co KG entstehen, in einem die Hälfte dieser Schäden übersteigenden Ausmaß abgewiesen wurde.
Insofern wird die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht .
Die Entscheidung über die auf diesen Teil des Streitgegenstands entfallenden Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
B. Im Übrigen wird die angefochtene Entscheidung und dahin , dass sie als lautet:
„Die Begehren,
(a) die Beklagte sei schuldig, der Klägerin 59.214,44 EUR samt 4 % Zinsen seit sowie weitere gestaffelte Zinsen zu bezahlen, dies Zug um Zug gegen Abtretung der Hälfte der Rechte an den nachstehend genannten Beteiligungen,
(b) es werde festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin für mehr als die Hälfte aller künftigen Schäden hafte, die die aus der am eingegangenen Beteiligung an der Fünfzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH Co KG, der am eingegangenen Beteiligung an der 'Mahler Star' Schifffahrtsgesellschaft m.b.H. Co KG, der am eingegangenen Beteiligung an der Sechsundfünfzigste Sachwert Rendite-Fonds Holland GmbH Co KG, der am eingegangenen Beteiligung an der MPC Rendite- Fonds Leben plus V GmbH Co KG, der am eingegangenen Beteiligung an der MPC Rendite-Fonds Leben spezial plus III GmbH Co KG sowie der am eingegangenen Beteiligung an der Erste Schifffahrtsgesellschaft 'Merkur Sky' m.b.H. Co KG entstehen,
werden abgewiesen.“
Die Entscheidung über die auf diesen Teil des Streitgegenstands entfallenden Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen wird dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Rechtsanwältin und wird häufig als Insolvenzverwalterin bestellt. Sie zeichnete von 2004 bis 2006 auf Empfehlung eines Mitarbeiters der beklagten Bank unter Zwischenschaltung eines Treuhänders Kommanditbeteiligungen an mehreren deutschen Kommanditgesellschaften („Holland-Fonds“). Der Berater hatte sie auf „prognostizierte Ausschüttungen“ von 7,25 % bis 9 % hingewiesen und weiters erläutert, dass nach zehn Jahren eine „Abschichtung“ (Kapitalauszahlung) möglich sei.
Die Klägerin traf ihre Entscheidung aufgrund der Beratung durch den Mitarbeiter der Beklagten. Dabei unterfertigte sie „produktspezifische Anlegerprofile“, die unter anderem auf eine Pflicht zur Rückzahlung von Ausschüttungen hinwiesen, wenn dadurch das Kapitalkonto negativ würde; sie las diese Hinweise aber nicht durch. Sie wusste daher nicht, dass sie Ausschüttungen unter Umständen zurückzahlen musste. Der Berater wies sie nicht auf dieses Risiko hin. Hätte sie davon gewusst, hätte sie die Beteiligungen nicht erworben.
Die Klägerin verhandelte mit dem Berater über die Höhe des der Beklagten zufließenden Ausgabeaufschlags (Agio) und vereinbarte mit ihm eine Reduktion von 5 % auf 3,5 %. Die Beklagte hatte mit der Nebenintervenientin eine Vertriebsvereinbarung und erhielt von dieser bei Verkauf von Beteiligungen Provisionen zwischen 3 % und 4,5 %. Der Berater informierte die Klägerin darüber nicht. Hätte sie davon gewusst, hätte sie die Beteiligungen nicht erworben.
Im Übrigen konnten die Vorinstanzen den Inhalt der Beratungsgespräche nicht feststellen. Insbesondere konnten sie nicht feststellen, ob der Berater die Klägerin auf die Höhe der Vertriebskosten („Weichkosten“) hingewiesen habe.
Die Klägerin erhielt in weiterer Folge „Liquididätsausschüttungen“, die nicht durch einen Gewinn der Gesellschaften gedeckt waren. Daher ist sie aus gesellschaftsrechtlichen Gründen unter Umständen zur Rückzahlung verpflichtet.
Die Klägerin erhielt ab dem Erwerb der Beteiligungen Berichte über deren Entwicklung. Darin wurde regelmäßig darauf hingewiesen, dass es sich bei den „Liquididätsausschüttungen“ nicht um eine Kapitalverzinsung handle; die Ausschüttungen seien keine Gewinne und daher „steuerneutral“. In mehreren Schreiben, unter anderem im Februar 2009, wurde die Klägerin darüber informiert, dass die Ausschüttungen zur Stärkung der „Liquiditätsreserve“ der Fondsgesellschaften reduziert werden müssten. Von den der Beklagten zugeflossenen Provisionen erfuhr die Klägerin erst 2012.
Hätte die Klägerin die Unternehmensbeteiligungen nicht erworben, so hätte sie in von der Beklagten vorgeschlagene Alternativen veranlagt, etwa in einen Immobilienfonds.
Die begehrt mit der am eingebrachten Klage nach Einschränkung (ON 28)
(a) Zahlung von 118.028,88 EUR samt 4 % Zinsen jeweils ab Veranlagung (gestaffelt nach Maßgabe der Ausschüttungen), dies Zug um Zug gegen das Angebot auf Abtretung ihrer sämtlichen Rechte aus den Beteiligungen sowie
(b) die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden, die aus dem Erwerb der Beteiligungen entstehen.
Bei der Klagssumme handelt es sich um die investierten Beträge abzüglich der bereits erfolgten Ausschüttungen; als Rechtsgrund nennt die Klägerin Schadenersatz wegen mangelhafter Beratung. Beratungsmängel bezögen sich einerseits auf das Produkt selbst: Der Berater habe sie nicht auf die hohen Vertriebskosten, das Totalverlustrisiko, die Ausschüttung trotz fehlender Gewinne und die damit unter Umständen verbundene Rückzahlungspflicht hingewiesen. Andererseits habe der Berater die „Innenprovisionen“ verschwiegen, die die Beklagte von der Nebenintervenientin erhalten habe. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie die Beteiligungen nicht erworben, sondern in Sparbücher oder andere sichere Papiere veranlagt. Dabei hätte sie einen Ertrag von zumindest 3 % erzielt, geltend gemacht würden die „gesetzlichen“ Zinsen.
Die wendet ein, dass die Klägerin als erfahrene Anlegerin auf jede Beratung verzichtet habe. Unabhängig davon habe der Berater die Klägerin korrekt über die Risiken der Fonds aufgeklärt. Zu einem Hinweis auf die Provisionen sei er nicht verpflichtet gewesen; allfällige Schäden stünden nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der insofern unterbliebenen Aufklärung. Die Klägerin hätte auch bei einer Alternativveranlagung Verluste erlitten, sie habe das Marktrisiko zu tragen. Allfällige Ansprüche seien verjährt. Naturalrestitution sei unmöglich, weil die Klägerin die Beteiligungen nur mit Zustimmung der anderen Gesellschafter übertragen könne. Die Klägerin treffe ein Mitverschulden.
Die schloss sich im Wesentlichen dem Vorbringen der Beklagten an.
Das gab dem Klagebegehren statt, wobei es – in den Berufungen ungerügt – mit einem Zuspruch von 118.328,44 EUR über das Begehren hinausging. Es nahm im Rahmen der Feststellungen an, dass eine Alternativveranlagung in anderen vom Berater vorgeschlagenen Produkten „wahrscheinlich“ das Kapital erhalten hätte; ob die Klägerin dabei Gewinne erzielt hätte, könne nicht festgestellt werden. Rechtlich folgerte das Erstgericht, der Berater hätte sowohl auf das Rückzahlungsrisiko als auch auf die Provisionen hinweisen müssen. Für den Nachweis der Alternativveranlagung genüge „überwiegende Wahrscheinlichkeit“. Verjährung sei nicht eingetreten, weil die Klägerin erst 2012 von den drohenden Rückzahlungen erfahren habe.
Das bestätigte die Entscheidung über das Begehren auf Zahlung des Kapitalbetrags samt Zinsen ab Klagezustellung; das Zinsenmehrbegehren und das Feststellungsbegehren wies es ab. Die ordentliche Revision ließ es mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zu.
Der Anspruch aufgrund allfälliger Fehlberatung über das Produkt selbst sei verjährt, weil die Beklagte ab 2004 Berichte erhalten habe, aus denen sich zumindest für sie als Juristin ergeben habe, dass eine Rückzahlungspflicht bestehen könnte. Damit habe sie eine Nachforschungspflicht getroffen, weswegen der auf diesen Beratungsfehler gestützte Anspruch verjährt sei. Hingegen habe sie erst 2012 von den Provisionen erfahren. Nach der verjährungsrechtlichen Trennungsthese (3 Ob 112/15i) sei die Verjährung insofern gesondert zu beurteilen. Da keine Nachforschungspflicht bestanden habe, sei der auf die unterbliebene Aufklärung über die Provision gestützte Anspruch nicht verjährt. Insofern habe eine Aufklärungspflicht bestanden (6 Ob 110/07f), deren Verletzung Schadenersatzansprüche begründe. Hinsichtlich der Entwicklung einer Alternativveranlagung sei aufgrund des Gesamtzusammenhangs anzunehmen, dass das Erstgericht ohnehin vom Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgegangen sei. Die Naturalrestitution sei möglich, weil Zug um Zug nur die Rechte aus dem „Treuhandvertrag“ übertragen werden müssten. Ein Mitverschulden sei nicht vorgelegen, weil die Klägerin auf die mündliche Beratung habe vertrauen dürfen. Auf dieser Grundlage sei der Ausspruch über das Leistungsbegehren im Grunde zu bestätigen. Zinsen gebührten aber erst ab Zustellung der Klage. Das Feststellungsbegehren sei abzuweisen, weil sich für die Klägerin zukünftige Schäden nur aus der allfälligen Pflicht zur Rückzahlung von Ausschüttungen ergeben könnten. Dies beziehe sich nur auf den Beratungsfehler „Ausschüttungsschwindel“. Dieser Anspruchsgrund sei jedoch verjährt.
Gegen diese Entscheidung richten sich der , der und der .
Die bekämpft den abweisenden Teil der Entscheidung. Das Feststellungsbegehren sei auch dann gerechtfertigt, wenn die Beklagte nur wegen des Verschweigens der Innenprovisionen hafte. Der Anspruch wegen der unterbliebenen Beratung über den „Ausschüttungsschwindel“ sei nicht verjährt, weil die Klägerin die ihr zugegangenen Informationen nicht lesen habe müssen. Das Zinsenbegehren sei berechtigt, weil bei der Alternativveranlagung nach § 273 ZPO 4 % Rendite anzunehmen gewesen seien; jedenfalls stünden gesetzliche Zinsen aufgrund objektiver Schadensberechnung zu.
Die und die streben die vollständige Abweisung der Klage an. Beide vertreten die Auffassung, dass in Bezug auf die Innenprovisionen keine Informationspflicht bestanden habe; jedenfalls habe die Beklagte eine solche Pflicht nicht schuldhaft verletzt, und diesbezügliche Ansprüche seien verjährt („Einheitsthese“). Die stützt sich weiters darauf, dass die Klägerin keinen Schaden erlitten und auf Beratung und Information verzichtet habe; die Beklagte sei daher nicht zur Aufklärung verpflichtet gewesen. Zudem fehlten ausreichende Feststellungen zur Alternativveranlagung, es fehle der Rechtswidrigkeitszusammenhang, und die Klägerin treffe ein Mitverschulden.
In den ihnen freigestellten beantragen die Beteiligten, die Revision(en) der Gegenseite zurückzuweisen, hilfsweise ihr (ihnen) nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die sind , weil die Haftung einer beratenden Bank wegen des Verschweigens von ihr von dritter Seite zufließenden Innenprovisionen einer Klarstellung bedarf. Die Revisionen der und der sind, teilweise im Sinn der Aufhebungsbegehren, , jene der ist insofern teilweise .
A. Zur Revision der Beklagten und der Nebenintervenientin:
1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Schadenersatzanspruch könne nicht auf die gestützt werden, trifft zu. Dabei kann offen bleiben, ob und in welchem Ausmaß im konkreten Fall Beratungspflichten bestanden.
1.1. Es steht fest, dass der Berater die Klägerin nicht über die Gefahr informierte, dass sie unter Umständen müsse. Ein darauf gegründeter Schadenersatzanspruch ist allerdings .
(a) Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt nach dem Wortlaut des Gesetzes mit Kenntnis von Schaden und Schädiger. Kennenmüssen reicht daher grundsätzlich nicht aus (RISJustiz RS0034366 [T3, T 6]). In gewissem Umfang wird aber dann eine Erkundigungsobliegenheit angenommen (RISJustiz RS0034686 [T12]), wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann (RISJustiz RS0034524 [T21]; RS0034366 [T20]). Diese Erkundigungspflicht darf nicht überspannt werden (2 Ob 41/13p; RISJustiz RS0034327). Sie setzt regelmäßig deutliche Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt voraus. Es braucht konkrete Verdachtsmomente, aus denen der Anspruchsberechtigte schließen kann, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten wurden (RISJustiz RS0034327 [T21]).
(b) Nach der Rechtsprechung (8 Ob 135/10a, ecolex 2012, 480 [Wilhelm]; ebenso [wenngleich jeweils obiter] 2 Ob 41/13p, ÖBA 2014, 755 [Madl] und 3 Ob 112/15i, ÖBA 2016, 207 [Klausberger/Lenz]) kann sich der Anleger nicht darauf berufen, dass er ihm übersandte Mitteilungen, aus denen sich weitere Erkundungsobliegenheiten ergeben, nicht gelesen habe. Maßgebend ist danach der solcher Mitteilungen (3 Ob 112/15i), nicht deren konkrete . Anderes gilt allerdings in Bezug auf übersandte Geschäftsberichte, wenn der Anleger keinen Grund zu Misstrauen gegenüber dem Berater und zu Nachforschungen hatte (10 Ob 39/11z, ZFR 2012, 85 [Bayer] = ÖBA 2013, 278 [Madl 282]).
(c) An dieser Rechtsprechung ist trotz der im Schrifttum geübten Kritik (Leitner, Schadenersatzverjährung: Kann aus dem Gesetz eine Nachforschungsobliegenheit abgeleitet werden? ÖJZ 2016, 581) festzuhalten: Anleger, die ihnen übermittelte Unterlagen ignorieren und damit jede Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten vermissen lassen, können nicht besser gestellt sein als solche, die diese Unterlagen lesen (Schopper,Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten und kurze Verjährung nach § 1489 S 1 ABGB, ÖBA 2014, 246 [247]; ebenso im Ergebnis für Depotauszüge P. Bydlinski, Beginn und Lauf der Verjährung nach fehlerhafter Anlageberatung, FS Reischauer [2010] 77 [88]). Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich dabei nicht um umfangreiche Geschäftsberichte handelte, zu deren genauer Lektüre ein Anleger aufgrund der Umstände des Einzelfalls bei Fehlen von Anhaltspunkten für eine Fehlberatung keinen Anlass hatte (10 Ob 39/11z).
(d) Im vorliegenden Fall musste die Klägerin als erfahrene Rechtsanwältin und Insolvenzverwalterin wissen, dass sie Kommanditbeteiligungen erwarb; dies ergibt sich insbesondere aus der weiteren Feststellung des Erstgerichts, dass sie fallweise an der Abstimmung über Änderung der „Gesellschaftsverträge“ teilnahm. Damit kann sie nicht mit einem „Sparbuchsparer“ verglichen werden, dem ein Berater trotz riskanter Veranlagung eine sichere Verzinsung versprochen hatte und der in diesem Fall tatsächlich ohne Vorliegen weiterer Indizien für eine Fehlberatung keine Veranlassung hätte, umfangreiche Geschäftsberichte zu studieren (10 Ob 39/11z). Vielmehr musste sich die Klägerin zumindest ab jenem Zeitpunkt, als die Ausschüttungen hinter den Prognosen zurückblieben (also jedenfalls ab Februar 2009), schon im eigenen Interesse die Frage nach der Entwicklung ihrer Beteiligungen stellen und zu diesem Zweck die ihr übersandten Berichte lesen. Darin wurde aber regelmäßig darauf hingewiesen, dass es sich bei den „Liquididätsausschüttungen“ um eine Kapitalverzinsung handle, sondern dass die Ausschüttungen Gewinne und daher „steuerneutral“ seien. Daraus musste die Klägerin aber aufgrund ihrer zweifellos vorhandenen Gesellschaftsrechtskenntnisse zwingend ableiten, dass sie nicht nur – was einer Kommanditbeteiligung inhärent ist – das Risiko des Totalverlusts ihrer Einlage trug, sondern dass sie unter Umständen auch zur Rückzahlung von Ausschüttungen verpflichtet sein könnte, wenn diese zu Lasten ihres Kapitalkontos erfolgten.
(e) Damit begann die dreijährige Verjährungsfrist in Bezug auf den „Ausschüttungsschwindel“ spätestens im März 2009. Insofern bestehende Ansprüche waren daher bei Einbringung der Klage 2014 bereits verjährt. Es kann daher offen bleiben, ob der Berater eine offenkundig rechtlich und wirtschaftlich versierte Anlegerin, die Anlegerprofile mit auf die allfällige Rückzahlungspflicht unterschrieb, tatsächlich nochmals auf diesen Umstand hinweisen musste.
1.2. In Bezug auf (allenfalls) überhöhte („Weichkosten“) steht keine Fehlberatung fest.
(a) Den Anlageberater trifft eine Sorgfaltsverbindlichkeit. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung hat in diesem Fall der das Vorliegen einer Pflichtverletzung zu beweisen; § 1298 ABGB ist insofern nicht anwendbar (8 Ob 700/89, JBl 1990, 732; 1 Ob 87/99x, RIS-Justiz RS0026458 [T1, T 4], jeweils zur Anwaltshaftung; 1 Ob 115/11k, ÖBA 2012, 183; 3 Ob 225/11a, JBl 2012, 522; 10 Ob 46/13g, ÖBA 2015, 132 [Zahradnik/Schöller], jeweils zur Anlageberatung iwS; vgl auch RIS-Justiz RS0026209 zur Haftung wegen ärztlicher Kunstfehler; zur Beraterhaftung G. Kodek in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02§ 1298 Rz 35; Schauer, Beraterhaftung, in Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht [Hrsg], Haftung im Wirtschaftsrecht [2013] 251 [268]; Völkl/Völkl, Beraterhaftung2 [2014] Rz 2/22 f; Wagner in G. Kodek/Schwimann4 § 1298 Rz 7).
(b) Der Geschädigte hat daher zu beweisen, dass sich der Schädiger in der konkreten Lage nur in bestimmter Weise rechtmäßig verhalten hätte, sich aber tatsächlich anders verhalten hat (RIS-Justiz RS0026338); die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB greift erst Platz, wenn der Geschädigte zunächst beweist, dass der Schädiger objektiv seine Pflicht nicht erfüllt hat (RIS-Justiz RS0026290 [T1]). Gründe für ein Abgehen von dieser Rechtsprechung – etwa im Sinn der Ausführungen von A. Reich-Rohrwig (Aufklärungspflichten vor Vertragsabschluss [2015] 790 ff), der allerdings den Meinungsstand im Schrifttum unzutreffend wiedergibt (FN 3492) – zeigen die Rechtsmittelschriften nicht auf. Eine weitere Auseinandersetzung mit dieser Frage kann daher unterbleiben.
(c) Das Erstgericht konnte – abgesehen von der unterbliebenen Aufklärung über die Rückzahlungspflicht und die Innenprovision - den Inhalt der Beratungsgespräche nicht feststellen. Damit ist nicht erwiesen, dass der Berater die Klägerin nicht über die Finanzierungs- und Weichkosten aufgeklärt hätte. Es kann daher offen bleiben, ob eine solche Information im konkreten Fall erforderlich war (vgl dazu zuletzt 3 Ob 190/16m mwN) und ob insofern allenfalls bestehende Ansprüche nach der „Trennungsthese“ (dazu näher unten 2.6.d) unabhängig von jenen aufgrund des „Ausschüttungsschwindels“ verjährten.
2. Ob die einen Schadenersatzanspruch begründet, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden.
2.1. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass der Berater die Klägerin über die der Beklagten zufließenden „Innenprovisionen“ musste, trifft zu.
(a) Der 6. Senat des Obersten Gerichtshofs hat eine solche Aufklärungspflicht für „Kick-back-Provisonen“, die ein Vermögensverwalter von der Depotbank erhält, bejaht (6 Ob 110/07f, ZFR 2008, 64 [Knobl/Janovsky] = ÖBA 2008, 505 [Koch 475]). Auch in jenem Verfahren war – wie hier – § 39 Abs 3 Z 2 WAG 2007 noch nicht anwendbar, wonach solche Vorteile einem Wertpapierdienstleister nur dann gewährt werden dürfen, wenn der Anleger insofern aufgeklärt wurde. Statt dessen galten die allgemeinen Bestimmungen des § 13 Z 2 und 4 WAG 1996, wonach der Wertpapierdienstleister verpflichtet war,
-sich bei der Erbringung der Dienstleistung um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen und dafür zu sorgen, dass bei unvermeidbaren Interessenkonflikten der Kundenauftrag unter der gebotenen Wahrung des Kundeninteresses ausgeführt wurde (Z 2)
-dem Kunden alle zweckdienlichen Informationen mitzuteilen, soweit dies zur Wahrung der Interessen des Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich war (Z 4).
Der 6. Senat leitete daraus die Verpflichtung ab, dem Kunden Kick-back-Vereinbarungen (Retrozessionen) offenzulegen. Denn durch solche Vereinbarungen entstehe ein Anreiz für den Wertpapierdienstleister, sowohl bei der Auswahl der Bankverbindung als auch hinsichtlich der Anzahl und des Umfangs der für den Kunden über die Bank abzuwickelnden Geschäfte nicht allein das Interesse des Kunden, sondern auch das eigene Interesse an möglichst umfangreichen Vergütungen zu berücksichtigen. Dies könne insbesondere bei der Vermögensverwaltung zu einer Vermehrung der Transaktionen und damit zu einer Preistreiberei führen. In der Entscheidung 6 Ob 193/15y (ÖBA 2016, 289) übernahm der 6. Senat diese Auffassung für die bloße Vermögensberatung. Im konkreten Fall hatte das allerdings keine Folgen, weil die Nichtoffenlegung – anders als hier – nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht kausal für die Veranlagung war.
(b) Die Übernahme der zur Vermögensverwaltung entwickelten Rechtsprechung für die bloße Anlageberatung (Vermittlung) durch Banken wurde von Koch (Von Rücktritten und Retrozessionen. Zugleich eine Besprechung der Entscheidung des OGH 6 Ob 110/07f, ÖBA 2008, 475 [481 f]) abgelehnt, weil der Kunde damit rechnen müsse, dass die Bank „hauseigene Produkte“ verkaufe und dabei, wenn sie nicht selbst Emittent sei, als Agent des Emittenten handle, und weil sie ohnehin verpflichtet sei, das für den Kunden am besten geeignete Produkt ihres Portfolios auszuwählen. Es sei daher nicht ersichtlich, welchen Mehrwert die „Detailinformation“ über die vom Emittenten bezahlten Entgelte für den Kunden haben sollte.
(c) Diese Ansicht mag für Fälle zutreffen, in denen der Kunde tatsächlich damit rechnen muss, dass der Berater Provisionen vom Emittenten oder – wie hier – von dessen Vertriebspartner erhält. Das wird (jedenfalls für die Zeit vor Inkrafttreten des WAG 2007) dann anzunehmen sein, wenn die Beratung für den Kunden unentgeltlich erfolgt. Denn dann liegt auch für ihn auf der Hand, dass eben der Emittent oder dessen Vertriebspartner den Berater entlohnt. Anderes gilt jedoch dann, wenn der Kunde selbst ein Entgelt für die Beratung und Vermittlung der Anlage leistet. In diesem Fall muss er nicht annehmen, dass der Wertpapierdienstleister bei Auswahl bestimmter Produkte zusätzlich Vergütungen von anderer Seite erhält und dadurch – wie auch im Fall einer Vermögensverwaltung (6 Ob 110/07f) – die Gefahr entsteht, dass der Dienstleister nicht ausschließlich in seinem Interesse tätig wird.
(d) Ein solcher Fall liegt hier zweifellos vor. Die Klägerin leistete der Beklagten mit dem Ausgabeaufschlag (Agio) ein – noch dazu im Einzelfall ausgehandeltes – Entgelt für die Vermittlung der Anlage und die damit zusammenhängende Beratung. Daher durfte sie darauf vertrauen, dass die Beklagte nicht zusätzlich auch noch vom Emittenten oder dessen Vertriebspartner eine Provision erhielt. Unter diesen Umständen war die Beklagte verpflichtet, auf die einen möglichen Interessenkonflikt herbeiführenden Provisionen hinzuweisen. Insofern ist auch ein Verschulden des Beraters zu bejahen, weil er nicht damit rechnen durfte, dass der Klägerin die (zusätzlichen) Innenprovisionen bewusst waren. Die weitergehende Frage, ob und unter welchen Umständen vor Inkrafttreten des WAG 2007 auch eine Pflicht zur Information über solche Provisionen bestand (vgl dazu BGH, XI ZR 147/12, BGHZ 201, 310), kann damit offen bleiben.
2.2. Die hat einen der Klägerin .
Bei einer fehlerhaften Anlageberatung tritt der (reale) Schaden des Anlegers bereits durch den Erwerb der nicht gewünschten Vermögenswerte ein (8 Ob 66/14k, SZ 2014/70 = EvBl 2015/25 [Leupold], RIS-Justiz RS0129706; zuletzt etwa 3 Ob 112/15i, ÖBA 2016, 207 [Klausberger/Lenz], und 1 Ob 118/16h, ÖBA 2017, 196). Im konkreten Fall haben die Vorinstanzen festgestellt, dass die Klägerin die strittigen Beteiligungen nicht erworben hätte, wenn der Berater sie über die Provisionen informiert hätte. Damit steht die Verursachung für den Obersten Gerichtshof bindend fest.
2.3. Hingegen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob der Schaden auch im mit der Pflichtverletzung steht.
(a) Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist nur für jene verursachten Schäden zu haften, die die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck verhindern sollte (RIS-Justiz RS0022933; Karner in KBB5 § 1295 Rz 9 mwN). Speziell für die Anlageberatung hat der Oberste Gerichtshof das dahin präzisiert, dass bei Realisierung eines Anlagerisikos, vor dem der Berater mangels Erkennbarkeit nicht warnen musste, der Rechtswidrigkeitszusammenhang mit einer aus anderen Gründen mangelhaften Beratung dennoch zu bejahen ist, wenn diese Beratung und die darauf beruhende Veranlagung die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung des tatsächlich eingetretenen Risikos nicht bloß unerheblich erhöhte (4 Ob 62/11p, ecolex 2011, 805 [Graf] = EvBl 2011/146 [Völkl] = ÖBA 2011, 892 [Ramharter] = wbl 2012, 44 [van Husen]; RIS-Justiz RS0127012; zuletzt etwa 10 Ob 62/15p, ÖBA 2017, 48).
(b) Zweck der im konkreten Fall verletzten Informationspflicht war die Aufklärung der Beklagten über eine allfällige Interessenkollision auf Seiten der Beklagten. Lag eine solche Interessenkollision vor, so erhöhte sie das Risiko, dass die Klägerin aufgrund der Beratung eine Anlage erwarb, die nicht ihren konkreten Wünschen und Bedürfnissen entsprach. Damit wäre der Rechtswidrigkeitszusammenhang zu bejahen. Bestand hingegen keine Interessenkollision, so stehen andere Risiken, die sich im konkreten Fall verwirklichten, aber aus verschiedenen Gründen keine Haftung der Beklagten begründen (oben 1.), nicht mehr im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der verletzten Pflicht.
(c) Eine Interessenkollision wäre im konkreten Fall dann zu verneinen, wenn die Beklagte die strittigen Beteiligungen auch dann empfohlen hätte, wenn sie dafür (abgesehen vom offen gelegten Ausgabeaufschlag) keine Vergütungen von ihrem Vertriebspartner erhalten hätte. Die Beweislast für diesen Umstand trifft die Beklagte. Dabei kann offen bleiben, ob die für das Fehlen des Rechtswidrigkeitszusammenhangs maßgebenden Tatsachen– wie etwa beim rechtmäßigen Alternativverhalten (RIS-Justiz RS0111707) – ganz allgemein vom Schädiger zu beweisen sind (so Wendehorst, Anlageberatung, Risikoaufklärung und Rechtswidrigkeitszusammenhang, ÖBA 2010, 252 [571]). Denn selbst wenn das nicht zuträfe, könnte im konkreten Fall die Beweisführung von der Klägerin nicht erwartet werden, weil es sich um Umstände handelt, die allein in der Sphäre der Gegenseite liegen und daher nur dieser bekannt und damit auch nur durch sie beweisbar sind (RIS-Justiz RS0040182, RS0013491 [T1]).
(d) Nach Auffassung der Klägerin soll der Rechtswidrigkeitszusammenhang schon deshalb vorliegen, weil die Belastung der Anlage mit der Innenprovision (dh die im Ergebnis unterbliebene Veranlagung des der Innenprovision entsprechenden Betrags) das Risiko des Scheiterns dieser Anlagen erhöht habe. Schon deshalb habe darüber aufgeklärt werden müssen. Damit macht die Klägerin aber einen anderen Zweck der verletzten Informationspflicht geltend, den diese im konkreten Fall nicht hatte. Denn ein Anleger muss grundsätzlich mit Vertriebskosten („Weichkosten“) rechnen. Insofern entsteht eine von der drohenden Interessenkollision Informationspflicht erst dann, wenn diese Kosten eine erhebliche Höhe erreichen (3 Ob 190/16m). Der BGH nimmt in diesem Zusammenhang (bei Vertriebsprovisionen) eine Grenze von etwa 15 % an (III ZR 359/02, BGHZ 158, 110; zuletzt etwa XI ZR 147/12, BGHZ 201, 310 mwN). Dies trifft hier in Bezug auf die Innenprovisionen selbst dann nicht zu, wenn man auch den zusätzlich gewährten Ausgabeaufschlag berücksichtigt. Eine unterbliebene Information über die anfallenden (offenbar beträchtlichen) Weichkosten steht, wie bereits ausgeführt, nicht fest.
(e) Entscheidend ist daher im konkreten Fall tatsächlich nur das Vorliegen einer Interessenkollision. Insofern ist aber noch keine abschließende Beurteilung möglich. Denn auch der Oberste Gerichtshof darf die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überraschen, die sie bisher nicht beachtet hatten und die auch nicht erörtert wurde (RIS-Justiz RS0037300 [T9]). Ein solcher Fall liegt hier vor: Die Beklagte hat zwar in erster Instanz trotz Bestreitens des Rechtswidrigkeitszusammenhangs kein konkretes Vorbringen zum Fehlen einer Interessenkollision erstattet. Aber auch die Klägerin hat zu dieser Frage nicht Stellung genommen, und von den Vorinstanzen wurde sie ebenfalls nicht erörtert. Da das Begehren auch nicht aus anderen Gründen zur Gänze abgewiesen werden kann (unten 2.4.–2.6.), ist insofern eine Ergänzung des Verfahrens erforderlich.
2.4. Jedenfalls muss sich die Klägerin ein gleichteiliges anrechnen lassen.
(a) Hat der Geschädigte selbst eine Ursache gesetzt, die gleichermaßen wie die vom Dritten gesetzte Ursache geeignet war, allein den Schaden herbeizuführen, haben beide gemeinsam für den Schaden einzustehen (RISJustiz RS0027284). Das Mitverschulden des Geschädigten an der Herbeiführung seines eigenen Schadens iSd § 1304 ABGB setzt die Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern voraus (RIS-Justiz RS0032045). Bei fehlerhafter Anlageberatung kann ein Mitverschulden nach den Umständen des Einzelfalls in Betracht kommen, wenn dem Kunden die Unrichtigkeit der Beratung hätte auffallen müssen, sei es aufgrund eigener Fachkenntnisse, oder weil er deutliche Risikohinweise nicht beachtet und Informationsmaterial nicht gelesen hat (RISJustiz RS0102779 [T6, T 7]; RS0078931 [T6]; zuletzt etwa 8 Ob 93/14f, ÖBA 2016, 64). Eine Minderung der Haftung des Schädigers wegen Nichtbeachtens von Warnungen und Hinweisen durch den Geschädigten kommt nicht in Betracht, wenn sich nur andere als jene Risiken, vor denen gewarnt wurde, verwirklicht haben (8 Ob 93/14f).
(b) Im vorliegenden Fall wusste die Klägerin, dass sie keineswegs eine „sichere“ Anlage zeichnen, sondern sich an Kommanditgesellschaften beteiligen und damit ein unternehmerisches Risiko eingehen würde. Ihr wurden mehrfach produktbezogene Anlegerprofile vorgelegt, in denen (auch) auf die mögliche Verpflichtung zur Rückzahlung der Ausschüttungen hingewiesen wurde. Dass sie diese Hinweise nicht gelesen hat, ist angesichts ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Erfahrung als grobe Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten zu werten. Dieses Verhalten war ebenfalls kausal für den Schaden (dh für den Erwerb einer nicht gewünschten Anlage), da feststeht, dass die Klägerin die Anlagen bei Kenntnis der möglichen Rückzahlungspflicht nicht erworben hätte.
(c) Auf dieser Grundlage ist ein gleichteiliges Mitverschulden der Klägerin anzunehmen. Auf die Entscheidung 8 Ob 93/14f kann sie sich in diesem Zusammenhang nicht berufen. Zwar ist danach eine Minderung der Haftung wegen Nichtbeachtens von Warnungen und Hinweisen ausgeschlossen, wenn sich andere als jene Risiken verwirklicht haben, vor denen gewarnt wurde. Das trifft hier aber nicht zu, weil der Schaden der Klägerin im Erwerb der nicht gewünschten Anlage liegt und dieser Erwerb auf ihre Sorglosigkeit in Bezug auf den von ihr so genannten „Ausschüttungsschwindel“ auf die unterbliebene Information über die Innenprovisionen zurückzuführen ist. Das Mitverschulden der Klägerin führt somit zur Abweisung des halben Zahlungsbegehrens von 53.014,14 EUR.
2.5. Das Erstgericht hat offenbar irrtümlich bei einem Begehren von 118.028,88 EUR einen Betrag von 118.328,88 EUR zugesprochen. Dieser Verstoß gegen § 405 ZPO wurde nicht als Verfahrensmangel gerügt, weswegen ihn das Berufungsgericht nicht aufgegriffen hat (RISJustiz RS0041240). Damit wurde auch der Mehrbetrag von 200 EUR Prozessgegenstand (4 Ob 13/10f). Für den Zuspruch auch dieses Betrags fehlt allerdings eine Grundlage in den Feststellungen, sodass auch insofern eine Abweisung zu erfolgen hat.
2.6. Gründe für die auch des darüber hinausgehenden Zahlungsbegehrens zeigen die Revisionen auf:
(a) Soweit die Beklagte „unrichtige Feststellungen zur Innenprovision“ – insbesondere zur Kausalitätsfrage – behauptet, ist sie darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist und daher die Beweiswürdigung der Vorinstanzen nicht überprüfen kann (RIS-Justiz RS0043371). Das weiters gerügte „Fehlen“ von Feststellungen setzt – abgesehen vom ohnehin wahrgenommenen Fall der unterbliebenen Erörterung relevanter Punkte (oben 2.3.) – neben deren rechtlicher Erheblichkeit ein entsprechendes Vorbringen in erster Instanz voraus (RIS-Justiz RS0053317 [T2]). Der Versuch, den Obersten Gerichtshof durch umfangreiche Hinweise auf Beweisergebnisse zum Treffen von Feststellungen zu nicht behaupteten, irrelevanten oder mit den getroffenen Feststellungen unvereinbaren Tatsachen zu veranlassen, ist aus diesem Grund zum Scheitern verurteilt.
(b) Nach Auffassung des Erstgerichts hätte die der Klägerin „wahrscheinlich“ zum Kapitalerhalt geführt. Schon das Berufungsgericht hat unter Hinweis auf den Gesamtzusammenhang zutreffend ausgeführt, dass das Erstgericht insofern eine Tatsachenfeststellung aufgrund des – richtigen (4 Ob 67/12z, JBl 2012, 788 [Dullinger] mwN; 2 Ob 17/13h, ecolex 2014, 519 [Wilhelm] = ZFR 2014, 392 [Winkler]; RIS-Justiz RS0022900 [T23]) – Beweismaßes der überwiegenden Wahrscheinlichkeit getroffen hat. Die diesbezügliche Rüge der Beklagten geht daher fehl. Das mit der konkreten Veranlagung verbundene „Marktrisiko“ hätte sich angesichts der Feststellungen zur hypothetischen Alternativverwendung des eingesetzten Kapitals nicht verwirklicht (6 Ob 98/15b, ÖBA 2016, 834 [Kronthaler]; 1 Ob 157/16v).
(c) der Naturalrestitution liegt, wie der Oberste Gerichtshof bereits in der ebenfalls Hollands-Fonds betreffenden Entscheidung 10 Ob 70/15i ausgeführt hat, nicht vor.
Entschließt sich der Geschädigte, die unerwünschte Anlage vorläufig zu behalten, besteht ein vereinfacht als „Naturalrestitution“ bezeichneter Anspruch, der auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen einen Bereicherungsausgleich durch Übertragung des noch vorhandenen Finanzprodukts an den Schädiger gerichtet ist (RIS-Justiz RS0108267 [T15], RS0120784 [T22]; zuletzt etwa 6 Ob 7/15w, ÖBA 2015, 531). Da die Alternativanlage der Klägerin nach den Feststellungen das Kapital erhalten hätte, bestehen keine Bedenken, tatsächlich – im Umfang der Haftung (oben 2.4.) – den Kaufpreis und nicht etwa die Verschaffung der Alternativanlage zuzusprechen (4 Ob 67/12z, JBl 2012, 788 [Dullinger], Punkt 5.2.).
Die Klägerin hat der Beklagten nach den Entscheidungen der Vorinstanzen Zug um Zug die Abtretung aller Rechte aus den Beteiligungen anzubieten. Nimmt die Beklagte dieses Angebot an, stehen ihr sämtliche Erlöse der Beteiligungen (auch Liquidations- oder Abschichtungserlöse) zu. Insofern ist nicht erkennbar, dass der Abtretung Gründe des Gesellschaftsrechts entgegenstünden. Hingegen könnte zutreffen, dass eine Übernahme der Gesellschafterstellung der Zustimmung der übrigen Gesellschafter bedarf. Unmöglichkeit der Naturalrestitution (im Sinn eines dauerhaften Hindernisses, vgl RIS-Justiz RS0109496) läge aber nur dann vor, wenn die anderen Gesellschafter ihre Zustimmung bereits verweigert hätten oder schon feststünde, dass sie diese nicht erteilen würden (10 Ob 70/15i).
Abgesehen davon wäre die Klägerin nach Annahme des Abtretungsangebots durch die Beklagte jedenfalls aufgrund ergänzender Vertragsauslegung verpflichtet, erforderlichenfalls auf Verlangen (und Rechnung) der Beklagten gegenüber den Gesellschaften oder dem Treuhänder alle zur Verwertung der Anteile oder Erträge erforderlichen Erklärungen abzugeben und einen ihr allenfalls zufließenden Erlös an die Beklagte herauszugeben. Schon das steht der Unmöglichkeit der Naturalrestitution entgegen. Die in der Revision behauptete Untunlichkeit aufgrund langfristiger Bindung liegt nicht vor, weil in erster Instanz unstrittig war, dass die Beteiligungen nach zehn Jahren – mit der Folge einer Abschichtung – gekündigt werden können (vgl wiederum 10 Ob 70/15i).
(d) Allfällige Ansprüche sind auch .
Da sich die Verjährung auf den jeweils geltend gemachten Anspruch bezieht, der – wie der Streitgegenstand (RISJustiz RS0039255) – durch die zu seiner Begründung vorgebrachten Tatsachen konkretisiert wird, liegen dann, wenn der Kläger sein Begehren alternativ auf verschiedene Sachverhaltsvarianten stützt, Ansprüche vor, die auch verjährungsrechtlich zu beurteilen sind (3 Ob 112/15i mwN). Daher ist auch in Anlegerhaftungsfällen die Verjährung für jeden Beratungsfehler getrennt zu beurteilen, wenn bei mehreren spezifischen Risiken jeweils eine gesonderte Verletzung von Aufklärungspflichten in Betracht kommt (3 Ob 112/15i, ÖBA 2016, 207 [Klausberger/Lenz]; 5 Ob 133/15t, VbR 2016, 122 [Kolba]). Nach 5 Ob 133/15t setzt eine gesonderte Prüfung voraus, dass der behauptete Beratungsfehler tatsächlich eine eigenständige, den geltend gemachten Anspruch begründende Pflichtverletzung bildet. An dieser Auffassung hat zuletzt auch der 10. Senat des Obersten Gerichtshof in ausführlicher Auseinandersetzung mit kritischen Anmerkungen im Schrifttum festgehalten (10 Ob 70/15i mwN). Auch der hier erkennende Senat sieht keinen Grund, davon abzugehen.
Im konkreten Fall hat die Klägerin erst 2012 von den Innenprovisionen an die Klägerin erfahren. Das Verschweigen der Provisionen ist von den – angeblich oder tatsächlich – unterbliebenen Informationen über den Inhalt der Veranlagung völlig unabhängig. Auch eine Erkundigungsobliegenheit ist zu verneinen. Wenngleich der Klägerin zumindest ab 2009 Kenntnis von der unterbliebenen Information über den Charakter der Ausschüttungen und die damit möglicherweise verbundene Rückzahlungspflicht unterstellt werden muss, gab es für sie keinen Anlass, auch an eine durch eine Innenprovision verursachte Interessenkollision zu denken. Die Verjährungsfrist begann daher erst mit Kenntnis der Innenprovisionen und der insofern unterbliebenen Aufklärung zu laufen.
3. Im haben die Revisionen der Beklagten und der Nebenintervenientin daher Erfolg. Abzuweisen ist das halbe Zahlungsbegehren aufgrund Mitverschuldens (oben 2.4.) und ein weiterer Klagebetrag von 200 EUR, der wegen des unbekämpften Mehrzuspruchs des Erstgerichts Verfahrensgegenstand wurde, aber inhaltlich nicht begründet ist (oben 2.5). In Bezug auf die andere Hälfte des Klagebegehrens kann die Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhangs noch nicht abschließend beurteilt werden. Insofern ist aus den oben (Punkt 2.3) dargelegten Gründen eine Ergänzung des Verfahrens erforderlich. Dies führt zur teilweisen Aufhebung in die erste Instanz: Der Beklagten ist Gelegenheit zur Erstattung eines konkreten Vorbringens zum Fehlen einer Interessenkollision zu geben; gegebenenfalls sind dazu Beweise aufzunehmen und Feststellungen zu treffen. Alle anderen Streitpunkte sind abschließend erledigt.
B. Zur Revision der Klägerin:
1. Das Berufungsgericht hat das zu Unrecht zur Gänze abgewiesen.
1.1. Zwar trifft die abweisende Entscheidung in Bezug auf die Hälfte der zukünftigen Schäden wegen des auch insofern zu berücksichtigenden Mitverschuldens (oben A.2.4.) im Ergebnis zu. Für die andere Hälfte gilt das aber nicht. Hier weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass ihr auch Durchführung der Naturalrestitution Schäden drohen, weil sie zur Rückzahlung jener Ausschüttungen verpflichtet sein könnte, die sie bei der Berechnung ihres Anspruchs von den Anlagebeträgen abgezogen hatte. Steht aber der Erwerb der Anlage im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der unterbliebenen Aufklärung über die Innenprovision (oben A.2.3.), was im fortgesetzten Verfahren zu klären ist, so ist nicht erkennbar, weshalb das für diese (Folge-)Schäden nicht gelten soll.
1.2. Aus diesem Grund ist die abweisende Entscheidung über das Feststellungsbegehren nur in Bezug auf die Hälfte der zukünftigen Schäden als Teilurteil zu bestätigen. Im Übrigen sind die Urteile der Vorinstanzen auch in diesem Punkt aufzuheben, und dem Erstgericht ist die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
2. Hingegen hat das Berufungsgericht das über die Verzugszinsen hinausgehende zutreffend abgewiesen.
2.1. Im Rahmen der Naturalrestitution hat die Klägerin Anspruch auf (anteilige) Rückzahlung des Kaufpreises (oben A.2.5.). Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass sie auch einen weitergehenden Schaden geltend machen könnte. Ein solcher Schaden ist hier allerdings aufgrund der vom Erstgericht getroffenen Negativfeststellung nicht erwiesen. Das in der Revision gerügte Unterbleiben der Anwendung von § 273 ZPO hat die Klägerin in der Berufungsbeantwortung (ON 35) nicht als Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens (RIS-Justiz RS0040282) gerügt (§ 468 Abs 2 ZPO). Da sich die Beklagte in der Rechtsrüge der Berufung ausdrücklich auf diese Negativfeststellung gestützt hatte, wäre die Klägerin dazu auch ohne Mitteilung des Berufungsgerichts nach § 473a ZPO verpflichtet gewesen (RIS-Justiz RS0119339).
2.2. Der Hinweis der Klägerin auf eine „objektive Schadensberechnung“ iSv § 1000 ABGB – also durch Zuspruch gesetzlicher Zinsen von 4 % – übersieht, dass diese Bestimmung in unbestimmter Höhe vereinbarte oder „aus dem Gesetz gebührende“ Zinsen voraussetzt. Dieses Tatbestandsmerkmal ist hier, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, erst mit Eintritt des Verzugs erfüllt. Denn für die Zeit davor gebührten der Klägerin keine „Zinsen“, sondern grundsätzlich nur die Verschaffung der alternativen Veranlagung, die (nur) bei festgestelltem Kapitalerhalt mit dem Kaufpreis gleichgesetzt werden kann (oben A.2.6.; 4 Ob 67/12z). Naturalrestitution bedeutet daher gerade nicht, dass der Klägerin das eingesetzte Kapital zur freien Verfügung gestanden wäre; vielmehr ist jene Lage herbeizuführen, die sich bei korrekter Beratung ergeben hätte. Den Beweis für die Entwicklung der insofern festgestellten Alternativanlage hat – wie auch bei der Ermittlung des „rechnerischen“ Schadens nach Veräußerung oder bei Wertlosigkeit der Anlage (4 Ob 67/12z mwN; RIS-Justiz RS0030153 [T22, T 25, T 36]) – der Kläger zu führen.
C. Ergebnis und Kosten:
1. Aus den angeführten Gründen ist das mit Teilurteil im Ausmaß von 59.214,44 EUR abzuweisen; die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens ist zu bestätigen. Im Übrigen sind die über das Zahlungsbegehren ergangenen Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben, und die Rechtssache ist insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Gleiches gilt für das . Das fortgesetzte Verfahren hat sich auf die Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhangs zu beschränken (oben A.2.3.), alle anderen Streitpunkte sind abschließend erledigt.
2. Die diese Entscheidung können wie folgt zusammengefasst werden:
Auch vor Inkrafttreten des WAG 2007 hatte ein Anlageberater den Anleger auf ihm von dritter Seite zufließende Provisionen hinzuweisen, wenn der Anleger – etwa wegen der Verrechnung eines Ausgabeaufschlags durch den Berater – nicht mit solchen (weiteren) Zahlungen und der damit verbundenen Gefahr einer Interessenkollision rechnen musste. Eine Verletzung dieser Pflicht begründet den Anspruch auf Ersatz des im Erwerb einer nicht gewünschten Anlage liegenden Schadens, wenn der Berater nicht nachweist, dass der Erwerb der Anlage mangels Vorliegens einer Interessenkollision nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflichtverletzung steht.
3. Die gründet sich auf § 52 Abs 4 ZPO (Teilurteil) und § 52 Abs 1 S 4 ZPO (Teilaufhebung).
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00099.16X.0427.000 |
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