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OGH vom 28.09.2016, 7Ob79/16t

OGH vom 28.09.2016, 7Ob79/16t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** S*****, vertreten durch Dr. Christian Prader und andere, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Martin Wuelz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 30.139 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 35/16b 22, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 5 Cg 41/15f 18, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.880,64 EUR (darin enthalten 313,44 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Streitteilen besteht ein Unfallversicherungsvertrag, dem die „Klipp Klar Bedingungen für die Unfallversicherung 2010“ (kurz: UA00) zugrunde liegen. Art 6.1. UA00 lautet:

„ Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. “

Der Kläger und sein Freund, beide geübte Tourengeher, unternahmen eine mehrtägige alpine Hochtour über die Nollen-Route am Mönch in der Schweiz. Sie gelangten bei besten Wetterbedingungen zur Guggihütte auf 2.791 m. Die bestehenden Wetterbedingungen vor dem weiteren Aufstieg auf über 4.000 m und die Tagesprognose eigneten sich für die geplante Tour. Nach Überwindung der Nollen änderte sich die Wetterlage insofern, als ein stürmischer Wind mit Böen von bis zu 77–88 km/h zu wehen begann, welcher zwar das Gehen und Klettern beeinträchtigte, jedoch für die Höhe von ca 4.000 m und den Schwierigkeitsgrad des Wegs nicht ungewöhnlich ist. Die Außentemperaturen lagen bei – für die Höhenlage ebenfalls nicht ungewöhnlichen – -10 bis -12° C. Aufgrund des Schneemangels befand sich am Weg nach den Nollen blankes Eis statt wie üblich Firnschnee. Auch dadurch mussten sie langsamer und mit erhöhter Aufmerksamkeit gehen. Trotzdem lag die Aufstiegszeit des Klägers noch im Durchschnitt. Der Wind wurde mit zunehmender Höhe stärker, das Wetter war ansonsten einwandfrei, „was jedenfalls keinen Wetterumschwung im klassischen Sinn darstellt“. Sie trafen die alpintechnisch richtige Entscheidung, weiter zu gehen, weil beim restlichen Aufstieg keine technischen Schwierigkeiten zu erwarten waren und nur noch zwei bis drei Stunden vor ihnen lagen. Im Gegensatz dazu wäre der Abstieg aufgrund des Abseilens über die Nollen viel schwieriger gewesen und hätte etwa fünf bis sechs Stunden beansprucht.

Während des weiteren Aufstiegs bemerkte der Kläger ein „komisches Gefühl“ an den Zehen. Er erlitt an den Zehen Erfrierungen II. und III. Grades. An den Großzehen blieb ein dauerhafter Schaden in Form von Taubheitsgefühl und Sensibilitätsstörungen.

Der Kläger war auf der Tour in keiner Notsituation, sondern hat die schwierigen Verhältnisse alpintechnisch richtig gemeistert. Er war auch nicht überfordert. Zu den Erfrierungen kam es aufgrund des ungünstigen Zusammentreffens folgender Faktoren: relativ kalte Außentemperaturen, stürmischer Wind, kalte Eisoberfläche (geringe Firnauflage), wegen der schwierigen Bedingungen notwendiger dauernder Einsatz von Steigeisen und Klettern in Seilschaft. Dass alle diese Faktoren zusammentreffen, war für den Kläger nicht vorhersehbar; jedoch muss man bei einer alpinen Hochtour wie dieser damit rechnen.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von 30.139 EUR aus der Unfallversicherung und hilfsweise die Feststellung des Versicherungsschutzes. Bei den Erfrierungen und den daraus resultierenden Dauerschäden handle es sich nach der Bedingungslage um einen vom Versicherungsschutz umfassten Unfall.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Es handle sich um keinen Unfall nach den Versicherungsbedingungen, weil die Körperschäden nicht auf ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis zurückzuführen seien.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Erfrierungen seien grundsätzlich kein plötzliches Ereignis, weil sie sich im Rahmen eines längeren Prozesses entwickeln würden. Auch das für den Unfallbegriff wesentliche Element des unerwarteten Verlaufs liege nicht vor, weil man bei alpinen Hochtouren, wie der vom Kläger durchgeführten, mit dem Zusammentreffen von Faktoren, wie sie im vorliegenden Fall zu den Erfrierungen geführt hätten, rechnen habe müssen. Zudem habe der Kläger niemals die Kontrolle verloren und sei auch in keine Notsituation geraten. Er habe die schwierigen Bedingungen mit hoher Fachkunde und regelgerecht gemeistert.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei. Die bei einer planmäßig verlaufenen Alpintour erlittenen Erfrierungen könnten nicht dem Unfallbegriff, der ein „plötzlich“ eintretendes Ereignis erfordere, unterstellt werden. Von der Unfallversicherung seien Gesundheitsschäden, die allein auf Witterungseinflüsse ohne zusätzliches Ereignis zurückzuführen seien, nicht umfasst.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914, 915 ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RIS-Justiz RS0050063, RS0112256). Bei Unklarheiten findet § 915 ABGB Anwendung. Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RIS-Justiz RS0050063 [T3]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901).

2. Nach Art 6.1. UA00 liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.

2.1. Dass eigenes Verhalten zum Unfall beitragen, ihn sogar herbeiführen kann, ist in der Unfallversicherung nicht zweifelhaft. Dabei wird zwar ein gewolltes und gesteuertes Verhalten des Versicherungsnehmers nicht als Unfallereignis angesehen werden können, ein Unfall liegt dagegen aber bei einem Vorgang vor, der vom Versicherten bewusst und gewollt begonnen und beherrscht wurde, sich dieser Beherrschung aber durch einen unerwarteten Ablauf entzogen und nunmehr schädigend auf den Versicherten eingewirkt hat (RIS-Justiz RS0082008). Zum Begriff der „Plötzlichkeit“ des Unfalls gehört das Moment des Unerwarteten und des Unentrinnbaren. Für den Versicherten muss die Lage so sein, dass er sich bei normalem Geschehensablauf den Folgen des Ereignisses im Augenblick ihres Einwirkens auf seine Person nicht mehr entziehen kann (RIS-Justiz RS0082022; vgl Perner in Fenyves/Schauer , VersVG § 179 Rz 10 mwN). Der Versicherungsnehmer trägt die (Behauptungs und) Beweislast für den Versicherungsfall und die Ursächlichkeit des Unfalls für die Invalidität (RIS Justiz RS0122800).

Im Zusammenhang mit der bei einem Auftauchgang aufgetretenen Caisson-Krankheit (Taucherkrankheit) hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 320/04s = RIS-Justiz RS0082022 [T7] ausgesprochen, dass jedenfalls dann kein Unfall vorliegt, wenn der Tauchgang nicht durch ungewollte und ungeplante Umstände gestört wurde. Erfolgte bei einem Tauchgang der Auftauchgang vorschriftsgemäß, liegt beim Auftreten der Caisson-Krankheit auf Grund der Konstitution des Tauchers kein „plötzliches“ Ereignis vor, weil die Gesetzmäßigkeit der Druckverhältnisse allgemein bekannt ist. Die Veränderung der Luftdruck- und Sauerstoffverhältnisse ist nach objektiven Maßstäben nicht überraschend und unentrinnbar (und damit im Sinn der Bedingung nicht plötzlich).

Diese Entscheidung wird von Palten (Unfall oder nicht Unfall – das ist hier die Frage! Unfallbegriff und Unfallbeweis im (Zerr-)Spiegel der österreichischen Judikatur, VR 2012 H 1–2, 32 [37]) kritisiert. Es gehe nicht um das Erwartungsgemäße an den Druckverhältnissen, sondern um das Fehlen des „Plus 1“ (spezifisches Unfallereignis), weil der Versicherte nicht wegen Erscheinens eines gefährlichen Wasserbewohners (Hai!) oder wegen technischer Probleme an seiner Ausrüstung zum übereilten Auftauchen gebracht worden sei. Er habe völlig korrekt lege artis gehandelt und dennoch einen Schaden erlitten. Das sei ein Unglück, aber kein Unfall.

2.2. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom (IV ZR 219/07 = NJW 2008, 3644 = VersR 2008, 1683) unter Verweis auf Vorjudikatur zu einer vergleichbaren deutschen Bedingungslage ausgesprochen, dass Fälle allmählicher Einwirkungen von Witterungsbedingungen nur dann ein Unfallereignis darstellen würden, wenn der Versicherungsnehmer durch ein hinzutretendes äußeres Ereignis in seiner Bewegungsfreiheit so beeinträchtigt werde, dass er den Einwirkungen von zB Kälte oder Hitze hilflos ausgesetzt sei. In der Entscheidung vom (II ZR 95/60 = NJW 1962, 914) wurde als ein solches Ereignis das Verhängen des Kletterseils ohne unmittelbare Körperschädigung angesehen, was zur Folge hatte, dass der Versicherte in einer Bergwand festgehalten wurde und infolgedessen erfror. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH müsse das Unfallereignis plötzlich eintreten; wann aus einem solchen Geschehen ein Schaden entstehe, spiele keine Rolle (IV a ZR 204/87 mwN = VersR 1988, 951). Habe sich das Geschehen innerhalb eines kurzen Zeitraums verwirklicht, sei es stets plötzlich, ohne dass es auf die Erwartungen des Betroffenen ankomme. Lediglich in den Fällen, in denen sich das Geschehen nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums ereigne, würden auch weitere Ereignisse vom Versicherungsschutz umfasst, die für den Betroffenen unerwartet, überraschend und unentrinnbar seien (IV ZR 390/12 mwN = VersR 2014, 59). Die bloße Vorhersehbarkeit des schädigenden Ereignisses sei nicht maßgeblich (IV a ZR 204/87 = VersR 1988, 951).

2.3. Nach der deutschen Lehre sei „plötzlich“ als Gegensatz zu „allmählich“ anzusehen ( Knappmann in Prölss/Martin , VVG 29 § 178 Rn 13 mwN uva). Die Einwirkung, nicht aber die dadurch bewirkte Gesundheitsschädigung müsse plötzlich erfolgen. Wann das Ereignis zu einer Gesundheitsschädigung führe, sei in diesem Zusammenhang nicht entscheidend; sie könne sich auch allmählich entwickeln, sofern noch ein zeitlicher Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis bestehe ( Leverenz in Bruck/Möller , VVG 9 § 178 Rn 82; Knappmann aaO § 178 Rn 16; Grimm , Unfallversicherung 5 AUB 2010 Rn 22, 26; Wussow/Pürckhauer , AUB 6 § 1 III Rn 43).

Das Kriterium der Plötzlichkeit fehle, wenn Ereignisse kontinuierlich über eine längere Dauer oder in der Wiederholung über einen längeren Zeitraum auf den Körper wirken würden ( Grimm aaO AUB 2010 Rn 22). Entscheidend sei, dass das Unfallereignis plötzlich eingetreten sei. Allmählich wirkende Ereignisse seien hingegen grundsätzlich auch dann auszuschließen, wenn die versicherte Person ihnen nicht ausweichen könne ( Leverenz aaO § 178 Rn 98). Die Absicherung von (schleichenden) umweltbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen gehöre – auch aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers – nicht zu den Aufgaben der Unfallversicherung ( Leverenz aaO § 178 Rn 94).

Bei Augenblicksereignissen sei das Merkmal der Plötzlichkeit immer zu bejahen. Der Begriff der Plötzlichkeit erschöpfe sich jedoch nicht in dem Zeitmoment, er schließe vielmehr alternativ auch ein subjektives Element des Unerwarteten, nicht Vorausgesehenen, Unentrinnbaren mit ein, das an die Erwartungen und Vorstellungen des Betroffenen anknüpfe. Entscheidend sei, ob der Verletzte die gesundheitsschädigende Wirkung vorhergesehen habe. Voraussetzung sei aber auch hier ein abgegrenzter und zusammenhängender Zeitrahmen. Würde auf die zeitliche Eingrenzung völlig verzichtet, würden alle schädlichen Umwelteinflüsse oder auch andere Witterungseinflüsse, denen sich der Einzelne nicht entziehen könne, als Unfälle qualifiziert werden können. Das widerspräche dem erkennbaren und in den Bedingungen vorausgesetzten Wortgehalt ( Knappmann aaO § 178 Rn 14; vgl auch Leverenz aaO § 178 Rn 90 ff; Grimm aaO AUB 2010 Rn 22 f, 26 f; Wussow/Pürckhauer aaO § 1 III Rn 38 ff). Ob der Verletzte die Gefahr hätte erkennen oder sich der Einwirkung hätte entziehen können – wie überhaupt jedes Verschuldenselement –, sei unerheblich ( Knappmann aaO § 178 Rn 14; Grimm aaO AUB 2010 Rn 27; Leverenz aaO § 178 Rn 101). Das (subjektive) Erfordernis des Unerwarteten und Unvorhergesehenen sei in dem Sinn zu verstehen, dass es objektiv für den Betroffenen keinen Grund und Anlass gegeben habe, das Unfallereignis in seiner konkreten Gestaltung vorauszusehen und dass er dem Ereignis deshalb nicht entgehen habe können ( Wussow/Pürckhauer aaO § 1 III Rn 41; Leverenz aaO § 178 Rn 99 f; vgl auch Grimm aaO).

Erfrieren könne infolge einer plötzlich eingetretenen Bewegungsunfähigkeit als Unfallfolge vom Versicherungsschutz umfasst sein (vgl Knappmann aaO § 178 Rn 13; Grimm aaO AUB 2010 Rn 20). Eine plötzliche Körpereinwirkung sei zB gegeben, wenn ein Bergsteiger während einer Tour von einer nachhaltigen Verschlechterung der Wetter- und Sichtverhältnisse überrascht wird, sodass er nicht mehr zum Abstieg in der Lage sei ( Dörner in Münchener Kommentar zum VVG, § 178 Rn 62, 78).

3. Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

3.1. Zum Begriff der „Plötzlichkeit“ des Unfallgeschehens gehört – wie vom Obersten Gerichtshof bereits dargelegt – das Moment des Unerwarteten und des Unentrinnbaren. „Plötzlich“ sind damit zwanglos alle Ereignisse, die sich in einem sehr kurzen Zeitraum unerwartet ereignen. Es können aber auch allmählich eintretende Ereignisse unter den Begriff fallen, wenn sie nur für den Versicherungsnehmer unerwartet und unvorhergesehen waren. Dazu bedarf es aber einer Einschränkung, weil ansonsten besonders sorglos handelnde Versicherungsnehmer gegenüber achtsamen vorausschauenden benachteiligt wären. Dazu dient die Unfallversicherung nicht. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwartet auch nach der Bedingungslage nicht, dass jedweder Unglücksfall versichert ist. Es ist also ein objektiver Maßstab einzuziehen. Ein Unfallereignis liegt damit nur dann vor, wenn objektiv für den betroffenen Versicherungsnehmer kein Grund bestand, mit den konkret eingetretenen Umständen zu rechnen, er davon überrascht wurde und ihnen nicht entgehen konnte. Hat also ein Versicherungsnehmer zwar selbst nicht damit gerechnet, den konkreten widrigen Umständen in dieser Form zu begegnen, hätte er dies aber objektiv betrachtet in der konkreten Situation tun müssen, mangelt es an der beachtlichen subjektiven Komponente, sodass nicht von „Plötzlichkeit“ und einem Unfallgeschehen gesprochen werden kann.

3.2. Für den vorliegenden Fall bedeutet das Folgendes:

Die Witterungs- und Umwelteinflüsse, denen der Kläger und sein Begleiter ausgesetzt waren und die zu den Erfrierungen führten, traten in zeitlicher Hinsicht nicht plötzlich ein. Es gab keinen unerwarteten Wetterumschwung, etwa in Form eines unvermittelt aufziehenden Gewitters oder Sturms, dem der Kläger (zwangsläufig) hilflos ausgesetzt war, sondern das Wetter änderte sich der Höhenlage entsprechend allmählich. Der Kläger begegnete objektiv keinen ungewöhnlichen Verhältnissen und er geriet während des Aufstiegs auch in keine Notlage. Vielmehr war er in der Lage, den Aufstieg in durchschnittlicher Zeit ohne Überforderung zu bewältigen. Dabei bediente er sich Techniken, die bei einer Tour im hochalpinen Gelände üblich sind.

Der Kläger sah zwar die konkreten Witterungs- und Umwelteinflüsse subjektiv nicht voraus, doch musste man nach den Feststellungen objektiv mit ihnen bei einer solchen alpinen Hochtour, wie sie der Kläger unternahm, rechnen. Der Kläger kann sich daher objektiv nicht darauf berufen, er sei von den äußeren Verhältnissen unentrinnbar überrascht worden.

Damit fehlt es an der „Plötzlichkeit“ des Geschehens im Sinn der Bedingungen. Ein anderes Auslegungsergebnis würde dazu führen, dass alle Gesundheitsschädigungen im Zuge von Witterungs- und/oder Umwelteinflüssen vom Versicherungsschutz erfasst wären, was ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nach der Bedingungslage nicht erwartet.

Das Wort „plötzlich“ in Art 6.1. UA00 bezieht sich nur auf das von außen auf den Körper wirkende Ereignis, nicht jedoch auf die Unfallfolge (Gesundheitsschädigung). Erfrierungen treten allmählich und nicht plötzlich auf und wirken nicht von außen. Sie stellen eine Gesundheitsschädigung dar, können aber nicht selbst als Unfallereignis im Sinn der Bedingungen aufgefasst werden. Es bedarf zuerst eines Unfallereignisses, das hier fehlt, das zu den Erfrierungen führt, damit diese unter den Versicherungsschutz fallen können.

3.3. Es liegt demnach hier kein Unfall im Sinn von Art 6.1. UA00 vor, es handelte sich um einen nicht gedeckten Unglücksfall.

3.4. Die Versicherungsbedingungen stellen auf den tatsächlichen Eintritt eines Unfallereignisses ab. Darauf, ob ein Bergsteiger mit weniger guten Fähigkeiten in eine Notlage geraten wäre, kommt es nicht an.

4. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht das Klagebegehren abgewiesen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00079.16T.0928.000