OGH vom 24.05.2006, 6Ob78/06y

OGH vom 24.05.2006, 6Ob78/06y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen „L***** Privatstiftung" mit dem Sitz in W***** über den Revisionsrekurs des Stiftungsvorstands, *****, vertreten durch Hule Bachmayr-Heyda Nordberg Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 28 R 258/05z-11, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 74 Fr 2834/05b-8, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Notariatsakt vom errichteten Alfred L*****, sein mj Sohn Maximilian L***** und dessen Großmutter Christa H***** die „L***** Privatstiftung". Dabei vertrat der Vater seinen Sohn. Die Privatstiftung wurde am im Firmenbuch eingetragen, zugleich wurde eine Stiftungszusatzurkunde vom eingetragen. Das gewidmete Vermögen ist eingebracht. In der Stiftungsurkunde behielt sich der Vater das von ihm alleine ausübbare Recht vor, Änderungen der Stiftungserklärung auch nach Eintragung der Privatstiftung in das Firmenbuch vorzunehmen; nach seinem Ableben sollte dieses Recht den überlebenden Stiftern gemeinsam zukommen. Desgleichen behielt sich der Vater auf Lebzeiten das von ihm alleine ausübbare Recht vor, die Privatstiftung auch nach Eintragung im Firmenbuch zu widerrufen; danach sollte das Recht dem Sohn ab seinem 28. Lebensjahr, nicht aber der Großmutter zukommen. Schließlich ist festgehalten, dass jeder Stifter für sich jederzeit auf alle Rechte, die ihm auf Grund seiner Rechtsstellung als Stifter zukommen, verzichten könne; soferne einer der Stifter auf die Ausübung der Rechte, die er sich vorbehalten hat, verzichte, kämen diese Rechte nach Maßgabe der Bestimmungen der Stiftungserklärung den anderen Stiftern zu.

Mit Notariatsakt vom beschlossen die Stifter eine „durchgreifende Änderung und Neufassung der Stiftungserklärung (Stiftungsurkunde)". Der Sohn wurde dabei von seiner Mutter und gesetzlichen Vertreterin vertreten. Die Stifter hielten fest, es sei bei Errichtung der Privatstiftung übersehen worden, dass dem Vater zum damaligen Zeitpunkt kein Vertretungsrecht hinsichtlich des Sohns zugestanden sei und außerdem eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung notwendig gewesen wäre. Vorbehaltlich einer solchen Genehmigung genehmige der Sohn nunmehr die Stiftungserklärung vom , wohingegen sich die Großmutter ihrer Rechte und ihrer Stellung als Mitstifter mit der Maßgabe begebe, dass dieser Verzicht und ihr Ausscheiden als Mitstifter mit der Eintragung dieser Änderung der Stiftungserklärung in das Firmenbuch wirksam werde. Ebenfalls am wurde eine Stiftungszusatzurkunde errichtet. Mit Beschluss vom genehmigte das Bezirksgericht Baden als Pflegschaftsgericht die Änderung der Stiftungserklärung vom , worin die Stiftungserklärung (Stiftungsurkunde) zur Errichtung der Privatstiftung vom vom Sohn genehmigt werde, sowie die Änderung der Stiftungszusatzurkunde vom , worin die Stiftungszusatzurkunde vom vom Sohn genehmigt werde. In diesem Verfahren hatte der Oberste Gerichtshof zu GZ 1 Ob 166/04z ausgeführt, mangels pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung der Stiftungserklärung des Sohns vom sei die Privatstiftung teilnichtig bzw schwebend unwirksam gewesen; von einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Änderung der Stiftungserklärung vom würden nicht nur die darin enthaltenen Änderungen erfasst, sondern auch die Mitwirkung des Sohns an der seinerzeitigen Errichtung der Privatstiftung. Der Stiftungsvorstand beantragt die Eintragung der Neufassung der Stiftungsurkunde vom und der Stiftungszusatzurkunde vom .

Das Erstgericht wies diesen Antrag zur Gänze ab. Im Rahmen der Änderung der Stiftungserklärung begebe sich die Großmutter ihrer Rechte und ihrer Stellung als Mitstifter. Auf die Stellung eines Stifters könne aber nicht verzichtet werden. Ein Stifter könne nur durch Tod wegfallen. Die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Änderung der Stiftungserklärung umfasse nicht auch deren Zulässigkeit nach Privatstiftungsrecht.

Das Rekursgericht trug dem Erstgericht die Eintragung der Neufassung der Stiftungszusatzurkunde vom auf, bestätigte im Übrigen jedoch die Abweisung der Eintragung der Neufassung der Stiftungsurkunde vom . Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob ein Stifter seine Stifterstellung durch Rechtsgeschäft aufgeben könne und ob die nachträgliche Streichung der Namensnennung eines Stifters in der Stiftungsurkunde zulässig sei. Die Rekurslegitimation des Stiftungsvorstands ergebe sich aus seiner Verpflichtung gemäß § 33 Abs 3 PSG, Änderungen der Stiftungsurkunde zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden; auch der Oberste Gerichtshof sei in seiner Entscheidung 6 Ob 187/03y implicite von einer Rechtsmittellegitimation des Stiftungsvorstands in einem Verfahren betreffend die Genehmigung von Änderungen der Stiftungsurkunde ausgegangen. Während die Stellung eines Gesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung einem Dauer(schuld)verhältnis entspreche, das auch unter Lebenden durch Rechtsgeschäft beendet werden kann, spreche die Stifterstellung kein derartiges Verhältnis mit der Privatstiftung an. Der Stifter habe keinerlei Rechte in der Stiftung, sofern er sich nicht solche vorbehalten habe. Das Wort „Stifter" beziehe sich vielmehr auf den einen historischen, unaufhebbaren Akt der am Beginn einer Stiftung stehenden Widmung des Stiftungsvermögens; dieses historische Faktum sei aber irreversibel. Der Stifter könne zwar auf seine Stifterrechte, nicht aber auf seine Stifterstellung verzichten. Er könne auch nicht aus der Privatstiftung ausscheiden oder „aussteigen", sei er doch weder Mitglied noch Teilhaber noch Beteiligter seiner Stiftung. Soweit in der Literatur ein derartiger Verzicht für den Fall einer Stiftermehrheit bejaht werde, weil zumindest ein Stifter „übrigbleiben" müsse, verstoße dies gegen den Gleichheitsgrundsatz; es wäre nicht einzusehen, warum bei einer Stiftung mit mehreren Stiftern zunächst einzelne Stifter „ausscheiden" können sollten, nicht hingegen der einzige oder der „letzte" Stifter. Könne aber ein Stifter seine Stellung nicht aufgeben, komme auch eine Streichung in der Stiftungsurkunde nicht in Betracht; nach § 9 Abs 1 Z 5 PSG gehöre der Name des Stifters zum obligatorischen Inhalt der Stiftungsurkunde.

Der Revisionsrekurs des Stiftungsvorstands gegen die Abweisung des Antrags auf Eintragung (auch) der Neufassung der Stiftungsurkunde vom ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Der erkennende Senat hat - wenn auch lediglich implicite - eine Antrags- und Rechtsmittellegitimation des Stiftungsvorstands einer Privatstiftung nicht nur in einem Genehmigungsverfahren nach § 33 Abs 2 PSG (vgl die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 6 Ob 187/03y = SZ 2004/44), sondern auch in einem Verfahren zur Eintragung einer Privatstiftung (6 Ob 332/98m = RdW 1999, 409) bejaht. Daran ist schon allein im Hinblick auf die den Stiftungsvorstand treffenden Verpflichtungen nach § 33 Abs 3 PSG auch bei der vorliegenden Konstellation festzuhalten.

2. Der Revisionsrekurs wiederholt den Rechtsstandpunkt, auf Grund der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Änderung der Stiftungserklärung bzw der Stiftungszusatzerklärung vom sei (auch) von deren privatstiftungsrechtlicher Zulässigkeit auszugehen; hätte der Oberste Gerichtshof diesbezüglich Bedenken gehabt, hätte er in der Entscheidung 1 Ob 166/04z nicht dem Pflegschaftsgericht die Prüfung des Wohls des Sohns aufgetragen. Mit dieser Argumentation wird aber übersehen, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Beurteilung allfälliger anderer Mängel des Rechtsgeschäfts, an dem der Pflegebefohlene beteiligt ist, nicht Inhalt der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung nach § 154 Abs 3 ABGB ist (8 Ob 95/02g = EFSlg 100.261); die Genehmigung kann daher auch keine Aussage darüber enthalten, ob der genehmigte Vertrag etwa nichtig oder anfechtbar ist (1 Ob 322/99f = EFSlg 93.024; 7 Ob 8/02f).

3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass auf Grund der mangelnden Geschäftsfähigkeit des Sohns und des Fehlens der Vertretungsbefugnis des Vaters bei der Errichtung der Privatstiftung im Jahr 1996 sowie der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung die Privatstiftung teilnichtig bzw schwebend unwirksam war; diese Mängel wurden auch durch ihre Eintragung im Firmenbuch nicht geheilt (1 Ob 166/04z = EvBl 2005/50). Der Sohn hat allerdings nunmehr im Notariatsakt vom die Stiftungserklärung (Stiftungsurkunde) zur Errichtung der Privatstiftung vom genehmigt. Er war dabei von seiner Mutter und gesetzlichen Vertreterin vertreten. Diese Erklärung wurde außerdem vom zuständigen Pflegschaftsgericht genehmigt (Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom , GZ 2 P 2292/95d). Die ursprüngliche Teilnichtigkeit bzw schwebende Unwirksamkeit der Errichtung der Privatstiftung auf Grund der Stiftungsurkunde vom ist daher beseitigt.

4. Gegenstand des Revisionsrekurses ist somit die Frage der Zulässigkeit der Änderung der Stiftungserklärung vom . In diesem Zusammenhang billigt aber der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht des Rekursgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass darauf uneingeschränkt verwiesen werden kann (§ 71 Abs 2 AußStrG iVm § 15 FBG).

Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung ist es nicht zwingend, dass ein Stifter auf seine Stifterstellung an sich verzichten können muss, weil er sich auch seiner Stifterrechte begeben kann. Maßgeblich ist vielmehr, dass sich die Stifterstellung grundsätzlich im historischen Akt der Stiftung erschöpft. Der Stifter ist nach Entstehen der Stiftung weder Mitglied oder Beteiligter oder Teilhaber der Stiftung noch Eigentümer des Stiftungsvermögens (6 Ob 61/04w = NZ 2005/63). Darüber hinaus wäre es nicht einsichtig, warum ein Stifter zwar auf seine Stifterstellung verzichten, also aus der Stiftung „aussteigen" oder „ausscheiden" können sollte, ein nachträglicher Beitritt als Stifter jedoch unzulässig ist (1 Ob 166/04z mwN).

§ 9 Abs 1 Z 5 PSG sieht die Nennung des Stifters als zwingenden Bestandteil der Stiftungsurkunde vor. Auch wenn Publizitätserfordernisse möglicherweise nicht gegen eine nachträgliche „Streichung" des Stifters sprechen, stellt diese Bestimmung doch eher einen Hinweis auf die Absicht des Gesetzgebers dar, die Person des Stifters ein für allemal klarzustellen. Ansonsten wäre ja die Rede vom „ersten Stifter" oder den „derzeitigen Stiftern".

Die Auffassung, dass auf die Stifterstellung an sich nicht verzichtet werden kann, entspricht jener der überwiegenden Lehre. So meinen N. Arnold (Kommentar zum Privatstiftungsgesetz [2002] § 3 Rz 15) und H. Torggler (Ein Plädoyer für die „offene Privatstiftung", FS Peter Doralt [2004] 651), die Stifterstellung sei unverzichtbar (N. Arnold) bzw unterliege keiner nachträglichen Disposition (H. Torggler). Mager (Der „Ausstieg" aus der Privatstiftung - Eine zulässige Exit-Strategie bei Stiftermehrheit?, RdW 2005, 408) meint zwar, (allerdings nur) bei Stiftermehrheit sei ein Verzicht auf die Stifterstellung möglich; dies ergebe sich aus § 3 Abs 3 PSG und der Pflicht zur Gleichbehandlung von natürlichen und juristischen Personen. Allerdings hat dem bereits das Rekursgericht zutreffend entgegengehalten, es bedeute eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, den Stiftern den Ausstieg zu ermöglichen, dem zuletzt übrig gebliebenen diese Möglichkeit aber zu versagen. Der Revisionsrekurs setzt sich mit dieser Argumentation nicht auseinander.

Dem Revisionsrekurs war damit der Erfolg zu versagen.