OGH vom 29.09.2016, 5Ob69/16g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** S*****, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Zistersdorf, gegen die beklagte Partei S***** P*****, vertreten durch die Hofbauer Wagner Rechtsanwälte KG in St. Pölten, wegen Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert 24.781,44 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 19/16s 33, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die Beklagte zeigt in ihrer Revision keine Rechtsfrage auf, der iSd § 502 Abs 1 ZPO zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Die Realteilung (= Naturalteilung) hat den gesetzlichen Vorrang vor der Zivilteilung (§ 843 ABGB). Ein Klagebegehren auf Zivilteilung ist daher abzuweisen, wenn eine Realteilung möglich ist (vgl RIS Justiz RS0013236). Eine Realteilung ist regelmäßig dann möglich und tunlich, wenn die Sache (physisch bzw im Rechtssinn) geteilt werden kann, ohne dass es im Verhältnis der Summe der Einzelwerte zum Wert der ungeteilten Sache zu einer wesentlichen Wertminderung käme und die Sache zwischen den Teilhabern so aufgeteilt werden kann, dass die entstehenden Teile den Anteilen etwa gleichwertig und diese annähernd gleich beschaffen sind, ohne dass ein unverhältnismäßiger Wertausgleich notwendig wird. Unverhältnismäßige Kosten, insbesondere notwendige Aufwendungen für Umbaumaßnahmen können die Realteilung unzulässig machen (RIS Justiz RS0013829 [T12], RS0013831 [T9], RS0013856 [T10], RS0013854 [T8]).
1.2 Da es sich bei der Teilung einer Liegenschaft durch Begründung von Wohnungseigentum um eine Sonderform der Realteilung handelt, gelten die für die Realteilung nach § 843 ABGB aufgestellten Grundsätze auch für die Begründung von Wohnungseigentum durch Richterspruch nach § 3 Abs 1 Z 3 WEG 2002 (RIS Justiz RS0110439). Daher hat die gerichtliche Wohnungseigentumsbegründung jedem Miteigentümer entsprechend seinem Anteil Wohnungseigentum einzuräumen. Voraussetzung dafür ist aber, dass überhaupt wohnungseigentumsfähige Objekte in ausreichender Zahl vorhanden sind oder ohne unverhältnismäßigem Aufwand geschaffen werden können, und dass die Miteigentümer auch über ausreichende Mindestanteile verfügen, die die Zuweisung von Sondernutzungsrechten an konkreten Objekten erlauben (RIS Justiz RS0101771 [T3]).
2.1 Auf Basis der im Grundbuch eingetragenen Miteigentumsanteile ist es im vorliegenden Fall aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht möglich, jedem Miteigentümer entsprechend seinem Anteil Wohnungseigentum einzuräumen. Die Begründung von Wohnungseigentum würde einen nicht nur geringfügigen Wertausgleich oder unverhältnismäßige Kosten für Umbaumaßnahmen erfordern. Das bestreitet die Beklagte auch nicht. In ihrer Revision macht sie vielmehr geltend, dass sie aufgrund eines außerbücherlichen Eigentumserwerbs ihrer Rechtsvorgängerin gemäß § 418 dritter Satz ABGB Eigentümerin eines entsprechend größeren Miteigentumsanteils sei, der die gerichtliche Wohnungseigentumsbegründung ermögliche.
2.2 Wenn jemand mit eigenen Materialien auf fremdem Grund gebaut hat, tritt gemäß § 418 dritter Satz ABGB im Zeitpunkt der Bauführung (als eine der Ausnahmen des Eintragungsgrundsatzes des § 431 ABGB) kraft Gesetzes ein außerbücherlicher originärer Eigentumserwerb des Bauführers an der Grundfläche ein, wenn der Grundeigentümer von der Bauführung weiß und sie dem redlichen Bauführer nicht sogleich untersagt. Das Berufungsgericht hat hier einen solchen Eigentumserwerb nach § 418 dritter Satz ABGB mit der Begründung verneint, dass diese Bestimmung auf den Miteigentümer, der mit eigenen Materialien auf dem gemeinschaftlichen Grund baut, nicht anzuwenden ist (vgl 6 Ob 196/63 = SZ 36/117; RIS Justiz RS0011096).
2.3 Die Beklagte weist in ihrer Revision grundsätzlich zutreffend daraufhin, dass ihre Rechtsvorgängerin und „Bauführerin“ zum Zeitpunkt der Bauführung iSd § 418 ABGB (noch) nicht Miteigentümerin der Liegenschaft gewesen sei, sie vielmehr erst später auch derivativ Miteigentumsanteile erworben habe. Das Berufungsgericht habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten daher zu Unrecht einem Miteigentümer gleichgestellt.
2.4 Diese – von der Beklagten zur Begründung der Revisionszulässigkeit geltend gemachte – Rechtsfrage ist im vorliegenden Fall aber nicht präjudiziell. Die Anwendung der Bestimmung des § 418 dritter Satz ABGB kommt schon aus einem anderen Grund nicht in Betracht. Der – dafür beweispflichtigen – Beklagten ist nämlich der Beweis nicht gelungen, dass ihre Rechtsvorgängerin iSd § 418 dritter Satz ABGB „mit eigenen Materialien“ auf fremdem Grund gebaut hat. Das Erstgericht hat in diesem Zusammenhang Negativfeststellungen getroffen. Selbst bei einer Bauführung teils mit eigenen, teils mit Materialien des Grundeigentümers ginge das Eigentum am Grund nicht auf den Bauführer über; vielmehr fiele dem Grundeigentümer das auf seinem Grund errichtete Gebäude zu (4 Ob 559/69 = SZ 42/108 = RIS Justiz RS0012020; Mader in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.02 § 418 ABGB Rz 10; Illedits in Schwimann , ABGB Taschenkommentar³ § 418 ABGB Rz 8; Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek , ABGB Praxiskommentar 4 § 418 ABGB FN 41). Eine Auseinandersetzung mit der von der Beklagten aufgeworfenen Frage der Gleichstellung des Miteigentümers mit dem „Nichteigentümer“ zum Zeitpunkt der Bauführung und späteren Erwerber von Miteigentumsanteilen (sowie mit den weiteren Voraussetzungen der Redlichkeit der Bauführerin und der Subsidiarität der Vorschrift des § 418 dritter Satz ABGB gegenüber einer Vereinbarung über die Bauführung) erübrigt sich hier daher. Fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus
(RIS Justiz RS0088931 [T8]).
3. Die Revision war daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
4. Der Kläger hat die außerordentliche Revision der Beklagten vor einer Zulassungsmitteilung im Sinn des § 508a Abs 2 ZPO beantwortet, die Revision wurde aber als unzulässig zurückgewiesen. Die Kosten dieser Revisionsbeantwortung sind daher nicht zu honorieren (RIS Justiz RS0043690 [T1, T 6, T 7]).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00069.16G.0929.000